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Notarkosten – Beurkundung eines Pflichtteilverzichtsvertrags

LG Kleve – Az.: 4 OH 22/16 – Beschluss vom 03.01.2018

Die Kostenberechnung vom 14.06.2017 wird aufgehoben. Der Kostengläubiger hat Kosten in Höhe von (brutto) EUR 493,85 zu erheben.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragsteller beauftragten den Antragsgegner mit der Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrages (Bl. 5 ff. E.A.), durch den die Kinder der Antragsteller auf ihr Pflichtteilsrecht nach dem erstversterbenden Elternteil verzichten. Auf Bitten des Antragsgegners übersandten die Antragsteller den Entwurf des Vertrages an den Antragsgegner als Worddatei. Der Antragsgegner brachte den Entwurf im Beurkundungstermin am 25.07.2016 zur Verlesung und beurkundete ihn unverändert (vgl. Bl. 25 ff. E.A.).

Im Beauftragungsschreiben gaben die Antragsteller einen Wert des Pflichtteilsverzichts von EUR 10.000,00 an. Auf die Bitte des Antragsgegners um Korrektur dieses Wertes sowie infolge des Hinweises des Antragsgegners auf das Immobilieneigentum der Antragsteller gaben diese den Verkehrswert des Hauses mit EUR 220.000,00 an (vgl. Bl. 2, 9, 14 f. E.A.).

Mit Schreiben vom 30.09.2016 übersandte der Antragsgegner den Antragstellern seine Kostenrechnung Nr. 1600593. Unter Berücksichtigung eines Geschäftswerts von EUR 122.470,00 ergab sich ein Rechnungsbetrag in Höhe von brutto EUR 750,89. Bei der Berechnung des Geschäftswerts legte der Antragsgegner folgende Positionen zugrunde:

Grundstück in Emmerich-Elten            EUR 148.575,00

Haus mit Wintergarten                     EUR 120.000,00

 

Hausrat (142,61qm x EUR 500,00/qm)  EUR 71.305,00

PKW, KLE-… …                        EUR 30.000,00

Wohnwagen Hobby Classic KLE-… … EUR 20.000,00

Finanzielle Ersparnisse                     EUR 100.000,00

Ermittelter (Zwischen-)Geschäftswert EUR 489.880,00

Auf die weiteren Einzelheiten dieser Kostenrechnung (Bl. 21 f. E.A.) wird Bezug genommen.

Gegen diese Berechnung hatten die Antragsteller Bedenken und leiteten das vorliegende Verfahren ein. In der Antragsschrift führten sie aus, dass es bei dem vom Antragsgegner genannten Fahrzeug um ein solches der Marke W, Typ: Tiguan handeln würde, welches am 13.04.2012 zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 27.500,00 erworben wurde und eine Laufleistung in Höhe von rund 80.000,00 km aufweisen würde (vgl. Bl. 3, 46 E.A.). In der Antragsschrift bezifferten die Antragsteller den Wert des Fahrzeuges mit EUR 13.000,00. Zu dem Wohnwagen führten die Antragsteller aus, dass dieser im Jahr 1991 zu einem Kaufpreis von DM 15.000,00 angeschafft worden sei (vgl. Bl. 3 E.A.) und noch einen Wert in Höhe von EUR 1.500,00 habe. Die Schätzung des Geldvermögens sei nach Ansicht der Antragsteller „offenkundig willkürlich“; finanzielle Ersparnisse seien nicht vorhanden (vgl. Bl. 46 E.A.).

Der Präsident des Landgerichts hat als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars zu der Kostenberechnung des Antragsgegners vom 30.09.2016 Stellung genommen. Auf die Einzelheiten dieser Stellungnahme vom 10.04.2017 (Bl. 49 ff. E.A.) wird Bezug genommen.

Infolge dieser Stellungnahme übersandte der Antragsgegner eine geänderte Kostenrechnung vom 14.06.2017 (Rechnungsnummer 496/16 4099; Bl. 60 ff. E.A.), die nunmehr in dieser korrigierten Gestalt Verfahrensgegenstand im vorliegenden Verfahren ist (vgl. Bl. 63, 66 E.A.). Zu dieser geänderten Kostenrechnung hat der Präsident des Landgerichts als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars ebenfalls Stellung genommen. Auf die Einzelheiten dieser Stellungnahme vom 07.11.2017 (Bl. 82 ff. E.A.) wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 127 ff. GNotKG ist zulässig. Eine Erledigung ist zwischenzeitlich nicht eingetreten. Die Beteiligten haben nach den vom Antragsgegner vorgenommenen (formalen) Rechnungskorrekturen die Rechnung in der Fassung nach ihrer Berichtigung zum Verfahrensgegenstand gemacht. Erledigung tritt durch eine Rechnungskorrektur nur dann ein, wenn die Antragsteller die neu erteilte Kostenrechnung akzeptieren (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.10.1989, Az. 3 W 118/89, BeckRS 1989, 08028). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

(2) Der Antrag ist auch begründet. Die korrigierte Kostenberechnung vom 14.06.2017 entspricht zwar nunmehr den formellen Anforderungen des § 19 GNotKG, ist jedoch in der Sache zu beanstanden.

(a) Der Antragsgegner hat den Geschäftswert fehlerhaft ermittelt. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners ist kein (Zwischen-)Geschäftswert in Höhe von EUR 489.880,00, sondern nur ein (Zwischen-) Geschäftswert in Höhe von EUR 234.500,00 im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legen. Im Einzelnen:

(aa) U.a. ergeben sich die gesetzlichen Grundlagen für die Vergütung des Notars aus § 17 BNotO und § 95 GNotKG. Der Notar ist gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BNotO verpflichtet, für seine Tätigkeit die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren zu erheben. Gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 BNotO hat er hierbei unzulässige Gebührenerlässe und/oder -ermäßigungen zu unterlassen. Daher ist der Notar auch verpflichtet, den der Kostenrechnung zugrundliegenden Geschäftswert ordnungsgemäß festzusetzen. Um den Notar diese Festsetzung zu ermöglichen, sind die Beteiligten gemäß § 95 S. 1 GNotKG verpflichtet, bei der Wertermittlung mitzuwirken. Sie haben hierzu gemäß § 95 S. 2 GNotKG ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben. Erst wenn die Beteiligten diesen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, ist der Wert gemäß § 95 S. 3 GNotKG nach billigem Ermessen zu bestimmen.

Die Ermessensentscheidung im Sinne von § 95 S. 3 GNotKG trifft der Notar dementsprechend bei der Erstellung der Kostenrechnung. Das Gericht hat dementsprechend zu überprüfen, ob in diesem Zeitpunkt die Beteiligten ihre Mitwirkungspflichten verletzt haben und der Notar sein Ermessen ausüben durfte (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2008, Az. V ZB 89/08, BeckRS 2008, 25320, Rn 11). Im zweiten Schritt hat das Gericht zu überprüfen, ob ein Ermessenfehlgebrauch des Notars im Sinne einer Ermessensüber- oder -unterschreitung vorgelegen hat (vgl. Bauer, in: Renner/Otto/Heinze [Hrsg.], Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 2013, § 95 GNotKG, Rn 13; Hey’l, in: Korintenberg, Kommentar zum Gerichts- und Notarkostengesetz, 20. Aufl., 2017, § 95 GNotKG, Rn 9).

(bb) Eine Überprüfung der Kostenrechnung des Antragsgegners vom 30.09.2016 (Rechnungsnummer 1600593; Bl. 21 ff. E.A.) muss durch das Gericht im vorliegenden Verfahren nicht mehr erfolgen, weil diese Rechnung durch die Kostenrechnung des Antragsgegners vom 14.06.2017 (Bl. 60 ff. E.A.) ersetzt worden ist.

(cc) Die nunmehr streitgegenständliche Kostenrechnung ist durch den Antragsgegner am 14.06.2017 erstellt worden. E.h. das Gericht hat nunmehr zu prüfen, ob die Antragsteller zu diesem Zeitpunkt ihre Mitwirkungspflichten verletzt haben und eine Ermessensentscheidung des Antragsgegners im Sinne von § 95 S. 3 GNotKG notwendig gewesen wäre. Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erstellung der nunmehr streitgegenständlichen Kostenrechnung vom 14.06.2017 kann das Gericht nicht (mehr) feststellen.

Im Rahmen der Antragsschrift im vorliegenden Verfahren haben die Antragsteller den Wert ihres Fahrzeugs mit einem Betrag in Höhe von EUR 13.000,00 sowie den Wert ihres Wohnwagens mit einem Betrag in Höhe von EUR 1.500,00 angegeben (vgl. Bl. 3 E.A.). Sofern diese Werte auf den Internetseiten www.autoscout24.de und eBay Kleinanzeigen beispielsweise überprüft werden, so kann man feststellen, dass diese Wertangaben vertretbar sind und eine Verletzung der Mitwirkungspflicht – zum Zeitpunkt 14.06.2017 – nicht (mehr) feststellbar ist. E.h. eine Ermessensausübung des Antragsgegners ist gemäß § 95 S. 3 GNotKG nicht mehr möglich. Er hat vielmehr die Werte der Antragsteller seiner Kostenrechnung zugrunde zu legen.

Auch sind für das Gericht die Ausführungen der Antragsteller zur Wertlosigkeit ihres Hausrats nachvollziehbar (vgl. Bl. 3 E.A.). Entgegenstehende Tatsachen hat auch der Antragsgegner nicht ermittelt.

Hinsichtlich des Verkehrswerts des Grundbesitzes der Antragsteller, welchen diese mit einem Betrag von EUR 220.000,00 angeben, hat der Antragsgegner keine hinreichenden Gründe vorgetragen, dass dieser genannte Wert nicht ordnungsgemäß sei. Ein Rückgriff auf die Daten des Oberen Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Land Nordrhein-Westfalen, abrufbar unter der Internetseite https://www.boris.nrw.de, stellt im Ergebnis eine Ermessensausübung im Sinne von § 95 S. 3 GNotKG dar. Weil nicht hinreichend ersichtlich ist, weshalb die Angabe der Antragsteller unrichtig sein soll und somit keine Verletzung der Mitwirkungspflicht feststellbar ist, darf jedoch eine Ermessensausübung des Antragsgegners hinsichtlich des Grundbesitzes nicht erfolgen; er hätte vielmehr im Rahmen seiner Kostenrechnung den von den Antragstellern genannten Verkehrswert zugrunde legen müssen.

Zumindest in der Antragsschrift haben die Antragsteller im vorliegenden Verfahren vorgetragen, dass sie über kein weiteres werthaltiges Vermögen verfügen. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angabe sind dem Gericht nicht bekannt. Somit lag zum Zeitpunkt 14.06.2017 keine Verletzung der Mitwirkungspflichten der Antragsteller (mehr) vor. Die Voraussetzungen des § 95 S. 3 GNotKG waren somit nicht gegeben.

Sofern der Antragsgegner auf S. 3 seines Schriftsatzes vom 04.10.2017 (Bl. 79 E.A.) daraufhin weist, dass man die Mitwirkungspflicht „aushebeln“ würde, indem aufgrund von formalen Fehlern eine neue Rechnung und hierbei auch eine neue Ermessensausübung faktisch fordern würde, überzeugt diese Argumentation das Gericht nicht. Würde der Antragsgegner direkt eine formell ordnungsgemäße Rechnung erstellen, wäre auch keine erneute Ermessensausübung aufgrund eines geänderten Sachverhalts erforderlich. Sofern der Antragsgegner jedoch Formalien nicht einhält, so ist die Pflicht zur erneuten Rechnungslegung und Ermessensausübung eine logische Konsequenz.

Sofern der Antragsgegner auf S. 1 seines Schriftsatzes vom 04.10.2017 (Bl. 77 E.A.) darauf hinweist, dass er bereits am 30.09.2016 wirksam eine Rechnung erstellt habe, ist dies im vorliegenden Verfahren unbeachtlich, weil der Antragsgegner selbst zur Vermeidung des Risikos „einer formalen Aufhebung der Kostenberechnung“ (vgl. S. 2 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 14.06.2017 bzw. Bl. 59 E.A.) eine berichtige Kostenrechnung ausgestellt und zum Verfahrensgegenstand im vorliegenden Verfahren gemacht hat.

(b) Der Wert eines Pflichtteilverzichts bestimmt sich nach der Pflichtteilsquote des Verzichtenden am modifizierten Reinvermögen des Erblassers. Soweit ein Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil erfolgt, liegen zwei selbstständige Pflichtteilsverzichte vor.

Gemäß § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht der Pflichtteil in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Weil der überlebende Ehegatte neben den beiden Kindern (als Verwandte der ersten Ordnung) zur Hälfte der Erbschaft gemäß §§ 1931 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB als gesetzlicher Erbe berufen wird, würden die Abkömmlinge des erstversterbenden Elternteils ebenfalls zur Hälfte (bzw. jeweils zu einem Viertel) gesetzlicher Erbe sein.

Bei den oben genannten (Zwischen-)Geschäftswert in Höhe von EUR 234.500,00 handelt es sich um das gemeinsame Vermögen der Eheleute. E.h. pro Ehegatte ist jeweils ein Vermögen in Höhe von EUR 117.250,00 (= EUR 234.500,00/2) zu berücksichtigen. Die Beteiligten zu 4.) und 5.) würden als Abkömmlinge des erstversterbenden Elternteils zur Hälfte gesetzliche Erben dieses Vermögens, also von einem Wert in Höhe von EUR 58.625,00 (= EUR 117.250,00); dies entspricht einem Wert in Höhe von EUR 29.312,50 pro Abkömmling ( EUR (= EUR 58.625,00/2). Der Pflichtteil beträgt dementsprechend EUR 14.656,25 (= EUR 29.312,50/2).

Weil im vorliegenden Verfahren die Beteiligten zu 4.) und 5.) gegenüber jedem Elternteil einen selbstständigen Pflichtteilsverzicht erklären, sind insgesamt vier Pflichtteilsverzichterklärungen mit einem jeweiligen Geschäftswert in Höhe von EUR 14.656,25, insgesamt also ein Geschäftswert in Höhe von EUR 58.625,00 (= 4 x EUR 14.656,25), zu berücksichtigen.

(c) Unter Berücksichtigung dieses Geschäftswerts (bis zu EUR 65.000,00) hätte der Antragsgegner aufgrund folgender Berechnung Kosten in Höhe von EUR 493,85 zu erheben:

KV 21100 (Beurkundungsverfahren) (2,0 x EUR 192,00 =) EUR 384,00

KV 32001 (Dokumentpauschale) EUR 3,00

KV 32005 (Post- und Telekommunikationspauschale) EUR 20,00

KV 32011 EUR 8,00

Nettokostenbetrag EUR 415,00

KV 32014 (Umsatzsteuer) EUR 78,85

Bruttokostenbetrag EUR 493,85

(3) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 130 Abs. 3 S. 2 GNotKG, 81 Abs. 1 FamFG.

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