Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Gericht kippt Entscheidung des Familiengerichts: Volljährigenadoption im Fokus
- Der Fall: Onkel will Neffen adoptieren – Hofnachfolge und familiäre Verantwortung im Blick
- Antrag auf Volljährigenadoption: Emotionale Bindung und wirtschaftliche Gründe
- Ablehnung durch das Amtsgericht: Intakte Elternbeziehung als Hindernis?
- Beschwerde beim OLG Karlsruhe: Fokus auf tatsächliche Eltern-Kind-Beziehung
- Entscheidung des OLG: Adoption trotz bestehender Elternbeziehung möglich
- Sittliche Rechtfertigung der Adoption: Familiäre Verantwortung und Hofnachfolge anerkannt
- Keine Beeinträchtigung der Rechte der leiblichen Eltern: Fortbestehen der familiären Bindungen
- Namensführung und Rechtswirkungen der Adoption nach § 1770 BGB
- Bedeutung des Urteils für Betroffene: Flexibilität bei der Volljährigenadoption
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Unter welchen Umständen ist eine Volljährigenadoption in Deutschland überhaupt möglich?
- Was bedeutet „sittliche Rechtfertigung“ im Zusammenhang mit einer Volljährigenadoption?
- Welche Auswirkungen hat eine Volljährigenadoption auf das Erbrecht?
- Welche Rolle spielt das Familiengericht im Adoptionsverfahren und wie läuft ein solches Verfahren ab?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Karlsruhe
- Datum: 20.07.2023
- Aktenzeichen: 18 UF 72/23
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren zur Volljährigenadoption
- Rechtsbereiche: Familienrecht
- Beteiligte Parteien:
- Annehmende: E. S. N. – Derjenige, der als Antragsteller die Volljährigenadoption seines Neffen anstrebt, bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb und lebt mit seinen älteren Eltern.
- Anzunehmende: J. M. N. – Der Neffe, der im Rahmen des Verfahrens als Kind angenommen werden soll und ein duales Studium absolviert.
- Um was ging es?:
- Sachverhalt: Die Parteien begehren die Durchführung einer Volljährigenadoption, bei der der Annehmende seinen Neffen als adoptiertes Kind aufnehmen möchte. Die Annahme soll gemäß § 1770 BGB wirken und beinhaltet, dass der Anzunehmende den Familiennamen des Annehmenden führt.
- Kern des Rechtsstreits: Es wurde darüber gestritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die beantragte Volljährigenadoption rechtswirksam durchgeführt werden kann, insbesondere im Hinblick auf die damit verbundenen Namensregelungen und die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen.
- Was wurde entschieden?:
- Entscheidung: Das OLG Karlsruhe änderte den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Überlingen und stellte fest, dass der Anzunehmende als Kind vom Annehmenden angenommen wird. Die Wirkungen der Annahme richten sich nach § 1770 BGB, der Anzunehmende übernimmt den Familiennamen des Annehmenden, und beide Parteien tragen die Gerichtskosten je zur Hälfte. Der Verfahrenswert wurde auf 300.000 € festgesetzt.
- Folgen: Die Entscheidung bewirkt, dass die Volljährigenadoption rechtswirksam durchgeführt wird und die familiären Rechtsverhältnisse entsprechend neu geregelt sind. Beide Parteien tragen die anfallenden Gerichtskosten zu gleichen Teilen, und das Urteil ändert die frühere Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Überlingen.
Der Fall vor Gericht
Gericht kippt Entscheidung des Familiengerichts: Volljährigenadoption im Fokus

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) hat mit einem Beschluss vom 20. Juli 2023 (Az.: 18 UF 72/23) ein Urteil des Amtsgerichts Überlingen abgeändert und damit einer Volljährigenadoption stattgegeben. Im Kern des Falls stand die Frage, ob eine Adoption auch dann möglich ist, wenn der Anzunehmende weiterhin eine intakte Beziehung zu seinen leiblichen Eltern pflegt. Das OLG Karlsruhe bejahte dies und setzte damit ein Zeichen für eine flexible Auslegung des Adoptionsrechts bei Erwachsenen.
Der Fall: Onkel will Neffen adoptieren – Hofnachfolge und familiäre Verantwortung im Blick
Im konkreten Fall begehrte ein lediger und kinderloser Landwirt (der Annehmende) die Adoption seines Neffen (der Anzunehmende). Beide Männer leben in Baden-Württemberg. Der Anzunehmende studiert Agrarwirtschaft und unterstützt seinen Onkel bereits seit seiner Kindheit auf dessen landwirtschaftlichem Betrieb mit Rinderhaltung. Der Onkel wohnt mit seinen betagten Eltern auf dem Hof und sieht in seinem Neffen den zukünftigen Hofnachfolger und eine wichtige Stütze bei der Pflege seiner Eltern.
Antrag auf Volljährigenadoption: Emotionale Bindung und wirtschaftliche Gründe
Die beiden Männer begründeten ihren Adoptionsantrag vor dem Amtsgericht mit einer tiefen, elternähnlichen Beziehung. Der Neffe habe schon als Kind viel Zeit auf dem Hof des Onkels verbracht und ihm geholfen. Zudem argumentierten sie mit der zukünftigen Hofnachfolge und der erwarteten Pflegebedürftigkeit der Großeltern. Sie betonten, dass die Adoption keine „Volladoption“ sein solle, um die Rechte der leiblichen Eltern nicht zu beschneiden und beantragten keine Namensänderung.
Ablehnung durch das Amtsgericht: Intakte Elternbeziehung als Hindernis?
Das Amtsgericht Überlingen wies den Adoptionsantrag jedoch zurück. Die Richter argumentierten, dass die bestehende, intakte Eltern-Kind-Beziehung des Neffen zu seinen leiblichen Eltern der Adoption entgegenstehe. Das Gericht sah in den vorgebrachten Gründen, insbesondere der Hofnachfolge und der erwarteten Pflege der Großeltern, auch finanzielle Motive und zweifelte an der „sittlichen Rechtfertigung“ der Adoption. Es unterstellte den Antragstellern zudem eine verfahrenstaktische Motivation in Bezug auf die Darstellung des Verhältnisses zum leiblichen Vater.
Beschwerde beim OLG Karlsruhe: Fokus auf tatsächliche Eltern-Kind-Beziehung
Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts legte der Onkel Beschwerde beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein. Das OLG hörte die Beteiligten erneut an und vernahm zusätzlich die Mutter des Anzunehmenden als Zeugin. Auch der leibliche Vater nahm schriftlich Stellung. Das OLG Karlsruhe prüfte den Fall eingehend und legte den Fokus auf die Frage, ob tatsächlich ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen Onkel und Neffe besteht, unabhängig von der Beziehung zu den leiblichen Eltern.
Entscheidung des OLG: Adoption trotz bestehender Elternbeziehung möglich
Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Beschwerde statt und hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Das OLG entschied, dass die Adoption des Neffen durch den Onkel zulässig ist. Entscheidend für das Gericht war die Feststellung, dass zwischen Onkel und Neffe tatsächlich ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, das über das übliche Onkel-Neffe-Verhältnis hinausgeht. Das Gericht würdigte die langjährige enge Bindung und die gegenseitige Verantwortung, die die beiden Männer füreinander empfinden.
Sittliche Rechtfertigung der Adoption: Familiäre Verantwortung und Hofnachfolge anerkannt
Das OLG Karlsruhe erkannte die Sittliche Rechtfertigung der Adoption an. Das Gericht betonte, dass die Adoption nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern vor allem aus dem Wunsch nach familiärer Verantwortung und Absicherung erfolgt. Die Richter würdigten die Bereitschaft des Neffen, Verantwortung für den landwirtschaftlichen Betrieb und die älter werdenden Großeltern zu übernehmen. Die Hofnachfolge und die Sicherstellung der familiären Strukturen wurden als legitime und nachvollziehbare Motive für die Adoption anerkannt.
Keine Beeinträchtigung der Rechte der leiblichen Eltern: Fortbestehen der familiären Bindungen
Das OLG stellte klar, dass die Adoption die Rechte der leiblichen Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die bestehende Beziehung des Neffen zu seinen leiblichen Eltern bleibe trotz der Adoption bestehen. Das Gericht betonte, dass es sich um eine Volljährigenadoption handelt, bei der der Anzunehmende seine eigenen Entscheidungen treffen kann und die Adoption einvernehmlich erfolgt. Die Adoption diene in diesem Fall dazu, die bereits bestehende familiäre Bindung rechtlich zu festigen und die Verantwortlichkeiten klar zu regeln.
Namensführung und Rechtswirkungen der Adoption nach § 1770 BGB
Das OLG Karlsruhe legte fest, dass der Anzunehmende den Familiennamen des Annehmenden, „N.“, als Geburtsnamen führt. Die weiteren Wirkungen der Adoption richten sich nach § 1770 BGB. Dies bedeutet, dass mit der Adoption ein vollwertiges Eltern-Kind-Verhältnis zwischen Onkel und Neffe entsteht, mit allen Rechten und Pflichten, die sich daraus ergeben, insbesondere im Erbrecht und Unterhaltsrecht. Die bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen zu den leiblichen Eltern bleiben jedoch bestehen, wenn es sich – wie hier – nicht um eine Volladoption im Sinne einer Adoption eines Minderjährigen handelt, bei der die Bindungen zu den ursprünglichen Eltern vollständig gekappt werden.
Bedeutung des Urteils für Betroffene: Flexibilität bei der Volljährigenadoption
Das Urteil des OLG Karlsruhe ist von großer Bedeutung für die Praxis der Volljährigenadoption in Deutschland. Es zeigt, dass die Gerichte bei der Prüfung von Adoptionsanträgen Erwachsener flexibler werden und die individuellen Umstände des Einzelfalls stärker berücksichtigen. Das Urteil macht deutlich, dass eine Adoption auch dann möglich ist, wenn der Anzunehmende weiterhin Kontakt zu seinen leiblichen Eltern hat und die Adoption nicht ausschließlich aus wirtschaftlichen Motiven erfolgt. Es stärkt die Anerkennung von gewachsenen, familiären Bindungen und ermöglicht es, diese auch rechtlich abzusichern, selbst wenn traditionelle Familienstrukturen nicht vollständig ersetzt werden.
Für Betroffene, die eine Volljährigenadoption in Erwägung ziehen, bedeutet das Urteil des OLG Karlsruhe eine Ermutigung. Es zeigt, dass Gerichte bereit sind, auch ungewöhnlichere Konstellationen anzuerkennen, wenn eine echte Eltern-Kind-Beziehung besteht und die Adoption dem Wohl aller Beteiligten dient. Insbesondere in landwirtschaftlichen Betrieben und bei der Hofnachfolge kann die Volljährigenadoption ein wichtiges Instrument sein, um familiäre Strukturen zu festigen und die Zukunft des Betriebs zu sichern. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden und individuellen Prüfung jedes Einzelfalls und ermutigt dazu, auch bei komplexen familiären Verhältnissen den Weg der Volljährigenadoption zu prüfen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass bei einer Volljährigenadoption ein bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis für die sittliche Rechtfertigung entscheidend ist und rechtliche Vermutungen zugunsten der Adoptionswilligen wirken. Finanzielle oder wirtschaftliche Motive (hier: Hofnachfolge) stehen einer Adoption nicht entgegen, solange die persönliche Beziehung im Vordergrund steht und die Adoption nicht bloß zur Umgehung gesetzlicher Regelungen dient. Die Entscheidung betont zudem, dass bei Volljährigen deren autonomer Entscheidungswille besonders zu respektieren ist, was die Annahme eines zweiten „sozialen Elternteils“ auch bei intakten Beziehungen zu leiblichen Eltern ermöglicht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Unter welchen Umständen ist eine Volljährigenadoption in Deutschland überhaupt möglich?
Die Volljährigenadoption in Deutschland ist rechtlich durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geregelt und unterliegt spezifischen Voraussetzungen, die sich von der Adoption Minderjähriger unterscheiden. Zentrale Voraussetzung ist die sittliche Rechtfertigung der Adoption gemäß § 1767 Abs. 1 BGB.
Voraussetzungen für die Volljährigenadoption
- Sittliche Rechtfertigung: Die Adoption muss sittlich gerechtfertigt sein. Dies bedeutet, dass zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden entweder bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht oder die begründete Erwartung besteht, dass sich ein solches entwickeln wird. Ein Eltern-Kind-Verhältnis zeichnet sich durch eine dauerhafte emotionale und familiäre Bindung aus, wie sie typischerweise zwischen Eltern und Kindern besteht.
- Angemessener Altersabstand: Es muss ein angemessener Altersunterschied zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden bestehen, der die natürliche Generationenfolge widerspiegelt. In der Regel sollte dieser Abstand mindestens 15 bis 18 Jahre betragen.
- Keine rein wirtschaftlichen oder steuerlichen Motive: Die Adoption darf nicht ausschließlich aus Gründen wie Erbschafts- oder Steuerrecht erfolgen. Persönliche und familiäre Verbundenheit müssen im Vordergrund stehen.
- Anträge und Einwilligungen: Beide Parteien (Annehmender und Anzunehmender) müssen einen notariell beurkundeten Antrag stellen (§ 1768 BGB). Falls einer der Beteiligten verheiratet ist, ist auch die Einwilligung des Ehepartners erforderlich (§ 1749 BGB). Die Zustimmung der leiblichen Eltern des Anzunehmenden ist hingegen nicht notwendig.
Prüfung durch das Familiengericht
Das zuständige Familiengericht prüft jeden Fall individuell und berücksichtigt dabei sowohl die Interessen des Annehmenden als auch des Anzunehmenden. Es wird geprüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind und ob keine überwiegenden Interessen anderer Beteiligter, wie etwa leiblicher Kinder des Annehmenden, entgegenstehen (§ 1769 BGB).
Besondere Umstände: Volljährigenadoption trotz intakter Elternbeziehung
Eine Volljährigenadoption ist auch möglich, wenn die leiblichen Eltern des Anzunehmenden noch leben und eine intakte Beziehung besteht. In solchen Fällen muss jedoch besonders deutlich gemacht werden, dass zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden eine enge familiäre Bindung besteht, die eine Adoption sittlich rechtfertigt. Beispiele hierfür könnten langjährige Pflegeverhältnisse oder Stiefkindbeziehungen sein.
Rechtsfolgen der Volljährigenadoption
Die Volljährigenadoption hat weitreichende rechtliche Folgen:
- Änderung des Nachnamens.
- Erweiterung der Unterhaltsrechte und -pflichten.
- Auswirkungen auf das Erbrecht, wobei diese meist auf die direkte Beziehung zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind beschränkt sind.
In Ausnahmefällen kann das Gericht entscheiden, dass die Adoption die Wirkungen einer Minderjährigenadoption entfaltet, etwa wenn der Adoptionsantrag ursprünglich während der Minderjährigkeit gestellt wurde.
Was bedeutet „sittliche Rechtfertigung“ im Zusammenhang mit einer Volljährigenadoption?
Die sittliche Rechtfertigung ist eine zentrale Voraussetzung für die Adoption eines Volljährigen gemäß § 1767 Abs. 1 BGB. Sie dient dazu, sicherzustellen, dass die Adoption auf einer tiefen, persönlichen Bindung basiert, die einem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis entspricht, und nicht aus rein zweckmäßigen oder finanziellen Gründen erfolgt.
Kernpunkte der sittlichen Rechtfertigung
- Eltern-Kind-Verhältnis: Die sittliche Rechtfertigung wird insbesondere dann angenommen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Dieses Verhältnis zeichnet sich durch eine dauerhafte seelisch-geistige Bindung, gegenseitigen Beistand und eine innere Verbundenheit aus.
- Prognose bei fehlendem Eltern-Kind-Verhältnis: Falls ein solches Verhältnis noch nicht besteht, kann die Adoption gerechtfertigt sein, wenn zu erwarten ist, dass sich diese Bindung in Zukunft entwickelt.
- Familienbezogene Motive: Die Adoption muss aus Gründen erfolgen, die auf familiären Bindungen beruhen. Rein wirtschaftliche oder steuerrechtliche Vorteile dürfen nicht Hauptmotiv sein.
Akzeptable und problematische Motive
- Akzeptabel:
- Langjährige familiäre Bindung, wie etwa die Integration des Anzunehmenden in die Familie über viele Jahre hinweg.
- Gegenseitige Fürsorge und Unterstützung, auch in schwierigen Lebenslagen.
- Die rechtliche Absicherung einer bereits gelebten Eltern-Kind-Beziehung.
- Problematisch:
- Adoptionen mit primär finanziellen Zielen, wie beispielsweise Erbschaftssteuerersparnis.
- Freundschaftliche Beziehungen ohne familiären Charakter.
- Fälle, in denen der Anzunehmende eine intakte Beziehung zu seinen leiblichen Eltern hat und kein echtes Eltern-Kind-Verhältnis zum Annehmenden besteht.
Besonderheiten bei intakter Elternbeziehung
Wenn der Anzunehmende eine ungestörte Beziehung zu seinen leiblichen Eltern hat, wird die sittliche Rechtfertigung strenger geprüft. In solchen Fällen kann die Adoption abgelehnt werden, insbesondere wenn kein natürlicher Altersunterschied zwischen Annehmendem und Anzunehmendem besteht oder andere familienfremde Motive im Vordergrund stehen.
Die sittliche Rechtfertigung schützt das Adoptionsrecht vor Missbrauch und stellt sicher, dass die Adoption auf einer echten familiären Grundlage beruht.
Welche Auswirkungen hat eine Volljährigenadoption auf das Erbrecht?
Eine Volljährigenadoption hat weitreichende Auswirkungen auf das Erbrecht des Adoptierten. Durch die Adoption erhält der Angenommene die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes des Annehmenden und tritt somit in dessen gesetzliche Erbfolge ein. Dies bedeutet, dass Sie als adoptierter Erwachsener die gleichen Erbansprüche wie ein leibliches Kind gegenüber Ihren Adoptiveltern erhalten.
Erbrechtliche Stellung gegenüber den Adoptiveltern
Als adoptierter Erwachsener werden Sie zum gesetzlichen Erben ersten Grades Ihrer Adoptiveltern. Dies bringt folgende Vorteile mit sich:
- Sie erhalten ein gesetzliches Erbrecht nach dem Tod Ihrer Adoptiveltern.
- Im Falle einer Enterbung steht Ihnen ein Pflichtteilsanspruch zu.
- Sie profitieren von einem erhöhten Freibetrag bei der Erbschaftsteuer, der von 20.000 EUR auf 400.000 EUR steigt.
Auswirkungen auf das Erbrecht gegenüber der leiblichen Familie
Bei der häufigeren Form der Volljährigenadoption, der sogenannten „schwachen Adoption“, bleiben Ihre erbrechtlichen Beziehungen zu Ihrer leiblichen Familie bestehen. Das bedeutet:
- Sie behalten Ihr Erbrecht gegenüber Ihren leiblichen Eltern.
- Sie verfügen rechtlich über vier Elternteile und können Ihr Erb- oder Pflichtteilsrecht nach dem Tod eines jeden dieser vier Elternteile geltend machen.
Beachten Sie jedoch, dass bei einer „starken Adoption“, die auf Antrag möglich ist, das Verwandtschaftsverhältnis zu Ihren leiblichen Eltern erlischt. In diesem Fall verlieren Sie Ihre erbrechtlichen Ansprüche gegenüber Ihrer Herkunftsfamilie.
Namensrechtliche Aspekte
Mit der Volljährigenadoption geht in der Regel auch eine Änderung Ihres Nachnamens einher. Sie erhalten grundsätzlich den Familiennamen Ihrer Adoptiveltern als neuen Geburtsnamen. Dies kann Auswirkungen auf Testamente und andere erbrechtlich relevante Dokumente haben, in denen Sie mit Ihrem bisherigen Namen genannt werden.
Besonderheiten bei intakter Beziehung zu leiblichen Eltern
Wenn Sie eine Volljährigenadoption trotz intakter Beziehung zu Ihren leiblichen Eltern in Betracht ziehen, sollten Sie bedenken:
- Die Adoption kann zu komplexen erbrechtlichen Situationen führen, da Sie potenziell von vier Elternteilen erben können.
- Es können Interessenkonflikte entstehen, insbesondere wenn Sie selbst Kinder haben, deren erbrechtliche Stellung durch die Adoption beeinflusst wird.
Wichtig: Die erbrechtlichen Folgen einer Volljährigenadoption sind komplex und können weitreichende Konsequenzen haben. Jeder Fall ist individuell zu betrachten, und die genauen Auswirkungen hängen von den spezifischen Umständen ab.
Welche Rolle spielt das Familiengericht im Adoptionsverfahren und wie läuft ein solches Verfahren ab?
Das Familiengericht spielt eine zentrale Rolle im Adoptionsverfahren, da es die rechtliche Entscheidung über die Annahme eines Kindes trifft. Der Ablauf eines Adoptionsverfahrens in Deutschland gliedert sich in mehrere wesentliche Schritte.
1. Antragstellung und Unterlagen
Der erste Schritt im Adoptionsverfahren ist die Antragstellung. Die Adoptiveltern müssen einen notariell beurkundeten Adoptionsantrag beim zuständigen Familiengericht einreichen. Für diesen Antrag sind verschiedene Unterlagen erforderlich, darunter:
- Geburtsurkunden der Adoptiveltern
- Heiratsurkunde (sofern verheiratet)
- Führungszeugnisse
- Gesundheitszeugnisse
- Nachweise über die Eignung zur Adoption, die von einer Adoptionsvermittlungsstelle erstellt werden.
2. Adoptionspflege
Nach der Antragstellung erfolgt in der Regel eine Adoptionspflege, in der das Kind für eine bestimmte Zeit bei den Adoptiveltern lebt, normalerweise mindestens ein Jahr. Während dieser Phase bleibt das Jugendamt der gesetzliche Vertreter des Kindes und überwacht die Integration in die neue Familie.
3. Anhörungen und Entscheidung des Familiengerichts
Sobald die Adoptionspflege erfolgreich verlaufen ist, führt das Familiengericht eine persönliche Anhörung durch. Dabei werden alle Beteiligten, einschließlich des Kindes, angehört, um sicherzustellen, dass die Adoption im besten Interesse des Kindes ist.
Das Gericht prüft dabei:
- Die Eignung der Adoptiveltern
- Die Bindung zwischen den Adoptiveltern und dem Kind
- Die Interessen aller beteiligten Parteien, insbesondere auch von leiblichen Kindern der Adoptiveltern.
Nach der Anhörung entscheidet das Gericht über den Adoptionsantrag. Bei positiver Entscheidung wird das Kind rechtlich als eigenes Kind anerkannt, und das Jugendamt verliert seine Vormundschaft.
4. Anfechtungsmöglichkeiten
Eine Anfechtung des Adoptionsbeschlusses ist grundsätzlich nicht möglich, da dieser nach § 197 Abs. 3 FamFG als unanfechtbar gilt. In bestimmten Fällen kann jedoch eine Aufhebung der Adoption beantragt werden, etwa wenn Verfahrensfehler vorliegen oder wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist.
Das Verfahren kann komplex sein, insbesondere bei Volljährigenadoptionen oder wenn bereits bestehende familiäre Beziehungen bestehen. Hierbei muss das Gericht besonders darauf achten, dass keine überwiegenden Interessen anderer Familienmitglieder entgegenstehen.
Insgesamt stellt das Familiengericht sicher, dass alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und dass die Adoption im besten Interesse des Kindes erfolgt.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Volljährigenadoption
Die Volljährigenadoption bezeichnet den rechtlichen Vorgang, bei dem ein volljähriger Mensch als Kind in eine neue familiäre Beziehung aufgenommen wird. Dabei wird eine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung begründet, obwohl der Anzunehmende weiterhin den Bezug zu seinen leiblichen Eltern pflegen kann. ist, dass hier nicht die, sondern die rechtliche Beziehung im Vordergrund steht und der Wille beider Beteiligter geprüft wird. Grundlage für die Wirkungen der Volljährigenadoption ist unter anderem § 1770 BGB, der beispielsweise die Namensübernahme und erbrechtliche Konsequenzen regelt. Diese flexible Auslegung des Adoptionsrechts erweitert die traditionellen Grenzen der Adoption.
Beispiel: Ein erwachsener Onkel adoptiert seinen Neffen, um ihm neben einer familiären Bindung auch erbrechtliche Sicherheit zu bieten.
§ 1770 BGB
Dieser Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch regelt die rechtlichen Wirkungen der Volljährigenadoption. Er definiert, wie die Annahme eines Erwachsenen als Kind zu erfolgen hat, insbesondere hinsichtlich Namensführung und den damit verbundenen Rechten wie beispielsweise des Erbrechts. Der Paragraf stellt sicher, dass durch die Adoption eine neue, rechtlich anerkannte Eltern-Kind-Beziehung entsteht, die alle Folgen einer Familienbeziehung nach sich zieht. Er trägt dazu bei, dass auch bei bestehenden intakten Beziehungen zu leiblichen Eltern die Adoption rechtlich wirksam und eindeutig ist. Dadurch wird gewährleistet, dass alle Seiten – Annehmende und Anzunehmende – gleiche Rechte und Pflichten übernehmen.
Beispiel: Wird ein erwachsener Student adoptiert, übernimmt er durch § 1770 BGB den Familiennamen und erhält erbrechtliche Ansprüche, die sonst nur leiblichen Kindern vorbehalten wären.
Annehmende
Annehmende sind die Personen, die das Adoptionsverfahren beantragen und rechtlich als adoptierende Elternteile wirken. Sie tragen die Verantwortung und übernehmen für den Adoptionsfall elterliche Pflichten, auch wenn sie nicht die biologischen Eltern des Anzunehmenden sind. Im Rahmen der Volljährigenadoption wird durch den Annehmenden eine neue familiäre Beziehung begründet, die vor allem durch die emotionale Bindung und den gegenseitigen Willen bestimmt wird. Die rechtlichen Wirkungen dieser Annahme ergeben sich aus § 1770 BGB, der das Verfahren und die damit verbundenen Rechte regelt. Hierdurch entsteht eine dauerhaft rechtliche Verbindung, die beispielsweise auch Fragen des Erbrechts beeinflusst.
Beispiel: Ein kinderloser Landwirt, der seinen Neffen adoptieren möchte, wird als Annehmender bezeichnet, da er die rechtliche Verantwortung und elterliche Fürsorge übernimmt.
Anzunehmende
Der Begriff Anzunehmende bezeichnet die Person, die im Adoptionsverfahren als zukünftiges Adoptivkind aufgenommen werden soll. Unabhängig vom Alter führt die Adoption dazu, dass der Anzunehmende rechtlich in das Sorgerecht und die elterliche Verantwortung des Annehmenden eintritt. Dabei wird trotz bestehender Beziehungen zu den leiblichen Eltern eine neue rechtliche Identität geschaffen, die beispielsweise durch den Wechsel des Familiennamens bestätigt wird. Auch für die Anzunehmenden gelten die Vorschriften des § 1770 BGB, der die Wirkungen der Annahme regelt. Diese Rolle betont den Wechsel in der familiären Rechtsstruktur und unterstreicht die Bedeutung des eigenständigen Willens des Anzunehmenden.
Beispiel: Ein junger Erwachsener, der seinen Onkel adoptiert, wird rechtlich zum adoptierten Kind, obwohl er weiterhin Kontakt zu seinen leiblichen Eltern hat.
Namensregelungen
Namensregelungen im Adoptionsrecht legen fest, welchen Familiennamen der Adoptionsprozess für den Anzunehmenden zur Folge hat. Bei Volljährigenadoptionen bestimmt in der Regel § 1770 BGB, dass der Anzunehmende den Familiennamen des Annehmenden übernehmen muss, wodurch eine klare Identifikation innerhalb der Familie geschaffen wird. Diese Regelung ist essenziell, da sie Einfluss auf die persönliche Identität und etwaige erbrechtliche Ansprüche hat. Die Namensübernahme verdeutlicht die neue rechtliche Beziehung und sorgt dafür, dass offizielle Dokumente sowie gesellschaftliche Interaktionen angepasst werden. So wird nicht nur ein Namenswechsel vollzogen, sondern gleichzeitig auch die Zugehörigkeit zur neuen Familie dokumentiert.
Beispiel: Nach der Adoption ändert der Neffe seinen bisherigen Namen und führt fortan den Familiennamen seines adoptierenden Onkels, was seine Zugehörigkeit formell bestätigt.
Sittliche Rechtfertigung
Die sittliche Rechtfertigung im Adoptionsrecht bezieht sich auf die ethische und moralische Beurteilung, ob eine Adoption auch unter außergewöhnlichen familiären Verhältnissen legitim erscheint. Im Kern steht hierbei die Frage, ob die persönliche Bindung und das emotionale Interesse über rein wirtschaftliche oder taktische Erwägungen dominieren. Diese Rechtfertigung ist besonders wichtig, um sicherzustellen, dass die Annahme eines Erwachsenen als Kind auf einer echten familiären Verbundenheit basiert und privaten Wertvorstellungen entspricht. Sie dient als Sicherheitsmechanismus, der verhindern soll, dass Adoptionen ausschließlich aus wirtschaftlichen oder sozialen Vorteilen erfolgen. Dabei fließen auch Überlegungen zum Schutzzweck und dem Wohl des Anzunehmenden in die Beurteilung ein.
Beispiel: Wird bei der Adoption eines volljährigen Neffen nachgewiesen, dass tiefe emotionale Bindungen bestehen, gilt dies als sittliche Rechtfertigung und unterstützt die Zulässigkeit der Maßnahme.
Verfahrenswert
Der Verfahrenswert ist ein monetärer Indikator, der in Gerichtsverfahren zur Berechnung von Gebühren, Kosten und eventuell anfallenden Zinsen herangezogen wird. Im vorliegenden Fall wurde der Verfahrenswert für die Volljährigenadoption auf 300.000 € festgelegt, was die wirtschaftliche Bedeutung und Komplexität des Streitfalls widerspiegelt. Er dient als Grundlage für die gerichtliche Gebührenordnung und beeinflusst, wie viel jede Partei im Falle eines Rechtsstreits zu zahlen hat. Dieser Wert stellt zudem eine Einschätzung dar, wie stark der Fall in rechtlicher Hinsicht gewichtet wird. Die Festsetzung des Verfahrenswertes erfolgt nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts und hat unmittelbare praktische Auswirkungen auf die Finanzierung des Verfahrens.
Beispiel: Bei einem Verfahrenswert von 300.000 € werden die Gerichtskosten so verteilt, dass beide Parteien einen gleichen Anteil zur Deckung der anfallenden Aufwendungen beitragen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1767 BGB (Voraussetzungen der Annahme Volljähriger): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für die Adoption einer volljährigen Person. Im Gegensatz zur Adoption Minderjähriger muss hier eine sittliche Rechtfertigung vorliegen, beispielsweise ein bereits bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüft, ob zwischen dem Onkel (Annehmenden) und dem Neffen (Anzunehmenden) ein solches Eltern-Kind-Verhältnis besteht und ob die Adoption sittlich gerechtfertigt ist, insbesondere angesichts der wirtschaftlichen Aspekte (Betriebsnachfolge).
- § 1741 BGB (Annahme als Kind, Minderjähriger): Dieser Paragraph bildet die Grundlage für die Adoption Minderjähriger. Er definiert, dass ein Minderjähriger als Kind angenommen werden kann, wenn dies seinem Wohl dient und zwischen den Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht oder bereits besteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Auch wenn es sich um eine Volljährigenadoption handelt, wird geprüft, ob die Motive und das Verhältnis der Beteiligten dem Wohl eines Kindes im übertragenen Sinne entsprechen, um eine missbräuchliche Nutzung des Adoptionsrechts zu verhindern.
- § 1770 BGB (Wirkungen der Annahme Volljähriger): Dieser Paragraph bestimmt die Rechtsfolgen einer Volljährigenadoption. Im Gegensatz zur Minderjährigenadoption entstehen in der Regel keine so weitreichenden erbrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Ansprüche gegenüber den leiblichen Eltern. Die Wirkungen können begrenzt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht muss festlegen, welche konkreten Wirkungen die Adoption haben soll, insbesondere im Hinblick auf Namensänderung und erbrechtliche Position des Anzunehmenden.
- § 9 Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) (Sittliche Rechtfertigung): Dieser Paragraph wird analog angewendet und betont die Notwendigkeit einer sittlichen Rechtfertigung für die Adoption. Die Adoption darf nicht primär dazu dienen, wirtschaftliche oder andere unlautere Ziele zu verfolgen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht muss beurteilen, ob die Adoption hauptsächlich aus familiären Gründen (bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis, Unterstützung im Alter/Pflege) erfolgt oder ob wirtschaftliche Motive (Betriebsnachfolge) überwiegen und die sittliche Rechtfertigung in Frage stellen.
- § 26 FamFG (Amtsermittlungsgrundsatz): Dieser Paragraph verpflichtet das Gericht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Das Gericht darf sich nicht nur auf die Angaben der Beteiligten verlassen, sondern muss alle relevanten Umstände selbst aufklären. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht muss durch Anhörung der Beteiligten und Zeugen (wie der Mutter des Anzunehmenden) den Sachverhalt umfassend aufklären, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für eine Adoption vorliegen.
- Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie): Dieser Artikel des Grundgesetzes schützt die Familie und deren freie Entfaltung. Er ist im Rahmen der Auslegung der Adoptionsvorschriften zu berücksichtigen, da die Adoption in die familiären Verhältnisse eingreift. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht muss die grundrechtlich geschützte Position der bestehenden Familie des Anzunehmenden (Eltern) berücksichtigen und prüfen, ob die Adoption deren Rechte unangemessen beeinträchtigt.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 18 UF 72/23 – Beschluss vom 20.07.2023
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