Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Notarhaftung bei Vollmachten & Teilungserklärung Änderungen
- Notarielle Pflichten neu vermessen: Das BGH-Urteil III ZR 398/23
- Notarpflichten im Fokus: Was Sie wissen müssen
- Konsequenzen für die Praxis: Was das Urteil für Sie bedeutet
- So schützen Sie Ihre Rechte beim Notar: Praktische Tipps
- Ausblick: Was bleibt und was sich ändern könnte
- Häufig gestellte Fragen zu Notarpflichten und dem BGH-Urteil III ZR 398/23
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet dieses Urteil konkret, wenn in meinem Vertrag steht, dass eine Vollmacht nur vor einem bestimmten Notar genutzt werden darf? Übernimmt der Notar dann automatisch mehr Verantwortung?
- Im Artikel ist von „allgemeinen Amtspflichten“ und „selbständigen Betreuungspflichten“ des Notars die Rede. Können Sie den Unterschied für Laien noch einmal einfach erklären und warum er so wichtig ist?
- Der BGH betont die „jeweiligen Einzelfallumstände“. Was heißt das für mich, wenn ich sicherstellen will, dass der Notar bestimmte Aufgaben für mich übernimmt, die über die normale Beurkundung hinausgehen?
- Was kann ich allgemein tun, um mich in Situationen mit Vollmachten und Notaren, ähnlich wie Herr K., besser zu schützen?
- Wenn der Notar, wie im Fall von Herrn K., vergisst, mir einen wichtigen Urkundenentwurf vor der Beurkundung zu schicken, obwohl das vereinbart war, haftet er dann immer sofort für meinen Schaden?
- Wachsamkeit statt blindes Vertrauen: Notarpflichten im BGH-Fokus

Das Wichtigste: Kurz & knapp
Ein Notar haftet nicht automatisch für alles, was mit einer Vollmacht geschieht, selbst wenn diese nur vor ihm genutzt werden darf.
Jeder, der in Rechtsgeschäften mit Notaren und Vollmachten zu tun hat (z.B. Immobilienkauf, Firmengründung), sollte genau wissen, was der Notar überwacht und was nicht. Das betrifft insbesondere Investoren, Gesellschafter oder Bevollmächtigte.
Verlassen Sie sich nicht darauf, dass der Notar automatisch interne Vereinbarungen oder den Gebrauch einer Vollmacht im Detail überwacht. Wenn Sie möchten, dass der Notar mehr als die reine Beurkundung übernimmt, müssen Sie diese zusätzlichen Aufgaben (sogenannte „Betreuungspflichten“) klar und am besten schriftlich mit ihm vereinbaren. Prüfen Sie zudem immer alle Unterlagen sorgfältig.
Notare haben eine wichtige Aufgabe: Sie sorgen für rechtlich sichere Verträge und klären über deren Folgen auf. Darüber hinausgehende Überwachungspflichten müssen aber klar vereinbart werden und entstehen nicht automatisch aus einer Klausel, dass eine Vollmacht nur vor diesem Notar genutzt werden darf.
Dieses Urteil des höchsten deutschen Gerichts ist ab sofort wegweisend und stärkt die Eigenverantwortung der Beteiligten an notariellen Vorgängen.
Quelle: Bundesgerichtshof (BGH) vom 8. Mai 2025, Az. III ZR 398/23
Notarhaftung bei Vollmachten & Teilungserklärung Änderungen
Herr K. blickte im Frühjahr 2018 ungläubig auf die Unterlagen, die ihm sein Notar, der Beklagte, erst Tage nach der Beurkundung zugesandt hatte. Es handelte sich um eine geänderte Teilungserklärung für das sogenannte B.-Areal in Würzburg, ein ambitioniertes Entwicklungsprojekt auf einem ehemaligen Brauereigelände. Herr K. war als einer von mehreren Investoren an diesem Projekt beteiligt, das unter anderem die Errichtung von vier einzeln stehenden Atelierhäusern vorsah, von denen eines ihm zugeteilt war. Die nun vorliegende Urkunde, datiert auf den 4. Dezember 2017, offenbarte jedoch eine massive Planänderung: Statt der drei Atelierhäuser seiner Mitgesellschafter war nun ein einziges, viergeschossiges Bürogebäude mit Parkebene vorgesehen.
Diese Änderung war unter Nutzung einer Vollmacht beurkundet worden, die die Gesellschafter sich gegenseitig erteilt hatten, um das komplexe Projekt handhaben zu können. Brisant war dabei eine Klausel, dass von diesen Vollmachten in beurkundungspflichtigen Angelegenheiten nur vor dem Beklagten als dem ursprünglich beurkundenden Notar Gebrauch gemacht werden dürfe. Zudem war vereinbart, dass der Notar Entwürfe von Nachträgen zur Teilungserklärung den anderen ursprünglichen Eigentümern, also auch Herrn K., mit angemessener Frist – möglichst 14 Tage – vor der Beurkundung zur Kenntnisnahme zuleiten solle.
Doch Herr K. hatte weder einen Entwurf erhalten noch war er vorab informiert worden. Das könnte auch Ihnen passieren, wenn Sie an komplexen Rechtsgeschäften beteiligt sind, bei denen Vollmachten eine Rolle spielen und Sie auf die Informationspflichten eines Notars vertrauen. Der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof und warf grundlegende Fragen zur Verantwortung von Notaren auf.
Notarielle Pflichten neu vermessen: Das BGH-Urteil III ZR 398/23
Der Rechtsstreit von Herrn K. gegen den beklagten Notar zog sich durch mehrere Instanzen. Das Landgericht Würzburg gab Herrn K. zunächst Recht und sprach ihm Schadensersatz zu. Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hob dieses Urteil jedoch auf und wies die Klage ab. Dreh- und Angelpunkt war die Frage, ob der Notar durch die spezielle Vollmachtsklausel und die vereinbarte Informationspflicht besondere Betreuungspflichten übernommen hatte und ob er diese vorsätzlich oder fahrlässig verletzte.
Der Weg zum Bundesgerichtshof: Ein Streit um Vertrauen und Verantwortung
Herr K. warf dem Notar vor, seine Amtspflichten mehrfach verletzt zu haben. Insbesondere die unterbliebene Zusendung des Urkundenentwurfs vor der Beurkundung der folgenreichen Änderung der Teilungserklärung wog schwer. Er argumentierte, der Notar hätte aufgrund der Vereinbarung, dass Vollmachten nur vor ihm genutzt werden dürfen und Entwürfe vorab zu versenden sind, eine besondere Überwachungs- und Schutzpflicht ihm gegenüber gehabt. Die Nichterfüllung dieser Pflicht habe zu seinem Schaden geführt, da er die unerwünschte Bebauung nicht mehr habe verhindern können.
Das OLG Bamberg sah dies anders. Es konnte keinen Vorsatz des Notars erkennen und verneinte auch, dass der Notar eine sogenannte selbständige Betreuungspflicht im Sinne des § 24 der Bundesnotarordnung (BNotO) übernommen habe. Die Verpflichtung zur Übersendung von Entwürfen sei lediglich eine „technische“ Aufgabe gewesen. Gegen diese Entscheidung legte Herr K. Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein.
Die Kernfragen vor dem BGH: Wann wird der Notar zum Garanten?
Der BGH musste sich am 8. Mai 2025 (Az. III ZR 398/23) mit zwei zentralen Rechtsfragen auseinandersetzen.
Erstens: Unter welchen Umständen übernimmt ein Notar über seine allgemeinen Amtspflichten hinausgehende, „selbständige Betreuungspflichten“?
Zweitens: Führt die Vereinbarung, dass eine Vollmacht nur vor dem beurkundenden Notar genutzt werden darf, automatisch zu einer solchen erweiterten Betreuungspflicht, insbesondere zur Überwachung interner Absprachen zwischen den Vollmachtgebern?
Diese Fragen sind für jeden relevant, der notarielle Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Denn die Antwort bestimmt, wie weit das Vertrauen in den Notar reichen darf und wann er für Fehler haftbar gemacht werden kann. Es geht darum, ob der Notar nur für die korrekte Beurkundung an sich zuständig ist oder ob er unter Umständen auch den Inhalt und die Einhaltung der zugrundeliegenden Vereinbarungen im Blick behalten muss.
Die Entscheidung des BGH: Klarstellungen mit Tragweite
Der BGH hob das Urteil des OLG Bamberg auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück. Die Richter in Karlsruhe stellten in ihren Leitsätzen zwei wichtige Punkte klar:
- Ob und mit welchem Inhalt einem Notar selbständige Betreuungspflichten übertragen werden, kann nur auf der Grundlage der jeweiligen Einzelfallumstände beurteilt werden.
- In der Vereinbarung, von einer Vollmacht nur vor dem beurkundenden Notar Gebrauch machen zu dürfen, liegt nicht ohne Weiteres die Übernahme eines solchen Betreuungsauftrags.
Das bedeutet: Es gibt keine pauschale Antwort. Die Klausel, eine Vollmacht nur vor einem bestimmten Notar zu verwenden, ist für sich genommen kein Freifahrtschein für die Annahme, der Notar würde nun alles überwachen. Sie ist vergleichbar mit einer Vereinbarung, dass für Reparaturen am gemeinsam gekauften Auto nur eine bestimmte Werkstatt aufgesucht werden darf. Das verpflichtet die Werkstatt aber nicht automatisch, bei jeder Reparatur zu prüfen, ob alle Miteigentümer intern mit dem Umfang der Reparatur einverstanden sind und ob die Reparatur dem ursprünglich vereinbarten Zustand des Fahrzeugs entspricht.
Der BGH betonte, dass die Übernahme einer weitergehenden Betreuungspflicht sich aus der Gesamtschau aller Umstände ergeben muss. Im Fall von Herrn K. hatte das OLG Bamberg nach Ansicht des BGH jedoch die Frage einer fahrlässigen Verletzung allgemeiner Amtspflichten (§ 19 BNotO) nicht ausreichend geprüft, insbesondere im Hinblick auf die unterlassene Übersendung des Urkundenentwurfs. Diese Pflicht war ja explizit vereinbart worden. Auch die Argumentation des OLG, Herr K. hätte möglicherweise andere Ersatzmöglichkeiten (z.B. gegen seine Anwälte) gehabt, hielt der BGH-Prüfung nicht stand.
Notarpflichten im Fokus: Was Sie wissen müssen
Um die Bedeutung des Urteils für Ihren Alltag zu verstehen, ist ein Blick auf die Rolle und die Pflichten von Notaren hilfreich. Notare sind unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes und für die Beurkundung von Rechtsvorgängen sowie für sonstige Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zuständig. Ihre Tätigkeit ist in der Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt.
Die Rolle des Notars: Mehr als nur Stempel und Unterschrift
Die allgemeinen Amtspflichten eines Notars sind in § 19 BNotO festgelegt. Dazu gehört, sein Amt getreu seinem Eid zu verwalten und unparteiisch zu handeln. Er muss die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und darauf hinwirken, dass ihr Wille klar und unzweideutig in der Urkunde zum Ausdruck kommt. Der Notar agiert hierbei weniger als Parteivertreter, sondern vielmehr wie ein neutraler Schiedsrichter, der für ausgewogene und rechtssichere Vereinbarungen sorgt.
Zu diesen Grundpflichten gehört es auch, zu prüfen, ob das Geschäft gegen Gesetze verstößt oder unerfahrene Beteiligte benachteiligt werden. Er muss den Sachverhalt klären und sicherstellen, dass die Urkunde den tatsächlichen Willen der Parteien wiedergibt. Diese Pflichten bestehen bei jeder Beurkundung.
Besondere Betreuungspflichten: Wenn der Notar zum Aufpasser wird (§ 24 BNotO)
Über diese allgemeinen Pflichten hinaus kann ein Notar nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO auch „sonstige Betreuungsgeschäfte“ übernehmen. Das sind Aufgaben, die über die reine Beurkundung hinausgehen. Beispiele hierfür können die Überwachung des Vollzugs einer Urkunde, die treuhänderische Verwahrung von Geld auf einem Notaranderkonto oder die Überwachung der Einhaltung bestimmter Bedingungen vor Auszahlung eines Kaufpreises sein.
Eine solche Betreuungspflicht ist wie ein optionales Zusatzpaket bei einem Kauf: Es ist nicht automatisch dabei, sondern muss bewusst hinzugebucht oder zumindest klar erkennbar vom Notar übernommen werden. Die Übernahme solcher Pflichten erweitert den Verantwortungsbereich und das Haftungsrisiko des Notars erheblich. Genau hier setzt das BGH-Urteil an: Wann liegt eine solche Übernahme vor?
Die feine Linie: Allgemeine Pflicht vs. Sonderauftrag
Die Abgrenzung ist entscheidend. Verletzt der Notar „nur“ seine allgemeinen Amtspflichten aus § 19 BNotO fahrlässig, haftet er oft nur subsidiär. Das bedeutet, der Geschädigte muss sich zunächst um anderweitigen Schadensersatz bemühen (z.B. von Vertragspartnern). Liegt jedoch eine Verletzung einer (vorsätzlich oder fahrlässig) übernommenen selbständigen Betreuungspflicht nach § 24 BNotO vor oder handelt der Notar bei einer Pflichtverletzung nach § 19 BNotO vorsätzlich, haftet er direkt.
Das BGH-Urteil unterstreicht: Die bloße Klausel, eine Vollmacht dürfe nur vor dem beurkundenden Notar ausgeübt werden, macht daraus noch keinen Sonderauftrag zur Überwachung. Es braucht weitere Umstände, die darauf schließen lassen, dass der Notar eine solche weitergehende Verantwortung tatsächlich übernehmen wollte und die Beteiligten darauf vertrauen durften. Die Betonung der „jeweiligen Einzelfallumstände“ ist vergleichbar mit einem Arzt, der nicht jede Erkältung gleich behandelt, sondern Symptome, Vorgeschichte und den individuellen Patienten betrachtet.
Konsequenzen für die Praxis: Was das Urteil für Sie bedeutet
Das Urteil des BGH hat direkte Auswirkungen darauf, wie Sie sich in notariellen Angelegenheiten verhalten sollten und was Sie von einem Notar erwarten können. Es schärft das Bewusstsein dafür, dass nicht jede Erwartung an einen Notar auch einer rechtlichen Pflicht entspricht.
Wenn Vollmachten zum Fallstrick werden: Lehren aus dem Fall
Der Fall von Herrn K. zeigt exemplarisch, wie wichtig klare Absprachen und eine genaue Kenntnis der Rechtslage sind, besonders wenn Vollmachten im Spiel sind. Eine Vollmacht ist ein mächtiges Instrument. Sie ist wie ein Generalschlüssel, der dem Bevollmächtigten weitreichende Befugnisse einräumt. Die Klausel, dass diese Vollmacht nur vor einem bestimmten Notar verwendet werden darf, kann zwar ein gewisses Maß an Kontrolle suggerieren, ist aber, wie der BGH klarstellt, kein Allheilmittel.
Sie bedeutet nicht automatisch, dass der Notar prüft, ob der Bevollmächtigte im Innenverhältnis zu Ihnen seine Befugnisse überschreitet. Die Hauptverantwortung für die Kontrolle des Bevollmächtigten bleibt bei Ihnen als Vollmachtgeber. Der Notar ist nicht automatisch Ihr Kontrollorgan für interne Absprachen.
So schützen Sie Ihre Rechte beim Notar: Praktische Tipps
Aus dem Urteil und der allgemeinen Rechtslage lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten, um Ihre Interessen bestmöglich zu wahren:
- Klare Kommunikation: Sprechen Sie offen mit dem Notar über Ihre Erwartungen. Wenn Sie möchten, dass der Notar bestimmte Überwachungs- oder Kontrollaufgaben übernimmt, muss dies klar vereinbart werden.
- Schriftliche Vereinbarungen: Lassen Sie besondere Pflichten des Notars, die über die Standardbeurkundung hinausgehen (z.B. Überwachung von Fristen, Prüfung interner Vereinbarungen), möglichst explizit in der Urkunde oder einer gesonderten Vereinbarung festhalten. So schaffen Sie Klarheit für alle Seiten.
- Vollmachten präzise gestalten: Überlegen Sie genau, welchen Umfang eine Vollmacht haben soll. Ist eine Beschränkung im Außenverhältnis möglich und sinnvoll? Klären Sie interne Beschränkungen mit dem Bevollmächtigten und dokumentieren Sie diese.
- Informationsrechte sichern: Bestehen Sie auf klaren Regelungen zur Information, wie im Fall von Herrn K. die Pflicht zur Übersendung von Entwürfen. Fragen Sie aktiv nach, wenn Sie auf Informationen warten.
- Urkunden sorgfältig prüfen: Nehmen Sie sich Zeit, Entwürfe und Urkunden gründlich zu lesen und zu verstehen. Stellen Sie Fragen, wenn etwas unklar ist – dafür ist der Notar da.
- Vorsicht bei „Nur-vor-diesem-Notar“-Klauseln: Verstehen Sie, dass diese Klausel, wie der BGH entschied, den Notar nicht automatisch zum Überwacher der Vollmacht macht. Sie kann praktische Vorteile haben, ersetzt aber nicht Ihre eigene Wachsamkeit.
- Zeitnaher Widerruf bei Problemen: Wenn Sie feststellen, dass eine Vollmacht missbraucht wird oder werden könnte, widerrufen Sie diese umgehend und informieren Sie den Notar und betroffene Dritte.
Die Grundsätze des BGH-Urteils sind in vielen Lebenslagen relevant, in denen Sie mit einem Notar zu tun haben:
- Immobilienkauf/-verkauf: Hier werden oft Vollmachten erteilt, z.B. für die Abwicklung des Kaufvertrags. Die Pflichten des Notars betreffen hier vor allem die korrekte Beurkundung und die Sicherstellung der Abwicklung (z.B. Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Eigentumsumschreibung). Eine Überwachung, ob der Makler alle Versprechungen eingehalten hat, gehört in der Regel nicht dazu.
- Gründung einer GmbH oder GbR: Auch hier können Gesellschafter sich gegenseitig Vollmachten erteilen. Die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags bedeutet nicht, dass der Notar die laufende Geschäftsführung oder die Einhaltung interner Absprachen überwacht.
- Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen: Der Notar muss beide Parteien umfassend über die Rechtsfolgen belehren. Eine darüberhinausgehende „Betreuung“, etwa die Vermittlung bei Streitigkeiten, ist nicht seine Kernaufgabe, es sei denn, dies wird gesondert als Mediation vereinbart.
- Testamente und Erbverträge: Der Notar sorgt für die formgültige Errichtung und berät über Gestaltungsmöglichkeiten. Die spätere Überwachung der Testamentsvollstreckung ist nur dann seine Pflicht, wenn er ausdrücklich als Testamentsvollstrecker eingesetzt wird.
- Schenkungen mit Auflagen: Wenn Sie eine Schenkung unter bestimmten Bedingungen vornehmen, ist der Notar für die korrekte Formulierung zuständig. Die spätere Kontrolle, ob der Beschenkte die Auflagen auch einhält, ist in der Regel Ihre Aufgabe oder die eines von Ihnen bestimmten Kontrollorgans, nicht primär die des Notars.
Das Urteil des BGH schärft den Blick dafür, dass die Rolle des Notars klar definierte Grenzen hat. Er ist ein wichtiger Garant für Rechtssicherheit, aber kein allumfassender Beschützer vor jeglichem Ungemach, das aus den beurkundeten Geschäften entstehen kann. Die Eigenverantwortung der Beteiligten bleibt ein zentraler Pfeiler. Diese Klarheit ist so wichtig wie ein gut ausgeleuchteter Weg bei Nacht; sie verhindert Stolperfallen. Für Herrn K. bedeutet die Zurückverweisung an das OLG Bamberg eine neue Chance, zumindest für die fahrlässige Pflichtverletzung des Notars (die unterlassene Entwurfszusendung) Schadensersatz zu erhalten.
Wichtig: Dieses Urteil unterstreicht die Notwendigkeit für alle Beteiligten an notariellen Urkunden, insbesondere bei komplexen Sachverhalten mit Vollmachten, den Umfang der notariellen Pflichten genau zu verstehen. Verlassen Sie sich nicht auf Annahmen, sondern suchen Sie im Zweifel das klärende Gespräch mit dem Notar oder lassen Sie sich anwaltlich beraten, welche Schutzmechanismen für Ihre spezifische Situation sinnvoll und notwendig sind.
Ausblick: Was bleibt und was sich ändern könnte
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs III ZR 398/23 reiht sich ein in eine beständige Rechtsprechung, die eine sorgfältige Abwägung der Interessen aller Beteiligten im Notarhaftungsrecht vornimmt. Sie setzt die Linie fort, Notare nicht mit einer uferlosen Verantwortung zu belasten, aber gleichzeitig den Schutz der Rechtsuchenden in angemessenem Umfang zu gewährleisten.
Die Bedeutung der Einzelfallprüfung
Der wiederholte Verweis auf die „jeweiligen Einzelfallumstände“ ist ein klares Signal gegen schematische Lösungen. Es wird auch in Zukunft entscheidend darauf ankommen, welche konkreten Absprachen getroffen wurden, welche Erwartungen der Notar geweckt hat und welche besonderen Umstände im jeweiligen Mandatsverhältnis vorlagen. Dies erfordert von den Gerichten eine genaue Sachverhaltsaufklärung.
Für Sie als Bürger bedeutet das: Je klarer und dokumentierter Ihre Vereinbarungen mit dem Notar sind, desto besser ist Ihre Position, falls es zu Unstimmigkeiten kommt. Die bloße Hoffnung, der Notar werde schon „alles richtig machen“ oder „im eigenen Interesse handeln“, reicht nicht aus.
Auswirkungen auf die Notarpraxis
Notare dürften durch dieses Urteil einmal mehr sensibilisiert werden, den Umfang ihrer übernommenen Pflichten – insbesondere wenn sie über Standardaufgaben hinausgehen – präzise zu dokumentieren und die Beteiligten entsprechend aufzuklären. Dies kann dazu führen, dass Notare bei der Annahme von Aufgaben, die in den Bereich des § 24 BNotO fallen könnten, noch vorsichtiger agieren oder auf expliziten schriftlichen Vereinbarungen bestehen.
Es ist auch denkbar, dass Notare bei Klauseln, die – wie die im Urteil diskutierte Vollmachtsbeschränkung – Interpretationsspielraum lassen, standardmäßig darauf hinweisen werden, dass damit keine erweiterte Betreuungspflicht zur Überwachung interner Verhältnisse verbunden ist. Das dient letztlich der Rechtssicherheit für alle Seiten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Urteil die bestehenden Grundsätze der Notarhaftung festigt und für einen spezifischen, praxisrelevanten Fall konkretisiert. Es ist eine Mahnung zur Sorgfalt und Klarheit für alle, die an notariellen Beurkundungen beteiligt sind. Der Notar ist ein wichtiger Pfeiler der vorsorgenden Rechtspflege, aber kein universellen Kümmerer für alle Eventualitäten.
Häufig gestellte Fragen zu Notarpflichten und dem BGH-Urteil III ZR 398/23
Nachfolgend beantworten wir die häufigsten Fragen zu unserem Artikel über das BGH-Urteil III ZR 398/23 und dessen Auswirkungen auf notarielle Pflichten und Ihre Rechte als juristischer Laie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet dieses Urteil konkret, wenn in meinem Vertrag steht, dass eine Vollmacht nur vor einem bestimmten Notar genutzt werden darf? Übernimmt der Notar dann automatisch mehr Verantwortung?
Nein, nicht automatisch. Dieses Urteil stellt klar, dass eine solche Klausel den Notar nicht von sich aus zu einem umfassenden Überwacher Ihrer Interessen oder der internen Absprachen zwischen den Vertragsparteien macht. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Vereinbarung, eine Vollmacht nur vor einem bestimmten Notar (oder seinem Vertreter/Nachfolger) zu nutzen, für sich allein genommen nicht ohne Weiteres bedeutet, dass der Notar spezielle sogenannte „selbständige Betreuungspflichten“ übernimmt. Es müssen weitere Umstände des Einzelfalls hinzukommen, die deutlich machen, dass der Notar eine solche erweiterte Verantwortung tatsächlich übernehmen wollte und Sie als Beteiligter auch darauf vertrauen durften. Die Klausel kann praktische Vorteile haben, wie im Artikel erwähnt, ist aber kein Freibrief dafür anzunehmen, der Notar würde nun alle Aspekte des zugrundeliegenden Geschäfts tiefgehend für Sie prüfen oder die Einhaltung interner Vollmachtsbeschränkungen überwachen.
Im Artikel ist von „allgemeinen Amtspflichten“ und „selbständigen Betreuungspflichten“ des Notars die Rede. Können Sie den Unterschied für Laien noch einmal einfach erklären und warum er so wichtig ist?
Stellen Sie sich die allgemeinen Amtspflichten (geregelt in § 19 der Bundesnotarordnung, BNotO) wie das Standard-Servicepaket eines jeden Notars vor: Er muss Sie bei jeder Beurkundung unparteiisch beraten, über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und darauf achten, dass Ihr Wille klar und unzweideutig in der Urkunde zum Ausdruck kommt. Diese Pflichten hat er immer. Selbständige Betreuungspflichten (nach § 24 BNotO) sind hingegen wie ein optionales Zusatzpaket. Hier übernimmt der Notar Aufgaben, die über die reine Beurkundung hinausgehen, beispielsweise die Überwachung des Vollzugs einer Urkunde, die treuhänderische Verwahrung von Geld auf einem Notaranderkonto oder die Kontrolle, ob bestimmte Bedingungen vor einer Kaufpreisauszahlung erfüllt sind. Eine solche erweiterte Pflicht muss aber klar erkennbar vom Notar übernommen werden, entweder durch eine ausdrückliche Vereinbarung oder durch Umstände, die eindeutig darauf schließen lassen. Die Unterscheidung ist vor allem dann wichtig, wenn Fehler passieren: Verletzt der Notar „nur“ fahrlässig seine allgemeinen Amtspflichten, haftet er oft nur subsidiär – das heißt, Sie müssten als Geschädigter eventuell zuerst versuchen, anderweitig Ersatz zu bekommen. Bei einer Verletzung einer übernommenen selbständigen Betreuungspflicht oder bei vorsätzlichem Handeln bei allgemeinen Pflichten kann der Notar hingegen direkter in Anspruch genommen werden.
Der BGH betont die „jeweiligen Einzelfallumstände“. Was heißt das für mich, wenn ich sicherstellen will, dass der Notar bestimmte Aufgaben für mich übernimmt, die über die normale Beurkundung hinausgehen?
Der Hinweis des Bundesgerichtshofs auf die „jeweiligen Einzelfallumstände“ bedeutet, dass es keine pauschale Regel gibt, wann ein Notar automatisch erweiterte Betreuungspflichten über seine Standardaufgaben hinaus übernimmt. Jede Situation muss individuell bewertet werden. Für Sie als juristischen Laien heißt das vor allem: Wenn Sie möchten, dass der Notar bestimmte Kontroll-, Überwachungs- oder Abwicklungsaufgaben für Sie wahrnimmt – zum Beispiel die Überwachung von Fristen, die Prüfung der Einhaltung interner Vereinbarungen zwischen Vertragspartnern oder die Sicherstellung bestimmter Schritte nach der Beurkundung – dann dürfen Sie nicht stillschweigend davon ausgehen, dass er dies tut.
Sprechen Sie Ihre Erwartungen klar und offen beim Notar an. Sorgen Sie dafür, dass solche besonderen Pflichten, die über die übliche Beurkundungstätigkeit hinausgehen, eindeutig vereinbart und idealerweise schriftlich, am besten direkt in der notariellen Urkunde oder einer gesonderten Vereinbarung, festgehalten werden. Nur so schaffen Sie Klarheit für alle Beteiligten und können sich im Zweifel später darauf berufen.
Was kann ich allgemein tun, um mich in Situationen mit Vollmachten und Notaren, ähnlich wie Herr K., besser zu schützen?
Der Fall von Herrn K. und das BGH-Urteil unterstreichen, wie wichtig Eigeninitiative und klare Kommunikation sind. Der wichtigste Schutz ist, aktiv zu werden und sich nicht blind auf Annahmen zu verlassen. Sprechen Sie immer klar und deutlich mit dem Notar über Ihre Erwartungen, insbesondere wenn Sie möchten, dass er bestimmte Überwachungs- oder Kontrollaufgaben für Sie übernimmt. Lassen Sie sich den genauen Umfang einer Vollmacht erläutern und gestalten Sie diese so präzise wie möglich; überlegen Sie genau, welche Befugnisse Sie tatsächlich erteilen wollen und ob interne Beschränkungen sinnvoll und wie diese abzusichern sind. Bestehen Sie auf Ihrem Recht, Entwürfe von Urkunden oder Änderungsurkunden rechtzeitig vor einer Beurkundung zu erhalten, und nehmen Sie sich die Zeit, alle Unterlagen gründlich zu prüfen und zu verstehen. Stellen Sie Fragen, wenn Ihnen etwas unklar ist – der Notar ist verpflichtet, Ihnen die rechtliche Tragweite zu erläutern.
Wenn der Notar, wie im Fall von Herrn K., vergisst, mir einen wichtigen Urkundenentwurf vor der Beurkundung zu schicken, obwohl das vereinbart war, haftet er dann immer sofort für meinen Schaden?
Nicht unbedingt sofort und uneingeschränkt für den vollen Schaden. Die unterlassene Übersendung eines Urkundenentwurfs, obwohl dies – wie im Fall von Herrn K. – explizit vereinbart war, stellt sehr wahrscheinlich eine Verletzung seiner allgemeinen Amtspflichten dar (gemäß § 19 BNotO). Der Bundesgerichtshof hat im Fall von Herrn K. ja gerade bemängelt, dass das Oberlandesgericht eine solche fahrlässige Pflichtverletzung durch den Notar nicht ausreichend geprüft hat und hat die Sache dorthin zurückverwiesen. Wenn der Notar „nur“ fahrlässig eine allgemeine Amtspflicht verletzt, greift oft die sogenannte subsidiäre Haftung.
Das bedeutet, Sie müssten als Geschädigter möglicherweise zuerst versuchen, Ersatz für Ihren Schaden von anderer Seite zu bekommen (z.B. von Ihren Vertragspartnern oder anderen Beteiligten). Eine direkte und primäre Haftung des Notars käme bei einer solchen Pflichtverletzung eher dann in Betracht, wenn ihm Vorsatz nachgewiesen werden kann, oder wenn die Pflicht zur Entwurfsübersendung im konkreten Fall ausnahmsweise als Teil einer ausdrücklich übernommenen selbständigen Betreuungspflicht (§ 24 BNotO) zu werten wäre. Dies hängt aber, wie der BGH betont, stark von den Umständen des Einzelfalls ab.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Wachsamkeit statt blindes Vertrauen: Notarpflichten im BGH-Fokus
Das BGH-Urteil justiert das Verständnis notarieller Verantwortung: Ein Notar wird nicht automatisch zum allumfassenden Überwacher interner Abmachungen oder der Vollmachtsausübung, auch nicht durch Klauseln zur ausschließlichen Beurkundung vor ihm. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer individuellen Prüfung, wann erweiterte Betreuungspflichten tatsächlich übernommen werden.
Für Rechtsuchende ist die Kernbotschaft klar: Verlassen Sie sich nicht auf implizite Annahmen. Aktive Kommunikation, klare Vereinbarungen über den gewünschten Betreuungsumfang und eigene Sorgfalt sind unerlässlich, um Ihre Interessen bei notariellen Vorgängen wirksam zu schützen.