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Prüfungsumfang der Gemeinde bei Negativzeugnis: Wann besteht Anspruch?

Ein kleinteiliger Grundstückskauf, der das Vorkaufsrecht der Kommune umgehen sollte, stellte den Prüfungsumfang der Gemeinde bei Negativzeugnis auf die Probe. Die Gemeinde verweigerte das Zeugnis, da sie den Kaufvertrag als sittenwidrig ansah. Doch ist die Kommune berechtigt, privatrechtliche Geschäfte auf Gültigkeit zu prüfen?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 S 2129/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
  • Datum: 06.07.2022
  • Aktenzeichen: 5 S 2129/20
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Baurecht, Vertragsrecht, Verwaltungsrecht

  • Das Problem: Käufer erwarben kleinteilige Flächen eines Grundstücks. Sie verlangten von der Gemeinde eine amtliche Bestätigung, dass diese kein Vorkaufsrecht ausüben kann. Die Gemeinde verweigerte die Bestätigung, weil sie den Kaufvertrag wegen unwirtschaftlicher Aufteilung für sittenwidrig und unwirksam hielt.
  • Die Rechtsfrage: Darf eine Gemeinde die Ausstellung einer Bestätigung über das Nichtbestehen eines Vorkaufsrechts ablehnen, weil sie den privaten Kaufvertrag für ungültig (nichtig) hält, obwohl die formalen Voraussetzungen für ein Vorkaufsrecht zum Zeitpunkt des Kaufs nicht vorlagen?
  • Die Antwort: Nein. Die Gemeinde muss die Bestätigung ausstellen. Sie darf die Gültigkeit des Kaufvertrages nicht allgemein prüfen, sondern nur, ob ihr ein Vorkaufsrecht zusteht.
  • Die Bedeutung: Der Prüfumfang einer Gemeinde ist bei der Ausstellung dieser Bestätigung eng begrenzt auf das Vorliegen eines eigenen Vorkaufsrechts. Die Gemeinde darf nicht als allgemeine Sitten- oder Wirksamkeitskontrolle für Kaufverträge auftreten.

Darf eine Gemeinde die Ausstellung eines Negativzeugnisses verweigern, weil ihr ein Grundstückskaufvertrag nicht gefällt?

Ein Grundstückskauf ist besiegelt, der Notarvertrag unterzeichnet. Für die Eintragung im Grundbuch fehlt nur noch ein formeller Akt: das sogenannte Negativzeugnis der Gemeinde. Dieses Dokument bestätigt, dass die Kommune auf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht verzichtet oder ein solches gar nicht erst besteht. Doch was geschieht, wenn die Gemeinde die Ausstellung verweigert, nicht weil sie ein Vorkaufsrecht ausüben will, sondern weil sie den Kaufvertrag selbst für unzulässig, ja sogar für sittenwidrig hält? Mit genau dieser Frage nach den Grenzen kommunaler Prüfungskompetenz musste sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 6. Juli 2022 (Az. 5 S 2129/20) auseinandersetzen. Der Fall entlarvt ein tiefes Spannungsfeld zwischen der Gestaltungsfreiheit von Bürgern und dem Kontrollanspruch der öffentlichen Hand.

Worum ging es in dem skurrilen „Schachbrett“-Grundstückskauf?

Ein schwarz-weißer Bauplan zeigt eine Landfläche, die gezeichnet in ein eng verzahntes Schachbrettmuster aufgeteilt wurde.
Gemeinden dürfen Ausstellung des Negativzeugnisses nicht willkürlich wegen sittenwidrigen Grundstückskaufs verweigern. | Symbolbild: KI

Im August 2017 erwarben die späteren Kläger mehrere Teilflächen eines Grundstücks. Die Gestaltung dieses Kaufs war höchst ungewöhnlich. Statt einer zusammenhängenden Fläche kauften sie ein Muster aus sieben rechteckigen „Innenfeldern“, die durch sechs ebenso große Felder getrennt waren, welche im Eigentum des Verkäufers verblieben. Das Ergebnis glich optisch einem Schachbrett oder einer Leopardenfell-Musterung. Eine der erworbenen Parzellen grenzte direkt an ein bereits den Käufern gehörendes Grundstück an.

Für die im Besitz des Verkäufers verbliebenen Zwischenstücke existierte ein separates, an Bedingungen geknüpftes Kaufangebot. Dessen Wirksamkeit hing unter anderem davon ab, dass für den ersten „Schachbrett“-Kauf das besagte Negativzeugnis erteilt würde. Der Plan war also, das Grundstück schrittweise und unter bestimmten Voraussetzungen vollständig zu erwerben.

Der zuständige Notar reichte den Kaufvertrag ordnungsgemäß bei der Gemeinde ein und bat um die Ausstellung des Negativzeugnisses gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 des Baugesetzbuches (BauGB). Doch die Gemeinde reagierte wochenlang nicht. Erst nach einer anwaltlichen Prüfung teilte sie mit, sie halte den Kaufvertrag für nichtig und werde das Zeugnis nicht erteilen. Ihre Begründung: Die künstliche Zerstückelung des Grundstücks sei unwirtschaftlich und diene offensichtlich nur dazu, ein mögliches Vorkaufsrecht der Gemeinde zu umgehen. Eine solche Vertragsgestaltung sei sittenwidrig (§ 138 BGB) und verstoße gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB). Das Verwaltungsgericht Stuttgart folgte in erster Instanz dieser Argumentation und wies die Klage der Käufer ab. Diese legten daraufhin Berufung beim Verwaltungsgerichtshof ein.

Welche Rolle spielt das Negativzeugnis im Baurecht?

Um die Entscheidung des Gerichts zu verstehen, muss man die Funktion des Negativzeugnisses kennen. Wenn in Deutschland ein Grundstück verkauft wird, hat die Gemeinde in vielen Fällen ein gesetzliches Vorkaufsrecht (§§ 24, 25 BauGB). Das bedeutet, sie kann unter bestimmten Voraussetzungen in den Kaufvertrag eintreten und das Grundstück zu den gleichen Konditionen selbst erwerben. Dieses Recht dient städtebaulichen Zielen, etwa der Sicherung von Flächen für öffentliche Einrichtungen oder zur Umsetzung eines Bebauungsplans.

Damit ein Käufer als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden kann, muss er dem Grundbuchamt nachweisen, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt. Dies geschieht entweder durch eine Erklärung der Gemeinde, dass sie von ihrem Recht keinen Gebrauch macht, oder eben durch das Negativzeugnis. Dieses Zeugnis ist eine offizielle Bestätigung, dass ein Vorkaufsrecht von vornherein nicht bestand. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB ist die Gemeinde verpflichtet, dieses Zeugnis „Unverzüglich“ auszustellen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Die zentrale Frage des Falles war nun, was genau diese Voraussetzungen sind und wie weit die Prüfungsbefugnis der Gemeinde dabei reicht.

Warum gab das Gericht den Käufern Recht?

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hob das Urteil der Vorinstanz auf und verpflichtete die Gemeinde, das Negativzeugnis auszustellen. Die Richter zerlegten die Argumentation der Gemeinde in einem logischen Dreischritt und kamen zu einem klaren Ergebnis.

Der entscheidende Faktor: Gab es zum Zeitpunkt des Verkaufs überhaupt ein Vorkaufsrecht?

Die Richter stellten zunächst die einfachste und wichtigste Frage: Bestand zum Zeitpunkt des notariellen Vertragsschlusses am 17. August 2017 überhaupt ein Vorkaufsrecht der Gemeinde? Die Antwort war ein klares Nein. Ein kommunales Vorkaufsrecht entsteht nicht aus dem Nichts. Es muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, etwa einem rechtskräftigen Bebauungsplan (§ 24 BauGB) oder einer speziellen Vorkaufssatzung (§ 25 BauGB).

Im vorliegenden Fall hatte die Gemeinde zum maßgeblichen Zeitpunkt weder das eine noch das andere vorzuweisen. Der Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans wurde erst im Dezember 2019 gefasst, die Vorkaufssatzung erst im Oktober 2017 – also fast zwei Monate nach dem Kaufvertrag – bekannt gemacht. Da zum Zeitpunkt des Verkaufs kein Vorkaufsrecht existierte, konnte es auch nicht umgangen werden. Allein auf dieser Basis war die Weigerung der Gemeinde bereits rechtlich fragwürdig.

Eine Frage der Zuständigkeit: Darf die Gemeinde den Vertrag überhaupt auf Sittenwidrigkeit prüfen?

Im Kern der Entscheidung stand jedoch eine viel grundsätzlichere Frage: Selbst wenn der Vertrag Mängel hätte – wäre es überhaupt Aufgabe der Gemeinde, dies im Rahmen des Negativzeugnis-Verfahrens zu prüfen? Auch hier gelangte der Senat zu einem eindeutigen Ergebnis. Der Wortlaut und Zweck des § 28 BauGB begrenzen die Prüfung der Gemeinde ausschließlich auf das Bestehen und die Ausübung des Vorkaufsrechts.

Das Gericht argumentierte, dass eine darüber hinausgehende zivilrechtliche Prüfung des Kaufvertrags auf Nichtigkeit oder Sittenwidrigkeit die Kompetenzen der Baubehörde überschreiten würde. Für die Prüfung agrarstruktureller Fragen, wie die Wirtschaftlichkeit einer landwirtschaftlichen Fläche, sind die Landwirtschaftsbehörden zuständig, nicht die Gemeinde im Rahmen des Baurechts. Würde man jeder Gemeinde eine umfassende zivilrechtliche Kontrollbefugnis zubilligen, würde dies das Verfahren erheblich verzögern und das gesetzliche Gebot, „unverzüglich“ zu handeln, aushöhlen. Die Aufgabe der Gemeinde ist es, eine schnelle und rechtssichere Abwicklung von Grundstücksgeschäften zu gewährleisten, nicht, sie durch eine umfassende Rechtsmäßigkeitskontrolle zu blockieren.

Hypothetisch geprüft: War der Vertrag tatsächlich sittenwidrig oder gesetzeswidrig?

Obwohl die Richter bereits entschieden hatten, dass die Gemeinde gar nicht zur Prüfung befugt war, nahmen sie sich deren Argumente dennoch „hilfsweise“ vor. Sie gingen also der Frage nach: Was wäre, wenn die Gemeinde den Vertrag hätte prüfen dürfen – wäre er dann tatsächlich nichtig gewesen?

Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) lag nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Die von der Gemeinde angeführten agrarrechtlichen Gesetze (wie das Agrarstrukturverbesserungsgesetz, ASVG) sehen Genehmigungspflichten erst ab einer bestimmten Mindestgröße vor, die hier deutlich unterschritten wurde. Ein Gesetz, das Kleinstflächen bewusst von einer Regelung ausnimmt, kann nicht als Verbotsgesetz für eben diese Flächen herangezogen werden.

Auch eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB konnte der Senat nicht erkennen. Dieser Paragraph sanktioniert Rechtsgeschäfte, die gegen „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßen. Zwar sei die „Schachbrett“-Aufteilung des Grundstücks ungewöhnlich, aber sie verfolgte einen nachvollziehbaren Zweck. Die Käufer erklärten, sie wollten durch die Verzahnung der Flächen sicherstellen, dass ihre Kinder als spätere Erben oder Beschenkte gezwungen wären, das Grundstück nur gemeinsam zu verwalten oder zu veräußern. Dieses privatnützige Ziel, eine Zersplitterung des Familienbesitzes zu verhindern, ist nicht per se verwerflich oder gemeinwohlschädlich. Eine bewusste Absicht, die Allgemeinheit zu schädigen, war nicht erkennbar – zumal, wie bereits festgestellt, ein Vorkaufsrecht gar nicht bestand, das hätte umgangen werden können.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg liefert zwei zentrale Erkenntnisse für die Praxis von Grundstücksgeschäften und das Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung.

Die erste und wichtigste Lehre betrifft die klaren Grenzen staatlicher Kompetenzen. Eine Behörde darf nur das prüfen, wozu sie gesetzlich ausdrücklich ermächtigt ist. Im Fall des Negativzeugnisses beschränkt sich die Rolle der Gemeinde auf eine präzise definierte Aufgabe: die Klärung der Vorkaufsrechtsfrage. Sie ist nicht die oberste Sittenwächterin für private Kaufverträge. Dieses Prinzip der strikten Kompetenzbindung schützt die Vertragsfreiheit der Bürger vor einer ausufernden und nicht vorgesehenen Kontrolle durch die Verwaltung.

Die zweite Erkenntnis unterstreicht die fundamentale Bedeutung des Zeitpunkts im Recht. Ob ein Recht besteht oder eine Handlung rechtmäßig ist, beurteilt sich nach den Umständen zum Moment der Vornahme. Zukünftige Pläne einer Gemeinde, wie die spätere Aufstellung eines Bebauungsplans, können einen bereits abgeschlossenen Vertrag nicht rückwirkend beeinflussen. Diese Stichtagsregelung schafft Rechtssicherheit und schützt die Beteiligten davor, dass ihre Verträge durch nachträgliche Entwicklungen entwertet werden. Das Urteil ist damit ein klares Bekenntnis zur Verlässlichkeit des Rechts und zur Gestaltungsfreiheit im Zivilverkehr.

Die Urteilslogik

Die Verwaltung überschreitet ihre Befugnisse, wenn sie die Ausstellung des Negativzeugnisses zur allgemeinen Kontrolle privater Grundstücksgeschäfte missbraucht.

  • [Stripping der Kompetenzen]: Die Gemeinde beschränkt ihre Prüfungskompetenz beim Negativzeugnis streng auf die Klärung, ob ein gesetzliches Vorkaufsrecht besteht oder ausgeübt wurde; eine umfassende zivilrechtliche Kontrolle des Kaufvertrags auf Nichtigkeit oder Sittenwidrigkeit obliegt ihr nicht.
  • [Das Stichtagsprinzip im Baurecht]: Die Wirksamkeit eines kommunalen Vorkaufsrechts beurteilt sich ausschließlich nach den gesetzlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des notariellen Vertragsschlusses; nachträgliche Satzungen oder Bebauungspläne können einen bereits abgeschlossenen Verkauf nicht nachträglich unwirksam machen.
  • [Grenzen der Moralitätskontrolle]: Ein Grundstückskaufvertrag gilt nicht automatisch als sittenwidrig, nur weil seine Gestaltung ungewöhnlich ist und darauf abzielt, legale Rechte – wie ein nicht existierendes Vorkaufsrecht – zu umgehen; privatrechtliche Gestaltungsfreiheit genießt Vorrang, solange kein grober Verstoß gegen das Anstandsgefühl vorliegt.

Das Baugesetzbuch verpflichtet die Verwaltung zur zügigen und rechtssicheren Abwicklung von Grundstücksgeschäften und schützt die Vertragsfreiheit vor übergriffiger behördlicher Kontrolle.


Experten Kommentar

Ein Notarvertrag ist unterschrieben, aber die Gemeinde verweigert das Negativzeugnis, weil ihr die kleinteilige Aufteilung „sittenwidrig“ erscheint? Dieses Urteil zieht hier eine klare rote Linie: Die kommunale Kontrollbefugnis endet dort, wo die private Vertragsfreiheit beginnt. Die Gemeinde darf im Verfahren um das Negativzeugnis ausschließlich prüfen, ob ein formales Vorkaufsrecht nach BauGB besteht. Sie ist keine Zivilrechtsrichterin, die über die Moralität oder die Gültigkeit des Kaufvertrags urteilt. Für jeden, der ein Grundstück kauft, ist das die wichtige Bestätigung, dass ungewöhnliche, aber legale Vertragsgestaltungen nicht durch eine willkürliche Verwaltung blockiert werden können.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann muss die Gemeinde ein Negativzeugnis nach BauGB ausstellen?

Die Gemeinde ist gesetzlich zur unverzüglichen Ausstellung des Negativzeugnisses verpflichtet, sobald sie festgestellt hat, dass ihr kein gesetzliches Vorkaufsrecht für das betreffende Grundstück zusteht. Dieses Zeugnis ist eine offizielle Bestätigung, dass ein Vorkaufsrecht von vornherein nicht bestand. Die Kommune darf die Ausstellung nicht verweigern, weil ihr die Gestaltung des privaten Kaufvertrages missfällt.

Die Prüfkompetenz der Gemeinde ist im Baugesetzbuch (BauGB) strikt begrenzt. Die Verwaltung prüft ausschließlich, ob ein Vorkaufsrecht auf Basis eines Bebauungsplans oder einer Vorkaufssatzung existiert (§§ 24, 25 BauGB). Ist dies nicht der Fall oder verzichtet die Gemeinde auf das Vorkaufsrecht, endet ihre Zuständigkeit. Sie hat keine Befugnis, den privaten Kaufvertrag selbst auf mögliche zivilrechtliche Mängel wie Sittenwidrigkeit oder Nichtigkeit zu untersuchen.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat diese Kompetenzgrenze im sogenannten „Schachbrett“-Fall bestätigt (VGH BW, Az. 5 S 2129/20). Die Richter stellten klar, dass eine umfassende Kontrolle des privaten Kaufvertrages die Rolle der Baubehörde massiv überschreitet. Solche unzulässigen Erweiterungen der Prüfung führen lediglich zu einer unnötigen Verzögerung des gesetzlich gebotenen Grundbuchverfahrens.

Um den Kaufprozess schnellstmöglich abzuschließen, fordern Sie Ihren Notar auf, die Gemeinde unter Berufung auf § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB zur unverzüglichen Erteilung zu mahnen.


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Darf die Gemeinde meinen privaten Kaufvertrag auf Sittenwidrigkeit prüfen?

Nein, die Gemeinde ist nicht berechtigt, Ihren privaten Kaufvertrag auf Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) oder Nichtigkeit (§ 134 BGB) zu prüfen. Diese umfassende zivilrechtliche Kontrolle überschreitet die Zuständigkeiten der Baubehörde massiv. Die Verwaltung agiert im Rahmen des Negativzeugnis-Verfahrens ausschließlich in einem eng definierten Kompetenzbereich.

Die Zuständigkeit der Kommune ist durch § 28 Baugesetzbuch (BauGB) strikt auf die Frage des gesetzlichen Vorkaufsrechts beschränkt. Eine Erweiterung dieser Prüfung auf die private Vertragsgestaltung ist im Baurecht nicht vorgesehen. Würde man jeder Gemeinde eine allgemeine zivilrechtliche Kontrollbefugnis zubilligen, würde dies das gesamte Verfahren unangemessen verzögern. Die Prüfung der zivilrechtlichen Gültigkeit eines Vertrages obliegt allein den ordentlichen Zivilgerichten.

Selbst in Fällen unüblicher Gestaltungsformen, wie dem sogenannten „Schachbrett-Kauf“, ist die private Verfolgung legitimer Ziele nicht sittenwidrig. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellte klar, dass ein privates Interesse – etwa die Verhinderung der Zersplitterung von Familienbesitz – die Kommune nicht zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Der Wortlaut und Zweck des § 28 BauGB begrenzen die Prüfung der Gemeinde ausschließlich auf das Bestehen und die Ausübung des Vorkaufsrechts.

Reagieren Sie auf die Beanstandung der Sittenwidrigkeit mit einem formellen Schreiben, das die Gemeinde auf ihre strikte Kompetenzbindung gemäß § 28 BauGB und die Klarstellung des VGH-Urteils hinweist.


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Welche Frist gilt für die Gemeinde zur Erteilung des Negativzeugnisses?

Die Gemeinde muss das Negativzeugnis laut Baugesetzbuch (§ 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB) unverzüglich ausstellen, sobald feststeht, dass kein Vorkaufsrecht besteht. Dieser Begriff bedeutet juristisch „ohne schuldhaftes Zögern“. In der Praxis darf die Bearbeitung daher nur wenige Tage, höchstens aber zwei Wochen in Anspruch nehmen. Die schnelle Erteilung ist entscheidend, um den Stillstand im Kaufprozess zu beenden und die Eintragung ins Grundbuch zu ermöglichen.

Diese kurze Frist schützt die Beteiligten und stellt die zügige Abwicklung von Grundstücksgeschäften sicher. Die Pflicht zur sofortigen Ausstellung steht im Kontrast zur längeren Zwei-Monats-Frist, die die Kommune nur dann hat, wenn sie tatsächlich die Ausübung eines bestehenden Vorkaufsrechts prüfen muss. Verzögerungen, die auf einer unzulässigen Prüfung zivilrechtlicher Fragen, etwa der Sittenwidrigkeit des Vertrages, beruhen, sind rechtswidrig. Solche unnötigen Rechtsprüfungen höhlen das gesetzliche Gebot der Unverzüglichkeit aus und verzögern das Verfahren unnötig.

Viele Kommunen nutzen das Verfahren dennoch zur unzulässigen Verzögerung, was wochenlanges Warten für Käufer und Verkäufer bedeutet. Passives Abwarten legitimiert die Verwaltung nicht, wenn die Frist von zwei Wochen deutlich überschritten wird. Stattdessen müssen Sie aktiv werden und auf der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmung bestehen. Untätigkeitsklagen sind das letzte juristische Mittel, um die Behörde zur Ausstellung des Zeugnisses zu verpflichten, falls alle anderen Fristsetzungen ignoriert wurden.

Ist die Notarmitteilung an die Gemeinde mindestens drei Wochen her, lassen Sie über Ihren Notar oder Anwalt eine letzte Frist von sieben Tagen zur Erteilung setzen.


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Was kann ich tun, wenn die Gemeinde das Negativzeugnis verweigert?

Wenn die Gemeinde die Ausstellung des Negativzeugnisses ohne rechtliche Grundlage verweigert, müssen Sie den juristischen Weg beschreiten. Der korrekte Weg zur Durchsetzung Ihres Anspruchs ist die Erhebung einer Verpflichtungsklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Das Negativzeugnis ist ein verpflichtender Verwaltungsakt, dessen Ausstellung nicht willkürlich blockiert werden darf. Ihr Ziel ist es, die Gemeinde zur Erteilung dieses Zeugnisses zu zwingen und damit die Blockade zu überwinden.

Die Verweigerung der Kommune basiert meist auf einer unzulässigen Kompetenzüberschreitung, etwa der Prüfung privater zivilrechtlicher Aspekte wie der Sittenwidrigkeit. Die Zuständigkeit der Gemeinde ist jedoch strikt auf die Klärung der Vorkaufsrechtsfrage nach dem Baugesetzbuch (BauGB) beschränkt. Eine Verpflichtungsklage zielt genau auf diesen Fehler ab: Sie fordern das Gericht auf festzustellen, dass die Kommune ihre gesetzliche Prüfungsbefugnis überschritten hat. Die Klage ist erfolgreich, wenn die Gemeinde keinen legitimen, BauGB-konformen Ablehnungsgrund vorweisen kann.

Der bekannte Fall vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az. 5 S 2129/20) zeigt diesen Mechanismus deutlich. Das Gericht verpflichtete die Gemeinde, das Negativzeugnis auszustellen, weil sie den Kaufvertrag fälschlicherweise auf Sittenwidrigkeit geprüft hatte. Vermeiden Sie es, den Vertrag umzugestalten oder in langwierige Verhandlungen einzutreten, da dies die unzulässige Machtposition der Verwaltung bestätigt. Nur eine Klage, die sich explizit auf die fehlende Prüfkompetenz der Kommune stützt, ebnet den Weg zur finalen Grundbucheintragung.

Senden Sie die gesamte Korrespondenz der Gemeinde zusammen mit dem VGH-Urteil sofort an einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht, um die Klagebegründung zu prüfen.


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Welcher Zeitpunkt ist entscheidend für das Bestehen eines Vorkaufsrechts der Gemeinde?

Der entscheidende Moment für das Vorkaufsrecht der Gemeinde ist immer der Tag, an dem Sie den Kaufvertrag notariell beurkunden. Nur die Rechtslage und die gültigen Satzungen, die exakt zu diesem Zeitpunkt vorliegen, zählen. Nachträglich gefasste Beschlüsse oder neue städtebauliche Planungen der Kommune können einen bereits abgeschlossenen Vertrag nicht mehr beeinträchtigen. Dieses Prinzip der Stichtagsregelung gewährleistet die notwendige Rechtssicherheit für alle Vertragsparteien.

Ein kommunales Vorkaufsrecht entsteht nicht aus einer bloßen Absichtserklärung der Verwaltung. Es muss auf einer klaren gesetzlichen Grundlage fußen, typischerweise einem rechtskräftigen Bebauungsplan oder einer wirksamen Vorkaufssatzung. Wenn die Gemeinde am Tag der Vertragsunterzeichnung noch keinen gültigen Plan öffentlich bekannt gemacht hatte, existierte das Vorkaufsrecht der Gemeinde schlichtweg nicht. Die Verwaltung darf keine Rückwirkung geltend machen, selbst wenn sie kurz nach dem Abschluss mit konkreten Planungen beginnt.

Nehmen wir an, Sie schlossen den Kaufvertrag im August 2024, doch der Gemeinderat fasste den Beschluss zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplans erst zwei Monate später. Der spätere Plan ist für Ihr früheres Geschäft irrelevant. Die Kommune kann einen bereits abgeschlossenen Vertrag nicht durch zukünftige Handlungen ungültig machen oder in diesen eintreten. Dieses juristische Prinzip schützt Ihre Vertragsfreiheit davor, durch nachträgliche verwaltungsinterne Entwicklungen entwertet zu werden.

Überprüfen Sie stets das genaue Datum Ihres Notarvertrages und vergleichen Sie es mit dem Datum der öffentlichen Bekanntmachung des relevanten Baugebietsplans.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Negativzeugnis

Ein Negativzeugnis ist eine amtliche Bescheinigung der Gemeinde, die bestätigt, dass die Kommune auf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht für ein Grundstück verzichtet hat oder dieses Recht von vornherein gar nicht existierte.
Ohne dieses Dokument kann der Käufer nicht als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden, da es die zügige und rechtssichere Abwicklung des Grundstückskaufs gewährleistet.

Beispiel: Obwohl der Kaufvertrag unterzeichnet war, konnte die finale Grundbucheintragung erst erfolgen, nachdem die Kommune das nach § 28 BauGB geforderte Negativzeugnis ausgestellt hatte.

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Nichtigkeit (§ 134 BGB)

Die Nichtigkeit nach § 134 BGB beschreibt den Zustand, bei dem ein Rechtsgeschäft ungültig ist, weil es gegen ein gesetzliches Verbot, etwa gegen Bauvorschriften oder spezielle agrarrechtliche Normen, verstößt.
Das Gesetz schützt damit die Allgemeinheit und verhindert, dass zwingende staatliche Verbotsnormen durch private Verträge unterlaufen werden, wodurch die Rechtsordnung intakt bleibt.

Beispiel: Die Gemeinde behauptete, die künstliche Zerstückelung des Grundstücks führe zur Nichtigkeit des Kaufvertrages, da sie gegen agrarstrukturelle Vorschriften verstoße.

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Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB)

Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn ein Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, weil es treuwidrig ist, die Macht eines Vertragspartners massiv ausnutzt oder die Allgemeinheit schädigen soll.
Dieser Paragraph dient als Korrekturmechanismus im Zivilrecht, um grobe Ungerechtigkeiten und die bewusste Schädigung anderer Parteien zu sanktionieren und damit die öffentliche Ordnung zu wahren.

Beispiel: Der Verwaltungsgerichtshof verneinte die Sittenwidrigkeit des „Schachbrett“-Kaufs, da die Käufer mit der komplizierten Struktur ein privatnütziges, nicht per se verwerfliches Ziel verfolgten.

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Unverzüglich

Juristen verwenden den Begriff „unverzüglich“, um auszudrücken, dass eine Handlung ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss, was in der Verwaltungspraxis typischerweise einer Frist von wenigen Tagen, maximal zwei Wochen, entspricht.
Dieses Gebot verpflichtet Behörden zu schnellem, effizientem Handeln und schützt Bürger davor, dass notwendige Entscheidungen durch unnötige Bürokratie verzögert werden.

Beispiel: Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB ist die Gemeinde verpflichtet, das Negativzeugnis unverzüglich auszustellen, sobald feststeht, dass kein Vorkaufsrecht existiert.

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Verpflichtungsklage

Die Verpflichtungsklage ist die notwendige Klageart im Verwaltungsrecht, mit der Bürger die Ausstellung eines zuvor abgelehnten oder verzögerten Verwaltungsaktes, wie einer Genehmigung oder dem Negativzeugnis, gerichtlich erzwingen können.
Dieses juristische Instrument dient dazu, die Behörde zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu zwingen und einen geltend gemachten Rechtsanspruch des Bürgers effektiv durchzusetzen.

Beispiel: Nachdem die Kommune das Negativzeugnis wochenlang blockiert hatte, reichten die Käufer eine Verpflichtungsklage beim zuständigen Verwaltungsgericht ein.

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Vorkaufsrecht

Das Vorkaufsrecht der Gemeinde ist ein gesetzlich verankertes Recht, das der Kommune erlaubt, in einen bereits abgeschlossenen Kaufvertrag über ein Grundstück einzutreten und dieses zu den vereinbarten Konditionen selbst zu erwerben.
Dieses Recht ist an klare städtebauliche Ziele gebunden und soll der öffentlichen Hand ermöglichen, Grundstücke für die Umsetzung von Bebauungsplänen oder für wichtige Infrastrukturmaßnahmen zu sichern.

Beispiel: Da zum Zeitpunkt des Notarvertrages weder ein rechtskräftiger Bebauungsplan noch eine gültige Vorkaufssatzung existierte, konnte das Vorkaufsrecht der Gemeinde in diesem Fall nicht entstehen.

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Das vorliegende Urteil


Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – Az.: 5 S 2129/20 – Urteil vom 06.07.2022


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