Trotz konkreter Angabe im Vertrag legte ein Notar den Verkehrswert als Basis für Notargebühren fest und rechnete eine hohe Summe ab. Das Gericht erklärte die vertragliche Wertangabe für nicht bindend und musste den korrekten Betrag überraschend ohne Wertgutachten ermitteln.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Wie wird der Verkehrswert für Notargebühren korrekt ermittelt?
- Was genau war geschehen?
- Welche Gesetze spielten die entscheidende Rolle?
- Warum entschied das Gericht zugunsten der Erwerberin?
- Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Gilt der im Notarvertrag genannte Kaufpreis automatisch als Geschäftswert für die Notargebühren?
- Wann und wie kann ich die Berechnung der Notargebühren gerichtlich überprüfen lassen?
- Welche Beweise und amtlichen Quellen bestimmen den Geschäftswert, wenn der Vertragswert mehrdeutig ist?
- Darf der Notar oder das Gericht ein teures Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Verkehrswerts anfordern?
- Wie formuliere ich den Verkehrswert im Kaufvertrag korrekt, um spätere Gebührenstreitigkeiten zu verhindern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Wx 8/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Sachsen-An
- Datum: 19.09.2024
- Aktenzeichen: 5 Wx 8/23
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Notarkosten, Verkehrswertbestimmung, Immobilienrecht
- Das Problem: Ein Notar rechnete höhere Gebühren ab, basierend auf einem Geschäftswert von 500.000 Euro. Die Käuferin bestand darauf, dass der im Vertrag genannte Wert des Objekts bei 400.000 Euro lag. Die Käuferin forderte eine gerichtliche Überprüfung der Notarkostenrechnung.
- Die Rechtsfrage: Darf das Gericht den Geschäftswert für die Notargebühren korrigieren, auch wenn im Vertrag ein bestimmter Wert angegeben ist?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht ist nicht zwingend an die Wertangaben im Notarvertrag gebunden. Liegen Anhaltspunkte für Unzuverlässigkeit vor, muss das Gericht den tatsächlichen Verkehrswert selbst feststellen. Dies geschieht auf Basis amtlicher Daten, nicht durch ein teures formelles Gutachten.
- Die Bedeutung: Der in notariellen Urkunden genannte Wert ist nicht automatisch die Grundlage für die Gebührenberechnung. Gerichte müssen den tatsächlichen Verkehrswert ermitteln, falls die Angaben der Parteien widersprüchlich oder unklar sind. Das Gericht kann dabei keine förmlichen Wertgutachten einholen.
Wie wird der Verkehrswert für Notargebühren korrekt ermittelt?
Ein notariell beurkundeter Immobilienvertrag enthält in der Regel eine Angabe zum Wert des Objekts. Doch was passiert, wenn die darauf basierende Kostenrechnung des Notars für die Beteiligten unerwartet hoch ausfällt? Stellt die Zahl im Vertrag eine unumstößliche Grundlage dar, oder kann ein Gericht diese Angabe überprüfen und korrigieren? Genau mit dieser Kernfrage befasste sich das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt in einem Beschluss vom 19. September 2024 (Az. 5 Wx 8/23). Der Fall zeigt eindrücklich, nach welchen Regeln der für die Notargebühren entscheidende „Geschäftswert“ zu ermitteln ist und welche Beweismittel dabei zulässig sind – und welche nicht.
Was genau war geschehen?

Eine Frau, die Antragstellerin in diesem Verfahren, erwarb von ihrem Vater einen hälftigen Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung. Der notarielle Vertrag vom 8. Juli 2022 regelte nicht nur die Übertragung und die Auflassung, sondern auch den Verzicht ihrer Mutter auf einen Pflichtteilsanspruch. Im Vertrag wurde unter Abschnitt XIV ein „Verkehrswert des Vertragsgegenstandes“ von 400.000 € festgehalten. Die Kosten des Notars sollte, wie üblich, die Erwerberin tragen.
Einige Wochen später erhielt sie die Kostenrechnung des Notars. Dieser hatte für die Berechnung der Beurkundungs- und Vollzugsgebühren jedoch nicht die 400.000 € zugrunde gelegt, sondern einen Geschäftswert von 500.000 € angesetzt. Die resultierende Forderung war entsprechend höher. Die Erwerberin war damit nicht einverstanden und beantragte eine gerichtliche Überprüfung der Rechnung.
Ihre Argumentation war klar: Der im Vertrag genannte Wert von 400.000 € beziehe sich auf den Gesamtwert der Immobilie. Der vom Notar angenommene Wert sei daher zu hoch. Zur Untermauerung legte sie verschiedene Unterlagen vor, darunter eine Schätzung einer Immobilienmaklerin und eine Wertindikation einer Bank, die Werte zwischen rund 314.000 € und 550.000 € für die gesamte Immobilie nahelegten.
Das Landgericht Stendal als erste Instanz gab der Erwerberin im Wesentlichen recht. Nach Einholung einer Stellungnahme der Ländernotarkasse hob es die ursprüngliche Rechnung auf. Es ermittelte einen neuen, für die Gebühren maßgeblichen Geschäftswert von 334.375 € und setzte den noch zu zahlenden Betrag deutlich niedriger fest. Gegen diesen Beschluss legte der Notar Beschwerde ein. Er forderte die Wiederherstellung seiner ursprünglichen Rechnung und argumentierte, er habe sich lediglich an die Wertangabe im Vertrag gehalten. Zudem seien vergleichbare Objekte in der Gegend weitaus mehr wert, teilweise zwischen 800.000 € und 1,2 Millionen Euro.
Welche Gesetze spielten die entscheidende Rolle?
Die Berechnung von Notarkosten ist im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) detailliert geregelt. Die Höhe der Gebühren hängt vom sogenannten Geschäftswert ab. Bei der Übertragung von Immobilien, wie im vorliegenden Fall, ist dieser Geschäftswert in der Regel der Verkehrswert des Objekts zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr (§ 46 Abs. 1 GNotKG in Verbindung mit § 96 GNotKG).
Das Gesetz gibt dem Notar und dem Gericht verschiedene Werkzeuge an die Hand, um diesen Verkehrswert zu bestimmen. § 46 GNotKG listet hierfür mehrere alternative Erkenntnisquellen auf:
- Der im Kaufvertrag vereinbarte Preis.
- Angaben der Beteiligten, sofern es keine Anhaltspunkte für ihre Unrichtigkeit gibt.
- Amtlich bekannte Tatsachen wie Daten aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse.
Entscheidend ist, dass das Gesetz keine Förmliche Beweisaufnahme zur exakten Wertermittlung verlangt. Im Gegenteil: § 46 Abs. 4 GNotKG schließt die Einholung eines teuren und zeitaufwendigen Sachverständigengutachtens ausdrücklich aus. Das Gericht ermittelt den Wert im sogenannten Freibeweisverfahren, was eine schnellere und pragmatischere Klärung ermöglicht.
Falls die Beteiligten bei der Wertermittlung nicht ausreichend mitwirken, gibt § 95 GNotKG dem Notar das Recht, den Wert nach „billigem Ermessen“ selbst zu schätzen. Auf diese Vorschrift berief sich der Notar im Laufe des Verfahrens hilfsweise.
Warum entschied das Gericht zugunsten der Erwerberin?
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt wies die Beschwerde des Notars zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Die Analyse der Richter folgte einer klaren und nachvollziehbaren Logik, die sich in drei Schritten vollzog.
Warum die Angabe im Vertrag keine unumstößliche Wahrheit war
Der Notar argumentierte, er sei an die Wertangabe im Vertrag gebunden gewesen. Das Gericht sah dies anders. Zwar können Angaben der Beteiligten laut § 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG als Grundlage dienen, aber nur, wenn keine Anhaltspunkte für ihre Unzuverlässigkeit bestehen. Solche Anhaltspunkte lagen hier jedoch vor.
Die Erwerberin hatte von Anfang an klargestellt, dass sie die 400.000 € als Wert für die gesamte Immobilie verstand, nicht als Wert des von ihr erworbenen hälftigen Anteils. Allein dieser Widerspruch zwischen dem Verständnis der Urkundsbeteiligten und der Auslegung durch den Notar machte die Angabe im Vertrag aus gebührenrechtlicher Sicht unzuverlässig. Das Gericht stellte fest, dass die Begriffe „Vertragsgegenstand“ und „Objekt“ oft synonym verwendet werden und die Formulierung im Vertrag daher mehrdeutig war. Eine unkritische Übernahme dieses Werts als Geschäftswert war somit nicht zulässig.
Wie das Gericht den Verkehrswert stattdessen ermittelte
Da die vertragliche Angabe als Basis ausschied, musste das Landgericht den Verkehrswert auf andere Weise ermitteln. Es griff dabei auf die im § 46 GNotKG vorgesehenen Alternativen zurück. Konkret nutzte es zwei verlässliche Quellen: den offiziellen Grundstücksmarktbericht 2022 des örtlichen Gutachterausschusses und die von der Erwerberin vorgelegte Schätzung der Immobilienmaklerin.
Der Gutachterausschuss wies für vergleichbare Objekte einen mittleren Quadratmeterpreis von 4.895 € aus. Auf Basis der Wohnfläche errechnete das Gericht so einen Marktwert von rund 524.000 €. Unter Einbeziehung der Maklerschätzung und weiterer wertbildender Faktoren legte das Landgericht einen Gesamtwert der Immobilie von 535.000 € fest.
Aus diesem Gesamtwert leitete es den für die Gebührenrechnung maßgeblichen Geschäftswert sauber ab:
- Der Wert des übertragenen hälftigen Miteigentumsanteils betrug 267.500 € (die Hälfte von 535.000 €).
- Der Wert des Pflichtteilsverzichts der Mutter wurde mit 66.875 € (ein Viertel des Anteilswerts) bemessen.
- In der Summe ergab sich so der Geschäftswert von 334.375 €.
Das Oberlandesgericht befand diese Vorgehensweise und die Berechnung für korrekt und nicht zu beanstanden.
Warum die Argumente des Notars das Gericht nicht überzeugten
Der Notar versuchte in seiner Beschwerde, mit neuen Argumenten eine höhere Bewertung durchzusetzen. Er behauptete, der tatsächliche Marktwert liege zwischen 800.000 € und 1,2 Millionen Euro und bot an, weitere wertsteigernde Umstände wie die genaue Lage und den Zustand der Immobilie zu beweisen.
Das Gericht wies diese Argumentation aus zwei zwingenden Gründen zurück. Erstens waren die vom Notar genannten Vergleichswerte pauschal und prognostisch. Sie konnten nicht mit den harten Fakten des Gutachterausschusses mithalten, die auf realen Verkäufen im relevanten Zeitraum basieren. Das Gericht ist nicht verpflichtet, allen denkbaren, aber unbelegten Behauptungen nachzugehen.
Zweitens – und das ist der entscheidende Punkt – stieß der Beweis-Antrag des Notars an die klaren Grenzen des Gesetzes. Eine detaillierte Prüfung von Lage, Zustand und Ausstattung hätte eine förmliche Beweisaufnahme, sprich ein Sachverständigengutachten, erfordert. Genau dies verbietet § 46 Abs. 4 GNotKG ausdrücklich, um das Verfahren schlank zu halten. Das Angebot des Notars musste daher unberücksichtigt bleiben.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt verdeutlicht zwei zentrale Prinzipien bei der Festsetzung von Notargebühren, die für jeden Immobilienkäufer oder -verkäufer von Bedeutung sind.
Erstens zeigt der Fall das Prinzip der gerichtlichen Überprüfungskompetenz. Eine im Notarvertrag genannte Wertangabe ist keine unumstößliche Größe für die Gebührenrechnung. Sie ist lediglich eine von mehreren möglichen Quellen zur Wertermittlung. Sobald objektive Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Eindeutigkeit aufkommen – wie hier durch das unterschiedliche Verständnis der Beteiligten –, ist das Gericht nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den Verkehrswert eigenständig zu ermitteln. Die Vertragsautonomie der Parteien endet dort, wo das öffentliche Kostenrecht beginnt.
Zweitens unterstreicht das Urteil die pragmatische Natur der Wertermittlung im Kostenrecht. Das Gesetz zielt auf eine nachvollziehbare und zügige Feststellung des Werts ab, nicht auf eine wissenschaftlich exakte Begutachtung. Aus diesem Grund haben offizielle Daten, wie die der Gutachterausschüsse, ein hohes Gewicht. Gleichzeitig schließt das Verbot einer förmlichen Beweisaufnahme (§ 46 Abs. 4 GNotKG) aus, dass Kostenstreitigkeiten zu langwierigen und teuren Gutachterschlachten eskalieren. Für die Praxis bedeutet das: Solide, belegbare Fakten wie Kaufpreissammlungen wiegen im Zweifel schwerer als pauschale Behauptungen über den Marktwert.
Die Urteilslogik
Die gerichtliche Überprüfung von Notarkosten stellt sicher, dass der tatsächliche Verkehrswert einer Immobilie als alleinige Basis für die Gebührenberechnung dient, selbst wenn die Parteien im Vertrag einen anderen Wert nennen.
- Unverbindlichkeit der Vertragswerte: Eine im Notarvertrag festgehaltene Wertangabe bindet den Notar oder das Gericht nicht unwiderruflich; das Gericht muss ihre Eindeutigkeit und Zuverlässigkeit hinterfragen, bevor sie zur Berechnung der Notarkosten dient.
- Pragmatische Wertermittlung: Gerichte legen den Verkehrswert für die Gebührenrechnung nach dem Freibeweisverfahren fest und gewichten dabei objektive, amtliche Daten (wie Kaufpreissammlungen) höher als unbewiesene, pauschale Marktbehauptungen.
- Ausschluss formeller Gutachten: Das Kostenrecht untersagt die Anforderung eines teuren Sachverständigengutachtens, um die Feststellung des gebührenrelevanten Werts zügig und unbürokratisch zu gewährleisten.
Die Rechtsprechung etabliert klare Grenzen zwischen der Vertragsautonomie der Parteien und den zwingenden Vorgaben des öffentlichen Kostenrechts.
Experten Kommentar
Viele glauben, die im Notarvertrag fixierte Zahl sei für die Gebührenrechnung in Stein gemeißelt. Das OLG Sachsen-Anhalt zieht dieser Annahme eine klare rote Linie: Wird der Vertragswert angezweifelt, muss das Gericht den tatsächlichen Verkehrswert selbst prüfen. Entscheidend ist die praktische Konsequenz dieser Wertermittlung. Da das Gesetz ein aufwendiges Sachverständigengutachten verbietet, haben schnelle, objektive Daten von Gutachterausschüssen immer Vorrang vor allen nachträglichen, teuren Schätzversuchen über den angeblich höheren Marktwert.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Gilt der im Notarvertrag genannte Kaufpreis automatisch als Geschäftswert für die Notargebühren?
Nein, die vertraglich vereinbarte Summe ist nicht unumstößlich. Obwohl dieser Betrag primär als Grundlage dient, endet die Bindungswirkung, sobald objektive Zweifel an seiner Richtigkeit oder Eindeutigkeit bestehen. Der vereinbarte Kaufpreis ist nach den Regelungen des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) lediglich eine von mehreren zulässigen Erkenntnisquellen zur Wertermittlung.
Die Angabe im Vertrag ist laut § 46 Abs. 2 Nr. 1 GNotKG lediglich ein Anhaltspunkt für den Notar. Sobald Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit vorliegen, muss der Notar oder später das Gericht den tatsächlichen Wert neu ermitteln. Solche Zweifel entstehen häufig, wenn die Formulierung im Vertrag mehrdeutig ist oder die Parteien sie unterschiedlich interpretieren. In diesen Fällen muss die Vertragsautonomie dem öffentlichen Kostenrecht weichen, welches eine objektive Gebührenfestsetzung verlangt.
Eine typische Situation ist die Unklarheit, ob sich der genannte Betrag auf den Gesamtwert der Immobilie oder nur auf den Wert des übertragenen Rechts (zum Beispiel eines Miteigentumsanteils) bezieht. Besteht dieser Widerspruch, ist die vertragliche Angabe ungültig. Gerichtliche Instanzen sind dann verpflichtet, den korrekten Geschäftswert im sogenannten Freibeweisverfahren unabhängig neu zu ermitteln (gemäß Az. 5 Wx 8/23), wobei amtliche Daten vorrangig verwendet werden.
Dokumentieren Sie präzise, inwiefern die Wertangabe in Ihrem Notarvertrag mehrdeutig ist oder einen anderen Umfang beschreibt, als der Notar zur Berechnung zugrunde gelegt hat.
Wann und wie kann ich die Berechnung der Notargebühren gerichtlich überprüfen lassen?
Die gerichtliche Überprüfung von Notargebühren erfolgt durch das sogenannte Kostenbeschwerdeverfahren. Voraussetzung ist, dass Sie die endgültige Kostenrechnung des Notars erhalten haben. Sie leiten das Verfahren ein, indem Sie einen Antrag beim zuständigen Landgericht stellen. Das Gericht prüft die Richtigkeit des Geschäftswerts und setzt den noch zu zahlenden Betrag neu fest.
Das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) sieht diesen formellen Rechtsweg vor, wenn Sie die Gebührenberechnung für fehlerhaft halten. Nachdem Sie die Rechnung beanstandet haben, kann der Notar die Angelegenheit an das Landgericht abgeben. Im Fall der Erwerberin, die vor dem OLG Sachsen-Anhalt erfolgreich vorging, beantragte sie direkt die Überprüfung, weil sie den zugrunde gelegten Wert für falsch hielt. Diese gesetzliche Grundlage gewährleistet, dass die Kostenrechnung einer neutralen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
Die Prüfung erfolgt im sogenannten Freibeweisverfahren nach § 46 GNotKG, welches das Verfahren schlank hält. Sie müssen keine aufwendigen Sachverständigengutachten vorlegen, um Ihren Standpunkt zu beweisen, da dies gesetzlich ausgeschlossen ist. Das Gericht ermittelt den korrekten Verkehrswert stattdessen von Amts wegen. Es greift dabei primär auf leicht zugängliche, amtliche Erkenntnisquellen wie die Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse zurück.
Bevor Sie den gerichtlichen Antrag stellen, senden Sie dem Notar ein kurzes, formloses Widerspruchsschreiben, in dem Sie die Überprüfung der Kostenrechnung ankündigen.
Welche Beweise und amtlichen Quellen bestimmen den Geschäftswert, wenn der Vertragswert mehrdeutig ist?
Wenn der im Notarvertrag genannte Geschäftswert nicht eindeutig ist oder die Parteien unterschiedliche Vorstellungen über den Umfang des Geschäftsgegenstandes haben, muss das Gericht den Verkehrswert neu ermitteln. Dazu stützt sich das Gericht im sogenannten Freibeweisverfahren vorrangig auf amtliche und objektive Daten. Höchstes Gewicht erhalten Erkenntnisquellen, die auf realen Verkaufsfällen basieren und somit die tatsächliche Marktlage widerspiegeln.
Das Gericht zieht primär den offiziellen Grundstücksmarktbericht heran, den der örtliche Gutachterausschuss veröffentlicht. Diese Berichte basieren auf umfangreichen Kaufpreissammlungen aus real durchgeführten Immobilientransaktionen. Amtlich bekannte Tatsachen aus diesen Sammlungen sind die zuverlässigste Basis für eine neutrale Wertermittlung, da sie im Gegensatz zu pauschalen Notarangaben faktisch und nicht nur prognostisch sind.
Zusätzlich können Sie als Partei nachvollziehbare Schätzungen Dritter als ergänzende Beweismittel vorlegen. Hierzu gehören beispielsweise Wertindikatoren einer finanzierenden Bank oder glaubwürdige Einschätzungen einer erfahrenen Immobilienmaklerin. Das Gericht kann solche Unterlagen bei der Gesamtwertfindung berücksichtigen, solange sie plausibel sind. Vermeiden Sie es hingegen, sich auf unverifizierbare Werte aus Internetportalen zu stützen, da diese die offiziellen Daten der Gutachterausschüsse nicht ersetzen können.
Kontaktieren Sie unverzüglich den örtlichen Gutachterausschuss und beschaffen Sie den aktuellen Grundstücksmarktbericht für das relevante Vertragsjahr, um eine fundierte Anfechtung zu ermöglichen.
Darf der Notar oder das Gericht ein teures Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Verkehrswerts anfordern?
Nein, im gerichtlichen Kostenverfahren ist die Anforderung eines teuren Sachverständigengutachtens zur Wertermittlung gesetzlich ausgeschlossen. Das Gerichts- und Notarkostengesetz (§ 46 Abs. 4 GNotKG) untersagt die sogenannte förmliche Beweisaufnahme, um das Verfahren zügig und kostenschonend zu halten. Das Gericht ermittelt den notwendigen Verkehrswert stattdessen im schnellen Freibeweisverfahren.
Diese strikte Regelung dient der Verfahrensökonomie und schützt Beteiligte vor unkontrollierbaren Kosten. Das Kostenrecht verlangt vom Gericht eine nachvollziehbare, pragmatische Wertfeststellung, nicht aber eine wissenschaftlich exakte und langwierige Begutachtung. Detaillierte Prüfungen, die den Wert durch aufwendige Schätzungen von Lage, Zustand oder Ausstattung festlegen müssten, sind daher verboten.
Konkret müssen Gerichte alle Beweisanträge zurückweisen, die eine aufwendige Prüfung der Immobilie erfordern. Wenn beispielsweise der Notar anbietet, den genauen Zustand oder die luxuriöse Ausstattung durch Sachverständige beweisen zu lassen, bleibt dieser Antrag unberücksichtigt. Das Gericht ist verpflichtet, stattdessen auf amtlich bekannte Tatsachen und leicht zugängliche, objektive Quellen zur Wertermittlung zurückzugreifen.
Konzentrieren Sie sich daher ausschließlich auf leicht zugängliche und objektiv messbare Daten wie Quadratmeterpreise oder Baujahr, um Ihren Standpunkt zu belegen.
Wie formuliere ich den Verkehrswert im Kaufvertrag korrekt, um spätere Gebührenstreitigkeiten zu verhindern?
Die Hauptursache für unnötige Notargebühren liegt in der Mehrdeutigkeit der vertraglichen Wertangabe. Um den teuren Interpretationsfehler der Antragstellerin zu vermeiden, müssen Sie bereits bei Vertragsabschluss präzise definieren, welche Immobilie die angegebene Summe abbildet. Klären Sie explizit, ob der Betrag den Gesamtwert des Objekts oder nur den Geschäftswert des tatsächlich übertragenen Anteils darstellt.
Viele Notarverträge verwenden die Begriffe „Vertragsgegenstand“ und „Objekt“ synonym, was bei Teilübertragungen zu Fehlinterpretationen führt. Wird beispielsweise nur ein Miteigentumsanteil verkauft, sollten Sie im Vertrag klarstellen, dass sich die Summe nur auf den Wert dieses Anteils bezieht. Eine unklare, pauschale Formulierung erlaubt es dem Notar, den Begriff ‚Vertragsgegenstand‘ im Zweifel als den höheren Gesamtwert zu interpretieren, selbst wenn die Parteien einen niedrigeren Teilwert meinten.
Fügen Sie eine klare Formulierung hinzu, dass der festgelegte Wert die Basis für die Gebührenrechnung des Notars nach dem GNotKG darstellt, sofern keine zwingenden Gründe für eine Abweichung vorliegen. Bei komplexen Verträgen, die mehrere Geschäfte bündeln – etwa eine Übertragung mit einem ergänzenden Pflichtteilsverzicht –, sollten Sie die jeweiligen Geschäftswerte für jedes einzelne Rechtsgeschäft separat im Vertragspassus auflisten, um die Addition transparent zu machen.
Bitten Sie den Notar bei der Vorbesprechung des Entwurfs, die Wertangabe im Hinblick auf § 46 GNotKG zu prüfen und schriftlich zu bestätigen, dass die Formulierung den Geschäftswert des konkret zu beurkundenden Rechtsgeschäfts widerspiegelt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Amtlich bekannte Tatsachen
Amtlich bekannte Tatsachen sind alle Daten, die Behörden wie der örtliche Gutachterausschuss offiziell erheben und die damit als gesicherte Informationen im Gerichtsverfahren gelten. Das Gericht nutzt diese Tatsachen, um eine faire und neutrale Bewertungsgrundlage zu schaffen, da sie auf realen Verkäufen basieren und nicht auf bloßen Schätzungen der Parteien.
Beispiel: Das Oberlandesgericht stützte sich bei seiner Wertermittlung auf die amtlich bekannten Tatsachen des Grundstücksmarktberichts, um einen mittleren Quadratmeterpreis für vergleichbare Objekte festzulegen.
Freibeweisverfahren
Das Freibeweisverfahren ist eine pragmatische Verfahrensart im Kostenrecht, bei der das Gericht den Wert eines Gegenstands ohne die strengen Regeln einer förmlichen Beweisaufnahme schnell und unbürokratisch feststellt. Dieses Verfahren ermöglicht eine zügige und kostengünstige Klärung von Gebührenstreitigkeiten, weil das Gericht auf einfache Erkenntnisquellen wie amtliche Daten zurückgreift und keine teuren Gutachten einholen muss.
Beispiel: Da das Gericht den Verkehrswert der Immobilie im Freibeweisverfahren ermitteln musste, durfte es die vom Notar angebotenen Beweise zur detaillierten Wertermittlung der Lage und Ausstattung nicht berücksichtigen.
Förmliche Beweisaufnahme
Die förmliche Beweisaufnahme beschreibt das aufwendige, streng geregelte Verfahren, bei dem in Zivilprozessen Beweismittel wie Zeugen, Urkunden oder Sachverständigengutachten offiziell erhoben werden. Juristen wollen durch diese formalisierten Regeln verhindern, dass das Kostenverfahren unnötig lange dauert oder immense zusätzliche Kosten für die Parteien verursacht, weshalb das GNotKG diese Methode explizit verbietet.
Beispiel: Das Gericht wies das Angebot des Notars zurück, weil eine detaillierte Prüfung des Zustands der Immobilie eine förmliche Beweisaufnahme erfordert hätte, was § 46 Abs. 4 GNotKG untersagt.
Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG)
Das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) ist die zentrale gesetzliche Grundlage, die detailliert vorschreibt, wie Notare und Gerichte in Deutschland die Höhe der Gebühren und Auslagen für notarielle Tätigkeiten berechnen müssen. Dieses Bundesgesetz schafft Rechtssicherheit und Transparenz, indem es Notaren klare Regeln für die Abrechnung an die Hand gibt und gleichzeitig die Überprüfung der Rechnungen durch die Gerichte ermöglicht.
Beispiel: Die Höhe der Notargebühren im Fall der Miteigentumsübertragung bemaß sich nach den spezifischen Vorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG), wobei der Verkehrswert des Objekts die Berechnungsgrundlage darstellte.
Geschäftswert
Der Geschäftswert (oft identisch mit dem Verkehrswert) ist der maßgebliche, in Geld ausgedrückte Betrag eines Rechtsgeschäfts, auf dessen Basis der Notar oder das Gericht die konkreten Gebührenansätze für die Beurkundung festlegt. Der Gesetzgeber nutzt den Geschäftswert als objektive Bemessungsgrundlage, um sicherzustellen, dass die Notarkosten proportional zum tatsächlichen ökonomischen Wert der vorgenommenen Dienstleistung stehen.
Beispiel: Im konkreten Fall setzte das Landgericht den korrigierten Geschäftswert für die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils und den Pflichtteilsverzicht auf die Summe von 334.375 € fest.
Kostenbeschwerdeverfahren
Ein Kostenbeschwerdeverfahren ist der formelle Rechtsweg, der es Bürgern ermöglicht, eine vom Notar erstellte Kostenrechnung gerichtlich prüfen und gegebenenfalls korrigieren zu lassen. Dieses Verfahren dient als wichtige Kontrollinstanz, um sicherzustellen, dass die Berechnung der Gebühren durch den Notar korrekt und konform mit dem GNotKG erfolgt.
Beispiel: Nachdem der Notar die ursprüngliche, höhere Rechnung erstellt hatte, leitete die Erwerberin das Kostenbeschwerdeverfahren beim zuständigen Landgericht ein, um den zugrunde gelegten Geschäftswert überprüfen zu lassen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 5 Wx 8/23 – Beschluss vom 19.09.2024
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