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Volljährigenadoption – Voraussetzungen

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 13 UF 48/18 – Beschluss vom 30.05.2018

Auf die Beschwerden der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 12. Februar 2018 abgeändert:

Herr T… W…

nimmt auf Grund der §§ 1767 I, II 1, 1768 I 1 BGB

Herrn B… W…

als Kind an.

Die Kosten des Verfahrens werden unter dem Annehmenden und dem Anzunehmenden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten wenden sich gegen die Abweisung ihres Antrages, die Annahme als Kind auszusprechen.

I.

Die 1955 geborene Mutter des Anzunehmenden, Frau H… W…, geb. …, lebte von 1995 bis 1999 mit dem Vater des Anzunehmenden, Herrn P… S…, in nichtehelicher Gemeinschaft. Der Anzunehmende wurde 1996 geboren.

Mitte 1999 trennten sich die Eltern des Anzunehmenden. Herr S… begann eine neue Lebensgemeinschaft mit einer Frau, die bereits Mutter dreier minderjähriger Kinder war.

Der Anzunehmende lebte nach der Trennung im Haushalt seiner Mutter. Sie lernte Anfang 2000 den 1964 geborenen Annehmenden kennen, der im Mai 2000 in ihren Haushalt zog. Im August 2001 heirateten die Mutter des Anzunehmenden und der Annehmende. Die Eheleute führen als Ehenamen den Namen des Annehmenden. Sie erteilten diesen Namen sogleich nach der Eheschließung dem Anzunehmenden.

Die Familie des Annehmenden, seiner Ehefrau und des Anzunehmenden und die Familie des Vaters des Anzunehmenden, seiner Lebenspartnerin und deren Kinder wohnten wenige hundert Meter voneinander entfernt. Der Anzunehmende besuchte seinen Vater mehrmals im Jahr. Noch heute treffen sich beide zu kurzen Besuchen. Der Anzunehmende bezeichnet das persönliche Verhältnis zu seinem Vater als sehr gut.

Im Juli 2014 gründete der Anzunehmende mit dem Beginn seiner Berufsausbildung einen eigenen Haushalt. Er besucht seine Mutter und den Annehmenden regelmäßig. In deren Haushalt steht ihm das vormals von ihm bewohnte Zimmer noch immer zur Verfügung.

Weder der Annehmende noch der Anzunehmende sind Väter von Kindern. Der Anzunehmende ist nicht verheiratet und nicht Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Der Annehmende hat zwei ältere Geschwister; die Eltern leben nicht mehr.

Der Annehmende und der Anzunehmende haben die Ausfertigung einer notariellen Urkunde vorgelegt (Bl. 2 ff.): Sie haben gemeinsam die Annahme als Kind beantragt. Der Anzunehmende hat erklärt, er wünsche die Wirkung einer Minderjährigenannahme nicht. Die Mutter des Anzunehmenden, die an der Beurkundung teilgenommen hat, hat erklärt, sie willige in die Annahme ihres Sohnes als Kind ihres Ehemannes ein.

Das Amtsgericht hat die Beteiligten und die Mutter des Anzunehmenden persönlich angehört. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es den Antrag abgewiesen. Es hat gemeint, eine Volljährigenadoption komme regelmäßig nicht in Betracht, wenn, wie hier, eine ungestörte Beziehung des Anzunehmenden zu seinem Vater bestehe. Der Respekt vor der natürlichen Eltern-Kind-Beziehung fordere, sie nicht durch eine „Wegadoption“ zu zerstören oder ihr den angemessenen Rang zu nehmen.

Dagegen wenden sich beide Beteiligte mit ihren Beschwerden: Von einer „Wegadoption“ könne nicht die Rede sein. Die Besuche und Gespräche zwischen dem Anzunehmendem und seinem Vater hätten eine Vater-Sohn-Beziehung nie entstehen lassen. Der Anzunehmende sei in der Familie seiner Mutter und des Annehmenden aufgezogen worden.

Die Beteiligten beantragen, den angefochtenen Beschluss abzuändern und dem Antrag des Annehmenden und des Anzunehmenden zur Annahme als Kind stattzugeben.

Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen.

II.

1. Der Senat hat den Annehmenden und den Anzunehmenden persönlich angehört (§ 192 I FamFG). Die vom Amtsgericht durchgeführten Anhörungen lassen die erneute Anhörung nicht entbehrlich werden, wenn in Betracht gezogen werden muss, den angefochtenen Beschluss abzuändern. Soll die Adoption ausgesprochen werden, so dient die Anhörung dazu, dem Gericht die tatsächlichen Voraussetzungen zu vermitteln. Es soll sich wegen der besonderen Tragweite der anstehenden Entscheidung aus den persönlichen Anhörungen einen Eindruck über die Beziehungen zwischen Annehmendem und Anzunehmendem verschaffen, die Voraussetzungen für die Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung einer Volljährigenadoption prüfen und auf diese Weise einen Missbrauch des Adoptionsverfahrens verhindern (Musielak/Borth-Borth/Grandel, FamFG, 5. Aufl. 2015, § 192 Rdnr. 2 f.; Keidel-Engelhardt, 19. Aufl. 2017, § 192 Rdnr. 3).

2. Die Ehefrau des Annehmenden ist nicht am Verfahren beteiligt und nicht anzuhören. Die Beteiligung des Ehepartners (§ 188 I Buchst. c FamFG) dient der Erklärung oder Verweigerung der Einwilligung in die Adoption. Ist die Einwilligung nicht erforderlich, ist er demnach nicht zu beteiligen (MüKo-FamFG-Maurer, 2. Aufl. 2013, § 188 Rdnr. 10). Die Einwilligung der Ehefrau des Annehmenden (§§ 1767 II 1, 1749 I 1 BGB) ist nicht erforderlich. Das Einwilligungserfordernis erfasst nur Konstellationen, in denen der Anzunehmende allein Kind des verheirateten Annehmenden wird, damit dessen Ehegatte die neue Verwandtschaftsbeziehung, an der er nicht beteiligt wäre, verhindern kann. Nimmt aber – wie hier – ein Ehegatte (der Annehmende) das Kind des anderen an (§ 1741 II 3 BGB), so wird der Anzunehmende gemeinschaftliches Kind der Ehegatten (§§ 1767 II 1, 1754 I BGB).

3. Der Vater der Anzunehmenden ist am Verfahren nicht beteiligt, weil die Wirkungen einer Minderjährigenadoption nicht beabsichtigt sind (§ 188 Nr. 1 Buchst. b FamFG). Seine Einwilligung in die Adoption ist nicht erforderlich, weil der Anzunehmende volljährig ist. § 1747 BGB gilt nicht (§ 1768 I 2 BGB).

4. Die Eltern des Anzunehmenden haben, um etwaige Verfahrensrechte geltend zu machen und um etwaige der Adoption entgegenstehende eigene Interessen vorzutragen, Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Mutter des Anzunehmenden hat bei der Beurkundung des Antrages erklärt, sie stimme dem Antrag zu.

III.

Die Beschwerde ist begründet.

Der Antrag des Annehmenden und des Anzunehmenden, die Annahme der volljährigen Anzunehmenden auszusprechen (§ 1768 I 1 BGB), ist begründet.

Die Annahme ist sittlich gerechtfertigt (§ 1767 I BGB). Der Senat hat sich in der persönlichen Anhörung des Annehmenden und des Anzunehmenden davon überzeugen können, dass zwischen beiden seit dem Kindesalter des Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Sie lebten mit der Mutter der Anzunehmenden und Ehefrau des Annehmenden als Familie zusammen, bis der Anzunehmende dieses Elternhaus als Erwachsener verlassen hat. Das familiäre Band besteht fort, nachdem der Anzunehmende persönliche und wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt hat. Es besteht eine enge, persönliche Verbindung, die in gegenseitigen Besuchen erkennbar wird.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts, auf die es den angefochtenen Beschluss gestützt hat, steht das persönliche Verhältnis des Anzunehmenden zu seinem Vater einer sittlichen Rechtfertigung der Adoption nicht entgegen. Der Begriff einer „Wegadoption“ ist jedenfalls in den Fällen irreführend, in denen – wie hier – die Wirkung einer Minderjährigenannahme („Volladoption“) nicht gewollt ist (§ 1772 BGB), weil das Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seinem Vater nicht erlischt; § 1755 BGB gilt nicht (§ 1770 II BGB und arg. ex § 1772 I 1 BGB). An der sittlichen Rechtfertigung wäre dennoch zu zweifeln, wenn die Adoption dazu dienen sollte, ein bestehendes und erhaltenswertes persönliches Verhältnis, das auf der natürlichen Verwandtschaft beruht, zu zerstören, zu schwächen oder irgendwie in Frage zu stellen. Dem erwachsenen, persönlich selbständigen Anzunehmenden steht es indes frei, das Verhältnis zu seinem Vater von der Adoption völlig unbeeinflusst fortzuführen; ebenso könnte er es ohne die Adoption lockern oder beenden. Es ist nicht zu befürchten, dass einer der Beteiligten die Absicht verfolgt, mit der Adoption auf das Verhältnis des Anzunehmenden zu seinem Vater einzuwirken. Dass der Anzunehmende einer persönlichen Einflussnahme oder gar einem psychischen Druck durch den Annehmenden ausgesetzt wäre oder dass der Annehmende irgendein Interesse an der zukünftigen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Anzunehmendem und dessen Vater verfolgt, ist weder in den schriftlichen Stellungnahmen noch in den persönlichen Anhörungen erkennbar geworden.

Eine Fallkonstellation wie die hier zu beurteilende zeigt, dass die sittliche Rechtfertigung einer Volljährigenadoption nicht in der Regel voraussetzt, dass die leiblichen Eltern des Anzunehmenden verstorben sind oder die Beziehung des Anzunehmenden zu ihnen nachhaltig gestört ist (so OLG Stuttgart, FamRZ 2015, 592, 593; OLG Bremen, FamRZ 2017, 722, 723; anders – wie hier -: OLG München, FamRZ 2017, 1238, 1239). Der Respekt vor einer langen natürlichen Eltern-Kind-Beziehung kann als Beurteilungskriterium der sittlichen Rechtfertigung herangezogen werden, die mit dem Ergebnis enden kann, diese Beziehung nicht durch die Adoption zu zerstören oder ihr ihren angemessenen Rang zu nehmen. Die hier aus den Stellungnahmen und den Anhörungen deutlich gewordenen Verhältnisse zeigen indes ein nicht besonders intensives Verhältnis zwischen dem Anzunehmen und seinem Vater. Ein Familienleben im Sinne einer alltäglichen häuslichen Gemeinschaft hat es nur bis zum dritten Lebensjahr des Anzunehmenden gegeben. Die Adoption tritt nicht als störender Faktor in das Verhältnis zum Vater, sondern als ein bestätigender in das Verhältnis zum Annehmenden. Die rechtliche Bestätigung dieses tatsächlich über viele Jahre gelebten Verhältnisses geschieht nicht auf Kosten der ohnehin nur lockeren Beziehung zwischen Vater und Sohn.

Ein Annahmeverbot nach § 1769 BGB kommt nicht in Betracht. Weder der Annehmende noch der Anzunehmende sind Väter von Kindern.

Interessen der Geschwister des Annehmenden stehen der sittlichen Rechtfertigung der Annahme nicht entgegen (§ 1767 I BGB). Die Geschwister verlieren ihr gesetzliches Erbrecht (§ 1925 I, III BGB), wenn der Anzunehmende als Erbe erster Ordnung hinzutritt (§§ 1924 I, 1930 BGB). Zum einen besteht kein Anspruch oder auch nur ein berechtigtes Interesse, vor dem Hinzutreten weiterer gesetzlicher Erben bewahrt zu werden. Zum anderen könnte der Annehmende seine Geschwister durch Testament oder Erbvertrag vom Erbrecht ausschließen. Ein Pflichtteilsanspruch bliebe ihnen auch dann nicht (§ 2303 BGB). An der sittlichen Rechtfertigung einer Adoption könnte dennoch zu zweifeln sein, wenn sie allein mit der Absicht betrieben wird, erbrechtliche Folgen auszulösen und wenn damit eine Schädigungsabsicht gegenüber den weichenden Erben verfolgt wird. Nach dem gesetzlichen Leitbild wird die Annahme als Kind, also die Erweiterung des rechtlichen Verwandtenkreises, Zweck der Adoption sein müssen und nicht nur Mittel zum Zweck des Ausschlusses vorhandener Verwandter von Rechten oder Ansprüchen, die aus der Verwandtschaft folgen. Für eine solche Schädigungsabsicht ist im hier zu beurteilenden Falle aber nichts ersichtlich geworden.

Einer Entscheidung über eine Namensänderung des Anzunehmenden bedarf es nicht. Anträge nach § 1757 III BGB sind nicht gestellt worden. Sollte der Geburtsname nicht bereits durch die Einbenennung geändert worden sein, so tritt die Änderung des Geburtsnamens des Angenommenen kraft Gesetzes ein (§§ 1767 II 1, 1757 I BGB), ohne dass es dazu einer Entscheidung des Gerichts bedarf.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 I 1 FamFG, die Wertfestsetzung auf den §§ 55 II, 42 II, III FamGKG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 III 1 FamFG).

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