Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 10 A 3225/18 – Beschluss vom 30.10.2019
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Aus den innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch deren grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes, auf der das Urteil beruht (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art, die er mit seinem Antrag angreifen will, bezeichnen, mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen und damit zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses begründen. Daran fehlt es hier.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 12. Februar 2016 betreffend die Errichtung eines Wohnhauses mit 19 Wohneinheiten (Altenwohnungen) mit Tiefgarage – Haus 2 – (im Folgenden: Vorhaben) als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin habe im Kaufvertrag vom 15. Juni 2015 wirksam auf die Geltendmachung von Nachbarrechten verzichtet. Deshalb stehe der Geltendmachung eines nachbarlichen Abwehrrechtes gegen die genehmigte Bebauung der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, der notarielle Kaufvertrag sei nach § 305 c BGB unwirksam. Zwar kann eine Vertragsklausel trotz notarieller Beurkundung und der dabei nach den §§ 13 Abs. 1, 17 Abs. 1 BeurkG gebotenen Verlesung und Belehrung einen unzulässiger Weise überraschenden Charakter haben,
vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1991 – V ZR 140/90 – juris, Rn. 9,
doch ist die hier in Rede stehende Klausel – worauf die Beigeladene zu Recht hinweist – weder nach ihrem äußeren Erscheinungsbild noch sonst ungewöhnlich oder überraschend. Vielmehr erscheint es üblich und angemessen, dass der Verkäufer eines Grundstücks bei dessen Veräußerung Wert darauf legt und vertraglich sicherstellt, dass der Käufer nach dem Erwerb des Grundstücks nicht gegen eine im Zeitpunkt des Verkaufs bereits geplante Bebauung des Nachbargrundstücks vorgeht. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, ihr sei der hier maßgebliche Bebauungsplan nicht bekannt gewesen, hat sie das Gegenteil im Kaufvertrag bestätigt. Weshalb der Bebauungsplan – wie die Klägerin meint – dem Kaufvertrag hätte beigefügt werden müssen, erschließt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht. Der vertraglich erklärte Verzicht auf die Geltendmachung von nachbarlichen Abwehrrechten gegen eine Bebauung des Nachbargrundstücks gilt auch für das konkret genehmigte Vorhaben. Die Klägerin hat sich verpflichtet, gegen das auf der Grundlage des Bebauungsplans zugelassene und im Kaufvertrag als Bebauung mit drei zwei- bis dreigeschossigen Baukörpern beschriebene Vorhaben keine Einwendungen zu erheben und keine Rechtsmittel einzulegen. Ihr pauschaler Einwand, der Bebauungsplan sei nach Abschluss des Kaufvertrages geändert worden und es seien für das Vorhaben auch Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt worden, die nicht Gegenstand des Verzichts gewesen seien, überzeugt nicht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihre Verzichtserklärung derart eng zu verstehen sein könnte. Vielmehr hat bereits das Verwaltungsgericht auf die weitere Erklärung der Klägerin im Kaufvertrag hingewiesen, wonach der Verzicht nur dann nicht gelten solle, wenn das geplante Bauvorhaben oder seine Nutzung gegen öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Vorschriften des Nachbarschutzes verstoße. Diese weitere Erklärung sei so auszulegen, dass sie sich auf Rechtsverstöße beziehe, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erkennbar gewesen seien. Weshalb dieses Verständnis der weiteren Erklärung unzutreffend und/oder mit dem Vorhaben ein solcher Rechtsverstoß verbunden sein könnte, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
Schließlich ist bei der in diesem Zusammenhang gebotenen grundstücksbezogenen Betrachtung auch unerheblich, dass der Eigentümer des Vorhabengrundstücks gewechselt hat.
Aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt sich auch nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Eine solche grundsätzliche Bedeutung wäre dann anzunehmen, wenn die Rechtssache eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwerfen würde, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hätte. Dabei wäre zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Diese Anforderungen erfüllt das Zulassungsvorbringen nicht. Die Klägerin formuliert nicht einmal sinngemäß eine konkrete Frage, die sie für klärungsbedürftig hält.
Dem Zulassungsvorbringen lässt sich ebenso wenig entnehmen, dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Wird der Zulassungsantrag mit dem Zulassungsgrund der Divergenz begründet, muss zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter, aber inhaltlich bestimmter Rechtssatz aufgezeigt werden, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung eines der in der Vorschrift genannten Gerichte in Widerspruch steht.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Auf einer Abweichung von der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 1990 – 4 B 121.90 – zur Zumutbarkeit von Lärmimmissionen beruht das angefochtene Urteil jedenfalls insoweit nicht, als das Verwaltungsgericht die Klage selbstständig tragend als unzulässig abgewiesen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).