Skip to content

Notarpflicht: Dokumente in durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln

OLG Schleswig – Az.: 2 Wx 10/23 – Beschluss vom 01.03.2023

Auf die Beschwerde des Antragstellers werden die Zwischenverfügungen vom 30.11.2022 und vom 19.01.2023 aufgehoben.

Das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck wird angewiesen, die Eintragung nicht davon abhängig zu machen, dass die eingereichten PDF-Dateien dem Formerfordernis des § 135 Abs. 1 S. 2 GBO i. V. m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV entsprechen.

Gründe:

I.

Mit Schreiben vom 25.10.2022 hat der Notar X aus Y für den Antragsteller gemäß § 15 GBO einen Antrag auf Eintragungen in das Grundbuch von Z, Blatt …, des Amtsgerichts Lübeck gestellt.

Mit Zwischenverfügung vom 30.11.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck den Notar unter anderem dazu aufgefordert, die Sterbeurkunden der Berechtigten Abt. II Nr. 1 mittels OCR-Scan einzureichen, da die eingereichten Dateien nicht technisch durchsuchbar seien.

Mit Aufklärungsverfügung vom 08.12.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck weiter ausgeführt, die übersandten PDF-Dateien seien (mit Ausnahme des Schenkungs- und Überlassungsvertrages) nicht technisch durchsuchbar und genügten daher nicht der Formvorschrift des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH. Es werde um erneute formgerechte Einreichung der beiden Sterbeurkunden und der Unbedenklichkeitsbescheinigung (mittels OCR-Scan) binnen 2 Wochen gebeten.

Hierauf hat der Notar am 12.12.2022 mitgeteilt, er sehe sich gehalten, „Grundbuchamt und Rechtspfleger […] rechtlich fortzubilden“. Man sei zwar in der Lage Dokumente mittels OCR zu scannen, sehe davon aber im Regelfall ab, da man festgestellt habe, dass OCR-Scans zum Teil verfälschte Ergebnisse lieferten, bei denen das Ausgangsdokument mit dem Scan nicht mehr vollständig inhaltlich übereinstimme. Dies sei „ein Grund technischer Unmöglichkeit iSv § 3 Abs. 2 Satz 2 der ERVV“. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang aber § 135 Abs. 1 S. 3 GBO, wonach die übermittelten Dokumente rechtswirksam eingegangen seien. Er beanstande, „dass das Gericht meint, mir eine „Aufklärungsverfügung“ schicken zu müssen und der Inhalt dieser Aufklärung zum Teil falsch, jedenfalls aber unvollständig ist. Gern zitiere ich zum Abschluss meiner Belehrung aus BeckOK, GBR, § 135 Rn. 11″.

Mit Zwischenverfügung vom 19.01.2023 hat das Grundbuchamt den Notar erneut dazu aufgefordert, die beiden Sterbeurkunden und die Unbedenklichkeitsbescheinigung formgerecht (mittels OCR-Scan) einzureichen. Die Formvorschrift des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH sei nicht eingehalten. Es handele sich bei der ERVV SH um eine „Muss-Bestimmung“.

Hiergegen hat der Notar am 20.01.2023 für den Antragsteller Beschwerde eingelegt und (erneut) auf § 135 Abs. 1 S. 3 GBO hingewiesen. Mit Blick auf die von ihm dargelegte technische Unmöglichkeit trage er ergänzend vor, dass an seinem Scanner OCR softwareseitig durch den Systembetreuer ausgeschaltet sei (als Sicherheitsfeature).

Durch Beschluss vom 08.02.2023 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der rechtswirksame Eingang beim Grundbuchamt sei nie in Frage gestellt worden. Es sei von großer Bedeutung zu erfahren, ob die PDF-Dateien durchsuchbar eingereicht werden können oder müssen. Alle beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck mittels OCR-Scan eingegangen PDF-Dateien seien bislang vollständig und ohne verfälschte Zeichen gewesen.

II.

Die zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung hat in der Sache Erfolg.

Zwar besteht eine Pflicht zur Einreichung von Dokumenten in durchsuchbarer Form (dazu Ziffer 1). Nach § 135 Abs. 1 S. 3 GBO hindert ein Verstoß jedoch nicht den rechtswirksamen Eingang, weshalb das Grundbuchamt nicht zur (erneuten) Einreichung von Dokumenten in durchsuchbarer Form mittels Zwischenverfügung auffordern kann (dazu Ziffer 2). Die Einhaltung der Pflicht zur Einreichung von Dokumenten nach § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH kann jedoch durch die Dienstaufsicht durchgesetzt werden (dazu Ziffer 3).

1. Gemäß § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH ist der Notar verpflichtet, soweit technisch möglich, Dokumente in durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Es handelt sich um eine Verpflichtung, die der Notar verbindlich einzuhalten hat.

2. Die Nichteinhaltung des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH führt jedoch nicht dazu, dass die Einreichung unwirksam ist. Nach § 135 Abs. 1 S. 3 GBO steht ein Verstoß gegen eine nach Satz 2 Nummer 4 begründete Verpflichtung dem rechtswirksamen Eingang von Dokumenten beim Grundbuchamt nicht entgegen. Der Verstoß wirkt sich daher auf das Verfahren beim Grundbuchamt nicht aus (Demharter, GBO, 32. Aufl., § 135 Rn. 8; vgl. auch Senat, Beschluss vom 26. April 2022 – 2 Wx 22/22). Die Folgenlosigkeit des Verstoßes im Grundbuchverfahren dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (Meikel/Dressler-Berlin, GBO, 12. Aufl., § 135 Rn. 10). Hätte die Nichteinreichung strukturierter Daten die Unwirksamkeit der Einreichung zur Folge, würde dies für die Beteiligten erhebliche Risiken bergen (etwa Rangverlust), was bei dem aktuellen technischen Stand außer Verhältnis stünde (vgl. BT-Drs. 16/12319, S. 25-26 [zu Satz 3]: „Auch die pflichtwidrige Nichteinreichung strukturierter Daten oder die Übermittlung unrichtiger Metadaten hindert den wirksamen Eingang beim Grundbuchamt nicht. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass sich die mit dem einfachen elektronischen Zeugnis nach § 39a des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) verbundene Richtigkeitsgewähr nur auf das beglaubigte Dokument selbst, nicht jedoch auf den aus diesem Dokument abgeleiteten XML-Datensatz bezieht. Die Übernahme der Richtigkeitsgewähr durch den Notar oder die sonstige einreichende Person auch für die Metadaten kann, zumindest nach dem derzeitigen Stand der Technik, nicht verlangt werden. Eine Verpflichtung zur Einreichung strukturierter Daten ist zwar grundsätzlich sinnvoll, da die Metadaten eine Arbeitserleichterung für das Grundbuchamt darstellen. Rechtsfolgen können an eine fehlende oder fehlerhafte Übermittlung jedoch nicht geknüpft werden. Rechtserheblich sind ausschließlich die elektronischen Dokumente im Sinne des Satzes 2 Nummer 4 Buchstabe a. Abweichungen der zugehörigen strukturierten Daten vom Inhalt des Dokuments sind insoweit unbeachtlich.“)

Weil der Antrag und die eingereichten Dokumente als wirksam eingegangen gelten, fehlt es (insoweit) an einem Eintragungshindernis, § 18 Abs. 1 GBO. Deshalb kann das Grundbuchamt – trotz eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 ERVV SH – weder eine Zwischenverfügung noch eine Zurückweisung erlassen (ebenso BeckOK GBO/Wilsch, 48. Ed. 2.1.2023, GBO § 135 Rn. 11).

3. Ergänzend merkt der Senat an, dass ein Verstoß des Notars gegen § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH gleichwohl nicht folgenlos wäre. Vielmehr ist ein solcher der Dienstaufsicht anzuzeigen.

Die Dienstaufsicht hat insbesondere bei einem (angesichts der Stellungnahmen des Notars hier wohl anzunehmenden) wiederholten bzw. ständigen Verstoß ein disziplinarisches Einschreiten zu überprüfen (vgl. Demharter, GBO, 32. Aufl., § 135 Rn. 8; BeckOK GBO/Wilsch, 48. Ed. 2.1.2023, GBO § 135 Rn. 11; BT-Drs. 16/12319, S. 25-26 [zu Satz 3] „Die Regelung entbindet den Notar indes nicht von den Verpflichtungen nach Satz 2 Nummer 4. Verstöße können im Rahmen der Dienstaufsicht untersucht und gegebenenfalls geahndet werden. […] Auch die pflichtwidrige Nichteinreichung strukturierter Daten oder die Übermittlung unrichtiger Metadaten hindert den wirksamen Eingang beim Grundbuchamt nicht. […] Allerdings unterliegt auch die Einhaltung einer Verpflichtung zur Übermittlung dieser Daten der dienstaufsichtlichen Prüfung.“).

Im Rahmen einer etwaigen dienstaufsichtsrechtlichen Überprüfung der möglichen Nichteinhaltung von § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH durch den Notar wäre auch zu berücksichtigen, dass sich bereits aus der durch den Notar zitierten Literaturstelle die disziplinarische Relevanz eines Regelverstoßes ergibt (vgl. BeckOK GBO/Wilsch, 48. Ed. 2.1.2023, GBO § 135 Rn. 11: „Ein Verstoß gegen die Verpflichtung nach Nr. 4 ist auch aus Sicht der Notariate kontraproduktiv, da jeder Verstoß eine Verzögerung des grundbuchamtlichen Verfahrens bedeutet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Verstöße im Rahmen der Dienstaufsicht zu untersuchen.“), sodass der Notar den Verstoß und die möglichen disziplinarischen Folgen möglicherweise billigend in Kauf genommen hat.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Gerne können uns Ihr Anliegen in einem persönlichen Gespräch in unseren Kanzleiräumen in Kreuztal, bei einem Hausbesuch bei Ihnen, in einem persönlichen Telefonat oder auch per E-Mail schildern.

Möchten Sie einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt und Notar Dr. Gerd Christian Kotz vereinbaren? Sie können mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Kanzlei Beurkundungstermine oder Besprechungstermine per Email, Telefon oder Telefax vereinbaren.

Notar Dr. Kotz - Beratung

Rechtstipps und Ratgeber

Interessante Urteile mit notarieller Relevanz

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!