Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Streit um Grundbucheintrag: BGH kippt Urteil wegen Verfahrensfehler
- Der Sachverhalt: Ein Immobilienkauf mit Folgen
- Der Rechtsstreit: Vormerkung gegen Zwangshypothek
- Knackpunkt Formunwirksamkeit: Die nicht beurkundete Sanierungspflicht
- Die Entscheidungen der Vorinstanzen
- BGH-Entscheidung: Verletzung des rechtlichen Gehörs
- Konsequenzen und Ausblick
- Bedeutung für Betroffene
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Warum müssen Immobilienkaufverträge notariell beurkundet werden?
- Welche Folgen hat es, wenn wesentliche Bestandteile eines Immobilienkaufvertrags nicht notariell beurkundet wurden?
- Was ist eine Auflassungsvormerkung und welche Bedeutung hat sie beim Immobilienkauf?
- Kann ein formunwirksamer Immobilienkaufvertrag nachträglich wirksam werden?
- Welche Rechte habe ich als Käufer, wenn der Immobilienkaufvertrag aufgrund eines Formfehlers unwirksam ist?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: V ZR 59/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Bundesgerichtshof
- Datum: 13.03.2025
- Aktenzeichen: V ZR 59/24
- Verfahrensart: Beschluss
- Rechtsbereiche: Sachenrecht, Formvorschriften für Verträge
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümerin von Wohnungen, die die Zustimmung zur Löschung von später eingetragenen Zwangshypotheken verlangt.
- Beklagte: Gläubiger, der Zwangssicherungshypotheken auf die Wohnungen eintragen ließ und sich gegen die Löschungsklage wehrt; hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Klägerin kaufte Wohnungen von einer GmbH. Zu Gunsten der Klägerin wurden Vormerkungen im Grundbuch eingetragen (Januar 2017). Später (Mai 2017) ließ der Beklagte wegen einer Forderung gegen die Verkäufer-GmbH Zwangssicherungshypotheken auf die Wohnungen eintragen. Die Klägerin wurde danach als Eigentümerin eingetragen (Juli 2017) und verlangt nun vom Beklagten die Zustimmung zur Löschung dieser Hypotheken. Die Vorinstanzen (Landgericht, Kammergericht) gaben der Klägerin Recht.
- Kern des Rechtsstreits: Ob der ursprüngliche Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Verkäuferin gültig ist oder wegen einer angeblich nicht beurkundeten Sanierungsverpflichtung formunwirksam war. Die Gültigkeit des Kaufvertrags ist entscheidend dafür, ob die Vormerkungen die Klägerin vor den Zwangshypotheken des Beklagten schützen (§ 883 Abs. 2 BGB).
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Bundesgerichtshof hebt die Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 12. Februar 2024) auf.
- Folgen: Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen. Dieses muss auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens entscheiden.
Der Fall vor Gericht
Streit um Grundbucheintrag: BGH kippt Urteil wegen Verfahrensfehler

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin aufgehoben, die weitreichende Folgen für einen Immobilienkauf hatte. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Kaufvertrag über Wohnungen unwirksam ist, weil eine angebliche Sanierungsverpflichtung nicht notariell beurkundet wurde. Dies hätte die Wirksamkeit einer zugunsten der Käuferin eingetragenen Auflassungsvormerkung und damit ihren Schutz vor späteren Zwangshypotheken des Beklagten gefährdet. Der BGH rügte einen schwerwiegenden Verfahrensfehler der Vorinstanz.
Der Sachverhalt: Ein Immobilienkauf mit Folgen
Die Transaktion
Im Dezember 2016 erwarb die Klägerin mehrere Wohnungen von einer GmbH (Verkäuferin) durch einen notariellen Kaufvertrag. Zu ihren Gunsten wurden im Januar 2017 sogenannte Auflassungsvormerkungen in die Grundbücher eingetragen. Diese Vormerkungen sollen den Anspruch des Käufers auf Übertragung des Eigentums sichern und ihn vor nachteiligen Verfügungen des Verkäufers schützen, die nach Eintragung der Vormerkung erfolgen.
Nachträgliche Vereinbarung und finanzielle Schwierigkeiten
Ende Februar 2017 vereinbarten die Parteien in einer ebenfalls notariell beurkundeten Nachtragsvereinbarung eine Reduzierung des Kaufpreises um 15.000 Euro. Kurz darauf, im März 2017, erwirkte der Beklagte einen Zahlungstitel gegen die Verkäuferin. Auf dessen Grundlage ließ er im Mai 2017 Zwangssicherungshypotheken in die Grundbücher der verkauften Wohnungen eintragen. Erst im Juli 2017 wurde die Klägerin als neue Eigentümerin eingetragen.
Der Rechtsstreit: Vormerkung gegen Zwangshypothek
Die Klägerin verlangte vom Beklagten die Zustimmung zur Löschung seiner Zwangshypotheken. Sie stützte ihren Anspruch auf die §§ 888 Abs. 1 und 883 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach § 883 Abs. 2 BGB sind Verfügungen, die nach Eintragung der Vormerkung über das Grundstück getroffen werden, insoweit unwirksam, als sie den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden. Die Zwangshypotheken wurden nach den Vormerkungen eingetragen.
Der Beklagte wehrte sich gegen die Löschung. Sein Argument: Der ursprüngliche Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Verkäuferin sei insgesamt formunwirksam und damit nichtig. Wenn der Kaufvertrag aber von Anfang an unwirksam war, dann konnten auch die darauf basierenden Auflassungsvormerkungen keine Wirkung entfalten. Folglich wären seine später eingetragenen Zwangshypotheken wirksam und müssten nicht gelöscht werden.
Knackpunkt Formunwirksamkeit: Die nicht beurkundete Sanierungspflicht
Der Beklagte behauptete, die Klägerin und die Verkäuferin hätten neben dem notariellen Kaufvertrag eine nicht beurkundete Nebenabrede getroffen. Diese habe eine Verpflichtung der Verkäuferin zur Sanierung der Wohnungen beinhaltet. Eine solche Vereinbarung wäre aber Teil des Kaufvertrages gewesen und hätte zwingend notariell beurkundet werden müssen.
Für Grundstückskaufverträge schreibt § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB die Notarielle Beurkundung vor. Diese Formvorschrift erstreckt sich auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt. Wird eine wesentliche Abrede – wie hier die behauptete Sanierungspflicht – nicht mitbeurkundet, führt dies nach § 125 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages wegen Formmangels.
Zum Beweis seiner Behauptung benannte der Beklagte den ehemaligen Geschäftsführer der mittlerweile gelöschten Verkäufer-GmbH als Zeugen. Dieser sollte die mündliche Sanierungsvereinbarung bestätigen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen
Sowohl das Landgericht als auch das Kammergericht als Berufungsinstanz gaben der Klage statt. Sie sahen den Kaufvertrag als wirksam an. Eine nicht beurkundete Sanierungsverpflichtung sei nicht vereinbart worden. Sie verwiesen auf die Klausel im Vertrag, wonach die Wohnungen „im gegenwärtigen Zustand“ verkauft wurden. Zudem seien die meisten Wohnungen vermietet gewesen, was eine Sanierung erschwert hätte.
Die Nachtragsvereinbarung über die Kaufpreisreduzierung deuteten die Gerichte anders: Sie sei lediglich eine Reaktion darauf gewesen, dass eine erhoffte, aber nicht geschuldete Sanierung einer einzelnen Wohnung nicht erfolgt war. Dass in der Urkunde versehentlich eine andere Wohnung genannt wurde, ändere nichts. Im Zweifel sei ohnehin eine Auslegung vorzuziehen, die die Wirksamkeit des Vertrages erhält.
Entscheidend war: Das Kammergericht lehnte die Vernehmung des vom Beklagten benannten Zeugen ab. Es argumentierte, es bestünden keinerlei Anhaltspunkte für die behauptete Sanierungsvereinbarung, weshalb eine Beweisaufnahme überflüssig sei.
BGH-Entscheidung: Verletzung des rechtlichen Gehörs
Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Kammergerichts nun auf. Der Grund liegt nicht in einer endgültigen Bewertung der Vertragsgültigkeit, sondern in einem schwerwiegenden Verfahrensfehler: Das Kammergericht hat den Anspruch des Beklagten auf Rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung
Das Gericht darf ein erhebliches Beweisangebot nicht einfach übergehen. Indem das Kammergericht die Vernehmung des Zeugen ablehnte, weil es selbst keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptung sah, hat es die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen.
Gerichte müssen sich ihre Überzeugung auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme bilden (§ 286 Zivilprozessordnung – ZPO). Sie dürfen nicht schon vor der Beweisaufnahme entscheiden, dass eine Behauptung unwahrscheinlich ist und deshalb auf die Vernehmung eines angebotenen Zeugen verzichten. Genau dies sei hier aber geschehen. Das Kammergericht hätte den Zeugen vernehmen müssen, um dann dessen Aussage zu würdigen.
Konsequenzen und Ausblick
Die Sache wird nun zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen. Dieses muss den vom Beklagten benannten Zeugen, den ehemaligen Geschäftsführer der Verkäuferin, nun zu der behaupteten mündlichen Sanierungsvereinbarung vernehmen.
Erst nach dieser Beweisaufnahme darf das Gericht entscheiden, ob eine solche formpflichtige, aber nicht beurkundete Nebenabrede tatsächlich existierte. Sollte sich die Behauptung des Beklagten bestätigen, wäre der Kaufvertrag nichtig, die Auflassungsvormerkungen unwirksam und die Zwangshypotheken des Beklagten blieben bestehen. Der Ausgang des Verfahrens ist somit wieder völlig offen.
Bedeutung für Betroffene
Für Immobilienkäufer und -verkäufer
Diese Entscheidung unterstreicht die enorme Bedeutung der vollständigen notariellen Beurkundung bei Immobiliengeschäften. Alle Vereinbarungen, die für die Parteien wesentlich sind – seien es Kaufpreis, Übergabemodalitäten oder eben auch Sanierungs- oder Bauverpflichtungen – müssen in die notarielle Urkunde aufgenommen werden. Mündliche Nebenabreden oder separate schriftliche Vereinbarungen sind hochriskant.
Wird eine wesentliche Abrede nicht beurkundet, droht die Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Dies kann auch Jahre später noch fatale Folgen haben, etwa den Verlust des Eigentums oder die Wirkungslosigkeit von Sicherungsmitteln wie der Auflassungsvormerkung. Käufer verlieren dann ihren Schutz vor nachträglichen Belastungen durch Gläubiger des Verkäufers.
Für Gläubiger
Für Gläubiger, die Ansprüche gegen einen Immobilienverkäufer haben, zeigt der Fall eine mögliche Angriffsstrategie auf. Selbst wenn zugunsten eines Käufers bereits eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist, kann diese unter Umständen wertlos sein, wenn der zugrundeliegende Kaufvertrag wegen eines Formmangels nichtig ist. Gläubiger können dann trotz Vormerkung noch erfolgreich in die Immobilie vollstrecken.
Für das Gerichtsverfahren
Der BGH betont erneut die Wichtigkeit des Grundrechts auf rechtliches Gehör. Parteien müssen die Möglichkeit haben, ihre Argumente vorzutragen und angebotene Beweise auch tatsächlich erheben zu lassen, sofern sie erheblich sind. Gerichte dürfen Beweisangebote nicht aus eigener Überzeugung über die (Un-)Wahrscheinlichkeit einer Behauptung ablehnen, bevor sie die Beweise geprüft haben. Dies sichert die Fairness des Verfahrens.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass alle wesentlichen Vereinbarungen beim Immobilienkauf notariell beurkundet werden müssen – auch nachträgliche Verpflichtungen wie Sanierungszusagen. Ein formungültiger Kaufvertrag kann zwar durch spätere Auflassung und Eintragung geheilt werden, jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc). Dies hat erhebliche Konsequenzen für den Grundbuchrang: Zwischenzeitlich eingetragene Belastungen können nicht mehr über eine Auflassungsvormerkung beseitigt werden, da diese erst mit der Heilung des Formmangels wirksam wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Warum müssen Immobilienkaufverträge notariell beurkundet werden?
Der Kauf oder Verkauf einer Immobilie ist eine weitreichende finanzielle und rechtliche Entscheidung. Deshalb schreibt das Gesetz in Deutschland vor, dass solche Verträge von einem Notar beurkundet werden müssen (§ 311b Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Ohne diese notarielle Beurkundung ist der Kaufvertrag rechtlich nicht gültig. Diese Pflicht zur Beurkundung hat mehrere wichtige Gründe, die dem Schutz von Käufer und Verkäufer dienen:
Schutz vor übereilten Entscheidungen (Warnfunktion)
Ein Immobilienkauf ist oft die größte Investition im Leben. Die Pflicht zur Beurkundung soll Sie davor schützen, voreilig oder unüberlegt zu handeln. Der Gang zum Notar und der formelle Akt der Beurkundung machen die Bedeutung des Geschäfts deutlich und geben Ihnen Zeit, die Entscheidung nochmals zu überdenken. Der Notar liest den gesamten Vertrag vor – das mag manchmal langwierig erscheinen, dient aber genau diesem Zweck: Sicherzustellen, dass Ihnen der Inhalt voll bewusst ist.
Klarheit über Rechte und Pflichten (Beratungs- und Aufklärungsfunktion)
Der Notar ist ein neutraler und unabhängiger Jurist. Seine Aufgabe ist es, den Willen beider Vertragsparteien zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und sicherzustellen, dass der Vertrag inhaltlich ausgewogen ist. Er erklärt Ihnen den Inhalt des Vertrages in verständlicher Sprache, weist auf mögliche Risiken hin und beantwortet Ihre Fragen zu den rechtlichen Konsequenzen. So wird sichergestellt, dass beide Seiten genau verstehen, wozu sie sich verpflichten – zum Beispiel wann der Kaufpreis gezahlt werden muss oder wann das Eigentum übergeht.
Eindeutiger Nachweis der Vereinbarungen (Beweisfunktion)
Die notarielle Urkunde ist ein offizielles Dokument mit hoher Beweiskraft. Sie hält präzise und unmissverständlich fest, was zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart wurde. Alle wichtigen Punkte – wie die genaue Bezeichnung der Immobilie, der Kaufpreis, die Zahlungsbedingungen und eventuelle Sondervereinbarungen – werden schriftlich fixiert. Dies verhindert spätere Streitigkeiten darüber, was genau vereinbart war, da der beurkundete Vertrag als klarer Beweis dient.
Sicherstellung der korrekten Abwicklung (Gültigkeits- und Sicherungsfunktion)
Erst durch die Unterschriften beider Parteien und des Notars unter der Urkunde wird der Kaufvertrag rechtlich wirksam und bindend. Der Notar sorgt zudem dafür, dass alle notwendigen Schritte für die Vertragsabwicklung eingeleitet werden. Er kümmert sich in der Regel um die Einholung erforderlicher Genehmigungen, die Überwachung der Kaufpreiszahlung und vor allem um die notwendigen Anträge beim Grundbuchamt zur Eintragung des neuen Eigentümers. Dies gewährleistet einen geordneten und sicheren Übergang des Eigentums.
Welche Folgen hat es, wenn wesentliche Bestandteile eines Immobilienkaufvertrags nicht notariell beurkundet wurden?
Wenn wesentliche Bestandteile eines Immobilienkaufvertrags nicht zusammen mit dem Rest des Vertrags von einem Notar beurkundet werden, hat das eine schwerwiegende Folge: Der gesamte Kaufvertrag ist in der Regel von Anfang an unwirksam (nichtig). Es ist dann rechtlich so, als hätte es den Vertrag nie gegeben.
Warum ist die notarielle Beurkundung so wichtig?
Das Gesetz schreibt für Verträge, durch die sich jemand verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, zwingend die notarielle Beurkundung vor (§ 311b Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Diese strenge Formvorschrift hat wichtige Gründe:
- Schutz vor Übereilung: Der offizielle Akt beim Notar soll Käufer und Verkäufer vor unüberlegten Entscheidungen bei einer finanziell und rechtlich weitreichenden Transaktion schützen.
- Beweissicherung: Die notarielle Urkunde hält detailliert und verbindlich fest, was genau zwischen den Parteien vereinbart wurde. Das schafft Klarheit und dient als verlässlicher Beweis.
- Beratung und Prüfung: Der Notar hat die Pflicht, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts aufzuklären und darauf zu achten, dass der Vertrag ausgewogen ist und die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt werden.
Diese Schutzfunktion kann nur erfüllt werden, wenn alle Abreden, die für den Vertrag wesentlich sind, vollständig und korrekt in der notariellen Urkunde wiedergegeben werden.
Was gehört zu den wesentlichen Bestandteilen?
Als wesentliche Bestandteile gelten alle Punkte, die nach dem Willen der Vertragsparteien zum Inhalt des Geschäfts gehören sollen. Fehlt eine dieser Abreden in der Urkunde, betrifft der Formmangel den gesamten Vertrag. Zu den typischen wesentlichen Bestandteilen zählen insbesondere:
- Die genaue Bezeichnung des Grundstücks (Adresse, Grundbuchdaten).
- Die Namen von Käufer und Verkäufer.
- Der vereinbarte Kaufpreis und die Regelungen zu seiner Zahlung (Fälligkeit, Konto etc.).
- Alle zusätzlichen Vereinbarungen, die für eine oder beide Seiten wichtig sind. Das können zum Beispiel sein:
- Verpflichtungen des Verkäufers zu Sanierungs- oder Renovierungsarbeiten vor der Übergabe.
- Die Übernahme von bestimmten Einrichtungsgegenständen oder Inventar.
- Besondere Regelungen zum Umgang mit bekannten Mängeln.
- Vereinbarungen über die Räumung oder das Bestehenbleiben von Mietverhältnissen.
Stellen Sie sich vor, Sie vereinbaren neben dem im Notarvertrag genannten Kaufpreis eine zusätzliche Zahlung „schwarz“, um Grunderwerbsteuer oder Notarkosten zu sparen. Eine solche Nebenabrede außerhalb der Urkunde führt dazu, dass der gesamte Kaufvertrag – also auch der beurkundete Teil – unwirksam ist (§ 125 BGB). Das Gleiche gilt, wenn eine für den Käufer entscheidende Sanierungszusage des Verkäufers nur mündlich getroffen und nicht mit beurkundet wird.
Welche konkreten Folgen hat die Unwirksamkeit?
Ein von Anfang an unwirksamer Vertrag kann keine rechtlichen Wirkungen entfalten:
- Der Käufer erwirbt keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an der Immobilie. Er kann die Übergabe und die Eintragung im Grundbuch nicht verlangen.
- Der Verkäufer hat keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises.
- Sollten bereits Leistungen ausgetauscht worden sein (z.B. eine Anzahlung durch den Käufer oder die Übergabe der Immobilie), so geschah dies ohne Rechtsgrundlage. Diese Leistungen müssen grundsätzlich rückabgewickelt werden, das heißt, sie sind zurückzugeben.
Es gibt zwar eine gesetzliche Regelung (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB), wonach ein formnichtiger Grundstückskaufvertrag durch die Auflassung (die Einigung über den Eigentumsübergang) und die Eintragung des Käufers im Grundbuch doch noch wirksam werden kann (sogenannte Heilung). Dieser Fall tritt aber erst mit der Grundbucheintragung ein. Bis dahin bleibt der Vertrag unwirksam, und jede Partei kann sich auf die Unwirksamkeit berufen und die weitere Durchführung verweigern. Die Nichtbeurkundung wesentlicher Vertragsteile schafft daher erhebliche Rechtsunsicherheit und Risiken für beide Seiten.
Was ist eine Auflassungsvormerkung und welche Bedeutung hat sie beim Immobilienkauf?
Die Auflassungsvormerkung ist eine Art Reservierungsvermerk im Grundbuch für den Käufer einer Immobilie. Sie sichert Ihren Anspruch auf die Übertragung des Eigentums, nachdem Sie den Kaufvertrag unterschrieben haben, aber bevor Sie endgültig als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind.
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Kaufvertrag für ein Haus unterschrieben. Bis zur endgültigen Umschreibung des Eigentums im Grundbuch vergeht oft einige Zeit (z.B. weil erst der Kaufpreis gezahlt werden muss). In dieser Zeit könnte der Verkäufer theoretisch versuchen, das Haus an jemand anderen zu verkaufen oder das Grundstück mit Schulden (wie einer Hypothek) zu belasten. Genau hier setzt die Auflassungsvormerkung an.
Der Schutz für den Käufer
Die Auflassungsvormerkung schützt Sie als Käufer vor solchen nachteiligen Verfügungen des Verkäufers in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Eigentumsumschreibung. Sie wirkt wie ein Schutzschild für Ihren Anspruch auf das Eigentum:
- Schutz vor Doppelverkauf: Verkauft der Verkäufer die Immobilie nach Eintragung Ihrer Vormerkung an einen Dritten, ist dieser Verkauf Ihnen gegenüber unwirksam. Sie können weiterhin die Übertragung des Eigentums an sich verlangen.
- Schutz vor Belastungen: Lässt der Verkäufer nach Eintragung Ihrer Vormerkung neue Belastungen im Grundbuch eintragen (z.B. Grundschulden, Hypotheken, auch Zwangshypotheken durch Gläubiger des Verkäufers), sind diese Belastungen Ihnen gegenüber ebenfalls unwirksam. Sie können verlangen, dass die Immobilie frei von diesen später eingetragenen Belastungen an Sie übertragen wird.
Im Grunde „friert“ die Vormerkung den Zustand des Grundbuchs zu Ihren Gunsten ein, was spätere Eintragungen betrifft, die Ihren Anspruch auf Eigentumserwerb gefährden könnten.
Wie funktioniert die Auflassungsvormerkung?
Damit die Auflassungsvormerkung wirksam wird, muss sie im Grundbuch eingetragen werden. Die Eintragung beantragt in der Regel der Notar, der den Kaufvertrag beurkundet hat. Grundlage dafür ist der formwirksame, notariell beurkundete Kaufvertrag, in dem sich der Verkäufer zur Übertragung des Eigentums verpflichtet (dies nennt man „Auflassung“, daher der Name „Auflassungsvormerkung“).
Die Vormerkung sichert also den Anspruch, der aus diesem rechtlich bindenden Vertrag entsteht. Ohne einen gültigen, beurkundeten Kaufvertrag kann keine wirksame Auflassungsvormerkung eingetragen werden.
Warum ist die Auflassungsvormerkung so wichtig?
Die Zeitspanne zwischen dem Abschluss des notariellen Kaufvertrags und der endgültigen Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch kann mehrere Wochen oder Monate betragen. Ohne die Auflassungsvormerkung wäre der Käufer in dieser Phase erheblichen Risiken ausgesetzt.
Die Vormerkung ist daher ein zentrales Sicherungsmittel beim Immobilienkauf. Sie stellt sicher, dass der Käufer – vorausgesetzt er erfüllt seine Pflichten aus dem Kaufvertrag (insbesondere die Kaufpreiszahlung) – das Eigentum an der Immobilie auch tatsächlich unbelastet von zwischenzeitlichen Verfügungen des Verkäufers erhält. Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil für einen sicheren Immobilienkauf und wird standardmäßig in notariellen Kaufverträgen vereinbart und zur Eintragung beantragt.
Kann ein formunwirksamer Immobilienkaufvertrag nachträglich wirksam werden?
Ja, ein Kaufvertrag über eine Immobilie, der ursprünglich wegen eines Formfehlers ungültig war, kann unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich wirksam werden. Diesen Vorgang nennt man Heilung des Formmangels.
Warum ist die Form beim Immobilienkauf so wichtig?
Für Verträge, durch die sich jemand verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben (also Immobilienkaufverträge), schreibt das Gesetz eine notarielle Beurkundung vor (§ 311b Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Wird diese Form nicht eingehalten – zum Beispiel, wenn der Vertrag nur mündlich oder privatschriftlich geschlossen wird –, ist der Vertrag grundsätzlich formunwirksam und damit nichtig. Das bedeutet, er entfaltet von Anfang an keine rechtlichen Wirkungen. Käufer und Verkäufer haben aus einem solchen Vertrag keine gegenseitigen Ansprüche. Die strenge Formvorschrift soll die Beteiligten vor übereilten Entscheidungen schützen, eine Beweisfunktion erfüllen und sicherstellen, dass sie durch den Notar fachkundig beraten werden.
Wie kann der Vertrag doch noch wirksam werden? (Heilung)
Das Gesetz sieht eine Möglichkeit vor, wie dieser Mangel „geheilt“ werden kann: Der gesamte Vertrag wird trotz des ursprünglichen Formfehlers wirksam, wenn die Auflassung und die Eintragung des Käufers in das Grundbuch erfolgen (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB).
Hierfür müssen zwei Schritte vollständig vollzogen sein:
- Auflassung: Das ist die Einigung zwischen Verkäufer und Käufer darüber, dass das Eigentum an der Immobilie auf den Käufer übergehen soll. Diese Einigung muss ebenfalls notariell beurkundet werden (oder vor dem Grundbuchamt erklärt werden). Sie findet meist zeitlich nach dem Kaufvertrag statt.
- Eintragung ins Grundbuch: Der Käufer muss als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden. Das Grundbuch ist das offizielle Register, das die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken verbindlich dokumentiert.
Sind beide Voraussetzungen – Auflassung und Eintragung – erfüllt, wird der ursprünglich formungültige Kaufvertrag rückwirkend so behandelt, als wäre er von Anfang an gültig gewesen. Alle darin enthaltenen Vereinbarungen (z.B. zum Kaufpreis, zu Mängeln etc.) werden dann verbindlich.
Spielt es eine Rolle, ob man vom Formfehler wusste?
Nein, für die Heilung des Formmangels ist es unerheblich, ob die Vertragsparteien den Formmangel kannten oder nicht. Selbst wenn Käufer und Verkäufer wussten, dass ihr ursprünglicher Vertrag nicht notariell beurkundet wurde und daher ungültig war, tritt die Heilungswirkung ein, sobald Auflassung und Eintragung erfolgt sind. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass die Rechtslage der tatsächlichen und im Grundbuch dokumentierten Eigentumslage entspricht, sobald der Eigentumsübergang vollzogen ist.
Welche Rechte habe ich als Käufer, wenn der Immobilienkaufvertrag aufgrund eines Formfehlers unwirksam ist?
Ist ein Immobilienkaufvertrag wegen eines Formfehlers – meist der fehlenden notariellen Beurkundung – unwirksam, wird er rechtlich so behandelt, als hätte er von Anfang an nicht bestanden. Für Sie als Käufer bedeutet das grundsätzlich, dass der gesamte Vorgang rückgängig gemacht werden muss.
Rückabwicklung des unwirksamen Vertrags
Der wichtigste Anspruch, der sich für Sie aus einem unwirksamen Vertrag ergibt, ist der Anspruch auf Rückabwicklung. Konkret heißt das:
- Sie haben in der Regel einen Anspruch darauf, den bereits gezahlten Kaufpreis vollständig zurückzuerhalten. Da der Vertrag unwirksam ist, fehlt die rechtliche Grundlage für Ihre Zahlung. Man spricht hier von einem Anspruch aus „ungerechtfertigter Bereicherung“ (§ 812 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).
- Im Gegenzug müssen Sie dem Verkäufer alles zurückgeben, was Sie möglicherweise bereits aufgrund des unwirksamen Vertrages erhalten haben. Das kann zum Beispiel der Besitz an der Immobilie sein, falls diese Ihnen schon übergeben wurde.
Möglicher Anspruch auf Schadensersatz
Zusätzlich zur Rückzahlung des Kaufpreises können Sie unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch auf Schadensersatz haben.
- Ein solcher Anspruch besteht, wenn Ihnen durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages ein finanzieller Schaden entstanden ist und den Verkäufer daran ein Verschulden trifft. Dies könnte der Fall sein, wenn der Verkäufer den Formfehler kannte oder kennen musste und Sie nicht darauf hingewiesen hat.
- Beispiele für mögliche Schäden können nutzlos gewordene Aufwendungen sein, wie etwa Kosten für einen Finanzierungsvertrag, den Sie nur wegen des (unwirksamen) Immobilienkaufs abgeschlossen haben, oder Kosten für die Planung von Umbauten. Auch Notarkosten, die für den unwirksamen Vertrag anfielen, könnten darunterfallen.
Wichtige Aspekte
- Verjährung: Beachten Sie, dass Ihre Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises und auf Schadensersatz verjähren können. Das bedeutet, dass diese Ansprüche nach Ablauf einer bestimmten gesetzlichen Frist (in der Regel drei Jahre, beginnend am Ende des Jahres, in dem Sie Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt haben) nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden können.
- Einzelfallprüfung: Ob und in welcher Höhe Ihnen Ansprüche zustehen, hängt immer von den genauen Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend sind unter anderem die Art des Formfehlers, die Kenntnis der Vertragsparteien davon und die konkreten finanziellen Nachteile, die Ihnen entstanden sind. Eine pauschale Aussage ist hier nicht möglich.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Auflassungsvormerkung
Eine Auflassungsvormerkung ist eine Art Reservierung im Grundbuch für den Käufer einer Immobilie. Sie sichert seinen zukünftigen Anspruch auf Übertragung des Eigentums, nachdem der Kaufvertrag geschlossen, der Käufer aber noch nicht als Eigentümer eingetragen ist (§ 883 BGB). Die Vormerkung schützt den Käufer davor, dass der Verkäufer die Immobilie zwischenzeitlich an jemand anderen verkauft oder dass Gläubiger des Verkäufers in dieser Zeit Rechte (wie Hypotheken) an der Immobilie eintragen lassen, die den Käufer belasten würden. Im Text schützte die Vormerkung die Klägerin zunächst vor den Zwangshypotheken des Beklagten, solange der Kaufvertrag als wirksam galt.
Beispiel: Sie kaufen ein Haus. Direkt nach dem Notartermin wird die Auflassungsvormerkung für Sie im Grundbuch eingetragen. Falls der Verkäufer nun versuchen würde, das Haus heimlich noch einmal zu verkaufen oder seine Bank eine Hypothek eintragen lassen will, wären diese Handlungen Ihnen gegenüber unwirksam.
Zwangshypothek (oder Zwangssicherungshypothek)
Eine Zwangshypothek ist ein Grundpfandrecht, das ein Gläubiger gegen den Willen des Eigentümers in dessen Grundbuch eintragen lassen kann, um eine Geldforderung abzusichern. Voraussetzung ist meist ein vollstreckbarer Titel (z. B. ein Gerichtsurteil oder ein Vollstreckungsbescheid), der die Schuld des Eigentümers feststellt. Die Zwangshypothek gibt dem Gläubiger das Recht, die Zwangsvollstreckung (z. B. Zwangsversteigerung) der Immobilie zu betreiben, um seine Forderung zu begleichen. Im Text ließ der Beklagte solche Hypotheken auf die Wohnungen eintragen, weil er einen Zahlungstitel gegen die Verkäufer-GmbH hatte, die zu diesem Zeitpunkt noch Eigentümerin war.
Beispiel: Ein Handwerker hat bei Ihnen Arbeiten durchgeführt, Sie bezahlen die Rechnung trotz Mahnung nicht. Der Handwerker erwirkt vor Gericht einen Titel und lässt daraufhin eine Zwangshypothek auf Ihr Haus eintragen, um seine Bezahlung sicherzustellen.
Notarielle Beurkundung
Die notarielle Beurkundung ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Formerfordernis für bestimmte Rechtsgeschäfte, insbesondere für Grundstückskaufverträge (§ 311b Abs. 1 BGB). Dabei erklärt eine Person ihren Willen vor einem Notar, der die Erklärung schriftlich festhält, sie den Beteiligten vorliest, von ihnen genehmigen und unterschreiben lässt und sie abschließend selbst unterschreibt. Die Beurkundung soll die Beteiligten vor übereilten Entscheidungen schützen (Warnfunktion), sicherstellen, dass sie über die Tragweite ihrer Erklärungen belehrt werden (Beratungsfunktion) und den Inhalt des Geschäfts klar und beweiskräftig dokumentieren (Beweisfunktion). Im Text war der Kaufvertrag notariell beurkundet, aber es stand die Behauptung im Raum, eine zusätzliche Sanierungsvereinbarung sei nicht mitbeurkundet worden.
Formunwirksamkeit / Nichtigkeit
Formunwirksamkeit bedeutet, dass ein Rechtsgeschäft (z. B. ein Vertrag) wegen Nichteinhaltung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form (wie der notariellen Beurkundung bei Grundstückskäufen, § 311b BGB) ungültig ist. Die Folge der Formunwirksamkeit ist in der Regel die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 BGB). Ein nichtiger Vertrag wird rechtlich so behandelt, als wäre er von Anfang an nie geschlossen worden; er entfaltet keine rechtlichen Wirkungen. Im Text argumentierte der Beklagte, der gesamte Kaufvertrag sei wegen der angeblich nicht beurkundeten Sanierungsverpflichtung formunwirksam und damit nichtig, weshalb auch die Auflassungsvormerkung der Klägerin unwirksam sei.
Beispiel: Sie „verkaufen“ Ihr Grundstück per Handschlag und privatschriftlichem Zettel an einen Freund. Dieser „Verkauf“ ist formunwirksam und nichtig, weil die gesetzlich vorgeschriebene notarielle Beurkundung fehlt. Rechtlich hat der Verkauf nie stattgefunden.
Rechtliches Gehör
Das rechtliche Gehör ist ein grundlegendes Verfahrensrecht, das jeder Person in einem gerichtlichen Verfahren zusteht (verankert in Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz). Es besagt, dass das Gericht die Entscheidung nicht treffen darf, ohne den Betroffenen die Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu den relevanten Fakten und Rechtsfragen zu äußern. Dazu gehört insbesondere das Recht, Beweisanträge zu stellen und dass das Gericht erhebliche Beweisangebote berücksichtigt. Im Text rügte der BGH, dass das Kammergericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat, indem es seinen Antrag auf Vernehmung eines wichtigen Zeugen ablehnte, ohne diesen Zeugen überhaupt anzuhören.
Beispiel: Ihr Nachbar verklagt Sie. Bevor das Gericht entscheidet, muss es Ihnen die Klageschrift zusenden und Ihnen die Möglichkeit geben, darauf zu antworten und Ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Vorweggenommene Beweiswürdigung
Eine vorweggenommene Beweiswürdigung ist ein Verfahrensfehler eines Gerichts. Er liegt vor, wenn das Gericht die Aufnahme eines angebotenen Beweises (z. B. die Vernehmung eines Zeugen oder die Einholung eines Gutachtens) ablehnt, weil es das erwartete Beweisergebnis bereits vorab als unglaubwürdig, unerheblich oder unzutreffend bewertet. Das Gericht nimmt also das Ergebnis der Beweiswürdigung (die Bewertung der Beweise nach ihrer Aufnahme, § 286 ZPO) unzulässigerweise vorweg, anstatt den Beweis erst zu erheben und danach zu würdigen. Im Text warf der BGH dem Kammergericht genau dies vor: Es lehnte die Zeugenvernehmung ab, weil es die Behauptung des Beklagten (für die der Zeuge benannt wurde) von vornherein für unwahrscheinlich hielt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 311b Abs. 1 BGB (Formbedürftigkeit von Grundstückskaufverträgen): Diese Vorschrift schreibt für Verträge über den Kauf von Grundstücken die notarielle Beurkundung vor. Damit sollen beide Vertragsparteien geschützt, rechtlich beraten und vor übereilten Entscheidungen bewahrt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier geht es darum, ob eine nicht beurkundete Sanierungsverpflichtung den gesamten Kaufvertrag formunwirksam macht, da wesentliche Vertragsbestandteile beurkundet werden müssen.
- § 125 Satz 1 BGB (Formnichtigkeit): Fehlt einem Rechtsgeschäft die gesetzlich vorgeschriebene Form, so ist es nichtig. Dies bedeutet, dass ein formnichtiger Vertrag von Anfang an rechtlich unwirksam ist und keine Rechtswirkungen entfaltet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Sollte die Sanierungsverpflichtung als wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages angesehen werden und nicht notariell beurkundet worden sein, wäre der gesamte Kaufvertrag gemäß § 125 BGB nichtig.
- Art. 103 Abs. 1 GG (Gewährung rechtlichen Gehörs): Diese Verfassungsnorm garantiert jedem Menschen das Recht, vor Gericht gehört zu werden. Das Gericht muss Beweisanträge der Parteien berücksichtigen und darf nicht relevante Beweismittel ignorieren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Berufungsgericht hat das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, indem es seinen Beweisantrag zur Sanierungsverpflichtung ablehnte, ohne den Zeugen anzuhören, was zur Aufhebung des Urteils durch den BGH führte.
- § 883 Abs. 2 BGB (Wirkung der Vormerkung): Eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch sichert den Anspruch des Käufers auf Eigentumsübertragung. Spätere Eintragungen im Grundbuch, die die Rechte des Vormerkungsberechtigten beeinträchtigen, sind relativ unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Vormerkung der Klägerin datiert vor den Zwangssicherungshypotheken des Beklagten, wodurch die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Löschung dieser Hypotheken gemäß § 888 BGB hat, sofern der Kaufvertrag wirksam ist.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Käufer von Immobilien bei Formvorschriften beim Immobilienkauf
Sie planen den Kauf einer Immobilie oder haben gerade einen Vertrag unterzeichnet? Der Notartermin und die Eintragung im Grundbuch scheinen Sicherheit zu geben. Doch Vorsicht: Schon kleine Formfehler im Kaufvertrag können dazu führen, dass Ihr Eigentumserwerb gefährdet ist.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Vollständigkeit ist Trumpf – Alle Abreden gehören in die Urkunde
Der gesamte Inhalt des Immobilienkaufvertrags muss notariell beurkundet werden. Das betrifft nicht nur den Kaufpreis und die Beschreibung des Objekts, sondern alle Vereinbarungen, die für die Parteien wesentlich sind. Dazu gehören auch Regelungen zu Zahlungsmodalitäten, zum Zustand der Immobilie oder zu besonderen Verpflichtungen wie Sanierungsarbeiten.
⚠️ ACHTUNG: Fehlt eine wesentliche Abrede in der notariellen Urkunde, kann der gesamte Kaufvertrag formunwirksam und damit nichtig sein (§ 311b Abs. 1 BGB).
Tipp 2: Vorsicht bei mündlichen oder separaten Absprachen
Treffen Sie neben dem Notarvertrag mündliche oder separate schriftliche Vereinbarungen, die mit dem Immobilienkauf zusammenhängen (z.B. über den Kaufpreis, die Übernahme von Inventar, die Durchführung von Renovierungen durch den Verkäufer)? Solche „Schwarzabreden“ oder nicht beurkundeten Nebenabreden sind extrem riskant.
⚠️ ACHTUNG: Auch wenn nur eine Nebenabrede nicht beurkundet wurde, kann dies zur Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrags führen. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass solche Abreden „schon halten werden“.
Tipp 3: Nur ein gültiger Vertrag sichert die Vormerkung
Zu Ihren Gunsten wird nach Abschluss des Kaufvertrags oft eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Diese soll Sie davor schützen, dass der Verkäufer die Immobilie anderweitig verkauft oder Gläubiger des Verkäufers in der Zwischenzeit auf die Immobilie zugreifen (z.B. durch Zwangshypotheken). Dieser Schutz funktioniert aber nur, wenn der Kaufvertrag wirksam ist.
⚠️ ACHTUNG: Ist der Kaufvertrag wegen eines Formfehlers (z.B. einer nicht beurkundeten Nebenabrede) unwirksam, ist auch die Vormerkung in der Regel wirkungslos (§ 883 Abs. 2 BGB sichert nur einen bestehenden Anspruch). Spätere Belastungen (wie Zwangshypotheken) können dann Vorrang vor Ihrem Eigentumserwerb haben.
Tipp 4: Besondere Aufmerksamkeit bei Zusatzleistungen und Sanierungsverpflichtungen
Gerade wenn der Verkäufer neben der reinen Übergabe der Immobilie noch weitere Leistungen zusagt (z.B. Sanierungs- oder Renovierungsarbeiten, Einbau einer neuen Heizung, bestimmte Garantien), müssen diese exakt und vollständig im notariellen Kaufvertrag festgehalten werden.
⚠️ ACHTUNG: Vereinbarungen über solche Zusatzleistungen sind oft ein Kernpunkt des Geschäfts und müssen zwingend mitbeurkundet werden, um die Wirksamkeit des gesamten Vertrages nicht zu gefährden.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Das zugrundeliegende Urteil (BGH, V ZR 59/24) macht deutlich: Selbst wenn bereits eine Vormerkung für den Käufer im Grundbuch eingetragen ist, können Gläubiger des Verkäufers noch Rechte (hier: Zwangssicherungshypotheken) an der Immobilie eintragen lassen. Stellt sich später heraus, dass der ursprüngliche Kaufvertrag wegen eines Formfehlers (hier: möglicherweise eine nicht beurkundete Sanierungsverpflichtung) unwirksam war, kann der Käufer diese später eingetragenen Belastungen unter Umständen nicht mehr löschen lassen und erwirbt die Immobilie möglicherweise belastet oder gar nicht. Die Zeitspanne zwischen Vormerkungseintragung und endgültiger Eigentumsumschreibung ist bei einem unwirksamen Vertrag besonders riskant.
✅ Checkliste: Formwirksamkeit beim Immobilienkauf
- Sind wirklich alle mündlichen und schriftlichen Absprachen zum Kauf (Preis, Zustand, Zahlungen, Zusatzleistungen wie Sanierung) im Notarvertrag enthalten?
- Existieren separate Vereinbarungen (z.B. über „schwarze“ Kaufpreisanteile, Möbelübernahme, Renovierungszusagen) außerhalb der Urkunde? Diese sind gefährlich!
- Wurde Ihnen die Bedeutung der Vormerkung erklärt und dass ihr Schutz von einem gültigen Kaufvertrag abhängt?
- Sind Sie unsicher, ob alle Abreden korrekt erfasst sind? Sprechen Sie dies vor der Beurkundung beim Notar oder einem Anwalt klar an.
- Bewahren Sie alle Vertragsunterlagen sorgfältig auf.
Das vorliegende Urteil
BGH – Az.: V ZR 59/24
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