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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Gemeinden scheitern mit Vorkaufsrecht an mangelnder Plankonkretisierung
- ✔ Der Fall vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Vorkaufsrecht der Gemeinde
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)
✔ Kurz und knapp
- Die Vorkaufssatzung der Stadt Altlandsberg war unwirksam, da keine konkreten städtebaulichen Maßnahmen „in Betracht gezogen“ wurden.
- Für ein Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB reicht es nicht aus, nur allgemeine Planungsziele zu benennen.
- Die Planungsvorstellungen für das Gebiet müssen zumindest in groben Umrissen objektiv erkennbar sein.
- Bloße Absichtserklärungen ohne jegliche Konkretisierung städtebaulicher Maßnahmen genügen nicht.
- Das Vorkaufsrecht dient nicht einer allgemeinen Bodenbevorratung, sondern muss für eine tatsächlich geplante städtebauliche Maßnahme erforderlich sein.
- Die Gemeinde hat hier lediglich einen städtebaulichen Konflikt benannt, ohne darzulegen, welche Maßnahmen zur Lösung geplant sind.
- Das Negativattest vom 5.11.2018 musste nicht abschließend geprüft werden, da das Vorkaufsrecht insgesamt unwirksam war.
- Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt Altlandsberg war rechtswidrig.
Gemeinden scheitern mit Vorkaufsrecht an mangelnder Plankonkretisierung
Gemeinden in Deutschland haben in bestimmten Fällen ein gesetzlich verankertes Vorkaufsrecht bei Grundstücksverkäufen. Dieses Instrument soll ihnen ermöglichen, städtebauliche Entwicklungen aktiv zu gestalten und zu steuern. Allerdings unterliegt die Ausübung des Vorkaufsrechts durch Kommunen strengen rechtlichen Vorgaben.
Um ein Vorkaufsrecht geltend machen zu können, müssen Gemeinden konkrete Pläne und Maßnahmen für die weitere Entwicklung des betroffenen Gebiets vorweisen können. Es reicht nicht aus, lediglich allgemeine Ziele oder bloße Absichtserklärungen zu benennen. Vielmehr müssen die Planungsvorstellungen zumindest in groben Umrissen ersichtlich sein.
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf eine Kommune von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Andernfalls droht die Gefahr, dass das Vorkaufsrecht rechtlich angreifbar wird und die Gemeinde es im Streitfall nicht durchsetzen kann. Im Folgenden werden die Hintergründe und Besonderheiten eines konkreten Falls beleuchtet, in dem eine Stadt ihr Vorkaufsrecht ausübte.
✔ Der Fall vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)
Streit um Vorkaufsrecht: Eine städtebauliche Auseinandersetzung
Der Fall betrifft einen Streit zwischen privaten Käufern und der Stadt Altlandsberg bezüglich der Ausübung eines Vorkaufsrechts. Die Kläger, Julius M. und Nadine F., hatten im September 2018 einen Kaufvertrag über ein Grundstück in der Gemarkung Bruchmühle abgeschlossen. Die Notarin, die den Kaufvertrag beurkundet hatte, beantragte im Oktober 2018 bei der Stadt die Ausstellung eines Negativattests gemäß §§ 24 ff. BauGB, das bestätigt, dass kein Vorkaufsrecht ausgeübt wird.
Am 5. November 2018 erteilte die Stadt zunächst ein Negativattest. Doch kurz darauf wurde ein Bearbeitungsfehler festgestellt, da das Negativattest sich auf einen anderen Kaufvertrag bezog. Am 16. Januar 2019 beschloss der Hauptausschuss der Stadt Altlandsberg, das Vorkaufsrecht auszuüben, um das Grundstück im Rahmen eines städtebaulichen Konzepts zu nutzen. Der entsprechende Bescheid wurde am 17. Januar 2019 erlassen und am 11. Februar 2019 trug das Grundbuchamt eine Eigentumsübertragungsvormerkung zugunsten der Stadt ein.
Die Kläger legten Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und argumentierten, dass das ursprüngliche Negativattest bindend sei und die Stadt daher kein Vorkaufsrecht ausüben könne. Der Widerspruch wurde im Mai 2019 zurückgewiesen, woraufhin die Kläger im Juni 2019 Klage erhoben.
Gerichtsurteil: Aufhebung des Vorkaufsrechtsbescheids
Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) entschied am 27. Juni 2023 zugunsten der Kläger und hob den Bescheid der Stadt Altlandsberg vom 18. Januar 2019 auf. Das Gericht stellte fest, dass der Bescheid rechtswidrig sei und die Kläger in ihren Rechten verletze.
Ein zentraler Punkt war die Gültigkeit des ursprünglichen Negativattests vom 5. November 2018. Obwohl dieses Attest formale Fehler aufwies, sahen die Kläger darin eine bindende Erklärung, dass die Stadt das Vorkaufsrecht nicht ausüben würde. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht direkt, sondern prüfte die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorkaufssatzung der Stadt Altlandsberg.
Unwirksamkeit der Vorkaufssatzung
Das Gericht stellte fest, dass die Vorkaufssatzung der Stadt Altlandsberg unwirksam sei, da die erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht erfüllt waren. Für eine wirksame Vorkaufssatzung müsse die Gemeinde konkrete städtebauliche Maßnahmen in Betracht ziehen, was hier nicht der Fall war. Die Stadt hatte lediglich allgemeine Absichten zur städtebaulichen Entwicklung geäußert, ohne spezifische Maßnahmen zu benennen.
Im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) der Stadt Altlandsberg wurden zwar langfristige Ziele und Potenziale beschrieben, jedoch keine konkreten Planungen für das betreffende Gebiet in Radebrück dargestellt. Damit fehlte es an der notwendigen Konkretisierung der Planungsabsichten, die für den Erlass einer Vorkaufssatzung erforderlich ist.
Konsequenzen und rechtliche Würdigung
Die Aufhebung des Bescheids bedeutet, dass die Stadt Altlandsberg das Vorkaufsrecht für das Grundstück in der Gemarkung Bruchmühle nicht ausüben kann. Die Kläger können somit ihren Kaufvertrag vollziehen und das Grundstück erwerben. Die Entscheidung des Gerichts basiert auf der Feststellung, dass die Stadt ihre Planungsvorstellungen nicht ausreichend konkretisiert hatte, um ein Vorkaufsrecht geltend machen zu können.
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung klarer und konkreter Planungsabsichten bei der Ausübung von Vorkaufsrechten durch Gemeinden. Es zeigt, dass allgemeine städtebauliche Überlegungen nicht ausreichen, um die rechtlichen Voraussetzungen für eine Vorkaufssatzung zu erfüllen. Die Stadt Altlandsberg hat zudem die Kosten des Verfahrens zu tragen, was die Konsequenzen der fehlerhaften Planung weiter verdeutlicht.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) setzt damit einen klaren Maßstab für die Anforderungen an die Ausübung des Vorkaufsrechts durch Kommunen. Die rechtlichen Grundlagen müssen sorgfältig geprüft und die Planungen ausreichend konkretisiert werden, um Rechtsstreitigkeiten und damit verbundene Kosten zu vermeiden.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) betont die Notwendigkeit konkreter städtebaulicher Planungen für die rechtmäßige Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Allgemeine Entwicklungsabsichten genügen den gesetzlichen Anforderungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht. Das Urteil mahnt Kommunen zu sorgfältiger Prüfung der Voraussetzungen und hinreichender Konkretisierung ihrer Planungsvorstellungen, um kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und ihr städtebauliches Instrumentarium rechtssicher einzusetzen.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Vorkaufsrecht der Gemeinde
Unter welchen Voraussetzungen darf eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausüben?
Eine Gemeinde darf ihr Vorkaufsrecht unter bestimmten Voraussetzungen ausüben. Diese Voraussetzungen sind im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt. Das Vorkaufsrecht der Gemeinde kann nur ausgeübt werden, wenn es dem Wohl der Allgemeinheit dient. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Grundstück zur Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde benötigt wird. Die Gemeinde muss den Verwendungszweck des Grundstücks angeben, wenn sie ihr Vorkaufsrecht ausübt.
Das Vorkaufsrecht besteht in folgenden Fällen:
- Geltungsbereich eines Bebauungsplans: Das Grundstück liegt in einem Bereich, der durch einen Bebauungsplan für öffentliche Zwecke oder Ausgleichsmaßnahmen festgelegt ist.
- Umlegungsgebiet: Das Grundstück befindet sich in einem Gebiet, das für eine Umlegung vorgesehen ist.
- Sanierungsgebiet und städtebaulicher Entwicklungsbereich: Das Grundstück liegt in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder einem städtebaulichen Entwicklungsbereich.
- Erhaltungssatzung: Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus oder einer Erhaltungssatzung.
- Flächennutzungsplan: Das Grundstück liegt in einem Bereich, der im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist.
- Gebiete mit Wohnbebauung: Das Grundstück befindet sich in einem Gebiet, das vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden kann.
Das Vorkaufsrecht darf nicht ausgeübt werden, wenn das Grundstück bereits entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut und genutzt wird. Zudem ist das Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn das Grundstück an nahe Verwandte verkauft wird oder wenn es sich um Wohnungseigentum oder Erbbaurechte handelt.
Die Gemeinde muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags entscheiden, ob sie ihr Vorkaufsrecht ausübt. Diese Frist beginnt erst, wenn der Kaufvertrag der Gemeinde vollständig vorliegt.
Was versteht man unter einer Vorkaufssatzung und welche Anforderungen werden an diese gestellt?
Eine Vorkaufssatzung ist eine spezielle Satzung, die von einer Gemeinde erlassen wird, um ihr Vorkaufsrecht an bestimmten Grundstücken zu sichern. Dieses Recht ermöglicht es der Gemeinde, in einen Kaufvertrag einzutreten und das Grundstück zu den gleichen Bedingungen zu erwerben, die zwischen dem Verkäufer und einem Dritten vereinbart wurden. Die Vorkaufssatzung dient der Sicherung städtebaulicher Ziele und der geordneten Entwicklung des Gemeindegebiets.
Die Vorkaufssatzung basiert auf § 25 BauGB und dient der Sicherung städtebaulicher Maßnahmen. Sie wird erlassen, um die Bauleitplanung zu unterstützen und die Umsetzung städtebaulicher Ziele zu gewährleisten. Dies kann die Schaffung von Schulstandorten, die Erschließung von Quartieren oder andere öffentliche Zwecke umfassen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts muss erforderlich sein, um die städtebaulichen Ziele zu erreichen. Die Gemeinde muss nachweisen, dass ohne die Ausübung des Vorkaufsrechts die geplanten Maßnahmen nicht oder nur erschwert umgesetzt werden können. Das Wohl der Allgemeinheit muss die Ausübung rechtfertigen, was insbesondere bei der Deckung eines Wohnbedarfs oder der Sicherung öffentlicher Einrichtungen der Fall ist.
Die Satzung muss den räumlichen Geltungsbereich und die betroffenen Grundstücke eindeutig festlegen. Dies kann sowohl zeichnerisch als auch schriftlich erfolgen. Die Bestimmtheit ist notwendig, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Betroffenen klar zu informieren. Die Satzung muss öffentlich bekannt gemacht werden, um ihre Wirksamkeit zu entfalten. Die Gemeinde muss das Verfahren zur Ausübung des Vorkaufsrechts einhalten. Dazu gehört die fristgerechte Mitteilung des Kaufvertrags und die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts innerhalb der gesetzlichen Frist. Die Gemeinde muss den Verwendungszweck des Grundstücks angeben, soweit dies zum Zeitpunkt der Ausübung möglich ist.
Ein Beispiel für die Anwendung einer Vorkaufssatzung ist die Planung einer neuen Schule durch eine Gemeinde. Die Gemeinde erlässt eine Vorkaufssatzung, um die dafür benötigten Grundstücke zu sichern. Die Satzung definiert den Geltungsbereich und die betroffenen Grundstücke und stellt sicher, dass die geplante Maßnahme im öffentlichen Interesse liegt und das Wohl der Allgemeinheit fördert.
Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an die Vorkaufssatzung präzisiert. Beispielsweise hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 30.09.2020 betont, dass die Satzung konkrete städtebauliche Ziele verfolgen muss und die Erforderlichkeit der Maßnahme nachgewiesen werden muss.
Insgesamt ist die Vorkaufssatzung ein wichtiges Instrument der kommunalen Planungshoheit, das es der Gemeinde ermöglicht, ihre städtebaulichen Ziele effektiv zu verfolgen und eine geordnete Entwicklung sicherzustellen.
Welche Rechtsschutzmöglichkeiten haben Käufer, wenn die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt? (Relevanz: 8)
Käufer haben mehrere Rechtsschutzmöglichkeiten, wenn die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt. Diese Möglichkeiten umfassen den Widerspruch gegen den Vorkaufsrechtsbescheid, die Anfechtungsklage und gegebenenfalls die Beantragung einer einstweiligen Anordnung.
Zunächst kann der Käufer Widerspruch gegen den Vorkaufsrechtsbescheid einlegen. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Die Behörde prüft dann den Widerspruch und entscheidet, ob der Bescheid aufrechterhalten oder aufgehoben wird. Sollte der Widerspruch abgelehnt werden, kann der Käufer Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben.
Die Anfechtungsklage ist die nächste Stufe des Rechtsschutzes. Der Käufer kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des ablehnenden Widerspruchsbescheids Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Das Gericht prüft, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtmäßig war. Dabei wird insbesondere geprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vorlagen und ob die Gemeinde das Vorkaufsrecht im Interesse der Allgemeinheit ausgeübt hat.
In dringenden Fällen kann der Käufer auch eine einstweilige Anordnung beantragen. Diese dient dazu, die Vollziehung des Vorkaufsrechtsbescheids vorläufig auszusetzen, bis eine endgültige gerichtliche Entscheidung getroffen wurde. Eine einstweilige Anordnung kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der Käufer befürchtet, dass durch die Ausübung des Vorkaufsrechts irreparable Nachteile entstehen könnten.
Die zuständigen Gerichte für diese Verfahren sind die Verwaltungsgerichte. In der Regel ist das Verwaltungsgericht am Sitz der Gemeinde zuständig, die das Vorkaufsrecht ausgeübt hat. Die Fristen für die Einlegung von Widerspruch und Klage betragen jeweils einen Monat ab Zustellung des entsprechenden Bescheids.
Zusammengefasst bieten Widerspruch, Anfechtungsklage und einstweilige Anordnung effektive Mittel, um sich gegen eine unrechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde zu wehren. Käufer sollten diese Möglichkeiten nutzen, um ihre Rechte zu schützen und eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vorkaufsrechtsbescheids zu erreichen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 24 BauGB (Baugesetzbuch): Regelt das allgemeine Vorkaufsrecht der Gemeinde an Grundstücken und die Voraussetzungen, unter denen es ausgeübt werden kann.
- § 25 BauGB: Bestimmt das besondere Vorkaufsrecht für Gebiete, in denen städtebauliche Maßnahmen in Betracht gezogen werden, und die Anforderungen an die Planung.
- § 28 BauGB: Definiert die rechtlichen Voraussetzungen und die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde, einschließlich der Verzichtserklärung.
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) § 42 Abs. 2: Regelt die Klagebefugnis der Drittbetroffenen, hier der Käufer, die geltend machen, durch einen Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein.
- VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1: Stellt die Voraussetzungen dar, unter denen ein Verwaltungsakt aufgehoben werden kann, wenn er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
- VwGO § 154 Abs. 1: Bestimmt die Kostenentscheidung zu Lasten des unterliegenden Beklagten im Verwaltungsverfahren.
- VwGO § 162 Abs. 2 Satz 2: Legt fest, dass die Kosten für einen Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig sind, wenn dessen Zuziehung notwendig war.
- Zivilprozessordnung (ZPO) §§ 708 Nr. 11, 711: Regeln die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen und die Möglichkeit der Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)
VG Frankfurt (Oder) – Az.: 7 K 724/19 – Urteil vom 27.06.2023
Der Bescheid des Beklagten vom 18. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2019 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Kläger für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Kläger gehen gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch den Beklagten vor.
Sie schlossen als Käufer am 27. September 2018 mit Herrn J… einen Kaufvertrag über das Grundstück (Gemarkung, Flur 1, Flurstück 19/2) einen notariellen Grundstückskaufvertrag (UR-Nr. der Notarin ). Die Notarin beantragte mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 beim Beklagten die Erteilung eines Negativzeugnisses gemäß §§ 24 ff. BauGB.
Unter dem 5. November 2018 wurde beim Beklagten zu diesem Vorgang „bitte Kaufvertrag anfordern“ verfügt. Unter demselben Datum wurde ein Negativattest gegenüber der Notarin ausgefertigt bezüglich des Kaufvertrags UR-Nr., wobei als Eigentümerin Claudia F… und als Erwerber Julius M… und Nadine F… angegeben waren. Die Grundstücksangaben lauteten auf Gemarkung Bruchmühle, Flur 1, Flurstück 19/2, Größe 693 m². Weiter wurde ausgeführt, dass die Stadt Altlandsberg zur Vorlage beim Grundbuchamt bestätige, dass hinsichtlich des vorgenannten Grundstücks ein Vorkaufsrecht nach §§ 24 ff BauGB nicht bestehe bzw. nicht ausgeübt werde. Auf der im Verwaltungsvorgang des Beklagten befindlichen Ausfertigung wurde unter dem 12. November 2018 vermerkt: „Notariat informiert, dass dieses Negativattest nicht für UR ausgestellt wurde (Bearbeitungsfehler!), bezog sich auf anderen KV à vollständigen KV anfordern“.
Der Hauptausschuss der Stadt Altlandsberg beschloss am 16. Januar 2019, das Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für das Grundstück Gemarkung (Flur 1, Flurstück 19/2) auszuüben.
Der Beklagte erließ gegenüber Bernd J… am 17. Januar 2019 einen Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB und verwies auf die Belegenheit des Grundstücks im Geltungsbereich der Vorkaufssatzung der Stadt Altlandsberg über das besondere Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Zur Sicherung einer städtebaulichen Neuordnung und Entwicklung im Sinne der im Integrierten Entwicklungskonzept vom 28. September 2017 verankerten Ziele werde das Grundstück benötigt. Mit Beschluss 0696/17 habe die Stadtverordnetenversammlung für den Ortsteil Bruchmühle im Bereich Radebrück die Erarbeitung eines städtebaulichen Konzepts beschlossen. Nach Ausschreibung sei nunmehr der Auftrag Ende 2018 an ein Planungsbüro erteilt worden. Bisher lägen wegen des kurzen Zeitraums noch keine Ergebnisse der beauftragten Firma vor. Dementsprechend könne ein detaillierter Flächenbedarf im Einzelnen noch nicht dargelegt werden, so dass der Erwerb des gesamten Grundstücks geboten sei.
Am 11. Februar 2019 trug das Grundbuchamt Strausberg zugunsten der Stadt Altlandsberg eine Eigentumsübertragungsvormerkung für das Grundstück in das Grundbuch ein.
Die Kläger legten gegen diesen Bescheid, der ihnen am 22. Januar 2019 unter Hinweis auf die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides zugestellt wurde, am 12. Februar 2019 Widerspruch ein. Zur Begründung verwiesen sie auf das Negativattest vom 5. November 2018. Dies binde die Kommune, so dass kein Raum für eine anschließende, entgegengesetzte Entscheidung mehr bestehe.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2019 (zugestellt am 13. Mai 2019) zurück. Das der Notarin zugestellte und als Negativattest bezeichnete Schreiben vom 5. November 2018 entfalte keinerlei Rechtswirkung. Die im Schreiben genannte Kaufvertragsurkunde und Grundstücksbezeichnung stimme nicht mit den Eigentümer- und Erwerberdaten überein. Es habe sich daher um eine Büroversehen gehandelt, das sofort nach Kenntniserlangung dem Notariat telefonisch mitgeteilt worden sei. Im Übrigen wiederholte und vertiefte er die Begründung des angefochtenen Bescheides.
Die Kläger haben am 13. Juni 2019 Klage erhoben.
Sie vertiefen ihre Argumente aus dem Widerspruchsverfahren und tragen ergänzend vor, dass die Bezeichnung der Parteien im Negativattest von nur geringer Relevanz sei, weil Vorkaufsrecht und Negativattest grundstücksbezogen, nicht personenbezogen erlassen würden und die richtige Bezeichnung der Parteien insoweit mehr organisatorisch und weniger rechtlich bedeutsam sei. Mit der zutreffenden Bezeichnung des Notariats, der Kaufvertrags-UR-Nummer und des betreffenden Grundstücks habe der Beklagte hinreichend deutlich und bezüglich des Grundstücks auch fehlerfrei und unmissverständlich entschieden, dass er ein mögliches Vorkaufsrecht bezüglich genau dieses Grundstücks nicht ausüben wolle und werde.
Dass eben jener Kaufvertrag gemeint sei, ergebe sich auch aus dem Kostenbescheid, der trotz der fehlerhaften Parteibezeichnung im Negativattest an die richtigen Käufer als Adressaten übermittelt worden sei. Dieser sei auch nicht aufgehoben worden und die Gebühr nicht erstattet.
Auch materiell sei die Ausübung des Vorkaufsrechts vorliegend unzulässig, denn es diene nicht zur Sicherung einer städtebaulichen Entwicklung, sondern vielmehr der (rechtswidrigen) allgemeinen Bodenbevorratung. Hinreichend konkrete städtebauliche Maßnahmen und Planungen lägen nicht vor. Dass die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigende Wohl der Allgemeinheit ergebe sich auch nicht aus Belangen des Naturschutzes. Ferner fehle es an der notwendigen Erforderlichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts, denn die beabsichtigte Bebauung bzw. Nutzung stehe im Einklang mit den städtebaulichen Zielvorstellungen der Gemeinde. Schließlich sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft, weil sie nicht die Interessen der Kläger und des Veräußerers am Vollzug des geschlossenen Kaufvertrages berücksichtige.
Sie beantragen, den Bescheid des Beklagten vom 18. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2019 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für not-wendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, das als Negativattest überschriebene Schriftstück vom 5. November 2018 entfalte keinerlei Rechtswirkung, weil die genannte Kaufvertragsurkunde und Grundstücksbezeichnung nicht mit den Eigentümer- und Erwerberdaten übereinstimmten. Den Klägern sei mit Schreiben vom 21. November 2018 mitgeteilt worden, dass hinsichtlich ihres Kaufvertrags die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts geprüft werde und der Gebührenbescheid 115/2018 bis auf weiteres storniert sei.
In dem von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) seien Ziele festgelegt worden, die es durch Detailplanung einerseits, andererseits aber auch durch ein aktives kommunales Flächenmanagement zu sichern gelte. In Radebrück seien städtebauliche Bodenordnungsmaßnahmen erforderlich, um die heute heterogene Struktur und unzureichende Erschließung einer geordneten Entwicklung zuzuführen. Landschafts- und Naturschutz würden dabei ebenfalls betrachtet. Daher sei hier durch gezieltes Flächenmanagement eine geordnete städtebauliche Neuordnung einschließlich der landschaftsräumlichen Einbindung geboten. Die vorhandenen Straßenanbindungen seien zu eng, die Erschließung sei in Teilbereichen nicht gesichert und landschaftsräumliche Aspekte und Schutzziele seien betroffen. Zur Sicherung einer städtebaulichen Neuordnung und Entwicklung der im Sinne der im INSEK verankerten Ziele benötige die Stadt daher das Grundstück der Kläger.
Das erforderliche Allgemeinwohl sei grundsätzlich gegeben, wenn im Satzungsgebiet Maßnahmen unterstützt würden, die für die städtebaulichen Bodenordnungsmaßnahmen erforderlich seien. Am 22. Juni 2017 habe die Stadtverordnetenversammlung die Erarbeitung eines städtebaulichen Konzepts für den Ortsteil Bruchmühle im Bereich Radebrück beschlossen, dessen grundlegende Ziele und Schwerpunkte die Sicherung der inneren Erschließung, Variantenuntersuchungen zu sinnvollen Verkehrslösungen und Erschließungskonzepten, Untersuchungen zur Abgrenzung der Nutzungsarten in Varianten als Grundlage für eine künftige Bauleitplanung, fachliche Vorbereitung der eigentumsrechtlichen Sicherung der Erschließung und Bebauung sowie die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und Einbringung von Baugebieten in Natur und Landschaft sein sollten. Nach Ausschreibung sei Ende 2018 ein Planungsbüro beauftragt worden. Bisher lägen nur erste Arbeitsergebnisse vor, die im Detail noch überarbeitet werden müssten. Dementsprechend könne ein detaillierter Flächenbedarf im Einzelnen noch nicht dargelegt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, die vorlagen und – soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger als Drittbetroffene des angefochtenen Bescheids zur Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil sie geltend machen, durch die Bescheide in ihren Rechten hinsichtlich des von ihnen als Erwerber abgeschlossenen Grundstückskaufvertrags verletzt zu sein.
Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 18. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts ist § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der bis zum 22. Juni 2021 geltenden Fassung (a.F.). Die Ausübung setzt danach ein bestehendes Vorkaufsrecht nach den §§ 24 und 25 BauGB a.F. voraus. Der Beklagte beruft sich auf § 3 Abs. 1 der Vorkaufssatzung der Stadt Altlandsberg über das besondere Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB an bebauten und unbebauten Grundstücken im geplanten Entwicklungsbereich Radebrück, OT Bruchmühle der Stadt Altlandsberg vom 29. Mai 2018 (im Nachfolgenden: Vorkaufssatzung).
Ob die vom Beklagten vertretene Gemeinde gemäß § 28 Abs. 1 Sätze 3 und 4 BauGB a.F.auf die Ausübung des nun geltend gemachten Vorkaufsrechts verzichtet hat, indem der Beklagte am 5. November 2018 für das Grundstück ein Negativattest ausstellte, das zwar das Grundstück, die Urkundenrollennummer der Notarin und die Notarin selbst zutreffend benannte, nicht aber die Parteien des Grundstückskaufvertrages, bedarf keiner Entscheidung, denn der Gemeinde stand das von ihr in Anspruch genommene Vorkaufsrecht nicht zu.
Die zugrundeliegende Vorkaufssatzung ist unwirksam, denn die gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB a.F. – insoweit wortgleich mit § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB in der aktuellen Fassung – erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen für den wirksamen Erlass der Vorkaufssatzung lagen nicht vor.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht. Dies stellt ein Instrument des vorsorgenden Grunderwerbs dar. Die Gemeinde soll bereits im Frühstadium der Vorbereitung einer städtebaulichen Maßnahme Grundstücke, die zum Verkauf stehen, auch gegen den Willen der jeweiligen Kaufvertragsparteien erwerben können. Dies dient dem Ziel, eine anvisierte städtebauliche Maßnahme später leichter durchführen zu können. Die Regelung stellt an den Erlass einer Vorkaufssatzung daher grundsätzlich eher geringe Anforderungen (BVerwG, Beschluss vom 14. April 1994 – 4 B 70.94 -, juris Rn. 5; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 149. EL Februar 2023, § 25 Rn. 12). Der Begriff der städtebaulichen Maßnahme ist vom Gesetzgeber weit gefasst worden (Paetow in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: September 2020, § 25 Rn. 4). Als städtebauliche Maßnahme sind daher zunächst alle Maßnahmen bzw. Schritte eines Vorhabens anzuerkennen, die einen städtebaulichen Bezug aufweisen und der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen (BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 2000 – 4 B 10.00 -, juris Rn. 7; HessVGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – 4 A 2586/16 -, juris Rn. 66).
Eine solche, durch die Vorkaufssatzung zu sichernde städtebauliche Maßnahme wird aber erst i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB „in Betracht gezogen“, wenn ernsthafte Anhaltspunkte für die Absicht der Gemeinde vorhanden sind, dass sie bestimmte städtebauliche Maßnahmen ergreifen wird (HessVGH, Urteil vom 26. Januar 2017 a.a.O., juris Rn. 68). Da über § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB einerseits der Gemeinde ermöglicht werden soll, durch eine an städtebaulichen Interessen orientierte Bodenvorratspolitik schon frühzeitig eine langfristig geordnete Planung und Entwicklung zu sichern, andererseits aber dieser kein Instrument an die Hand gegeben werden soll, um Grundstücke zu erwerben, die zur Umsetzung der von ihr betriebenen Bauleitplanung ersichtlich nicht benötigt werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. April 2011 – OVG 2 A 17.09 -, juris Rn. 5), ist zur Erfüllung des Tatbestands der Ermächtigungsnorm ein Minimum an Konkretisierung der Planung ausreichend, aber auch erforderlich (BayVGH, Urteil vom 17. September 2018 -15 N 17.698 -, juris Rn. 18 m.w.N.).
Die gebietsbezogenen Planungsziele müssen hierfür objektiv in groben Umrissen sichtbar sein. Förmlich konkretisierter Planungsabsichten bedarf es nicht, die Gemeinde muss jedoch überhaupt irgendwelche Planungsvorstellungen haben; es genügt nicht, lediglich einen städtebaulichen Konflikt zu bezeichnen, ohne zum Ausdruck zu bringen, welche städtebaulichen Maßnahmen zur Lösung des Konflikts in Betracht kommen (BVerwG, Beschluss vom 8. September 2009 – 4 BN 38/09 -, juris Rn. 4). Die Ermächtigungsnorm des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB ist daher nicht erfüllt, solange die Gemeinde städtebauliche Maßnahmen nur unverbindlich erwägt. Die Absicht der Gemeinde zur Durchführung einer städtebaulichen Maßnahme muss im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses zumindest so weit verdichtet gewesen sein, dass bei vernünftiger Betrachtung die Einleitung des Grunderwerbs zur Sicherung der für die Entwicklung benötigten Flächen sinnvoll erschien (BayVGH, Urteil vom 17. September 2018 – 15 N 17.698 -, juris Rn. 18 unter Verweis auf: HessVGH, Urteil vom 26. Januar 2017, a.a.O., juris Rn. 68 m.w.N).
Es ist nicht ersichtlich, dass die Stadt Altlandsberg für den Bereich Radebrück im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vorkaufsrechtssatzung eine bestimmte städtebauliche Maßnahme in Betracht gezogen hat.
Die Vorkaufssatzung selbst gibt insoweit nur wenig Anhaltspunkte. § 1 der Vorkaufssatzung trägt zwar den Titel „Städtebauliche Maßnahmen“, benennt aber keine. § 1 Abs. 1 der Vorkaufssatzung verweist auf das am 28. September 2017 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene, als Integriertes Stadtentwicklungsgesetz falsch bezeichnete Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) als langfristiges Strategie- und Koordinierungsinstrument, mit dem Ziele festgelegt worden seien. Diese Ziele gelte es durch Detailplanung einerseits, andererseits aber auch durch aktives Flächenmanagement zu sichern. Weiter wird in Abs. 2 ausgeführt, dass die Stadt im Bereich Radebrück konkrete Ordnungs- und Entwicklungsabsichten verfolgt, ohne diese zu benennen. In Abs. 3 heißt es, zur Sicherung der städtebaulichen Neuordnung und Entwicklung im Sinne der im INSEK verankerten Ziele benötige die Stadt den Zugriff auf die derzeit nicht in ihrem Eigentum stehenden Flächen.
Der Stand der informellen Planung war – auch unter Berücksichtigung des INSEK – nicht hinreichend konkret, um daraus auf konkret in Betracht gezogene Maßnahmen zu schließen.
Zunächst findet sich im INSEK zum Gemeindeteil Radebrück auf Seite 15 folgende Aussage: „Hier kommt es wegen der Entwicklung von Wohnnutzung innerhalb der Wochenendhausbebauung in Kombination mit unzureichender Erschließung sowie der Überschneidung mit Naturschutzgebieten zu Nutzungskonflikten, die langfristig gelöst werden müssen.“ Hierdurch wird lediglich ein städtebaulicher Konflikt bezeichnet, jedoch keine städtebauliche Maßnahme benannt, die zur Konfliktlösung in Betracht gezogen wird.
Darüber hinaus lassen sich dem INSEK mit Blick auf Radebrück keine konkreten Planungsziele entnehmen. Zwar wird in diesem Gemeindeteil weiteres Entwicklungspotenzial durch Umnutzung von Teilen der bisherigen Wochenendhausgebiete gesehen und weiter ausgeführt, dass hierzu anknüpfend an Ziel 6 – Weiterentwicklung aller Siedlungen mit einem breiten Spektrum an Wohnformen für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen – eine städtebauliche Voruntersuchung als Grundlage für die verbindliche Planung erforderlich sei (INSEK, S. 63); differenzierte Potenziale bestünden als langfristige Entwicklungsoption für interessante Wohnformen durch Umnutzung vorhandener Wochenendhausgebiete in Radebrück (INSEK, S. 68). Demnach wurde eine groben Umrissen nach erkennbare Maßnahme in Form einer verbindlichen Bauleitplanung lediglich unverbindlich in Erwägung gezogen. Denn ob die Gemeinde konkrete Planungsabsichten entwickelt, wird sich erst danach im Ergebnis einer solchen Voruntersuchung herausstellen. Allein, dass die Gemeinde das allgemeine Ziel einer Entwicklung von Wohnbauflächen in den Ortsteilen verfolgt und insoweit im Gemeindeteil Radebrück ein – langfristiges – Potenzial erkennt und Voruntersuchungen für eine verbindliche Bauleitplanung für notwendig hält, lässt insoweit noch nicht darauf schließen, dass sie bereits eine konkrete städtebauliche Maßnahme in Form der Bauleitplanung in Betracht zieht.
Dies wird nicht zuletzt bestätigt durch die im INSEK formulierten Erläuterungen der Einzelmaßnahmen (INSEK, S. 103), die für den Bereich Radebrück auf das Maßnahmenblatt Buchholz, Maßnahme BrM6 verwiesen, wo es heißt: „Machbarkeitsstudie zum Umgang mit d. Wohn-/Wochenendhausgebiet -> ZV 2“. Auch hier lässt sich nicht hinreichend konkret erkennen, welche städtebauliche Maßnahme erwogen wird. Vielmehr sollen mögliche Maßnahmen offenbar erst durch die Machbarkeitsstudie erarbeitet werden.
Nichts anderes folgt aus dem vor der Verabschiedung des INSEKs gefassten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 22. Juni 2017, wonach ein städtebauliches Konzept für den Bereich Radebrück erarbeitet werden soll. Auch dieser Beschluss dokumentiert insoweit nur die damals gegebene Unverbindlichkeit stadtplanerischer Überlegungen für Radebrück.
Soweit schließlich der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, die stadtplanerischen Überlegungen für Radebrück hätten sich allein auf eine Verbesserung der inneren Erschließung des Gebiets für den Straßenverkehr beschränkt, lässt auch dies keine Rückschlüsse zu, welche städtebaulichen Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels konkret in Betracht gezogen wurden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Erklärung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus § 173 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO)
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 6.750 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für die Kläger (§ 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes). Das Gericht hat sich insofern an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 angelehnt (vgl. www.bverwg.de/informationen/streitwertkatalog.php; dort Nr. 9.6.1).