OLG Hamm – Az.: I-10 U 90/20 – Beschluss vom 09.03.2021
Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
Nach der bisherigen Einschätzung des Senats hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Auch besitzt weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung; eine solche erscheint auch nicht aus anderen Gründen geboten.
Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht Bielefeld die Beklagte mit dem am 14.08.2020 verkündeten Teilurteil zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt. Insbesondere ist zutreffend eine Erfüllung (§ 362 BGB) des sich aus § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB ergebenden Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte durch das Nachlassverzeichnis des Notars T N in C vom 29.11.2019 (UR-Nr. 1127/2019) verneint worden.
Auch das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende rechtliche Würdigung.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Vortrag in der Berufungsbegründung in Bezug auf die von dem Notar zur Feststellung des Aktivnachlasses, insbesondere in Form von Bankguthaben, angestellten Ermittlungen die entsprechenden Auslassungen in dem Nachlassverzeichnis kompensieren kann. Denn das notarielle Nachlassverzeichnis vom 29.11.2019 ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten jedenfalls in Bezug auf den fiktiven Nachlass erkennbar unzureichend.
1.
Der mit der Beurkundung eines Nachlassverzeichnisses beauftragte Notar muss den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (BGH, Urteil vom 20.05.2020, IV ZR 193/19, Rn. 8 m. w. N., juris). Über das tatsächlich im Nachlass Vorhandene hinaus erstreckt sich die Auskunftspflicht auf besonderes Verlangen auch auf den fiktiven Nachlass (MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, BGB § 2314 Rn. 8).
Liegt ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn in dem Nachlassverzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt ist, wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen, wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat oder wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (BGH, aaO, Rn. 10 m. w. N.).
2.
Nach diesen Maßstäben muss sich die Klägerin nicht auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verweisen lassen, sondern kann weiter Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen.
Ausweislich des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 29.11.2019 enthält dieses unter „C. Schenkungen und sonstige Zuwendungen der Erblasserin im Zeitraum von 10 Jahren vor seinem Ableben an Dritte“ in Bezug auf den fiktiven Nachlass nur die Wiedergabe der entsprechenden Angaben der Beklagten. Diese werden nicht einmal vollständig wiedergegeben, da Angaben über den im Jahr 2012 von der Erblasserin an die Beklagte verschenkten Pkw fehlen und nur beim Aktivnachlass aufgeführt werden. Dass der Notar zur Ermittlung des fiktiven Nachlasses eigene Ermittlungen angestellt hätte, ist anhand des Nachlassverzeichnisses nicht erkennbar.
Welche Ermittlungen ein Notar zu Feststellung des fiktiven Nachlasses anstellt, liegt unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls jeweils in seinem Ermessen. Es drängt sich insoweit jedoch jedenfalls auf, Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge des Erblassers für einen Zeitraum von 10 Jahren zu nehmen und daraus ggf. die Verfügungen zusammenzustellen, die einen bestimmten Betrag übersteigen und möglicherweise Schenkungen darstellen können (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.03.2014, 2 W 495/13, Rn. 21 ff., juris). Diese Ermittlungen hatte der Notar ursprünglich auch beabsichtigt, wie sich aus seinem mit der Berufungsbegründung vorgelegten Schreiben vom 11.09.2020 (Bl. 106 ff.) ergibt. Von diesem Vorhaben hat der Notar nur deshalb Abstand genommen, weil die Beklagte die Übernahme der hierfür anfallenden Kosten abgelehnt hat. Hierzu war sie nicht berechtigt (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.01.2016, 19 W 78/15, Rn. 8, 9 nach juris, wonach insoweit Kosten in Höhe von 1.500,00 EUR als nicht unverhältnismäßig erachtet worden sind).
Lediglich ergänzend wird darauf verwiesen, dass – was die Klägerin bereits erstinstanzlich beanstandet hat – darüber hinaus die auf den Angaben der Beklagten basierende Auskunft, die Erblasserin habe lediglich zu besonderen Anlässen „die eine oder andere übliche Anstandsschenkung an ihre nahen Angehörigen vorgenommen“, nicht ausreichend ist. Die Auskunftspflicht in Bezug auf den fiktiven Nachlass ist nicht von der Höhe der Zuwendung abhängig, sondern allein von ihrer abstrakten Pflichtteilsrelevanz. Dabei darf der Erbe die rechtliche Würdigung nicht vorab vornehmen, sondern muss dem Pflichtteilsberechtigten die Umstände offen legen, damit dieser sie nachvollziehen und überprüfen kann. Auch wenn es sich letztlich um eine bei der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigende Anstandsschenkung handelt (§ 2330 BGB), ist sie bei der Auskunft anzugeben; denn der Pflichtteilsberechtigte soll selbst über den Charakter der Schenkung befinden können (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 06.09.2019 – 5 W 45/19, Rn. 11 m. w. N, juris).
II.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu den unter Ziffer I. erteilten rechtlichen Hinweisen und zu einer evtl. beabsichtigten, kostenreduzierenden Berufungsrücknahme binnen zwei Wochen ab Zugang des Beschlusses.