OLG Karlsruhe – Az.: 14 U 118/14 – Urteil vom 08.03.2016
Gründe
Zum Sachverhalt
Ein badischer Amtsnotar hatte die treuhänderische Abwicklung des von ihm am 11.05.2005 beurkundeten Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung übernommen, die durch die Teilung einer größeren Wohnung gebildet werden sollte. Am 14.07.2005 hat der Notar den Vollzug aller Anträge aus der Kaufvertragsurkunde beantragt, die auch einen Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung enthielt. Das Grundbuchamt hat die Anträge auf Eintragung des Eigentumswechsels und der Pfandfreigaben am 05.09.2005 zurückgewiesen, weil die gleichzeitig beantragte Änderung der Teilungserklärung mangels einer Abgeschlossenheitsbescheinigung noch nicht eingetragen werden konnte und das Kaufobjekt daher noch nicht bestand. Im Folgenden sind zwei Zwangssicherungshypotheken in das Grundbuch eingetragen worden. Nachdem die Teilungserklärung geändert worden war, hat der Notar aus dem auf sein Treuhandkonto einbezahlten Kaufpreis die auf dem Wohnungseigentum lastenden Grundpfandrechte abgelöst und den restlichen Betrag an die Verkäuferin ausbezahlt. Mit Schreiben vom 20.06. und 01.08.2006 hat er dem Grundbuchamt die Löschungsbewilligungen übersandt und erneut den Grundbuchvollzug beantragt. Die Grundpfandrechte wurden am 17.10.2006 gelöscht. Weitere Grundbucheintragungen (Auflassungsvormerkung, Eigentumswechsel) sind nicht erfolgt. Im Februar 2009 ließ ein Gläubiger der inzwischen insolventen Verkäuferin eine Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch eintragen. Die Käufer haben sie abgelöst und das Land Baden-Württemberg auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Land nimmt den Notar in Regress (§§ 48 BeamtStG, 59 LBG i. V. m. Art. 34 S. 2 GG). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Landes hatte Erfolg.
Aus den Gründen
…
Der Beklagte ist dem klagenden Land zum Schadenersatz verpflichtet.
1) Das Grundbuchamt hat den mit Schreiben des Beklagten vom 14.07.2005 gestellten Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung übersehen oder angenommen, es habe auch diesen Antrag zurückgewiesen. Die Anträge des Beklagten vom 20.06. und 01.08.2006 hat das Grundbuchamt dahin ausgelegt, dass nur die Grundpfandrechte gelöscht werden sollten, die auf dem Wohnungseigentum der Verkäuferin (Grundbuch von W. Blatt 1338) lasteten. Deshalb sind die Eheleute L. bis Februar 2009 nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden und war dem Grundbuchamt nicht bewusst, dass noch ein unerledigter Antrag vorlag, der dasselbe Recht betraf. Da § 17 GBO nur eine Ordnungsvorschrift ist, ist die im Februar 2009 in das Wohnungsgrundbuch 1338 eingetragene Zwangssicherungshypothek entstanden.
Die ordnungsgemäße, vollständige Eintragung entsprechend allen gestellten Anträgen obliegt natürlich allein dem Grundbuchamt. Der Notar kann aber verpflichtet sein, den ordnungsmäßigen Vollzug der von ihm beim Grundbuchamt gestellten Anträge zu überwachen. Ein zur Überwachung verpflichteter Notar, der darauf vertraut, dass es auch ohne Überwachung nicht zu einem Schaden kommen wird, verletzt die (von ihm für überflüssig gehaltene) Überwachungspflicht nicht nur (grob) fahrlässig, sondern vorsätzlich. Für eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung genügt das Wissen und Wollen der Amtspflichtverletzung. Der eingetretene Schaden braucht nicht von dem Vorsatz umfasst zu sein (Palandt/Grüneberg, BGB 75. Aufl. § 276 Rdn. 10, § 839 Rdn. 51 m.w.Nachw.).
2) Der Beklagte war zur Überwachung des Grundbuchvollzugs verpflichtet.
a) Sind Willenserklärungen beurkundet worden, die beim Grundbuchamt einzureichen sind, soll der Notar dies gemäß § 53 BeurkG veranlassen, sobald die Urkunde eingereicht werden kann. Hierbei handelt es sich um eine unselbständige Hilfstätigkeit. Der Urkundenvollzug nach § 53 BeurkG umfasst grundsätzlich nicht die Pflicht, den Vollzug der gestellten Anträge zu überwachen. Anders liegt es, wenn dem Notar ein (kostenpflichtiger) selbständiger Vollzugsauftrag gemäß § 24 BNotO erteilt wird, zu dessen Annahme er nicht verpflichtet ist. Wieso der Beklagte meint, in § 24 Abs. 3 BNotO sei geregelt, dass die Verpflichtungen des Notars mit der Antragstellung beim Grundbuchamt gemäß § 15 GBO beendet seien, erschließt sich nicht. Im Rahmen einer Vollzugstätigkeit, die Gegenstand eines Betreuungsauftrags nach § 24 BNotO ist, hat der Notar nicht nur die entsprechenden Eintragungsanträge beim Grundbuchamt zu stellen, sondern auch den ordnungsmäßigen Vollzug der von ihm beim Grundbuchamt gestellten Anträge zu überwachen (vgl. BGH, NJW 1960, 1718; BGH, DNotZ 1968, 318; BGHZ 123, 1; KG, NotBZ 2008, 157; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 7. Aufl. § 24 Rdn. 49; Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 3. Aufl. Rdn. 633, 646; Ganter in Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung 3. Aufl. Rdn. 1521 ff.). Ein selbständiger Vollzugsauftrag hat im Zweifel die vollständige Abwicklung des beurkundeten Rechtsgeschäfts zum Inhalt. Ist der Notar zur Überwachung nicht bereit, muss er die Beteiligten entsprechend informieren (Sandkühler a.a.O. § 15 Rdn. 40, § 19 Rdn. 91). Der Beklagte ist mit der „treuhänderischen Abwicklung des Vertrags“ beauftragt worden. Er hat diesen Auftrag angenommen und nicht erklärt, dass er den Grundbuchvollzug nicht überwachen will. Deshalb war er hierzu verpflichtet.
b) Tatsächlich zieht der Beklagte die Überwachungspflicht des Notariats auch nicht ernstlich in Zweifel. Er ist vielmehr der Ansicht, er habe die Überwachung (zunächst) der Geschäftsstelle überlassen dürfen.
Der Notar hat seine Amtspflichten aber grundsätzlich persönlich zu erfüllen. Zu der Amtspflicht des Notars, den Grundbuchvollzug zu überwachen, gehört in erster Linie eine genaue und sorgfältige Prüfung der Eingangsnachrichten des Grundbuchamtes (BGH, NJW 1960, 1718). Der Notar muss prüfen, ob die gestellten Anträge durch Eintragung erledigt sind und ob die Art der Erledigung den gestellten Anträgen entspricht und gesetzmäßig ist (KG a.a.O.; Sandkühler a.a.O.). Ein Notar, der seine persönlich zu erfüllenden Amtspflichten dem Büropersonal überlässt, verletzt seine Amtspflicht (vgl. etwa BGHZ 31, 5; BGH, NJW 1989, 586). Für einen badischen Amtsnotar gilt nichts anderes.
c) Auch das Landgericht hat angenommen, dass der Beklagte die Eintragungen selbst überwachen musste und nur die Vorbereitung der Überwachung delegieren durfte. Insoweit hat es ausgeführt, nach dem Vortrag des Beklagten sei die Anmahnung der Eintragungsbekanntmachungen Sache der Geschäftsstelle gewesen, die ihm die Akte bei länger währendem Ausbleiben wieder vorlegen musste. Der Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass ihm die Akte entweder bei Eingang der Eintragungsbekanntmachung oder bei Schwierigkeiten, diese zu erlangen, wieder vorgelegt wird. Deshalb erscheine das Unterlassen des Beklagten, eine Wiedervorlagefrist zu setzen, zwar als fahrlässig, aber nicht als grob fahrlässig. Der Beklagte hätte zwar die unterbliebene Eintragung der Auflassungsvormerkung bemerken müssen. Auch dieser Fehler sei aber nicht grob fahrlässig, weil durch die teilweise Zurückweisung der gestellten Anträge eine unübersichtliche Situation eingetreten war und die Löschung der Grundpfandrechte, die Änderung der Teilungserklärung und sodann die Eigentumsumschreibung im Vordergrund gestanden hätten. Auch aufgrund der Eintragungsbekanntmachung vom 20.10.2006 (korrekt: 17.10.2006), aus der sich der Vollzug der Löschungen ergab, habe der Beklagte nicht davon ausgehen müssen, dass die Eigentumsumschreibung vergessen worden sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass er davon ausgegangen sei, sie werde zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
d) Tatsächlich ist die Eintragungsbekanntmachung vom 17.10.2006 über die Löschung der Grundpfandrechte dem Beklagten gar nicht vorgelegt worden (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 15.07.2013, I 205; so gibt auch LGU S.16 den Beklagtenvortrag wieder). Nach dem Vortrag des Beklagten war ihm die Akte dann wieder vorzulegen, wenn die Geschäftsstelle davon ausging, dass die vollständige Abwicklung des Vorgangs vorliegt und die Akte nunmehr zur Verwahrung gegeben werden kann. Die regelmäßige Überprüfung des Fortgangs bis dahin liege alleine bei der Geschäftsstelle (Schriftsatz vom 15.07.2013, I 181). Eine Eintragungsnachricht, die nicht zur vollständigen Erledigung des Vorgangs führe, müsse dem Notar nicht vorgelegt werden (I 205). Die gesamte Abwicklung beurkundeter Kaufverträge, die Bearbeitung von Eintragungsnachrichten und die Wiedervorlage an den Notar seien im badischen Amtsnotariat ausschließliche Aufgabe der Kanzlei (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 14.01.2015, II 99, 111).
Der Senat hat diesen Vortrag des Beklagten dahin verstanden, dass die Geschäftsstelle auch dann nicht verpflichtet war, ihm die Akte vorzulegen, wenn eine Eintragungsbekanntmachung über die Eintragung einer Auflassungsvormerkung einging, durch die der Vorgang nicht vollständig abgewickelt wurde, und dass es auch in diesem Fall keinen (unmittelbar oder mittelbar) festgelegten Zeitpunkt gab, zu dem die Geschäftsstelle die Akte vorlegen musste, wenn keine Eintragungsnachricht einging. Der Senat hat sein Verständnis durch Hinweisbeschluss vom 15.01.2016 mitgeteilt und den Beklagten um Klarstellung gebeten, falls dieses Verständnis nicht richtig ist. Der Beklagte hat erwidert, das Verständnis des Senats sei richtig.
e) Aufgrund der ihm bekannten Dienstpflichten des Kanzleipersonals konnte der Beklagte also gerade nicht darauf vertrauen, dass ihm die Akte vorgelegt wurde, wenn die Nachricht über die Eintragung einer Auflassungsvormerkung einging, und dass ihm die Akte auf der anderen Seite auch dann zeitnah nach dem Ablauf der für die Eintragung einer Auflassungsvormerkung üblichen Bearbeitungszeit vorgelegt wurde, wenn keine Nachricht über die Eintragung einer Auflassungsvormerkung eingegangen war. Die einzige Vorkehrung, die eine Überwachung des Grundbuchvollzugs durch den Notar gewährleisten sollte, bestand vielmehr in der generellen Weisung, die Akte dem Notar zur abschließenden Prüfung vorzulegen, wenn der Vorgang nach Ansicht der Kanzlei vollständig abgewickelt worden war und in die Verwahrung gegeben werden konnte. Gegen diese generelle Weisung hat die Geschäftsstelle verstoßen, indem sie die Akte im November 2007 in die Verwahrung gegeben hat, ohne sie dem Beklagten zur abschließenden Prüfung vorgelegt zu haben. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass der Eintritt des Schadens (nur) auf einem Fehler der Geschäftsstelle beruht und nicht auch auf einer Amtspflichtverletzung des Beklagten. Durch die unvollständige Erledigung der Eintragungsanträge durch das Grundbuchamt war für die Käufer L. eine Gefahrenlage entstanden, die sich durch die Eintragung der Zwangshypothek zu einem endgültigen Schaden entwickelt hat. Die generelle Weisung, gegen die die Geschäftsstelle im vorliegenden Fall verstoßen hat, war nicht geeignet, einen solchen Schaden zu verhindern. Die Zwangssicherungshypothek ist erst im Februar 2009 in das Grundbuch eingetragen worden, weil der Gläubiger der insolventen Verkäuferin die Eintragung erst zu diesem Zeitpunkt beantragt hat. Ebensogut hätten Gläubiger der Verkäuferin schon zu einem früheren Zeitpunkt Zwangshypotheken zur Eintragung bringen können. Im November 2007 gab es auch keinen Anlass für die Geschäftsstelle, die Akte in die Verwahrung zu geben: Es war kein Schriftstück eingegangen, das sie zu der Annahme veranlassen konnte, nunmehr sei der Kaufvertrag abgewickelt. Bei Beachtung der generellen Weisung, die Akte dem Notar dann wieder vorzulegen, wenn die Kanzlei der Ansicht war, der Vorgang sei endgültig abgewickelt, hätte die Akte weiter auf der Geschäftsstelle verbleiben müssen. Auch wenn die Akte auf der Geschäftsstelle verblieben wäre, wäre die Zwangshypothek im Februar 2009 eingetragen worden, weil bis dahin kein Schriftstück eingegangen war, das die Geschäftsstelle zu der Annahme veranlassen konnte, nunmehr sei der Vorgang abgewickelt und die Akte dem Beklagten vorzulegen.
Der Beklagte hätte das Kanzleipersonal anweisen müssen, ihm die Akte vorzulegen, wenn eine Nachricht über die Eintragung einer Auflassungsvormerkung einging, und ihm die Akte auch dann zeitnah nach dem Ablauf der für die Eintragung einer Auflassungsvormerkung üblichen Bearbeitungszeit vorzulegen, wenn keine Nachricht über die Eintragung einer Auflassungsvormerkung eingegangen war. Hätte der Beklagte eine solche Anweisung erteilt, wäre zeitnah – noch 2005 oder jedenfalls Anfang 2006 – festgestellt worden, dass keine Auflassungsvormerkung eingetragen worden war, und wäre die Eintragung nachgeholt worden.
Wurde die Akte dem Beklagten dagegen erst wieder vorgelegt, wenn die Kanzlei von einer vollständigen Abwicklung des Vorgangs – bei einem Kaufvertrag also von einer Eigentumsumschreibung – ausging, war es zu spät für die Prüfung, ob die Vormerkung für den zu sichernden Anspruch überhaupt und richtig eingetragen worden war. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Überprüfung durch den Beklagten ihren Zweck, die mit einer eingetragenen Vormerkung verbundene Sicherungs- und Rangwirkung (§ 883 Abs. 2, Abs. 3 BGB) zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen.
3) Das Unterlassen des Beklagten war auch grob fahrlässig.
a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH, NJW-RR 2011, 1055).
b) Der Beklagte war der Ansicht, aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.11.1995 (IX ZR 213/94, BGHZ 131, 200) ergebe sich, dass es nicht zu den Aufgaben eines badischen Amtsnotars gehört zu prüfen, ob das Grundbuchamt gestellte Anträge ordnungsgemäß bearbeitet hat. Das ist nicht zutreffend.
aa) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass einem nicht beamteten Notar, der eine Hilfsperson (im konkreten Fall einen in seiner Kanzlei tätigen Rechtsanwalt) mit einer selbständigen, nicht in vollem Umfang nachzuprüfenden Vorarbeit für Urkundsentwürfe – insbesondere mit der Einsicht ins Grundbuch – betraut, ein Verschulden der Hilfsperson analog § 278 BGB zuzurechnen ist. Eine Regelung, die statt dessen allein auf eigene Pflichtwidrigkeiten des Notars bei der Auswahl, Anleitung und Überwachung der Hilfskräfte abstellte, würde dem Rechtssuchenden nicht den erforderlichen Schutz gewähren. Der Notar könne das ihm als Amtsträger persönlich entgegengebrachte Vertrauen nicht allein zu seiner eigenen Arbeitserleichterung mit haftungsrechtlich befreiender Wirkung auf andere übertragen. Für den geschädigten Urkundenbeteiligten wäre es aus Sachgründen nicht einzusehen, wenn ihm Schadensersatz wegen des Verschuldens einer von dem Notar herangezogenen Hilfsperson nur zugebilligt würde, wenn er einen Notar im Landesdienst in Baden-Württemberg beauftragt hatte. Denn wenn sich ein solcher Notar zur Grundbucheinsicht einer Hilfsperson bediene, hafte der Staat gemäß Art. 34 S. 1 GG i.V.m. § 839 BGB ohne weiteres, wenn der Hilfsperson ein vorwerfbarer, zu einem Schaden führender Fehler unterlaufe.
bb) Der Beklagte hat aus dieser Entscheidung offenbar den Schluss gezogen, ein badischer Amtsnotar sei berechtigt, die Geschäftsstelle mit der selbständigen, eigenverantwortlichen Überwachung des Grundbuchvollzugs zu betrauen, bis sie der Ansicht ist, der Vorgang sei abgewickelt, weil das Land ohne weiteres haftet, wenn der Geschäftsstelle hierbei ein zu einem Schaden führender Fehler unterläuft. Dieser Schluss war rechtsfehlerhaft. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgt selbstverständlich nicht, dass ein Notar im Landesdienst in Baden-Württemberg seiner Amtspflicht genügt, wenn er die Überwachung des Grundbuchvollzugs dem Kanzleipersonal überlässt, das hierfür nicht qualifiziert ist und von dem Notar nicht zeitnah überwacht wird. Der Rechtsirrtum des Beklagten war auch objektiv und subjektiv schlechthin unentschuldbar und damit grob fahrlässig.
cc) Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit entfiele selbst dann nicht, wenn die Notarkollegen des Beklagten und der von dem Landgerichtspräsidenten mit der Prüfung des Notariats beauftragte Referent der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Rechtsirrtum des Beklagten geteilt und ihn darin bestärkt hätten. Im übrigen hat der Beklagte auch gar nicht vorgetragen, dass seine Notarkollegen und der Referent der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.11.1995 ebenfalls dahin verstanden haben, dass ein badischer Amtsnotar die Geschäftsstelle mit der selbständigen, eigenverantwortlichen Überwachung des Grundbuchvollzugs betrauen darf, bis sie der Ansicht ist, der Vorgang sei abgewickelt. Der Beklagte hat lediglich – mit Schriftsätzen vom 07.02.2013 (I 61) und 29.03.2013 (I 139) – vorgetragen, dass die Prüfungen durch den Referenten der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Beanstandungen ergeben hätten, und dass seine – des Beklagten – Abwicklung des Vertrags den im badischen Amtsnotariat üblichen Abläufen entsprochen habe, wofür zwei Notarkollegen als sachkundige Zeugen zur Verfügung stünden. In denselben Schriftsätzen hat der Beklagte weiter vorgetragen, dass die Geschäftsstelle die Akte „schon bei ordnungsgemäßer Wiedervorlage … im Zuge des normalen Geschäftsganges … in angemessener Zeit ohnehin vorzulegen gehabt“ hätte (Schriftsatz vom 07.02.2013, I 61) und dass es nicht zu dem Schaden hätte kommen können, wenn die Akte „wenigstens ein einziges Mal im Rahmen geschäftsmäßiger Wiedervorlage im Jahre 2006 vorgelegt worden“ wäre (Schriftsatz vom 29.03.2013, I 129). Dass eine geschäftsmäßige Wiedervorlage der Akte an den Beklagten vor der endgültigen Erledigung des Vorgangs gar nicht vorgesehen war, hat sich erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits – insbesondere durch die Schriftsätze vom 15.07.2013 und 14.01.2015 – herausgestellt.
dd) Hinzu kommt, dass der Beklagte im vorliegenden Fall an seiner pflichtwidrigen Vorgehensweise festgehalten hat, obwohl er konkrete Anhaltspunkte dafür hatte, dass etwas „schief“ läuft und der lastenfreie Eigentumserwerb der Eheleute L. gefährdet ist.
In dem Kaufvertrag vom 11.05.2005 war eine Erwerbsvormerkung „auf dem Kaufobjekt“ bewilligt und beantragt worden. Das Grundbuchamt hat dem Beklagten mit Schreiben vom 26.08.2005 (in der Notariatsakte 8 UR 842/2005) mitgeteilt, dass „die Anträge aus der Urkunde 8 UR 842/2005“ der Zurückweisung gemäß § 18 GBO unterliegen, da „das Kaufobjekt aus 8 UR 842/2005 nicht gebildet werden konnte bzw. kann“. Der Beklagte hat dieses Schreiben zur Kenntnis genommen und der Verkäuferin mit Schreiben vom 29.08.2005 (in der Verwahrakte 8 MB 25/2005 L.) mitgeteilt, dass „die Anträge aus dem Kaufvertrag“ zurückgewiesen würden, wenn nicht in den nächsten Tagen mit einer Abgeschlossenheitsbescheinigung gerechnet werden könne; in diesem Fall müsste der auf das Treuhandkonto einbezahlte Kaufpreis zurückbezahlt werden. In seinem Schreiben an das Grundbuchamt vom 02.09.2005 (in der Verwahrakte 8 MB 25/2005) hat der Beklagte das Grundbuchamt auch nicht darauf hingewiesen, dass die Auflassungsvormerkung auf dem bisherigen Grundbuchblatt eingetragen werden könne. Der Zurückweisungsbeschluss des Grundbuchamts vom 05.09.2005 bezieht sich zwar seinem Wortlaut nach nur auf die im Betreff genannten Anträge auf Eintragung des Eigentumswechsels und der Pfandfreigaben. In den Gründen hat das Grundbuchamt aber ausgeführt, dass das Kaufobjekt nicht bestehe. Somit lag nahe, dass das Grundbuchamt – wie in dem Schreiben vom 26.08.2005 angekündigt – „die Anträge“ (also alle Anträge) aus der Urkunde zurückweisen wollte, die sich auf das nicht bestehende Kaufobjekt beziehen. Für eine Überwachung der Eintragung der Erwerbsvormerkung hätte daher besonderer Anlass bestanden.
Vor der Abwicklung des Treuhandauftrags im Juni/Juli 2006 ist dem Beklagten dann bekannt geworden, dass zwei Zwangshypotheken zugunsten des Finanzamtes in das Grundbuch eingetragen worden waren, aber keine Auflassungsvormerkung: Der Beklagte hat handschriftliche Hinweise in Bezug auf die weiteren Zwangshypotheken auf dem Kaufvertrag angebracht. Das Finanzamt hat dem Beklagten mit Schreiben vom 02.06.2006 (in der Verwahrakte 8 MB 25/2006 S.) mitgeteilt, die auf Blatt 1338 Abt. III lfd. Nr. 10 am 09.03.2006 eingetragene Sicherungshypothek werde der bestehen bleibenden Wohnung Nr. 1 zugeordnet. Damit war offensichtlich, dass das Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung übersehen hatte bzw. davon ausgegangen war, auch diesen Antrag durch den Beschluss vom 05.09.2005 zurückgewiesen zu haben. Der Beklagte hatte also allen Anlass, die weiteren Anträge sorgfältig und unmissverständlich zu stellen, jedenfalls jetzt eine Wiedervorlagefrist zu setzen und die Geschäftsstelle zur unverzüglichen Wiedervorlage mit jeder eingehenden Eintragungsbekanntmachung anzuweisen. In Befolgung einer solchen Weisung wäre die Akte dem Beklagten spätestens mit der Eintragungsbekanntmachung vom 17.10.2006 vorgelegt worden und hätte der Beklagte festgestellt, dass nur die Grundpfandrechte gelöscht worden sind, aber „aus unverständlichen Gründen“ (so der Beklagte I 233) keine Eigentumsumschreibung erfolgt ist. Durch die dann gebotene Rückfrage beim Grundbuchamt wäre aufgeklärt worden, dass das Grundbuchamt die Anträge vom 20.06. und 01.08.2006 nur als Löschungsanträge ausgelegt hat.