Ein Hauseigentümer wollte sein im Rahmen des Einheimischenmodells erworbenes Erbbaurecht für einen hohen Preis veräußern, stieß jedoch auf das kommunale Spekulationsverbot bei Erbbaurecht-Verkauf. Er klagte auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung, da er die Klausel, die den Verkaufspreis über den Verkehrswert begrenzte, für unwirksam hielt.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Darf eine Gemeinde den Verkauf eines Erbbaurechts blockieren, um Spekulation zu verhindern?
- Was genau war geschehen?
- Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?
- Warum entschied das Gericht zugunsten der Gemeinde?
- Der soziale Zweck: Warum der Kontext des Vertrags entscheidend war
- Die Klausel unter der Lupe: War die Preiskontrolle fair und transparent?
- Kein Verfallsdatum für die Sozialbindung: Warum 32 Jahre die Klausel nicht schwächten
- Kein Grund für eine gerichtliche Einmischung: Warum die Weigerung der Gemeinde als „ausreichend begründet“ galt
- Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Darf die Gemeinde meinen Verkauf des Erbbaurechts wegen eines zu hohen Preises blockieren?
- Verjährt die Sozialbindung meines Erbbaurechts oder gilt sie für die gesamte Laufzeit?
- Welche Schritte muss ich gehen, wenn die Gemeinde die Zustimmung zum Verkauf verweigert?
- Wann gilt eine Preiskontrollklausel im Erbbaurechtsvertrag als unzulässige Benachteiligung?
- Was bedeutet eine Preiskontrollklausel für den späteren Wiederverkaufswert meiner Immobilie?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 34 Wx 315/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 18.11.2020
- Aktenzeichen: 34 Wx 315/19
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbbaurecht, Vertragsrecht
- Das Problem: Zwei Erbbauberechtigte wollten ihr Haus für 605.000 EUR verkaufen. Die Grundstückseigentümerin, eine Gemeinde, verweigerte die notwendige Zustimmung. Die Verkäufer beantragten gerichtlich die Ersetzung dieser Zustimmung.
- Die Rechtsfrage: Darf eine Gemeinde den Verkauf eines Hauses, das auf einem ursprünglich sozial vergebenen Erbbaurecht steht, verhindern, wenn der Kaufpreis den reinen Gebäudewert erheblich übersteigt, um Spekulation zu vermeiden?
- Die Antwort: Ja. Die Gemeinde durfte die Zustimmung verweigern. Die vertragliche Klausel zur Verhinderung spekulativer Gewinne ist wirksam, weil sie der ursprünglichen sozialen Zielsetzung der Gemeinde dient, günstigen Wohnraum zu sichern.
- Die Bedeutung: Das Urteil bestätigt, dass vertragliche Beschränkungen in Erbbaurechtsverträgen, die im Rahmen von Einheimischenmodellen geschlossen wurden, auch nach über 30 Jahren bindend bleiben, um spekulative Gewinne zu begrenzen.
Darf eine Gemeinde den Verkauf eines Erbbaurechts blockieren, um Spekulation zu verhindern?
Ein Ehepaar möchte nach über 30 Jahren sein Haus verkaufen und den Lebensabend genießen. Der vereinbarte Kaufpreis von 605.000 Euro scheint fair. Doch es gibt ein Problem: Das Haus steht auf einem Grundstück, das der Gemeinde gehört. Im Erbbaurechtsvertrag von 1986 steht eine Klausel, die der Gemeinde ein Mitspracherecht beim Verkauf einräumt. Sie verweigert die Zustimmung und argumentiert, der Preis sei spekulativ und widerspreche dem sozialen Zweck, zu dem das Erbbaurecht einst vergeben wurde.

Das Ehepaar sieht sich in seiner wirtschaftlichen Freiheit beschnitten und zieht vor Gericht. Der Fall landete schließlich vor dem Oberlandesgericht München, das am 18. November 2020 unter dem Aktenzeichen 34 Wx 315/19 eine grundlegende Entscheidung über die Grenzen der Vertragsfreiheit bei sozial gebundenen Erbbaurechten traf.
Was genau war geschehen?
Die Geschichte beginnt Mitte der 1980er Jahre. Eine bayerische Gemeinde entschließt sich, ein Baugebiet im Rahmen eines sogenannten Einheimischenmodells zu entwickeln. Das Ziel: Weniger vermögenden, ortsansässigen Familien den Traum vom Eigenheim zu ermöglichen. Statt die Grundstücke teuer zu verkaufen, vergibt die Gemeinde Erbbaurechte. Ein Erbbaurecht ist das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten und zu unterhalten. Dafür zahlt der Erbbauberechtigte einen regelmäßigen Zins, den Erbbauzins, der in diesem Fall sozialverträglich niedrig angesetzt war.
Am 28. Oktober 1986 schloss die Gemeinde einen solchen Vertrag mit den späteren Verkäufern. Der Vertrag war detailliert und legte klare Spielregeln fest: Die Familie verpflichtete sich, ein Reihenhaus zu bauen, es dauerhaft instand zu halten und es als eigengenutztes Wohnhaus zu verwenden. Der entscheidende Punkt fand sich jedoch unter Ziffer II.7 des Vertrags: Jede Veräußerung des Erbbaurechts bedurfte der Zustimmung der Gemeinde. Der Vertrag nannte explizit einen Grund, aus dem die Gemeinde ihre Zustimmung verweigern durfte: „wenn der Kaufpreis den Verkehrswert des Gebäudes erheblich übersteigt“.
Mehr als 30 Jahre später, am 28. September 2018, fanden die Erbbauberechtigten ein Käuferpaar, das bereit war, 605.000 Euro für das Erbbaurecht und das darauf stehende Haus zu zahlen. Sie legten der Gemeinde den Kaufvertrag zur Zustimmung vor. Doch der Gemeinderat zögerte. Er forderte ein Verkehrswertgutachten und verweigerte schließlich am 3. Dezember 2018 die Zustimmung. Die Begründung: Der Kaufpreis liege erheblich über dem reinen Gebäudewert und sei spekulativ. Man legte den Verkäufern nahe, den Preis zu senken.
Diese sahen das anders. Sie hatten über Jahrzehnte den Erbbauzins gezahlt, das Haus gepflegt und Nebenkosten getragen. Sie argumentierten, die Sozialbindung von damals sei längst verjährt und die Preisklausel im Vertrag sei unwirksam. Sie beantragten beim Amtsgericht Freising, die fehlende Zustimmung der Gemeinde gerichtlich zu ersetzen. Das Amtsgericht gab ihnen Recht. Doch die Gemeinde legte Beschwerde ein, und der Fall ging in die nächste Instanz.
Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?
Im Zentrum dieses Konflikts stehen mehrere juristische Prinzipien, die das Gericht gegeneinander abwägen musste.
Das Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) regelt die Details. Grundsätzlich ist ein Erbbaurecht wie ein Grundstück veräußerlich und vererbbar (§ 1 ErbbauG). Diese freie Handelbarkeit ist ein wesentlicher Kern des Rechts. Allerdings erlaubt das Gesetz ausdrücklich, dass vertraglich eine Zustimmung des Grundstückseigentümers für eine Veräußerung vereinbart werden kann (§ 5 ErbbauRG).
Genau hier setzt der Schutzmechanismus für den Erbbauberechtigten an: Der Grundstückseigentümer darf seine Zustimmung nicht willkürlich verweigern. Verweigert er sie „ohne ausreichenden Grund“, kann der Erbbauberechtigte klagen und die Zustimmung durch ein Gerichtsurteil ersetzen lassen (§ 7 Abs. 3 ErbbauRG). Die entscheidende Frage war also: Hatte die Gemeinde einen „ausreichenden Grund“ für ihr Veto?
Die Verkäufer zogen einen weiteren juristischen Trumpf: das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Sie argumentierten, die Klausel im Vertrag sei von der Gemeinde vorformuliert und stelle eine AGB dar. Nach § 307 BGB sind solche Klauseln unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen oder unklar formuliert sind (Transparenzgebot). Ihre Hoffnung war, dass das Gericht die Preiskontrollklausel als unzulässige Fessel kippen würde.
Warum entschied das Gericht zugunsten der Gemeinde?
Das Oberlandesgericht München hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies den Antrag der Verkäufer zurück. Die Weigerung der Gemeinde war rechtens, eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung kam nicht infrage. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit einer Kette von Argumenten, die tief in den ursprünglichen Zweck des Vertrages eintauchten.
Der soziale Zweck: Warum der Kontext des Vertrags entscheidend war
Das Gericht stellte zunächst klar, dass dieser Erbbaurechtsvertrag nicht im luftleeren Raum entstanden war. Er war das Ergebnis einer bewussten städtebaulichen und sozialen Entscheidung der Gemeinde. Zeugenaussagen des ehemaligen Bauamtsleiters und Bürgermeisters bestätigten glaubhaft, dass das Ziel war, Bodenspekulation zu verhindern und preisgünstigen Wohnraum für einkommensschwächere, ortsansässige Familien zu schaffen. Dieser Zweck spiegelte sich im gesamten Vertragswerk wider: der niedrige Erbbauzins, die Pflicht zur Eigennutzung und die Heimfallklausel bei Falschangaben zu den sozialen Verhältnissen. Die Preiskontrollklausel war somit kein Fremdkörper, sondern ein logischer Baustein dieses sozialen Gesamtkonzepts. Sie sollte sicherstellen, dass die Subvention – das günstige Bauland – nicht über einen hohen Verkaufspreis privatisiert und an den nächsten Käufer weitergereicht wird.
Die Klausel unter der Lupe: War die Preiskontrolle fair und transparent?
Die Verkäufer hatten die Klausel als intransparent und unangemessen nach § 307 BGB angegriffen. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht.
Zum Vorwurf der Intransparenz: Der Begriff „Gebäude“ sei im Vertrag klar definiert als das zu errichtende Reihenhaus samt Garage. Auch der Begriff „erheblich“ sei zwar unbestimmt, aber im Rechtsverkehr üblich und zumutbar. Ein gewisser Spielraum bei der Auslegung macht eine Klausel nicht automatisch unwirksam.
Zum Vorwurf der unangemessenen Benachteiligung: Hier lag der Kern der richterlichen Abwägung. Das Gericht befand, dass die Klausel die Verkäufer nicht unbillig einschränkte. Sie hebelte die Veräußerlichkeit des Erbbaurechts nicht aus, sondern kanalisierte sie lediglich. Die Verkäufer hatten weiterhin das Recht, den vollen Verkehrswert für das zu realisieren, was sie selbst geschaffen und bezahlt hatten: das Gebäude. Verwehrt wurde ihnen lediglich, einen spekulativen Gewinn aus dem Wert des Erbbaurechts selbst zu ziehen – einem Recht, das sie von der Gemeinde nicht gekauft, sondern zu subventionierten Konditionen erhalten hatten. Diese Begrenzung war aus Sicht des Gerichts sachlich gerechtfertigt und diente dem Schutz der Allgemeinheit vor den Folgen einer aus dem Ruder laufenden Bodenspekulation.
Kein Verfallsdatum für die Sozialbindung: Warum 32 Jahre die Klausel nicht schwächten
Ein zentrales Argument der Verkäufer war, dass eine solche Sozialbindung nicht ewig währen könne. Sie verwiesen auf öffentlich-rechtliche Bindefristen bei Einheimischenmodellen, die oft auf 15 bis 25 Jahre begrenzt sind. Das Gericht wies diesen Vergleich zurück. Es betonte den Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen Förderrichtlinien und einem zivilrechtlichen Vertrag. Das Erbbaurechtsgesetz selbst sieht keine zeitliche Begrenzung für solche Vereinbarungen vor. Die im Grundbuch eingetragene und damit dinglich wirkende Zustimmungspflicht galt für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts. Der soziale Zweck war mit der erstmaligen Vergabe nicht erfüllt, sondern sollte über die Zeit erhalten bleiben.
Kein Grund für eine gerichtliche Einmischung: Warum die Weigerung der Gemeinde als „ausreichend begründet“ galt
Da die Preiskontrollklausel wirksam war, musste das Gericht nur noch prüfen, ob die Gemeinde sie willkürlich angewendet hatte. Anhand der von den Verkäufern selbst vorgelegten Unterlagen kam der Senat zu dem Schluss, dass der Kaufpreis von 605.000 Euro den reinen Gebäudewert tatsächlich erheblich überstieg. Die Weigerung der Gemeinde basierte also auf dem vertraglich vereinbarten, sachlichen Grund. Folglich lag kein „ausreichender Grund“ im Sinne des § 7 Abs. 3 ErbbauRG vor, der ein Eingreifen des Gerichts rechtfertigen würde. Die Gemeinde hatte von ihrem vertraglichen Recht Gebrauch gemacht, und das Gericht hatte dies zu respektieren.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
Dieses Urteil beleuchtet eindrücklich das Spannungsfeld zwischen privater Vertragsautonomie und gemeinwohlorientierter Bodenpolitik. Es verdeutlicht zwei zentrale Prinzipien, die über den Einzelfall hinausweisen.
Erstens zeigt die Entscheidung, dass der Zweck eines Vertrages seine Auslegung maßgeblich prägt. Eine Vertragsklausel, die in einem rein kommerziellen Kontext möglicherweise als unzulässige Einschränkung gewertet würde, kann in einem sozialpolitischen Rahmen vollkommen gerechtfertigt sein. Wenn eine Gemeinde Land subventioniert, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, darf sie auch vertragliche Instrumente schaffen, um zu verhindern, dass diese Subvention durch spätere Spekulationsgewinne unterlaufen wird. Der Kontext ist hier nicht nur Hintergrundrauschen, sondern der Schlüssel zum Verständnis der juristischen Bewertung.
Zweitens macht das Urteil den fundamentalen Unterschied zwischen dem Eigentum an einem Grundstück und einem Erbbaurecht greifbar. Wer ein Erbbaurecht erwirbt, wird nicht zum uneingeschränkten Herrn über Grund und Boden. Der Grundstückseigentümer – hier die Gemeinde – behält eine einflussreiche Position. Gut formulierte und im Grundbuch verankerte Zustimmungsvorbehalte können die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Erbbauberechtigten erheblich und dauerhaft einschränken. Das Erbbaurecht erweist sich damit als flexibles Instrument, das es Kommunen ermöglicht, ihre bodenpolitischen Ziele langfristig zu sichern, auch wenn dies für den Einzelnen schmerzhafte Beschränkungen bedeuten kann.
Die Urteilslogik
Ein sozial gebundener Erbbaurechtsvertrag bändigt die private Verwertungsfreiheit zugunsten des Gemeinwohls.
- Soziale Zweckbindung legitimiert Einschränkungen: Gemeinden dürfen die Veräußerlichkeit von Erbbaurechten vertraglich einschränken, wenn diese Beschränkung dem ursprünglichen sozialen oder städtebaulichen Zweck dient und damit spekulative Gewinne aus subventioniertem Boden verhindert werden.
- Gerichtliche Einmischung erfordert Willkür: Gerichte ersetzen die Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Veräußerung des Erbbaurechts nur, wenn die Weigerung willkürlich erfolgt oder keinen ausreichenden, vertraglich definierten Grund besitzt, wie etwa die erhebliche Überschreitung des reinen Gebäudewertes.
- Vertragliche Bindungen verjähren nicht: Zivilrechtliche Preiskontrollklauseln in Erbbaurechtsverträgen, die der sozialen Zweckbindung dienen, unterliegen keiner automatischen Verjährung und behalten ihre Wirksamkeit über Jahrzehnte, sofern sie klar für die gesamte Laufzeit vereinbart wurden.
Die freie Handelbarkeit des Erbbaurechts endet dort, wo sie den ursprünglichen sozialen oder städtebaulichen Förderzweck unterläuft.
Experten Kommentar
Wer ein subventioniertes Erbbaurecht erwirbt, geht oft davon aus, die soziale Bindung verliere nach einigen Jahrzehnten ihre Wirkung und man könne den vollen Marktwert des Standorts realisieren. Das Urteil zieht hier eine klare rote Linie: Die vertragliche Preiskontrolle dient dazu, die Subvention dauerhaft zu sichern, damit die Allgemeinheit nicht Spekulationsgewinne Einzelner finanziert. Es bestätigt Kommunen ein mächtiges Instrument, den Verkauf konsequent abzulehnen, wenn der Kaufpreis den reinen Gebäudewert erheblich übersteigt. Die Botschaft ist unmissverständlich: Wer nach Wegen sucht, ein Spekulationsverbot zu umgehen, muss verstehen, dass diese Sozialbindungen zivilrechtlich über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts gelten können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Darf die Gemeinde meinen Verkauf des Erbbaurechts wegen eines zu hohen Preises blockieren?
Ja, die Gemeinde kann den Verkauf blockieren, wenn der ursprüngliche Erbbaurechtsvertrag eine wirksame Preiskontrollklausel enthält. Viele Erbbaurechte wurden im Rahmen sogenannter Einheimischenmodelle vergeben, um einkommensschwache Familien zu fördern und Bodenspekulation zu verhindern. Dieses Vetorecht dient dem Schutz des ursprünglichen sozialen Zwecks des Vertrages. Die Blockade richtet sich gezielt gegen spekulative Gewinne aus dem subventionierten Bodenanteil.
Die Regel: Das Veto der Gemeinde ist ein ausreichender, sachlicher Grund, wenn der vereinbarte Kaufpreis den reinen Verkehrswert Ihres errichteten Gebäudes erheblich übersteigt. Die Gemeinde nutzt das vertraglich vereinbarte Zustimmungsrecht (§ 5 ErbbauRG), um sicherzustellen, dass die Subvention für das günstige Bauland nicht an private Verkäufer weitergereicht wird. Den Gewinn, den Sie am Wert des von Ihnen instand gehaltenen Gebäudes erzielen, dürfen Sie aber vollständig realisieren.
Wenn die Gemeinde die Zustimmung verweigert, könnten Sie zwar die Ersetzung der Zustimmung gerichtlich beantragen (§ 7 Abs. 3 ErbbauRG). Das Gericht prüft jedoch nur, ob die Gemeinde ihre Weigerung ohne ausreichenden Grund erteilt hat. Existiert eine wirksame Preiskontrollklausel und belegt die Gemeinde, dass der Preis tatsächlich zu hoch ist, gilt die Verweigerung als ausreichend begründet. Die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung wird in solchen Fällen somit abgewiesen.
Fordern Sie sofort eine Kopie des ursprünglichen Erbbaurechtsvertrages an, um die genauen Formulierungen zur Zustimmungspflicht und Preiskontrolle zu prüfen.
Verjährt die Sozialbindung meines Erbbaurechts oder gilt sie für die gesamte Laufzeit?
Die vertraglich vereinbarte Sozialbindung Ihres Erbbaurechts verjährt nicht automatisch, auch wenn 30 oder mehr Jahre vergangen sind. Das Oberlandesgericht München stellte fest, dass die Bindung grundsätzlich für die gesamte Laufzeit des Vertrages gilt, die oft 99 Jahre beträgt. Eine wirksame Preiskontrollklausel im Rahmen eines Einheimischenmodells bleibt somit über Jahrzehnte bestehen.
Viele Erbbauberechtigte verwechseln die vertraglichen Regelungen mit den öffentlich-rechtlichen Bindefristen. Die Regel: Zwar sehen Förderrichtlinien für öffentliche Subventionen oft Fristen von 15 bis 25 Jahren vor, diese gelten jedoch nicht für zivilrechtliche Erbbaurechtsverträge. Die Gerichte sehen den sozialen Zweck des Einheimischenmodells als dauerhaft an. Er soll nicht mit der erstmaligen Vergabe erfüllt sein, sondern über die gesamte Vertragsdauer erhalten bleiben.
Die Dauerhaftigkeit dieser Beschränkung hängt stark von ihrer Sicherung ab. Wenn die Zustimmungspflicht zur Veräußerung explizit in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen ist, erlangt sie dingliche Wirkung. Sie gilt dann als eine dauerhafte Belastung, die nur durch eine Änderung des eigentlichen Erbbaurechtsvertrages aufgehoben werden könnte. Deshalb führt der Zeitablauf allein nicht zu einer Aufweichung der ursprünglichen Bedingungen.
Prüfen Sie umgehend in Abteilung II des Grundbuchs, ob die Zustimmungspflicht für die Veräußerung als dingliche Belastung oder Vormerkung eingetragen ist, da dies die Dauerhaftigkeit der Bindung beweist.
Welche Schritte muss ich gehen, wenn die Gemeinde die Zustimmung zum Verkauf verweigert?
Wenn die Gemeinde Ihren Kaufvertrag ablehnt und Ihr Immobiliendeal zu platzen droht, müssen Sie schnell und strukturiert handeln. Fordern Sie die genaue Begründung der Weigerung schriftlich an, um die rechtliche Basis der Kommune zu prüfen. Nur wenn die Gemeinde die Zustimmung ohne ausreichenden Grund verweigert, können Sie die fehlende Erlaubnis gerichtlich ersetzen lassen. Dafür beantragen Sie beim zuständigen Amtsgericht die Ersetzung der Zustimmung gemäß § 7 Abs. 3 ErbbauRG.
Die Gemeinde muss ihr Veto auf einen vertraglich vereinbarten, sachlichen Grund stützen, typischerweise auf die Verletzung einer Preiskontrollklausel. Diese Klausel soll verhindern, dass der Kaufpreis den reinen Gebäudewert erheblich übersteigt, um den sozialen Zweck des Erbbaurechts zu sichern. Normalerweise belegt die Kommune ihre Ablehnung durch ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten, das den zulässigen Höchstpreis ermittelt hat.
Im anschließenden gerichtlichen Verfahren prüft das Gericht lediglich, ob die Gemeinde ihre vertraglichen Rechte willkürlich angewendet hat, nicht jedoch die Wirksamkeit der Klausel selbst. Stellt das Gericht fest, dass der vereinbarte Preis den reinen Gebäudewert tatsächlich massiv übersteigt, gilt das Veto als ausreichend begründet und Ihr Antrag auf Ersetzung der Zustimmung wird abgewiesen. Eine voreilige Klage ist daher kostspielig und hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn die Gemeinde keinen klaren, vertraglichen Grund nennen kann.
Kontaktieren Sie die Gemeinde schriftlich und verlangen Sie umgehend die Übermittlung der Berechnungsgrundlage oder des Verkehrswertgutachtens.
Wann gilt eine Preiskontrollklausel im Erbbaurechtsvertrag als unzulässige Benachteiligung?
Eine Preiskontrollklausel wird nur dann als unzulässige Benachteiligung nach dem § 307 BGB (AGB-Recht) gewertet, wenn sie den Erbbauberechtigten unbillig einschränkt. Gerichte erkennen solche Klauseln meistens an, sofern sie den ursprünglichen sozialpolitischen Zweck des Vertrages sichern. Die Klausel muss Ihnen erlauben, den vollen, selbst geschaffenen Wert des Gebäudes zu realisieren.
Der soziale Kontext des Vertrages, wie etwa bei einem Einheimischenmodell, rechtfertigt eine gewisse juristische Unschärfe in der Formulierung. Das Oberlandesgericht München bestätigte, dass der Begriff „erheblich“ (bezüglich der Übersteigung des Gebäudewerts) im Rechtsverkehr üblich und zumutbar ist. Die Preiskontrollklausel wird nicht unwirksam, weil sie nicht vollkommen starr definiert, wann ein Preis zu hoch ist. Die Richter sehen sie als notwendiges Instrument, um die ursprüngliche Subventionierung des Bodens langfristig zu schützen.
Die Klausel schränkt Ihre wirtschaftliche Freiheit nur insoweit ein, als sie spekulative Gewinne aus der subventionierten Bodennutzung verhindert. Sie dürfen Gewinne aus eigenen Investitionen und Wertsteigerungen am Haus selbst weiterhin voll erzielen und verkaufen. Nur wenn die vertragliche Regelung derart restriktiv wäre, dass sie die Veräußerung des Erbbaurechts praktisch unmöglich macht, könnte sie als unzulässige Benachteiligung gelten.
Lassen Sie die Klausel von einem Fachanwalt primär daraufhin prüfen, ob sie Ihnen die Realisierung substanzieller Werterhöhungen am Gebäude selbst verbietet.
Was bedeutet eine Preiskontrollklausel für den späteren Wiederverkaufswert meiner Immobilie?
Die Preiskontrollklausel im Erbbaurechtsvertrag limitiert Ihren maximalen Wiederverkaufswert auf den realistischen Verkehrswert des Gebäudes. Sie verhindert effektiv, dass Sie spekulative Gewinne aus der allgemeinen Wertsteigerung des Baugrunds ziehen können. Ihr zulässiger Verkaufspreis orientiert sich primär am tatsächlichen Wert der von Ihnen errichteten baulichen Anlagen. Dies stellt sicher, dass der soziale Zweck des ursprünglich subventionierten Baulands erhalten bleibt.
Die Gemeinde hat Ihnen das Land nicht zum vollen Marktwert verkauft, sondern das Nutzungsrecht zu günstigen Konditionen eingeräumt. Durch die Preisklausel soll diese Subvention der Allgemeinheit geschützt werden, damit sie bei einem späteren Verkauf nicht zu Ihrem privaten Spekulationsgewinn wird. Sie können deshalb nur den Wert des von Ihnen gebauten Hauses und der getätigten Investitionen realisieren. Die Wertentwicklung des Bodens ist für Sie als Verkäufer juristisch nicht zugänglich.
Trotz dieser Einschränkung können Sie den Wert Ihrer eigenen Leistungen und Investitionen voll geltend machen. Konkret können Sie alle Kosten für Instandhaltung, energetische Sanierungen oder hochwertige Umbauten zum Verkaufspreis hinzurechnen. Sie erzielen somit einen Preis, der den aktuellen Sachwert der baulichen Anlagen widerspiegelt und die Inflation in diesem Bereich berücksichtigt. Vermeiden Sie jedoch unbedingt, den Preis an den Verkaufspreisen freier Eigentumsgrundstücke in Ihrer Nachbarschaft zu messen.
Bevor Sie einen Makler beauftragen, definieren Sie die Obergrenze Ihres zulässigen Kaufpreises durch ein Gutachten, das den reinen Sachwert der baulichen Anlagen ermittelt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Einheimischenmodell
Das Einheimischenmodell ist ein städtebauliches Konzept, bei dem Kommunen preisgünstiges Bauland oder Erbbaurechte primär an ortsansässige und einkommensschwächere Bürger vergeben. Dieses Instrument soll soziale Ungleichheit im Wohnungsmarkt ausgleichen und verhindern, dass Spekulation die Grundstückspreise in die Höhe treibt.
Beispiel: Das Gericht erkannte an, dass das ursprünglich geschaffene Einheimischenmodell den sozialen Zweck des gesamten Erbbaurechtsvertrages definierte und somit die Preiskontrollklausel rechtfertigte.
Erbbaurecht
Als Erbbaurecht bezeichnen Juristen das klar definierte, dingliche Recht, auf einem fremden Grundstück für eine vertraglich festgelegte Dauer ein eigenes Bauwerk zu errichten und zu unterhalten. Diese Konstruktion ermöglicht es Privatpersonen, ein Eigenheim zu bauen, ohne das teure Grundstück selbst kaufen zu müssen, wodurch Wohnraum grundsätzlich erschwinglicher wird.
Beispiel: Obwohl das Ehepaar das Haus seit 30 Jahren bewohnte, besaßen sie lediglich ein Erbbaurecht und waren nicht der Volleigentümer des Grund und Bodens.
Erbbauzins
Den Erbbauzins entrichtet der Erbbauberechtigte als regelmäßige, meist jährlich fällige Gebühr für die Nutzung des Grundstücks an den Grundstückseigentümer. Dieser Zins ersetzt quasi die Kaufsumme für den Grund und Boden und sichert der Kommune über die gesamte Vertragslaufzeit eine stabile Einnahmequelle.
Beispiel: Die Gemeinde hatte einen sozialverträglichen, niedrigen Erbbauzins festgelegt, was im Urteil als ein starkes Indiz für den sozialen Charakter des gesamten Vertrages diente.
Ersatz der Zustimmung (§ 7 Abs. 3 ErbbauRG)
Die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung ist der juristische Weg, über den ein Gericht die fehlende Veräußerungserlaubnis des Grundstückseigentümers ersetzen kann. Diese Regelung schützt den Erbbauberechtigten vor willkürlicher oder unbegründeter Blockade durch den Eigentümer, um die im Gesetz verankerte freie Handelbarkeit des Rechts zu gewährleisten.
Beispiel: Die Verkäufer beantragten beim zuständigen Amtsgericht den Ersatz der Zustimmung, nachdem die Gemeinde ihren Kaufvertrag aufgrund des zu hohen Kaufpreises abgelehnt hatte.
Preiskontrollklausel
Eine Preiskontrollklausel ist eine vertragliche Regelung im Erbbaurechtsvertrag, die den maximal zulässigen Verkaufspreis des Rechts bei einer späteren Veräußerung deckelt. Sie dient vorrangig dazu, spekulative Gewinne aus der Wertsteigerung des subventionierten Bodens zu verhindern und den sozialen Zweck der ursprünglichen Landvergabe langfristig zu sichern.
Beispiel: Da die Preiskontrollklausel wirksam war und der Kaufpreis den reinen Gebäudewert erheblich überstieg, bewertete das OLG München die Weigerung der Gemeinde als ausreichend begründet.
Zustimmungsrecht (zur Veräußerung)
Das Zustimmungsrecht beschreibt die vertraglich vereinbarte Befugnis des Grundstückseigentümers, die Genehmigung für einen Verkauf des Erbbaurechts zu erteilen oder, bei Vorliegen vertraglicher Gründe, zu verweigern. Dieses Recht gibt dem Eigentümer die notwendige Kontrolle darüber, wer neuer Erbbauberechtigter wird, und ermöglicht ihm, die Einhaltung sozialer Zwecke durchzusetzen.
Beispiel: Die Gemeinde machte von ihrem vertraglich gesicherten Zustimmungsrecht Gebrauch, als sie den Verkäufern mitteilte, dass der vereinbarte Kaufpreis spekulativ und somit nicht akzeptabel sei.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 34 Wx 315/19 – Beschluss v. 18.11.2020
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