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Notarhaftung bei unwirksamer Fortgeltungsklausel im Kaufangebot für ETW

OLG Koblenz – Az.: 1 U 556/19 – Urteil vom 12.12.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 29.03.2019, Az. 2 O 154/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil und das Senatsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von dem beklagten Notar wegen Pflichtverletzungen bei der Beurkundung eines notariellen Kaufvertrages Schadensersatz.

Der Kläger ließ, nachdem er zuvor bereits den zur Finanzierung notwendigen Darlehensvertrag geschlossen hatte, aus dem sich nach dem Abrufen des Darlehens für ihn eine monatliche Verpflichtung in Höhe von 775,67 EUR ergab, am 04.04.2008 von dem Notar …[A] in …[Z] ein Angebot zum Abschluss eines Wohnungseigentumskaufvertrages beurkunden. Ziffer I. dieses Angebotes enthielt eine sogenannte Fortgeltungsklausel und lautete wie folgt:

„Ich mache hiermit der …[B] Gesellschaft mbH & Co. KG, … das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages mit nachstehendem Inhalt.

Ich halte mich an das Angebot unwiderruflich bis zum Ablauf des 02.05.2008 gebunden. Während der Dauer der Bindungsfrist kann das Angebot von dem Anbietenden einseitig weder widerrufen noch inhaltlich abgeändert werden. Zur Wirksamkeit des Vertrages ist lediglich erforderlich, dass die Annahmeerklärung vor Ablauf der Annahmefrist vor einem Notar abgegeben wird, nicht dagegen der Zugang der Annahmeerklärung an den Anbietenden innerhalb der Frist.

Mit Ablauf der Frist erlischt das Angebot nicht. Der Anbietende kann nach Ablauf der unwiderruflichen Frist jederzeit den Angebotsempfänger auffordern, innerhalb einer Frist von 1 Woche das Angebot anzunehmen. Nach ergebnislosem Fristablauf kann der Anbietende das Angebot gegenüber dem Angebotsempfänger widerrufen. Fristsetzung und Widerruf bedürfen der Schriftform. Bis zum Widerruf kann das Angebot angenommen werden.“

Gegenstand des Kaufvertrages sollte ein im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Walsrode von …[Y] auf Blatt 3146 verzeichnetes Wohnungseigentum mit einer Fläche von etwa 83 qm sein, das als Teil einer Wohnungseigentumsgemeinschaft an die Bundesrepublik Deutschland (Bundesfinanzverwaltung) zu einer monatlichen Kaltmiete von 6,44 EUR pro qm vermietet war. Das Mietverhältnis war befristet bis zum 31.05.2013. Die Wohnung wurde durch die britischen Streitkräfte genutzt. Tatsächlich dauerte das Mietverhältnis bis zum Dezember 2015 an. Der Kaufpreis sollte 130.000,00 EUR brutto, mithin 109.243,70 EUR netto, betragen. Der Kläger erhielt aufgrund der Vermietung die Umsatzsteuer von der Finanzverwaltung zurückerstattet. Das Angebot des Klägers wurde am 23.07.2008 von der Adressatin, der Firma …[B], angenommen. An diesem Tag beurkundete der Beklagte, Rechtsanwalt und Notar in …[X], die Annahmeerklärung und leitete, wie in dem Vertragsangebot des Klägers vorgesehen, die Abwicklung des Vertrages ein. Der Kläger zahlte den Kaufpreis und wurde ins Grundbuch eingetragen.

Der Kläger hat vorgetragen, dass der Beklagte für eine Vielzahl von Objekten der Firma …[B] nicht nur die Ankaufsverträge, sondern auch die sogenannte Verweisungsurkunde gefertigt habe. Er habe ohne rechtfertigenden Grund den Kaufvertrag in ein Angebot und in eine Annahmeerklärung geteilt. Das so von dem Beklagten vorbereitete Angebot sei entweder von ihm selbst oder einem anderen Notar beurkundet worden. Der Beklagte hätte aufgrund der Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel am 23.07.2008 die Beurkundung der Annahmeerklärung ablehnen müssen. Jedenfalls sei der Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger auf die Unwirksamkeit seiner Angebotserklärung hinzuweisen. Bei einem solchen Hinweis hätte er, der Kläger, von dem Erwerb der Wohnung abgesehen. Da der Beklagte auch die jeweiligen Ankaufsverträge der Firma …[B] beurkundet habe, sei ihm bekannt gewesen, dass diese die Wohnungen jeweils zu Kaufpreisen zwischen 30.000,00 EUR und 40.000,00 EUR erworben und die Wohnungen sodann, ohne diese zu verändern, für das Zweifache bis Dreifache dieses Betrages weiterverkauft habe. Tatsächlich habe die von dem Kläger erworbene Wohnung nur einen Verkehrswert von 40.000,00 EUR, so dass der Beklagte positive Kenntnis von der sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises gehabt habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 130.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (07.07.2018) zu zahlen, Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung mit der Nummer 6 im Objekt …[W]straße 54 in …[Y], eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Walsrode von …[Y], Blatt 3146.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat eingewandt, der Kläger habe mit der Umsatzsteuerbefreiung zur gewerblichen Vermietung angesetzt und sei damit als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB tätig geworden. Im Übrigen habe nicht der Beklagte, sondern der Notar …[A] die Fortsetzungsklausel erstellt, verwendet und beurkundet. Ihm selbst habe bei der Beurkundung der Annahmeerklärung die Angebotsurkunde mit der Fortgeltungsklausel nicht vorgelegen. Im Übrigen hätte der Kläger auch dann, wenn ein Hinweis auf die mögliche Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel erfolgt wäre, die zur Herbeiführung des Vertragsschlusses erforderlichen Erklärungen abgegeben. Die Verkäuferin habe die Wohnungen jeweils saniert. Auch die an den Kläger verkaufte Wohnung sei saniert gewesen. Jedenfalls habe er, der Beklagte, allenfalls fahrlässig gehandelt, so dass der Kläger gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO primär gehalten gewesen wäre, Dritte zur Deckung des geltend gemachten Schadens in Anspruch zu nehmen. Zudem seien die Ansprüche des Klägers verjährt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 19 BNotO auch bei Zugrundelegung des klägerischen Sachvortrags als zutreffend nicht erfüllt seien.

Es spreche zwar vieles dafür, dass – bei Unterstellung des klägerischen Sachvortrags als wahr – der Beklagte tatsächlich verpflichtet gewesen sei, den Kläger darüber zu belehren, dass sein Angebot nach Ablauf der Bindungsfrist nicht mehr gegolten habe, sondern erloschen gewesen sei, da eine unbegrenzte Fortgeltungsklausel wie sie hier verwendet worden sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21.01.2016 – III ZR 159/15) gegen das in § 308 Nr. 1 BGB normierte Klauselverbot verstoße und deshalb unwirksam sei. Dabei könne dahinstehen, ob der Kläger als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB anzusehen sei. Selbst wenn dem so wäre, sei davon auszugehen, dass der sich aus der Fortgeltungsklausel ergebende Schwebezustand von unangemessen langer Dauer sei mit der Folge, dass die Klausel von dem gesetzlichen Leitbild der §§ 145, 146, 147 Abs. 2 BGB abweiche und deshalb nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB auch bei einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Unternehmern unwirksam sei (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2016 – V ZR 208/14).

Entscheidend sei aber, dass der Kläger im vorliegenden Fall nicht plausibel dargelegt habe, dass er bei einer entsprechenden Aufklärung durch den Beklagten von dem Kaufvertrag tatsächlich Abstand genommen hätte. Ihm sei deshalb durch die unterbliebene Aufklärung kein kausaler Schaden entstanden. Hier sei entscheidend, dass der Kläger die Wohnung als Kapitalanlage erworben und das bereits zuvor begründete Mietverhältnis mit der Bundesrepublik Deutschland fortgesetzt habe. Zudem habe der Kläger bereits vor der Abgabe seines Angebots zur Deckung seiner dann entstehenden Zahlungsverpflichtung einen entsprechenden Darlehensvertrag geschlossen. Die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag hätten fortbestanden, auch wenn er von dem Erwerb der Wohnung Abstand genommen hätte. Von Bedeutung sei außerdem, dass die wirtschaftliche Situation des Klägers, die dem beabsichtigten Vertragsschluss zu Grunde lag, sich seit der Abgabe des Angebots nicht geändert habe. Dem tatsächlichen Kaufpreis für die Wohnung in Höhe von rund 109.000,00 EUR hätten jährliche Mieteinnahmen (Nettokaltmiete) in Höhe von 6400,00 EUR gegenüber gestanden. Diese Mieteinnahmen seien durch einen langfristigen Mietvertrag und einen in jedem Fall solventen Mieter, die Bundesrepublik Deutschland, gesichert gewesen. Weder im April 2008 (also bei der Abgabe des Angebots durch den Kläger) noch im Juli 2008 (bei der Annahme des Angebots durch die Firma …[B]) sei bekannt gewesen, dass es über das Jahr 2015 hinaus nicht zu einer Fortsetzung des Mietverhältnisses kommen würde. Der Kläger habe zudem von Anfang an in kauf genommen, dass seine Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag (775,67 EUR monatlich für Zins und Tilgung) die monatlichen Nettomieteinnahmen (534,00 EUR) aus der Vermietung der Wohnung übersteigen würden. Der Kläger habe keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die es vor diesem Hintergrund für ihn erwägenswert hätten machen können, den im April 2008 angestrebten Kaufvertrag im Juli 2008 nicht mehr abzuschließen.

Die getrennte Beurkundung von Angebots- und Annahmeerklärung sei im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, sondern sachgerecht, da so ein erheblicher Reiseaufwand habe vermieden werden können.

Dem Beklagten könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er bei der Beurkundung der Annahmeerklärung Kenntnis von einem wesentlich geringeren Verkehrswert der Wohnung und damit von der Sittenwidrigkeit des Geschäfts gehabt habe. Ein auffälliges, die Sittenwidrigkeit begründendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sei erst gegeben, wenn die von dem Schuldner – hier dem Kläger – zu erbringende Leistung um mehr als 100% über dem Marktpreis liege. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die langfristig vermietete Wohnung diene als Anlageobjekt, so dass nicht der Substanzwert, sondern der Ertragswert für die Ermittlung des Verkehrswertes zu Grund zu legen sei. Nach den in dem notariell beurkundeten Angebot des Klägers enthaltenen Angaben habe die Wohnung jährliche Nettokaltmieten von 6.400,00 EUR langfristig und zuverlässig und ohne Bonitätsrisiko des Mieters erwarten lassen. Unter Berücksichtigung der Erstattung der Umsatzsteuer durch die Finanzverwaltung ergebe sich zwanglos ein Ertragswert, der jedenfalls weit über der Hälfte des von dem Kläger zu zahlenden Kaufpreises liege. Es hätte daher weiterer, hier nicht vorgetragener Umstände bedurft, um den Kaufvertrag sittenwidrig erscheinen zu lassen.

Abgesehen davon habe der Beklagte ein etwaiges sittenwidriges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hier jedenfalls nicht erkennen können. Aus einer Beurkundung des Ankaufsvertrages des Verkäufers hätte der Beklagte nur Kenntnis von dem Kaufpreis gehabt, den der Verkäufer gezahlt habe. Welchen Verkehrswert die Wohnung aber tatsächlich gehabt habe, habe der Beklagte nicht wissen können; Verkehrswert und Kaufpreis müssten sich nicht decken. Die Wohnung liege auch nicht im Sprengel des Beklagten, so dass er die örtlichen Verhältnisse nicht aus eigener Erfahrung beurteilen könne.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er verfolgt seine erstinstanzlichen Klageziele in vollem Umfang weiter und führt zur Begründung seines Rechtsmittels aus, dass er sehr wohl plausibel dargelegt habe, dass er bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel von dem Kaufvertrag Abstand genommen hätte. Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Es obliege allein dem beklagten Notar, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die Verkäuferin einen inhaltsgleichen Kaufvertrag mit dem Kläger hätte abschließen können, wenn dieser von der Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel Kenntnis gehabt hätte. Die Wohnung sei von der …[B] im Übrigen auch für lediglich 40.000,00 EUR angekauft worden. Hiervon habe der Beklagte Kenntnis gehabt. Insoweit sei erstinstanzlich der Zeuge …[C] angeboten worden; diesen Beweisantrag habe das Landgericht aber verfahrensfehlerhaft übergangen. Aufgrund seiner unter Beweis gestellten Vorkenntnisse hätte der Beklagte den Kläger darüber belehren müsse, dass er aufgrund § 14 Abs. 2 BNotO für eine erneute Beurkundung nicht zur Verfügung stehe, da die Firma …[B] unredliche Zwecke verfolge.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 130.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung mit der Nr. 6 im Objekt …[W]straße 54 in …[Y], eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Walsrode von …[Y], Blatt 3146.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass eine Beweiserhebung für die Urteilsfindung nicht erforderlich gewesen sei. Das Landgericht habe zu Recht die Kausalität verneint. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast bleibe es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen habe. Dies gelte auch für den notwendigen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden. Das Landgericht sei hier zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger bei einer pflichtgemäßen Aufklärung seinen ursprünglichen Kaufentschluss nicht revidiert hätte. Es werde bestritten, dass die Firma …[B] die Wohnung für lediglich 40.000,00 EUR angekauft habe. Die Firma …[B] habe die Wohnung im Übrigen vor dem Weiterverkauf an den Kläger kostenintensiv saniert. Weiter werde bestritten, dass der Beklagte in einer Vielzahl anderer Fälle die Ankäufe von Wohnungen durch die Firma …[B] beurkundet habe. Schließlich hafte der Beklagte nur subsidiär. Der Kläger habe aber gar nicht vorgetragen, dass er Schadensersatzansprüche nicht erfolgreich gegenüber dem Verkäufer (der Firma …[B]), deren Geschäftsführer oder seinem eigenen Anlageberater hätte durchsetzen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO wegen einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beurkundung der Annahmeerklärung der Firma …[B] hat.

Bereits nach der Sachverhaltsdarstellung des Klägers sind nicht sämtliche Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs erfüllt.

Das Landgericht konnte deshalb bei seiner klageabweisenden Entscheidung den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellen und auf dieser Grundlage verfahrensfehlerfrei von einer Beweisaufnahme absehen.

Nach § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO hat ein Notar, der vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, diesem anderen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach der Subsidiaritätsklausel des § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO kann ein Notar, dem nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, jedoch nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz verlangen kann.

1. Ausgehend von dem Vortrag des Klägers dürfte der Beklagte bei der Beurkundung der Annahmeerklärung der Firma …[B] Hinweis- und Belehrungspflichten aus §§ 17 Abs. 1 BeurkG, 14 Abs. 1 S. 2 BNotO verletzt haben, die ihm gegenüber dem Kläger oblagen.

Mit in NJW 2013, 3434 veröffentlichtem Versäumnisurteil vom 07.06.3013 (V ZR 10/12) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die regelt, dass ein Angebot eines Käufers unbefristet fortbesteht und vom Verkäufer jederzeit angenommen werden kann, auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB (wonach eine AGB-Bestimmung unwirksam ist, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder die Ablehnung eines Angebots vorbehält) unvereinbar ist, wenn das Angebot nicht bindend, sondern frei widerruflich ist. Die Fortgeltungsklausel in dem Angebot des Klägers war hier demnach unwirksam. Das Angebot des Klägers war nach dem Ablauf der Bindefrist erloschen und die verspätete Annahmeerklärung der Firma …[B] stellte gemäß § 150 Abs. 1 BGB ein neues Angebot dar (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2016, Az.: III ZR 159/15 = NJW 2016, 1324).

Nach § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG hat der Notar den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, so sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden.

Bei der Beurkundung der Annahmeerklärung der Firma …[B] am 23.07.2008 durch den Beklagten waren die oben genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit unbefristeter Fortgeltungsklauseln zwar noch nicht ergangen; dem Beklagten oblag jedoch auch bereits im Jahr 2008 die eigenständige und sorgfältige Prüfung der Wirksamkeit der entsprechenden Klausel. Im Rahmen der von ihm am Maßstab des § 308 Nr. 1 BGB auszurichtenden sorgfältigen Prüfung der Rechtslage hätte der Beklagte erkennen können, dass die Wirksamkeit der in das Angebot einbezogenen Fortgeltungsklausel angesichts ihrer fehlenden Befristung jedenfalls zweifelhaft war. Der inhaltliche Bezug zu § 147 Abs. 2 BGB, wonach der Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, drängte sich auf. Die vertraglich vereinbarte unbefristete Fortgeltung eines Kaufangebots überschritt den dort bestimmten Zeitraum erheblich und unbegrenzt (vgl. BGH NJW 2016, 1324).

Die Zweifel an der Wirksamkeit der Fortgeltungsklausel hätten sich dem Beklagten auch dann in gleicher Weise aufdrängen müssen, wenn er den Kläger nicht als Verbraucher, sondern aufgrund einer gewerblichen Vermietung als Unternehmer angesehen hätte. An der Beurteilung der Bindefrist ändert dies nichts. Die Klausel hielte auch einer Inhaltskontrolle nach dem dann anzulegenden Maßstab der §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 BGB nicht stand, denn im Rahmen dieser Inhaltskontrolle kommt dem im Geschäftsverkehr mit Unternehmern nicht unmittelbar geltenden Klauselverbot des § 308 Nr. 1 BGB Indizwirkung für eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zu (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2016, Az.: V ZR 208/14 = NJW 2016, 2173).

Vor diesem Hintergrund oblag es dem Beklagten, den Kläger über diese veränderte Sachlage zu informieren, um die weitere Vorgehensweise – etwa die Beurkundung eines erneuten Angebots des Klägers oder eine Abstandnahme vom Vertragsschluss – zu klären (vgl. BGH NJW 2016, 1324).

Der Kläger war zwar an der Beurkundung der Annahmeerklärung der Firma …[B] nicht unmittelbar beteiligt (das sind gemäß § 6 Abs. 2 BeurkG nur die Erschienenen, deren in eigenem oder fremden Namen abgegebene Erklärungen beurkundet werden sollen); Belehrungspflichten des Notars bestehen jedoch auch gegenüber nur mittelbar Beteiligten, wenn sich diese aus Anlass der Beurkundung an den Notar gewandt und ihm eigene Belange anvertraut haben (vgl. BGH NJW 2016, 1324). Dies dürfte nach der Sachverhaltsdarstellung des Klägers hier der Fall gewesen sein, da der Beklagte demnach das Angebot mit der Fortgeltungsklausel entworfen hat und überdies zum Vollzugsnotar bestimmt worden ist. In seiner Person waren damit aus der Sicht des Klägers mehrere für den Abschluss und die Durchführung des Vertrages wesentliche Funktionen gebündelt (vgl. BGH NJW2016, 1324).

2. Dem Beklagten kann jedoch nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe die Beurkundung ohne rechtfertigenden Anlass in Angebot und Annahme aufgespalten. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beurkundung bei einem einzigen Notar hier zumindest für eine Vertragspartei einen erheblichen Reiseaufwand zur Folge gehabt hätte. Bei seiner solchen Sachlage ist die getrennte Beurkundung von Angebots- und Annahmeerklärung ohne weiteres zulässig (vgl. Schreindorfer in Beck.online Großkommentar, BGB, Stand: 01.09.2019, § 311b Rn. 109).

3. Das Landgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass auch der Vorwurf des Klägers, der Wohnungskaufvertrag sei aufgrund eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB und der Beklagte habe hiervon Kenntnis gehabt und hätte deshalb die Annahmeerklärung der Firma …[B] nicht beurkunden dürfen, nicht haltbar ist.

Bei der langfristig vermieteten Wohnung handelte es sich um ein Anlageobjekt, dessen Verkehrswert sich nach dem Ertragswert bestimmt (vgl. OLG München, Beschluss vom 13.02.2017, Az.: 8 U 3965/16 = BeckRS 2017, 109091). Die 14fache Jahresnettomiete (vgl. BGH NZM 2009, 797) belief sich hier auf 89.600,00 EUR; der von dem Kläger zu zahlende Kaufpreis in Höhe von 109.000,00 EUR lag somit noch ganz deutlich unter dem Doppelten des tatsächlichen Verkehrswertes. Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann aber grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90% erfüllt sein (vgl. OLG München a.a.O.). Der Wohnungskaufvertrag ist somit nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB. Damit bestand für den Beklagten kein Hindernis für die Beurkundung. Auf die Frage, ob dem Beklagten ein etwaiger niedrigerer Ankaufspreis der Wohnung bei dem Erwerb der Wohnung durch die Firma …[B] bekannt war, kommt es deshalb nicht an. Über den Ankaufspreis hätte der Beklagte dem Kläger auch keine Auskunft geben dürfen; er hat die Interessen beider Parteien zu wahren.

4. Der Beklagte dürfte zwar durch die fehlende Belehrung des Klägers über die mögliche Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel eine fahrlässige Amtspflichtverletzung begangen haben (s.o. unter II. 1.); ein Schadensersatzanspruch des Klägers scheitert aber jedenfalls daran, dass er auch bei einer entsprechenden Aufklärung nicht von dem Kaufvertrag Abstand genommen, sondern diesen in gleicher Weise abgeschlossen hätte. Dem Kläger ist folglich kein kausaler Schaden entstanden.

Der Kläger behauptet zwar, dass er bei Kenntnis von der möglichen Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel den Wohnungskaufvertrag nicht abgeschlossen hätte; das Landgericht hat sich jedoch in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise die sichere Überzeugung gebildet, dass diese Behauptung des Klägers nicht zutreffend ist, sondern der Vertrag vielmehr auch bei einer entsprechenden Aufklärung durch den Beklagten in gleicher Weise zustande gekommen wäre.

Nach § 529 Abs. 1 HS 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an vorinstanzliche Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH NJW 2014, 2719; BGH NJW 2004, 1876). Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung oder die Würdigung des Prozessstoffs in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die vorgenommene Würdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Beweiswürdigung im Rahmen des § 287 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2016, Az.: III ZR 171/15 = BeckRS 2016, 3244).

Nach diesen Maßgaben ist die Würdigung des Landgerichts, es sei kein kausaler Schaden entstanden, weil der Kläger die Eigentumswohnung auch bei Kenntnis von der Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel erworben hätte, nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass die wirtschaftliche Situation des Klägers, von der er bei dem Erwerb des Anlageobjekts ausgegangen war, im Juli 2008 (bei der Annahme des Angebots durch die Firma …[B]) noch genauso unverändert fortbestanden hat wie im April 2008 (bei der Abgabe des Angebots durch den Kläger) und der Kläger auch keinen anderen Gesichtspunkt aufgezeigt hat, der ihm vor diesem Hintergrund im Juli 2008 hätte Anlass geben können, den im April 2008 anvisierten Vertrag doch nicht mehr abzuschließen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil verwiesen.

Da das Landgericht sich somit gerade eine Überzeugung gebildet und keine Beweislastentscheidung getroffen hat, kommt es auf die Frage, wer die Beweislast zu tragen hat, entgegen der Ansicht der Berufung nicht in entscheidungserheblicher Weise an.

5. Davon abgesehen hat der Kläger zur Höhe des ihm entstandenen Schadens nicht schlüssig vorgetragen. Der Kläger verlangt als Schaden den vollen Kaufpreis der Eigentumswohnung (130.000,00 EUR brutto), Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung des Eigentums an dieser Wohnung. Hat die Amtspflichtverletzung dem Geschädigten jedoch auch Vorteile gebracht, sind diese schadensmindernd unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen (vgl. Schramm in Schippel/Bracker, Bundesnotarordnung, 9. Aufl., § 19 BNotO Rn. 99). Auch im vorliegenden Fall hätte demnach eine Vermögenssaldierung vorgenommen werden müssen. Durch den Erwerb der Eigentumswohnung hat der Kläger seit dem Jahr 2008 bis jedenfalls zum Jahr 2015 Mieteinnahmen erzielt, die er sich anrechnen lassen und bei seiner Schadensersatzforderung in Abzug bringen muss.

6. Schließlich und unabhängig von den bisherigen Ausführungen scheitert der Schadensersatzanspruch des Klägers jedenfalls daran, dass er zu der negativen Anspruchsvoraussetzung der subsidiären Haftung, § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO, keinen Vortrag gehalten hat.

Ein Fall der §§ 23, 24 BNotO liegt nicht vor und dem Beklagten kann nur eine fahrlässige Pflichtverletzung zur Last gelegt werden. Da zum Zeitpunkt der Beurkundung im Jahr 2008 noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der unbefristeten Fortgeltungsklauseln ergangenen war, ist es fernliegend, von einem vorsätzlichen Handeln des Beklagten auszugehen.

Jede rechtliche oder rein tatsächliche Ersatzmöglichkeit schließt deshalb im vorliegenden Fall die Notarhaftung aus. Die Ersatzmöglichkeit muss dabei nur zu demselben Tatsachenkreis zu gehören, in dem die Pflichtverletzung begangen worden ist. Diese negative Anspruchsvoraussetzung steht nicht zur Disposition der Parteien. Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Parteien oder der Notar die anderweitige Ersatzmöglichkeit tatsächlich geltend machen wollen (vgl. Schramm, a.a.O., Rn. 111).

Hier wäre der Kläger nach seinem eigenen Vortrag gehalten gewesen, gegen seinen Vertragspartner, die Firma …[B], vorzugehen und mit seinem Einwand, der Vertrag sei wegen einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises nichtig, die Rückabwicklung zu verlangen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger die Verfolgung dieser Ersatzmöglichkeit nicht zuzumuten sein könnte, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 130.000,00 EUR festgesetzt.

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