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Volljährigenadoption – Anforderungen an die Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 9 UF 39/19 – Beschluss vom 10.04.2019

1. Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 24. Januar 2019 (Az. 5 F 571/17) gerichteten Beschwerden der Annehmenden vom 13. Februar 2019 werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Annehmenden.

3. Der Beschwerdewert beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaften und in zulässiger Weise eingelegten Beschwerden der Annehmenden bleiben ohne Erfolg, sie sind unbegründet.

Das Amtsgericht hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Volljährigenadoption verneint.

1.

Gemäß § 1767 Abs. 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist.

a.

Ein Eltern-Kind-Verhältnis ist entstanden, wenn zwischen Annehmendem und Anzunehmendem eine dauerhafte seelisch-geistige Bindung im Sinne einer natürlichen Eltern-Kind-Beziehung besteht. Von einem Eltern-Kind-Verhältnis kann ausgegangen werden, wenn die zwischen den Beteiligten entstandene Beziehung dem Verhältnis zwischen volljährigen Kindern und ihren leiblichen Eltern entspricht. Dieses Verhältnis ist naturgemäß anders geartet als bei minderjährigen Kindern, deren Beziehung zu ihren Eltern vorwiegend durch Betreuung, Schutz und Erziehung des Kindes geprägt ist.

Für die Annahme einer Eltern-Kind-Beziehung sind Gemeinsamkeiten, familiäre Bindungen und innere Zuwendung erforderlich, wie sie zwischen Eltern und erwachsenen Kindern typischerweise vorliegen, insbesondere ein enger persönlicher Kontakt und die Bereitschaft zu dauerhaftem gegenseitigem Beistand, ggfs. in Verbindung mit wirtschaftlicher Hilfe. Es muss sich um ein solches Maß an innerer Verbundenheit zwischen den Beteiligten handeln, dass sich die Beziehung klar von einer guten Bekanntschaft oder engen Freundschaft abhebt und in die Nähe einer echten, gelebten Beziehung zwischen einem Elternteil und dessen erwachsenem Kind rückt. Anhaltspunkte sind insoweit auch eine Integration in das familiäre Beziehungsgeflecht, ein gewachsenes, gegenseitiges Grundvertrauen, in dem sich die Beteiligten wechselseitig aussprechen oder in die Entscheidungsfindung in wichtigen Angelegenheiten in angemessener Weise einbeziehen (OLG Braunschweig, FamRZ 2017, 1240; KG FamRZ 2014, 225; MüKoBGB/Maurer, 7. Aufl. 2017, BGB § 1767 Rn. 19). Bloße freundschaftliche Beziehungen, die bisher ihren Ausdruck z.B. in vereinzelter Unterstützung während einer problematischen Lebensphase gefunden haben, rechtfertigen eine Adoption dagegen nicht (BayObLG FamRZ 1998, 504).

Ein bestehendes oder zukünftig zu erwartendes Eltern-Kind-Verhältnis wird regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn

zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden seit langem, insbesondere seit der Kindheit des Anzunehmenden ein enges Verhältnis besteht (vgl. OLG Stuttgart NZFam 2019, 188; OLG Hamm FamRZ 2013, 557),

der Annehmende den Anzunehmenden bei seinem schulischen oder beruflichen Fortkommen intensiv unterstützt und in diesem Bereich Aufgaben übernommen hat, die typischerweise in einem Eltern-Kind-Verhältnis anfallen (vgl. (vgl. OLG Stuttgart NZFam 2019, 188; OLG Hamm FamRZ 2013, 557),

der Annehmende den Anzunehmenden (oder umgekehrt) in mehreren schweren persönlichen Situationen intensiv Beistand in einer Form geleistet hat, die üblicherweise durch Eltern an ihre Kinder (oder umgekehrt) geleistet werden (vgl. OLG Stuttgart NZFam 2019, 188; OLG Hamm FamRZ 2013, 557).

Eine häusliche Gemeinschaft ist zwar nicht zwingend erforderlich, da eine solche auch bei natürlichen Eltern-Kind-Verhältnissen nach Erreichen der Volljährigkeit mit zunehmendem Alter der Kinder in der Regel nicht mehr vorliegt (OLG Hamm FamRZ 2013, 557). Jedoch spricht das länger andauernde Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft für eine innere Verbundenheit i.S.e. Eltern-Kind-Verhältnisses, wohingegen ihr vollständiges Fehlen grds. eher dagegen spricht (vgl. Saar in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1767 BGB Rn. 4; vgl. auch BayObLG FamRZ 2007, 639; Celle FamRZ 1995, 830). Ebenso spricht eine erhebliche räumliche Entfernung gegen das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses (BayObLG NJWE-FER 1998, 30; Schleswig FGPrax 2009, 269).

Alle für und gegen die Annahme einer Eltern-Kind-Beziehung sprechenden Umstände sind in eine Einzelfallbetrachtung einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Die für die Entstehung einer Eltern-Kind-Beziehung sprechenden Umstände müssen die dagegen sprechenden deutlich überwiegen. Begründete Zweifel, die sich z.B. aus einer relativ kurzen Dauer der Beziehung oder aus dem Alter oder Gesundheitszustand des Annehmenden ergeben können (vgl. AmtsG Konstanz FamRZ 2016, 2021), gehen zu Lasten der Betroffenen und führen zur Abweisung des Adoptionsantrags (OLG Nürnberg FamRZ 2015, 517).

b.

Die Voraussetzungen eines bereits bestehenden Eltern-Kind-Verhältnisses hat das Amtsgericht zutreffend verneint.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass durchaus intensive Beziehungen zwischen den Beteiligten bestehen. Gerade die – mit der Beschwerde der Anzunehmenden nochmals angesprochenen – Freizeitaktivitäten und gemeinsamen Feiern können dafür sprechen. Auch soll bereits seit längerem (ohne dass dies bislang nachgewiesen ist) der Anzunehmende als alleiniger Schlusserbe der Annehmenden und zudem auch in deren Vorsorgevollmacht eingesetzt worden sein.

Gleichwohl ist aber allein anhand dieser Angaben nicht erkennbar, ob es sich hier tatsächlich um ein über eine durchaus enge Freundschaft hinausgehendes Verhältnis handelt. So sprechen die Anzunehmenden ihrerseits noch im letzten Schreiben vom 7. April 2019 von einer sehr netten und langen Beziehung. Allein dies oder dass das Verhältnis von Offenheit, Vertrauen, gegenseitiger Achtung und Toleranz geprägt ist, spricht nicht bereits für ein Eltern-Kind-Verhältnis, da derartiges auch in sehr guten Freundschaften – gerade wenn die Freunde wie hier auch für höchstpersönliche Angelegenheiten wie die Einsetzung als Erbe oder innerhalb einer Vorsorgevollmacht in Betracht gezogen sind – gegeben ist. Es ist nicht zudem ungewöhnlich, dass bei Kinderlosigkeit sehr gute Freunde als Erben bedacht werden oder dass diese sehr verantwortungsvolle Aufgaben wie die (hier möglicherweise gegebene) Wahrnehmung einer Vorsorgevollmacht übernehmen.

Die weiteren Umstände sprechen dagegen gegen ein Eltern-Kind-Verhältnis. In der Vergangenheit ist es zu einem echten häuslichen Zusammenleben der Beteiligten nie gekommen, wobei sogar unklar geblieben ist, seit wann die Annehmenden den Anzunehmenden bereits tatsächlich kennen (2005 oder erst danach), wie das Amtsgericht zutreffend ausführt. In örtlicher Hinsicht besteht zwischen dem Wohnort der Annehmenden und demjenigen des Anzunehmenden eine erhebliche räumliche Distanz von rd. 250 km bzw. mindestens 2,5 Stunden PKW-Fahrzeit. Die Weihnachtsfeiertage werden nicht gemeinsam verbracht, Geburtstag und andere Feiertage ebenfalls nicht regelmäßig, sondern (nach den Angaben der Anzunehmenden) so, wie es sich gerade ergibt. Die Annehmenden waren noch nie in der Wohnung des Anzunehmenden bzw. haben ihn und seine Familie an seinem Wohnort noch nie besucht. Es ist ebenso wenig erkennbar, dass die Beteiligten sich wechselseitig bereits in schwierigen persönlichen oder beruflichen Lebenslagen in einem Maße unterstützt haben, das sich üblicherweise allein in einem Eltern-Kind-Verhältnis wiederfindet.

In Abwägung all dieser Umstände spricht zwar einiges indiziell dafür, dass ein schon über eine bloße Freundschaft hinausgehendes Verhältnis bestehen mag; unter Beachtung der dargestellten weiteren übrigen Umstände bleiben aber erhebliche Zweifel an einem tatsächlich bestehenden Eltern-Kind-Verhältnis, was letztendlich – wie ausgeführt – zulasten der Beteiligten geht.

2.

Sittlich gerechtfertigt ist die Annahme gemäß § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB zudem auch dann, wenn zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstehen wird (sog. angebahntes Eltern-Kind-Verhältnis). Entscheidend ist die durch vergangene und gegenwärtige Umstände gestützte objektive Erwartung, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis entstehen wird (Stuttgart DNotZ 2015, 855). Die Motivation muss dafür vorrangig familienbezogen sein, wohingegen wirtschaftliche Motive keine prägende Rolle spielen dürfen (BeckOGK/Löhnig BGB § 1767 Rn. 18; MüKoBGB/Maurer, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1767 Rn. 26).

Eine vorrangig familienbezogene Motivation ist aber bislang in keiner Weise näher dargetan. Allein daraus, dass die Familie öfters – was erneut nicht näher ausgeführt wird – sich auf dem Grundstück der Anzunehmenden befindet, lässt eine familienbezogene Motivation nicht erkennen. Daher ist auch derzeit nicht zu erwarten, dass sich über das bestehende, freundschaftlich einzuordnende Verhältnis ein noch darüber hinausgehendes Verhältnis im Sinne eines Eltern-Kind-Verhältnisses entwickeln wird.

3.

Auf die zuvor angeführten Umstände hat der Senat die Annehmenden mit Verfügung vom 21. März 2019 und sie zugleich auf die aus Kostengründen bestehende Möglichkeit, die Beschwerden schriftlich zurückzunehmen, hingewiesen. Eine solche Rücknahmeerklärung ist nicht erfolgt und auch nicht im Schreiben der Anzunehmenden vom 7. April 2019 – welches in der Sache keine neuen Erwägungen enthält – zu sehen. Soweit dort ausgeführt wird, keine weiteren Verfahrensschritte in dieser Angelegenheit zu wollen, wird im unmittelbaren Anschluss wiederum erklärt, eine Beschwerde gegen die Entscheidung nicht anzustreben. Insoweit fehlt es jedenfalls an einer eindeutig und zweifelsfrei geäußerten Rücknahme der Beschwerden.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 84 FamFG, 40, 42 Abs. 3 FamGKG. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

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