Vererbung eines Vorkaufsrechts: Schlüsselentscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken
Die Übertragbarkeit von Vorkaufsrechten ist ein komplexes und oft missverstandenes Rechtsgebiet, und eine kürzlich vom Oberlandesgericht Saarbrücken gefällte Entscheidung bietet eine neue Perspektive. In dem speziellen Fall, den das Gericht zu entscheiden hatte, ging es um ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht, das ursprünglich nicht übertragbar war. Der Antragsteller argumentierte jedoch, dass das gesetzliche Abtretungsverbot des § 473 BGB nicht greifen würde, da der Zweck dieses Gesetzes – den Vorkaufsverpflichteten vor einem Wechsel in der Person des Vorkaufsberechtigten zu schützen – durch die beiderseitige Zustimmung im Abtretungsvertrag nicht betroffen sei.
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Übersicht
Neue Interpretation der Rechtsprechung
Das Gericht sah das jedoch anders. Die Übertragung eines subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts ist nicht einfach nachträglich möglich, insbesondere nicht durch die (vermeintliche) Abtretung dieses Rechts an den Antragsteller. Das Gericht argumentierte, dass es sich bei einer solchen Übertragung um eine Änderung des Inhalts des Rechts handelt, die gemäß den §§ 877, 873 BGB ihrer Wirksamkeit bedarf. Diese Änderung war jedoch weder erklärt noch im Vorgriff auf die beabsichtigte Übertragung des Rechts zur Eintragung im Grundbuch beantragt worden.
Unterscheidung zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Vorkaufsrecht
Die Argumentation des Antragstellers, die notwendige Vereinbarung einer Übertragbarkeit des Vorkaufsrechts ergebe sich aus einer vermeintlichen Zustimmung der Beteiligten im Abtretungsvertrag, vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Dieses hielt dem entgegen, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen einem schuldrechtlichen und einem dinglichen Vorkaufsrecht gibt. Eine vertragliche Inhaltsänderung des Rechts, die die Übertragung allgemein oder im konkreten Einzelfall ermöglicht, wird bei einer schuldrechtlichen Forderung durch das Einverständnis des Schuldners mit einer Übertragung des Rechts herbeigeführt.
Folgen der Entscheidung
Bei einem dinglichen Recht, wie in diesem Fall, ist eine solche Inhaltsänderung jedoch nicht einfach möglich. Diese Tatsache wurde vom Antragsteller übersehen und das Gericht hielt fest, dass diese Änderung nicht nur erklärt, sondern auch zur Eintragung im Grundbuch beantragt werden müsste, was in diesem Fall nicht geschehen ist. Letztendlich entschied das Gericht, dass das ursprünglich nicht übertragbare Vorkaufsrecht in diesem Fall nicht übertragen werden konnte, da die notwendigen Voraussetzungen für eine solche Übertragung nicht erfüllt waren.
Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken hat wichtige Implikationen für die Übertragung von Vorkaufsrechten und klärt einige Unklarheiten in Bezug auf dieses wichtige Thema. Es wird interessant sein zu sehen, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf zukünftige Fälle haben wird.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 20/20 – Beschluss vom 09.06.2020
1. Die Beschwerde des Antragstellers vom 14. April 2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Grundbuchamt – vom 5. März 2020 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 236.983,- Euro.
Gründe
I.
Der Antragsteller war vormals Eigentümer des im Grundbuch von Einöd, Blatt … eingetragenen Wohnungseigentums. Dieses war zusammen mit einer weiteren, aus demselben Stammgrundstück gebildeten Wohneinheit durch Teilungserklärung vom 17. März 1992 (UR Nr. …/… des Notars G. F., Berlin, Bl. 2 ff.) gebildet worden, wobei die hier gegenständliche Einheit dem Antragsteller und die weitere Einheit dem Beteiligten zu 2) zu Eigentum übertragen wurden. Aufgrund entsprechender Bewilligungen vom 17. März, 5. August und 10. November 1992 (UR Nr. …/…; UR Nr. …/… und UR Nr. …/… des Notars G. F., Berlin, Bl. 2 ff., 26 ff., 31 ff.) wurde zu Lasten des hier gegenständlichen Wohneigentums in Abteilung II, lfd. Nr. 8, ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle zugunsten des Beteiligten zu 2) eingetragen. Außerdem wurde nachrangig in Abteilung II, lfd. Nr. 9, ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle zugunsten eines Herrn N. B. eingetragen; gemäß der in Bezug genommenen Bewilligung vom 17. März 1992 war dieses für den Fall eingeräumt worden, dass der zunächst vorkaufsberechtigte Beteiligte von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen sollte.
Mit notarieller Urkunde vom 10. Januar 1996 (UR Nr. …/…, Bl. 62 ff.) veräußerte der Antragsteller die in seinem Eigentum stehende Wohneinheit an den Beteiligten zu 2). In § 4 der Urkunde erklärte dieser „vorsorglich, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen“ (Bl. 64); weiterhin heißt es auf Seite 5 der Urkunde: „Schließlich erklärt der Käufer, in Ansehung des vorstehenden Erwerbs der Eigentumswohnung sein Vorkaufsrecht an den Verkäufer in vollem Umfang abzutreten, der die Abtretung hiermit ausdrücklich annimmt. Die Vertragsbeteiligten bewilligen und beantragen die Eintragung der Abtretung des Vorkaufsrechts zugunsten des Verkäufers in Abteilung II laufende Nr. 8 des Grundbuches von Einöd Blatt …“ (Bl. 66). Einen entsprechenden Eintragungsantrag des Antragstellers vom 5. Februar 2001 (Schreiben des Notars G. F., Bl. 102) nahm dieser auf gerichtlichen Hinweis später zurück (Bl. 105 d.A.).
Mit Schreiben seines derzeitigen Verfahrensbevollmächtigten vom 13. August 2019 begehrte der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Urkunde Nr. …/… des Notars G. F., Berlin, vom 10. Januar 1996 „die unter § 8, Seite 5, Abs. 2 dieser Urkunde vereinbarte Eintragung der Abtretung zu der lfd. Nr. 8 in Abt. II des Grundbuches von Einöd, Blatt …“.
Das Amtsgericht hat den Antrag nach wiederholtem Hinweis auf Bedenken gegen die Eintragungsfähigkeit der Abtretung mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, weil das mit den Bewilligungen vom 17. März, 5. August und 10. November 1992 bestellte Vorkaufsrecht nach seinem vereinbarten Inhalt nicht übertragbar sei; zudem habe ein – wie hier – „verbrauchtes“ Vorkaufsrecht nicht mehr abgetreten werden können. Hiergegen richtet sich die am 14. April 2020 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser weiterhin die Auffassung vertritt, dass das gesetzliche Abtretungsverbot des § 473 BGB nicht eingreife, weil dessen Zweck, den Vorkaufsverpflichteten vor einem Wechsel in der Person des Vorkaufsberechtigten zu schützen, angesichts der in dem Abtretungsvertrag enthaltenen beiderseitigen Zustimmung nicht betroffen sei, und der das Amtsgericht mit Beschluss vom 24. April 2020 nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss vom 5. März 2020 ist unbegründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag, die mit notarieller Urkunde vom 10. Januar 1996 erfolgte Abtretung des zugunsten des Beteiligten zu 2) unter lfd. Nr. 8 eingetragenen Vorkaufsrechtes in das Grundbuch einzutragen, letztlich zu Recht abgelehnt, weil das dingliche Vorkaufsrecht hier mangels Übertragbarkeit (§ 1098 Abs. 1, § 473 BGB) nicht wirksam abgetreten wurde und das Grundbuch durch eine gleichwohl vorgenommene Eintragung unrichtig würde (zur diesbezüglichen Prüfungspflicht des Grundbuchamtes allgemein BGH, Beschluss vom 28. April 1961 – V ZB 17/60, BGHZ 35, 135; Senat, Beschluss vom 6. November 2019 – 5 W 59/19, NJW-RR 2020, 266; Böttcher, in: Meikel, GBO 11. Aufl. § 19 Rn. 17 ff.).
1.
Bei dem von dem Eintragungsantrag betroffenen Recht handelt es sich um ein dingliches Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff. BGB). Dabei handelt es sich um ein eigenständiges Sachenrecht und nicht um eine bloße Verdinglichung eines schuldrechtlichen Vorkaufsrechts, das nach allgemeinen Grundsätzen durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch entsteht (vgl. Demharter, GBO 31. Aufl., Anh. § 44 Rn. 82). Nach dem Gesetz bestehen dafür zwei einander ausschließende Gestaltungsmöglichkeiten: Es kann entweder zugunsten einer bestimmten Person bestellt werden (§ 1094 Abs. 1 BGB, subjektiv persönliches Vorkaufsrecht) oder zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks (§ 1094 Abs. 2 BGB, subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht; vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 23. Mai 1962 – V ZR 123/60, NJW 1962, 1344). Im Gegensatz zum persönlichen Vorkaufsrecht (§§ 463 ff. BGB), das durch bloße schuldrechtliche Vereinbarung zustande kommt, hiervon rechtlich unabhängig und stets auf einen Vorkaufsfall beschränkt ist (OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 14; Weidenkaff, in: Palandt, BGB 79. Aufl. Vorb. v. § 463 Rn. 6), kann das dingliche Vorkaufsrecht auch für mehrere Verkaufsfälle bestellt werden (§ 1097 BGB). Als – wie hier – subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht ist es aber nach § 1098 Abs. 1 i.V.m. § 473 BGB im Zweifel nicht übertragbar und nicht vererblich; soll anderes gelten, muss dies vereinbart worden sein, wobei die Vereinbarung zu ihrer dinglichen Wirksamkeit der Eintragung in das Grundbuch bedarf (BGH, Urteil vom 23. Mai 1962 – V ZR 123/60, BGHZ 37, 147, 153; Demharter, a.a.O., Anh. § 44 Rn. 83).
2.
Dass eine solche Vereinbarung hier bei der Bestellung des Vorkaufsrechts nicht getroffen wurde, weil weder der Eintragungsvermerk noch die darin in Bezug genommenen Bewilligungen (vgl. OLG Zweibrücken, NotBZ 2012, 239; Demharter, a.a.O., Anh. 44 Rn. 83; Morvilius, in: Meikel, a.a.O., Einl. B Rn. 509) sich dazu verhalten, räumt der Antragsteller selbst ein. Entgegen seiner Auffassung ist eine Übertragbarkeit des subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts aber auch nicht nachträglich, insbesondere nicht aus Anlass der (vermeintlichen) Abtretung dieses Rechts an den Antragsteller, wirksam vereinbart worden:
a)
Zwar können der Berechtigte und der Verpflichtete eines – wie hier – zunächst nicht übertragbar gemachten subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechtes auch jederzeit nachträglich vereinbaren, dass das Vorkaufsrecht generell oder auf eine oder mehrere bestimmte Personen übertragen werden kann. Jedoch handelt es sich dabei um eine Inhaltsänderung des Rechts, die zu ihrer Wirksamkeit gemäß §§ 877, 873 Abs. 1 BGB ihrerseits der Eintragung im Grundbuch bedarf: Erst nach einer solchen Inhaltsänderung ist sodann die Erklärung der Übertragung rechtstechnisch möglich; der Wechsel der Person des oder der Berechtigten muss wiederum gemäß § 873 Abs. 1 BGB im Grundbuch eingetragen werden (OLG Hamm, FGPrax 2017, 156; Demharter, a.a.O., Anh. § 44 Rn. 83; vgl. auch OLG Nürnberg, NZG 2013, 750; Herrler, in: Palandt, a.a.O., § 1094 Rn.6). Dabei sind sowohl die inhaltsändernde Vereinbarung über die Übertragbarkeit des subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts als auch die Vereinbarung der Übertragung für die jeweilige Eintragung in das Grundbuch dem Grundbuchamt gegenüber in der zwingend vorgeschriebenen Form des § 29 GBO nachzuweisen (OLG Hamm, FGPRax 2017, 156). Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, fehlt es hier daran, weil eine solche Inhaltsänderung des Vorkaufsrechts nach dem Inhalt der notariellen Urkunde vom 10. Januar 1996 weder erklärt noch im Vorgriff auf die beabsichtigte Übertragung des Rechts zur Eintragung im Grundbuch beantragt worden war.
b)
Der mit der Beschwerde wiederholten Argumentation des Antragstellers, die erforderliche Vereinbarung einer Übertragbarkeit des Vorkaufsrechts folge hier aus einer in dem Abtretungsvertrag liegenden vermeintlichen Zustimmung der daran Beteiligten („uno actu“) vermochte das Amtsgericht zu Recht nicht zu folgen; denn dies verkennt den wesentlichen Unterschied zwischen einem schuldrechtlichen und einem dinglichen Vorkaufsrecht. Soweit es um die Übertragung einer schuldrechtlichen Forderung geht, wird regelmäßig das Einverständnis des Schuldners mit einer Übertragung des Rechts zugleich zu einer vertraglichen Inhaltsänderung des Rechts führen, die die Übertragung allgemein oder in dem betreffenden Einzelfall ermöglicht (OLG Hamm FGPrax 2017, 156; vgl. auch RG, Urteil vom 29. Mai 1935 – V 488/34, RGZ 148, 105, wonach die Abtretung eines nicht übertragbaren schuldrechtlichen Vorkaufsrechts lediglich zur relativen Unwirksamkeit der Übertragung gemäß § 135 BGB führt). Bei einem dinglichen Vorkaufsrecht sind jedoch auch die zwingenden Vorschriften der §§ 873, 877 BGB zu berücksichtigen. Eine Rechtsänderung kann danach nur wirksam werden, wenn sie über die Einigung der Beteiligten hinausgehend – an rangbereiter Stelle – auch im Grundbuch eingetragen wird; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Unveräußerlichkeit des Rechts – als gesetzlicher Regelfall gemäß § 1098 Abs. 1, § 473 BGB – bestehen und ist eine gleichwohl erfolgte Übertragung jedem Dritten gegenüber unwirksam (OLG Hamm, FGPrax 2017, 156; Demharter, a.a.O., Anh. § 44 Rn. 83). Deshalb wäre auch eine in der Abtretung vom 10. Januar 1996 möglicherweise liegende Zustimmung zur Umwandlung des bestehenden in ein übertragbares Recht nicht geeignet, der zur Eintragung angemeldeten Abtretung selbst zur Wirksamkeit zu verhelfen.
c)
Ergänzend bemerkt der Senat, dass eine – grundsätzlich in Betracht kommende – Abtretung der nach der Ausübung des Vorkaufsrechts entstandenen Rechte ihrerseits nicht eintragungsfähig wäre (BayObLGZ 1971, 28 = NJW 1971, 809; Staudinger/Schermaier (2017) BGB § 1097, Rn. 25); diese wurde hier aber auch nicht beantragt, ebenso wenig wie im Übrigen auch der vorliegende Antrag nicht einmal die Eintragung einer mit der Abtretung möglicherweise gewollten Zustimmung zur Umwandlung des bestehenden in ein übertragbares Vorkaufsrecht zum Gegenstand hat: Eine dahin gehende Auslegung, die sich ohne Rücksicht auf den ursprünglichen Willen der Beteiligten nur auf Wortlaut und Sinn der Urkunden selbst stützen könnte (§§ 133, 157 BGB; vgl. Senat, Beschluss vom 9. Januar 1996 – 5 W 273/95, MittRhNotK 1996, 57) scheitert schon am klaren Wortlaut des Antrages, der – allein – auf die Übertragung des unter der lfd. Nr. 8 in Abt. II eingetragenen dinglichen Vorkaufsrechts und nicht auf die Bewilligung einer inhaltlichen Änderung dieses Rechts an rangbereitester Stelle gerichtet ist.
3.
Einer ausdrücklichen Kostenentscheidung bedurfte es im Hinblick auf die gesetzlich geregelte Kostenfolge (§ 22 Abs. 1 GNotKG) nicht. Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 78 Abs. 2 Satz 1 GBO) nicht zuzulassen.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 51 Abs. 1 Satz 2, § 61 Abs. 1 und 2 GNotKG. Der Senat hat als den maßgeblichen Wert des Gegenstandes, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht, den in dem notariellen Vertrag genannten Kaufpreis (927.000,- DM) zugrunde gelegt.