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Notarkosten für Scheidungsfolgenvereinbarung – Gebührenfreiheit Kindesunterhalt

OLG Hamm – Az.: 15 W 367/20

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Münster vom 13. August 2020 abgeändert.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Mit den eingangs genannten Kostenberechnungen nimmt die Beteiligte zu 1) die Beteiligten zu 2) und 3) für die Beurkundung einer von diesen getroffenen Scheidungsfolgevereinbarung in der Urkunde vom 16. Januar 2017 (UR-Nr. 5/2017) in Anspruch. In dieser Scheidungsfolgevereinbarung trafen die Beteiligten zu 2) und 3) neben Regelungen zur Zugewinnauseinandersetzung, Hausratsteilung, elterlichen Sorge, zum Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt, Versorgungsausgleich und Erb- und Pflichtteilsverzicht auch Regelungen zum Kindesunterhalt der gemeinsamen Tochter, die nach der Trennung der Eheleute in der Obhut der Beteiligten zu 3) verbleiben sollte. Unter § 6 des Vertrages verpflichtete sich der Beteiligte zu 2), „zu Händen“ der Beteiligten zu 3) „für die minderjährige Tochter“ Kindesunterhalt entsprechend der 2. Einkommensgruppe der jeweiligen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle, damals monatlich 264.- EUR, zu zahlen. Zudem unterwarf sich der Beteiligte zu 2) wegen der vorgenannten Unterhaltsverpflichtung der Beteiligten zu 3) gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.

Für die Beurkundung dieses Vertrages erstellte die Beteiligte zu 1) die in Rede stehenden Kostenberechnungen vom 17. Januar 2017, mit denen sie den Beteiligten zu 2) und 3) insgesamt 643,56 EUR in Rechnung stellt, jeweils hälftig aufgeteilt in zwei Kostenberechnungen. Bei der Berechnung der Beurkundungsgebühr legte die Beteiligte zu 1) einen Geschäftswert von insgesamt 90.074,00 EUR zugrunde, ein Gegenstandswert in Höhe von 43.824,00 EUR fiel dabei auf die Regelung des Kindesunterhaltes.

Im Rahmen der Notarprüfung beanstandete der Präsident des Landgerichts den Geschäftswert. Beurkundungen von Kindesunterhaltes seien gemäß §§ 55a KostO (aF), 62 Abs. 1 BeurkG (aF) gebührenfrei. Dies gelte auch im gegebenen Fall einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Eltern des Kindes. Der Geschäftswert betrage danach richtigerweise nur 46.250,- EUR, so dass sich die 2,0fache Beurkundungsgebühr von 492,- EUR auf 330,- EUR reduziere.

Die Notarin ist dieser Beanstandung entgegen getreten. Sie hat die Ansicht vertreten, die Gebührenfreiheit trete nicht ein in Fällen, in denen Beurkundungsgegenstand eine nur im Innenverhältnis der getrennt lebenden Eltern wirkende Vereinbarung sei. Dies sei vorliegend der Fall. Mit ihrer Eingabe vom 7. Mai 2020 hat sie auf Anweisung des Landgerichtspräsidenten eine Entscheidung des Landgerichts beantragt.

Die Kammer hat gemäß § 128 GNotKG eine Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts eingeholt.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Kostenberechnungen abgeändert und die durch die Beurkundung der Scheidenfolgevereinbarung vom 16. Januar 2017 erwachsenden Gebühren auf der Grundlage eines Geschäftswertes von insgesamt 46.250,- EUR errechnet.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1).

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist gemäß § 129 Abs. 1 GNotKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie nach § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit den §§ 63 Abs. 1 und 3, 65 Abs. 1 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie Zurückweisung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung.

Die Kostenberechnungen sind zu bestätigen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist bei der Bemessung des Geschäftswertes für die Beurkundung der Scheidungsfolgenvereinbarung auch der Geschäftswert der Regelung über den von dem Beteiligten zu 2) zu zahlenden Kindesunterhalt zu berücksichtigen.

Gemäß Teil 2 Vorbemerkung 2 Absatz 3 KV GNotKG (in der bis zum 8. Juni 2017 geltenden Fassung) sind Beurkundungen nach § 62 Abs. 1 BeurkG (in der bis zum 8. Juni 2017 geltenden Fassung) gebührenfrei, unter anderem auch Beurkundungen von Verpflichtungen zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen eines Kindes. Diese Gebührenfreiheit gilt allerdings nur, wenn das Kind unmittelbar einen eigenen Unterhaltsanspruch erwirbt. Hierfür genügt auch ein Anspruch aus einem Vertrag zugunsten des Kindes als Dritter gem. § 328 BGB. Nicht erfasst sind dagegen die bloße Unterhaltsfreistellungen im Innenverhältnis zwischen den Eltern, insbesondere in Vereinbarungen der Eltern untereinander, wie sie in Scheidungsfolgenvereinbarungen häufig vorkommen (Tiedtke in Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, KV Vorbemerkung 2,Rn. 15; Tiedtke ZNotP 2013, S. 358; Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1610 BGB (Stand: 13.04.2021), Rn. 636); offengelassen: OLG Zweibrücken FGPrax 2013, 278 ff; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 1999, 10 W 79/99, zitiert nach juris; LG Münster FamRZ 2006, 723 f; aA: Heinemann in Münch, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Auflage 2020, § 15, Rn. 117). Die weitergehende Auffassung, nach der auch die Beurkundung derartiger Vereinbarungen zwischen den Eltern einer Kostenprivilegierung unterfällt, ist abzulehnen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Regelung des § 62 Abs. 1 BeurkG aF (heute § 67 Abs. 1 BeurkG). Denn „Unterhaltsansprüche eines Kindes“ unterfallen schon begrifflich allein einer unmittelbaren Anspruchsberechtigung. Darüber hinaus folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift, dass die Privilegierung auf die Fälle zu beschränken ist, in denen eine konkurrierende Beurkundungszuständigkeit der Amtsgerichte und Jugendämter besteht. Dies is t aber ausschließlich bei unmittelbar gegenüber dem Kind bestehender Verpflichtungen der Fall (vgl. Viefhues aaO).

Entgegen der Auffassung der Kammer des Landgerichts ist in der in Rede stehenden Scheidungsfolgevereinbarung vom 17. Januar 2017 unter § 6 kein unmittelbarer eigener Anspruch des Kindes begründet worden.

Bei der zwischen den Beteiligten zu 2) und 3) getroffenen und notariell beurkundeten Vereinbarung hat die Beteiligte zu 3) die gemeinsame Tochter nicht vertreten. Sie ist weder ausdrücklich noch nach den Umständen erkennbar als deren Vertreterin aufgetreten. Vielmehr hat sie sich mit dem Beteiligten zu 2) im Rahmen einer umfassenden Verständigung über die Folgen der beabsichtigten Ehescheidung unter anderem auch zur Höhe des Unterhalts geeinigt, den dieser für das Kind zu ihren Händen zahlen sollte. Diese Abmachung betrifft auch ihre Interessen, weil damit jedenfalls klargestellt wird, dass die Beteiligte zu 3) unabhängig von der Höhe ihres Einkommens gegenüber ihrer Tochter keinen Barunterhalt, sondern nur Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) schuldet (vgl. zu Ausnahmen vom Regelfall des Betreuungsunterhalts nur Viefhues, a.a.O., § 1606 (Stand: 16.12.2020) Rn. 54). Sie ist zudem – ohne Kenntlichmachung einer hier ausnahmsweise gewollten Vertretung – eingebettet in eine Vielzahl von Absprachen, die beide Ehegatten fraglos als Vertragspartner in eigener Sache getroffen haben (vgl. zu einem gleichgelagerten Fall: BGH NJW-RR 1986, 428 f).

Entgegen der Auffassung der Kammer ist die Vereinbarung im Streitfall auch kein echter Vertrag zugunsten des Kindes (§ 328 Abs. 1 BGB). Unterhaltsverträge zugunsten Dritter, die diesen eigene Forderungsrechte einräumen, können nur dann angenommen werden, wenn ein darauf gerichteter Parteiwille in der Erklärung deutlich zum Ausdruck kommt (BGH NJW-RR 1986, 428 f ; FamRZ 1982, 587; FamRZ 1980, 342; Pfeil in Göppinger/Rakete-Dombek, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 11. Auflage 2018, 4. Teil, Rn. 115 f; Hoffmann FF 2004, 1, 3). Im vorliegenden Fall fehlen dafür hinreichende Anhaltspunkte. Die Unterhaltsvereinbarung spricht nicht von eigenen Ansprüchen des Kindes. Vielmehr hat sich der Beteiligte zu 2) verpflichtet, Unterhaltszahlungen „für“ die Tochter zu Händen ihrer Mutter zu zahlen. Damit wurde eine Wendung gewählt, derer sich die Vertragschließenden typischerweise dann bedienen, wenn ein Elternteil sich nur gegenüber dem anderen zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet, ohne dem Kind einen eigenen Anspruch zu verschaffen (BGH NJW-RR 1986, 428 f). Diese Intention tritt im Streitfall letztlich auch dadurch zu Tage, dass sich der Beteiligte zu 2) in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung wegen der Unterhaltsverpflichtungen nur „gegenüber“ seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3), unterworfen hat. Allein der Beteiligten zu 3) ist nach dem Inhalt der Urkunde jederzeit eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen.

Danach handelt es sich hier um eine beurkundete Elternvereinbarung ohne Wirkung für und gegen das gemeinsame Kind, in denen sich die Beteiligten zu 2) und 3) im eigenen Namen und mit bloßer Wirkung für ihr Verhältnis zueinander über die Unterhaltsgewährung für das gemeinsame Kind geeinigt haben. Fehlt es daher im gegebenen Fall an der Begründung eines eigenen Unterhaltsanspruchs des Kindes, so unterfällt die Regelung – wie ausgeführt – nicht dem Kostenprivileg.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 130 Abs.3 S.1 GNotKG, 70 Abs.2 S.1 FamFG liegen nicht vor.

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