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Notarielles Nachlassverzeichnis während der COVID-19-Pandemie

OLG Koblenz – Az.: 12 W 50/21 – Beschluss vom 01.04.2021

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 24.08.2020, Az. 3 O 255/19 wird zurückgewiesen.

2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Entgegen der Auffassung der Schuldnerin ist die Erteilung der Auskunft über den Bestand eines Nachlasses gemäß § 2314 Abs. 1 BGB auch dann, wenn sie durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses (§ 2314 Abs. 1 Satz 3, letzter Fall BGB) zu erfolgen hat, eine unvertretbare, nach § 888 ZPO zu vollstreckende Handlung. Wenn, wie hier, Auskunftsverpflichtungen (auch etwa in notarieller Form) nicht ohne Auskünfte und sonstige persönliche Mitwirkungshandlungen des Schuldners möglich sind, sind sie unvertretbar i.S.d. § 888 ZPO (so auch OLG Köln OLGR 2001, 431). Dies ist im Streitfall zu bejahen, da insoweit persönliche Mitwirkungshandlungen der Schuldnerin erforderlich sind (oder waren), die der Notar nicht allein aus vorhandenen schriftlichen Unterlagen entnehmen kann (konnte).

Die Erteilung der Auskunft über den Bestand eines Nachlasses gemäß § 2314 Abs. 1 BGB ist damit, auch wenn sie durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erfolgen hat, eine unvertretbare, nach § 888 ZPO zu vollstreckende Handlung (siehe auch OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 184; OLG Celle DNotZ 2003, 62).

Auch wenn die Schuldnerin zur Erfüllung ihrer Auskunftsverpflichtung der Mitwirkung eines Dritten – eines Notars – bedarf, handelt es sich gleichwohl nicht um eine Auskunftsverpflichtung des Notars selbst, sondern um eine solche der Schuldnerin. Lediglich die für deren Erfüllung vorgegebene Form – ein notarielles Nachlassverzeichnis – ist von der Mitwirkung des Dritten abhängig. Diese Mitwirkungshandlung des Notars hängt ihrerseits davon ab, dass zuvor die Schuldnerin die zur Erbringung der Mitwirkungshandlung des Notars erforderlichen eigenen Mitwirkungshandlungen erbringt, nämlich ihrerseits dem Notar Auskunft erteilt und gegebenenfalls. Belege übermittelt hinsichtlich Nachlassbestand, Schenkungen und Zuwendungen der Erblasserin sowie hinsichtlich der Vollständigkeit dieser Erklärungen sowie dem Notar insoweit für Nachfragen etc. auch persönlich zur Verfügung steht (so auch OLG Koblenz OLGR 2007, 468). Dieser Angaben bedarf der Notar zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung hinsichtlich der Fertigung eines Nachlassverzeichnisses zwingend.

Die Schuldnerin ist jedoch im Vollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO in Fällen, in denen die Möglichkeit der Vornahme einer Handlung von der Mitwirkung eines Dritten abhängt und diese Mitwirkung zweifelhaft ist, auch verpflichtet, die Handlung des (ihr gegenüber) mitwirkungspflichtigen Dritten mit der gebotenen Intensität einzufordern, die ihr zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen und alle insoweit zumutbaren Maßnahmen – ggf. einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens – zu ergreifen (BGH, Beschluss vom 18.12.2008 – I ZB 68/08, NJW 2009, 2308). Erst wenn feststeht, dass trotz derartigen intensiven Bemühens um die Mitwirkungshandlung des Dritten diese nicht zu erlangen ist, dann ist die titulierte unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar (BGH a. a. O.; BayObLG NJW 1975, 740; BayObLG NJW-RR 1989, 462; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 171; OLG Köln OLGR 2005, 382; OLG Stuttgart OLGR 2005, 728; OLG Düsseldorf InstGE 9, 179). Voraussetzung für eine solche Feststellung ist, dass der Vollstreckungsschuldner alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung des Dritten zu erlangen, und dass er seine darauf gerichteten Bemühungen im Einzelnen dargelegt hat (BayObLG NJW-RR 1989, 462 m.w.N.; OLG Köln OLGR 2005, 382; OLG Stuttgart OLGR 2005, 728).

Dabei verkennt der Senat nicht, dass das im Streitfall geschuldete, durch einen Notar aufgenommene Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 BGB nicht bereits dann vorliegt, wenn der Notar lediglich Erklärungen des Auskunftspflichtigen über den Bestand bekundet, vielmehr voraussetzt, dass der Notar den Nachlassbestand selbst ermittelt hat und durch Untersuchung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, dass er für dessen Inhalt verantwortlich ist (OLG Celle DNotZ 2003, 62; OLG Celle OLGR 2003, 370; OLG Koblenz OLGR 2007, 468; OLG Karlsruhe ZEV 2008, 189; OLG Düsseldorf RNotZ 2008, 105; LG Rottweil ZEV 2008, 189) und auch aus diesem Grund die insoweit erforderliche Mitwirkungshandlung des Notars einen größeren Zeitaufwand rechtfertigt. Diesen Umstand berücksichtigend hat die Schuldnerin gleichwohl nicht hinreichend dargetan, dass sie alles in ihrer Macht stehende unternommen hat, um möglichst kurzfristig das von ihr verlangte Nachlassverzeichnis und das Wertgutachten vorlegen zu können. Nachdem ihrer Darstellung zufolge am 12.03.2020 ein Notar gefunden war, der sich bereiterklärte, das Nachlassverzeichnis zu erstellen, wurde ein – von der Schuldnerin vorgeschlagene – Termin für die persönliche Rücksprache mit dem Notar erst auf einen Zeitpunkt vereinbart, der nahezu zwei Monate später lag. Die pauschale Behauptung, sie habe mehrfach bei dem Notar nachgefragt, lässt vor diesem Hintergrund bereits nicht erkennen, dass die Schuldnerin um eine möglichst kurzfristige Erledigung bemüht war. Nachdem dann coronabedingt der Termin vom 08.05.2020 abgesagt worden war und ein neuer Termin am 20.05.2020 erfolgreich zustandekam, verstrich ein weiterer Zeitraum bis zum 09.06.2020, bis die Schuldnerin die fehlenden Unterlagen (welche?) zur Verfügung stellte, um die Fortsetzung/Fertigstellung der Arbeiten durch den Notar zu ermöglichen. Die Schuldnerin legt weder dar, welche konkreten Unterlagen sie noch beschaffen musste noch ist ersichtlich, aus welchen Gründen dies mit einem so erheblichen Zeitaufwand verbunden war. Der pauschale Hinweis auf ihre hohe Arbeitsbelastung trägt vor diesem Hintergrund nicht. Immerhin konnte auch der Gläubiger davon ausgehen, dass die Schuldnerin angesichts des bis dahin äußerst schleppenden Verlaufs der Erledigung dieser Angelegenheit die erforderlichen Auskünfte bereits frühzeitig eingeholt und die notwendigen Dokumente und Nachweise beschafft hatte, sodass sie kurzfristig in der Lage waren, diese dem Notar vorzulegen. Auch für den Senat ist hiernach nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin das ihr Mögliche veranlasst hat, um ihrer Auskunftsverpflichtung im Hinblick auf die Beschaffung des notariellen Nachlassverzeichnisses kurzfristig nachkommen zu können.

Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Vorlage der Verkehrswertgutachten. Auch insoweit durfte es die Schuldnerin nicht bei der Aussage des Sachverständigen belassen. Näheres werde erst nach dem Lockdown besprochen werden, um dann am 10.06.2020 die Information zu erhalten, mit der Bearbeitung sei erst in drei bis fünf Monaten zu rechnen. Auch insoweit hätte die Schuldnerin von Beginn an klären müssen, ob die Erstellung des Gutachtens – unter Berücksichtigung der Pandemiesituation – in angemessener Frist möglich war. Es war jedenfalls nicht geboten, die Angelegenheit zunächst insgesamt ruhen zu lassen und dann, im Anschluss an den Lockdown, festzustellen, dass die Bearbeitung doch einen zu langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde und daher einen anderen Gutachter mit der Sache zu betrauen. Die Schuldnerin ist nach allem hinsichtlich ihrer Auskunftspflicht insgesamt nicht mit der gebotenen Achtsamkeit nachgekommen und hat sich weder hinsichtlich der Erstellung des Nachlassverzeichnisses noch im Hinblick auf die Erstellung der Verkehrsgutachten mit der erforderlichen Intensität um deren Erledigung durch den Notar und den Sachverständigen bemüht. Die Festsetzung von Zwangsmitteln war somit geboten. Die Höhe des von dem Landgericht festgesetzten Zwangsgelds ist insoweit nicht zu beanstanden.

Soweit die Schuldnerin ihre Beschwerde darauf stützt, dass sie den titulierten Auskunftsanspruch des Gläubigers zwischenzeitlich erfüllt habe, vermag auch dieser Einwand ihrer Beschwerde vorliegend nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar ist der Erfüllungseinwand des Schuldners auch im Zwangsvollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO zu berücksichtigen. Im Falle der (unstreitigen) Vornahme der Handlung muss die Vollstreckung des Zwangsgeldes sofort eingestellt bzw. der Schuldner sogleich aus der Zwangshaft entlassen werden. Im Streitfalle bleibt der Schuldner nach Rechtskraft der Zwangsmittelanordnung allerdings auf die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 verwiesen. Ein Antrag auf Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses wegen nachträglicher Erfüllung ist sodann unzulässig (MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2020, ZPO § 888 Rn. 31). Vorliegend war die Schuldnerin ihrer Auskunftsverpflichtung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Vollstreckungsantrag des Gläubigers unstreitig noch nicht nachgekommen.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren orientiert sich am Wert der Hauptsache und nicht an der Höhe des Zwangsgeldes (OLG Rostock OLGR 2009, 75; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 3 ZPO, Rn. 16_125).

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