Die Notarhaftung bei fehlerhafter Steuerauskunft wird relevant: Ein Verkäufer forderte 48.972 Euro zurück, nachdem er mündlich falsch zur Zehnjahresfrist beraten wurde. Der Notar stellte die Schadensersatzpflicht infrage, weil die Steuernachzahlung juristisch vermeidbar gewesen sei.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Haftet ein Notar für eine falsche Steuerauskunft? Ein Satz für 49.000 Euro
- Was genau war geschehen?
- Welche rechtlichen Leitplanken bestimmen die Haftung eines Notars?
- Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?
- Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Haftet mein Notar für falsche mündliche Auskünfte zur Spekulationssteuer?
- Wann kann ich vom Notar Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung fordern?
- Muss ich meinen Steuerschaden zuerst vom Steuerberater oder Finanzamt zurückholen?
- Wie muss ich die falsche Aussage des Notars vor Gericht beweisen?
- Welches Datum ist für die 10-Jahres-Frist der Spekulationssteuer beim Verkauf entscheidend?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 139/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Köln
- Datum: 12.07.2021
- Aktenzeichen: 7 U 139/20
- Verfahren: Beabsichtigte Zurückweisung der Berufung
- Rechtsbereiche: Notarhaftung, Spekulationssteuer, Schuldrecht
- Das Problem: Eine Käuferin erlitt einen Steuerschaden. Ihr Notar hatte im Beurkundungstermin eine falsche Auskunft zur Spekulationssteuer erteilt. Die Käuferin verlangte vom Notar den Ersatz des Steuerschadens.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Notar für eine fehlerhafte Auskunft zur Spekulationssteuer haften? Oder hätte die Käuferin den Fehler erkennen oder den Schaden anders verhindern müssen?
- Die Antwort: Ja. Der Notar haftet für die Verletzung seiner Berufspflicht. Die Käuferin durfte auf die Richtigkeit der notariellen Auskunft vertrauen. Ein eigenes Verschulden der Käuferin lag nicht vor.
- Die Bedeutung: Notare müssen für aktiv erteilte, fehlerhafte Auskünfte haften. Das gilt auch bei Aussagen zur Steuerpflicht. Das Gericht stärkt das Vertrauen in notarielle Erklärungen.
Haftet ein Notar für eine falsche Steuerauskunft? Ein Satz für 49.000 Euro
Ein Notartermin ist für die meisten Menschen der formale Schlusspunkt eines aufregenden Prozesses, etwa eines Immobilienverkaufs. Man vertraut auf die Expertise und die Sorgfalt des Notars als unparteiischem Träger eines öffentlichen Amtes. Doch was geschieht, wenn eine mündliche Auskunft in diesem Termin, eine scheinbar beiläufige Bemerkung, sich später als teurer Irrtum herausstellt? Genau diese Frage stand im Mittelpunkt eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Köln, das in seinem Beschluss vom 12. Juli 2021 (Az.: 7 U 139/20) die Grundsätze der Notarhaftung bei fehlerhafter Steuerauskunft schärfte und damit das Vertrauen in die notarielle Amtspflicht bekräftigte.
Was genau war geschehen?

Eine Frau, die Verkäuferin, hatte eine Eigentumswohnung veräußert und fand sich zur Beurkundung des Kaufvertrags im Büro des beklagten Notars ein. Ein entscheidender Punkt für sie war die sogenannte Spekulationssteuer. Diese fällt an, wenn eine Immobilie, die nicht selbst bewohnt wurde, innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf wieder verkauft wird. Die Verkäuferin ging davon aus, diese Frist eingehalten zu haben.
Im Laufe des Beurkundungstermins kam dieses Thema zur Sprache. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Verkäuferin und der beiden Käufer, die als Zeugen geladen waren, äußerte der Notar sinngemäß, dass die Spekulationssteuer in diesem Fall kein Thema sei. Das Datum des Verkaufs liege außerhalb der kritischen Zehnjahresfrist. Beruhigt durch diese fachkundige Einschätzung, unterzeichnete die Verkäuferin den Vertrag.
Die böse Überraschung folgte einige Zeit später in Form eines Steuerbescheids. Das Finanzamt sah die Sache anders, berechnete die Frist anders und forderte eine Nachzahlung in Höhe von 48.972,05 Euro. Die Verkäuferin war überzeugt: Hätte der Notar sie korrekt aufgeklärt, hätte sie den Verkauf um wenige Wochen verschoben und so die Steuerlast komplett vermieden. Sie verklagte den Notar auf Schadensersatz in genau dieser Höhe. Das Landgericht gab ihr in erster Instanz Recht. Der Notar legte Berufung ein und der Fall landete beim Oberlandesgericht Köln.
Welche rechtlichen Leitplanken bestimmen die Haftung eines Notars?
Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, muss man sich die besondere Stellung eines Notars vergegenwärtigen. Seine Pflichten und seine Haftung sind in der Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt.
Die zentrale Norm ist hier § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO. Dieser Paragraph besagt, dass ein Notar den durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Amtspflichtverletzung entstandenen Schaden ersetzen muss. Eine solche Pflichtverletzung kann nicht nur in einem fehlerhaften Vertragstext liegen, sondern auch in einer falschen mündlichen Auskunft.
Allerdings ist die Notarhaftung subsidiär, das heißt, sie greift nur nachrangig. Gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO kann der Notar nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte auf andere Weise Ersatz für seinen Schaden erlangen kann. Diesen Punkt machte sich der beklagte Notar in seiner Verteidigung zu eigen. Er argumentierte, die Verkäuferin hätte sich gegen den Steuerbescheid wehren oder ihren Steuerberater in Regress nehmen können.
Die steuerrechtliche Grundlage des Konflikts bildet § 23 EStG. Dieses Gesetz regelt die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte, umgangssprachlich als „Spekulationssteuer“ bekannt. Die Regel ist einfach: Wer eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb wieder verkauft, muss den Gewinn daraus versteuern. Der exakte Stichtag für Beginn und Ende dieser Frist ist daher von enormer wirtschaftlicher Bedeutung.
Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?
Das Oberlandesgericht Köln schloss sich vollumfänglich der Argumentation des Landgerichts an und wies die Berufung des Notars als aussichtslos zurück. Die Richter zerlegten die Verteidigungsstrategie des Notars Punkt für Punkt und legten dar, warum jeder seiner Einwände ins Leere lief.
Die Faktenfrage: Was wurde im Notartermin wirklich gesagt?
Der Notar bestritt, die fehlerhafte Auskunft überhaupt gegeben zu haben. Er kritisierte die Beweiswürdigung des Landgerichts und bezeichnete die Aussagen der Zeugen – der beiden Käufer – als unglaubwürdig und möglicherweise abgesprochen. Das OLG erteilte dieser Argumentation eine klare Absage. Es verwies auf § 529 ZPO, der besagt, dass ein Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellung der ersten Instanz gebunden ist, solange keine konkreten Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen. Bloße Spekulationen reichen nicht aus.
Das Gericht fand die Aussagen der Zeugen im Gegenteil für besonders glaubhaft. Sie schilderten den Kern des Gesprächs übereinstimmend, wichen aber in unwesentlichen Details voneinander ab – ein klares Indiz dafür, dass sie ihre Aussagen eben nicht abgesprochen hatten. Zudem hatten die Zeugen, die ihre Wohnung ja bereits erworben hatten, kein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens. Die Tatsache, dass sich die Beteiligten auch nach drei Jahren noch an diese für sie wirtschaftlich so bedeutsame Auskunft erinnerten, hielt das Gericht für absolut lebensnah. Damit stand für die Richter fest: Der Notar hatte die falsche Auskunft erteilt und damit seine Amtspflicht verletzt.
Die Kausalitätsfrage: Führte die falsche Auskunft wirklich zum Schaden?
Der nächste Schritt war die Prüfung, ob diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Schaden war. Hätte die Verkäuferin anders gehandelt, wenn sie korrekt informiert worden wäre? Das Gericht bejahte dies uneingeschränkt. Es sei vollkommen nachvollziehbar und entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Verkäuferin angesichts einer drohenden Steuerlast von fast 50.000 Euro eine Beurkundung um wenige Wochen verschieben würde, um diese zu vermeiden. Da die Käufer bereits die Mieter der Wohnung waren, bestand auch kein besonderer Zeitdruck, der einer solchen Verschiebung entgegengestanden hätte. Die falsche Auskunft war also direkt für den finanziellen Schaden verantwortlich.
Der entscheidende juristische Knackpunkt: Wann gilt der Vertrag als geschlossen?
Der Kern der juristischen Verteidigung des Notars war das Argument einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit. Er behauptete, die Verkäuferin hätte erfolgreich Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen können. Seine Begründung: Der Kaufvertrag bedurfte der Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nach § 12 WEG. Bis zu dieser Genehmigung sei der Vertrag „Schwebend unwirksam“ gewesen. Für die Berechnung der Spekulationsfrist sei daher nicht das Datum der notariellen Beurkundung entscheidend, sondern der spätere Zeitpunkt der Genehmigung durch die WEG. Wäre dies korrekt, hätte die Verkäuferin die Zehnjahresfrist möglicherweise doch eingehalten.
Hier folgte das OLG Köln der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Für die Fristberechnung nach § 23 EStG kommt es auf den Zeitpunkt des schuldrechtlichen Vertragsabschlusses an – also den Tag der notariellen Beurkundung. Eine später erteilte Genehmigung durch Dritte, wie die WEG-Verwaltung, wirkt zivilrechtlich und steuerrechtlich auf diesen Zeitpunkt zurück. Es entsteht keine „Lücke“, die das maßgebliche Datum nach hinten verschiebt. Ein Einspruch gegen den Steuerbescheid wäre somit von vornherein aussichtslos gewesen. Folglich gab es für die Verkäuferin keine realistische anderweitige Ersatzmöglichkeit, die die Haftung des Notars nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO ausgeschlossen hätte.
Kein Mitverschulden: Warum die Verkäuferin dem Notar vertrauen durfte
Schließlich verwarf das Gericht auch den Gedanken eines Mitverschuldens der Verkäuferin. Der Notar ist als Träger eines öffentlichen Amtes eine absolute Vertrauensperson. Bürger müssen sich auf die Richtigkeit seiner Auskünfte verlassen können, ohne jede Aussage durch eigene Recherche oder die Hinzuziehung eines weiteren Experten überprüfen zu müssen. Das Gericht betonte einen wichtigen Unterschied: Hier ging es nicht darum, dass der Notar einen Hinweis unterlassen hatte, sondern darum, dass er eine aktiv falsche Auskunft erteilt hatte. Ein solches positives Tun wiegt rechtlich schwerer und begründet das schutzwürdige Vertrauen des Beteiligten in besonderem Maße.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?
Dieses Urteil des OLG Köln ist weit mehr als eine Einzelfallentscheidung. Es verdeutlicht grundlegende Prinzipien, die für jeden, der mit notariellen Dienstleistungen in Berührung kommt, von Bedeutung sind.
Die erste und wichtigste Lehre ist die enorme Tragweite des notariellen Wortes. Ein Notar ist nicht nur für das verantwortlich, was er beurkundet, sondern auch für das, was er im Rahmen seiner Betreuungspflichten sagt. Eine mündliche Auskunft zu steuerlichen Fragen, auch wenn sie nicht den Kern der Beurkundungstätigkeit darstellt, kann eine Amtspflichtverletzung sein und eine erhebliche Schadensersatzpflicht auslösen. Das Urteil stärkt das Vertrauen der Rechtsuchenden, dass sie sich auf die Expertise eines Notars verlassen dürfen.
Zweitens zeigt der Fall, dass die Hürden für einen Notar, sich aus der Haftung zu befreien, hoch sind. Der Verweis auf eine theoretische „anderweitige Ersatzmöglichkeit“ genügt nicht. Diese Alternative muss für den Geschädigten realistisch, zumutbar und erfolgversprechend sein. Das Gericht prüft sehr genau, ob ein vorgeschlagener Weg, wie hier der Einspruch gegen den Steuerbescheid, tatsächlich eine reelle Chance auf Erfolg gehabt hätte. War dies nicht der Fall, bleibt die Haftung des Notars bestehen.
Drittens bestätigt das Urteil eine für Immobilienverkäufer entscheidende steuerrechtliche Klarheit: Für die Berechnung der zehnjährigen Spekulationsfrist ist das Datum des notariellen Kaufvertrags maßgeblich. Spätere Genehmigungen, etwa durch eine WEG-Verwaltung, verschieben diesen Stichtag nicht. Wer also einen Verkauf nahe am Ende dieser Frist plant, muss auf den Tag genau auf das Datum der Beurkundung achten, um teure steuerliche Überraschungen zu vermeiden.
Die Urteilslogik
Das Wort eines Notars im Rahmen seiner Amtspflicht entfaltet auch bei mündlichen Auskünften eine immense rechtliche Verbindlichkeit und kann bei fehlerhafter Erteilung eine direkte Haftung auslösen.
- [Die Reichweite der Amtspflicht]: Die notarielle Amtspflicht erstreckt sich auf alle Auskünfte, die der Notar im Rahmen seiner Betreuungspflichten erteilt; eine aktive Falschauskunft zu steuerlichen Implikationen des Geschäfts begründet eine Haftung für den verursachten Schaden.
- [Ausschluss der Ersatzmöglichkeit]: Die subsidiäre Notarhaftung entfällt nur, wenn dem Geschädigten eine realistische und zumutbare alternative Ersatzmöglichkeit offensteht; ein juristisch aussichtsloser Weg, etwa ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid, genügt nicht, um die Haftung zu negieren.
- [Schutz des Vertrauensverhältnisses]: Der Beteiligte darf sich auf die Richtigkeit der aktiven fachlichen Auskunft eines Notars verlassen, ohne diese selbst überprüfen oder weitere Experten hinzuziehen zu müssen, wodurch ein Mitverschulden des Geschädigten ausgeschlossen wird.
Gerichte stellen die notarielle Pflicht, umfassend und fehlerfrei zu beraten, über die Eigenverantwortung des Klienten und bekräftigen die überragende Bedeutung des Vertrauens in die öffentliche Amtsführung.
Experten Kommentar
Ein Notartermin ist ein Akt des maximalen Vertrauens, doch dieses Urteil zeigt, wie schnell ein beiläufiger Satz zur Spekulationssteuer 50.000 Euro kosten kann. Das Gericht stellt klar: Gibt ein Notar aktiv eine falsche mündliche Auskunft, kann er sich nicht auf die Ausrede zurückziehen, der Mandant hätte die fehlerhafte Steuerlast selbst anfechten müssen. Die sogenannte Subsidiärhaftung schützt den Notar nur, wenn der „andere Weg“ realistisch und erfolgversprechend ist – hier war der Einspruch gegen das Finanzamt von vornherein aussichtslos. Für Immobilienverkäufer ist das wichtig, weil es das Vertrauen in die notarielle Amtspflicht festigt und die Haftungsgrenzen bei Falschberatung konsequent nach oben verschiebt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Haftet mein Notar für falsche mündliche Auskünfte zur Spekulationssteuer?
Ja, Notare haften uneingeschränkt für aktiv falsche mündliche Auskünfte, die sie im Rahmen ihrer Amtstätigkeit erteilen. Sie dürfen sich nicht darauf berufen, dass die Auskunft nur beiläufig war oder der steuerlichen Beratung diente. Eine solche Falschauskunft stellt eine Amtspflichtverletzung gemäß § 19 der Bundesnotarordnung (BNotO) dar. Bürger dürfen der Expertise eines Notars vertrauen, ohne die Aussage zur Spekulationssteuer selbst überprüfen zu müssen.
Die Gerichte bewerten ein aktives fehlerhaftes „positives Tun“ durch den Notar schwerer als die bloße Unterlassung eines Hinweises. Durch seine fachkundige Äußerung über die Spekulationssteuer begründet der Notar das schutzwürdige Vertrauen des Beteiligten. Die notarielle Betreuungspflicht schließt die korrekte Beantwortung konkreter Fragen im Beurkundungstermin mit ein. Die Haftung tritt ein, wenn die falsche Auskunft ursächlich für einen Schaden war, etwa wenn der Verkauf bei korrekter Belehrung verschoben worden wäre.
Ein Beispiel aus der Rechtsprechung (Oberlandesgericht Köln) belegt, dass der Versuch, dem Verkäufer ein Mitverschulden anzulasten, scheiterte. Da Notare Träger eines öffentlichen Amtes sind, sind Laien berechtigt, sich auf die Richtigkeit ihrer fachkundigen Informationen zu verlassen. Die Behauptung, der Notar habe lediglich eine unverbindliche Meinung geäußert, schützt ihn nicht vor den Folgen. Eine falsche mündliche Auskunft kann demnach eine erhebliche Schadensersatzpflicht gegenüber dem Geschädigten auslösen.
Verfassen Sie unverzüglich ein detailliertes Gedächtnisprotokoll des Beurkundungstermins, um die genauen Umstände der Falschauskunft festzuhalten.
Wann kann ich vom Notar Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung fordern?
Sie können Schadensersatz vom Notar fordern, wenn zwei strikte juristische Hürden überwunden werden: die Kausalität des Schadens und die sogenannte Subsidiärhaftung. Zunächst muss der Notar fahrlässig oder vorsätzlich eine seiner Amtspflichten verletzt haben, beispielsweise durch eine fehlerhafte Belehrung. Sie müssen beweisen, dass Sie ohne diesen Fehler den Schaden nachweislich vermieden hätten. Die Haftung des Notars ist dabei immer nur nachrangig vorgesehen.
Gerichte prüfen streng, ob diese Pflichtverletzung tatsächlich ursächlich für Ihren finanziellen Schaden war. Das bedeutet: Sie müssen glaubhaft machen, dass Sie bei korrekter Aufklärung nach der allgemeinen Lebenserfahrung anders gehandelt hätten. Hätten Sie beispielsweise angesichts einer drohenden Spekulationssteuer den Verkauf um wenige Wochen verschoben, gilt die Kausalität als erfüllt. Hierbei hilft der Nachweis, dass der steuerliche Aspekt für Ihre Verkaufsentscheidung von zentraler Bedeutung war.
Der zweite zentrale Punkt ist die Subsidiärhaftung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO. Diese Vorschrift legt fest, dass der Notar nur nachrangig haftet. Sie können den Notar erst in Regress nehmen, wenn Sie keine realistische und zumutbare Möglichkeit haben, den Schaden von Dritten zurückzuerhalten. Gab es beispielsweise einen erfolgversprechenden Weg, sich durch Einspruch gegen einen Steuerbescheid zu wehren, müssen Sie diesen zuerst beschreiten. Nur wenn alternative Wege aussichtslos erscheinen, greift die Notarhaftung.
Stellen Sie alle Dokumente und Korrespondenzen zusammen, die belegen, dass der fragliche Aspekt für Ihre Entscheidungsfindung zentral war, um die Kausalität zu beweisen.
Muss ich meinen Steuerschaden zuerst vom Steuerberater oder Finanzamt zurückholen?
Nein, Sie müssen keinen aussichtslosen Rechtsstreit mit anderen Beteiligten führen, bevor Sie den Notar in Anspruch nehmen. Die Notarhaftung ist zwar grundsätzlich subsidiär (§ 19 Abs. 1 S. 2 BNotO), doch die sogenannte anderweitige Ersatzmöglichkeit muss realistische Erfolgschancen bieten. War der Steuerbescheid rechtlich nicht anfechtbar, können Sie sich direkt an den Notar wenden.
Der Notar muss hohe Hürden überwinden, wenn er sich auf die Subsidiärhaftung berufen möchte. Er muss nachweisen, dass die Alternative, wie ein Einspruch gegen den Steuerbescheid, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre. Im Falle der Spekulationssteuer ist ein solcher Einspruch meist aussichtslos. Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) legt den Tag der notariellen Beurkundung als allein maßgeblichen Stichtag fest.
Wenn der Steuerbescheid des Finanzamts diese BFH-Rechtsprechung korrekt angewandt hat, gab es keine realistische Möglichkeit, den Schaden auf anderem Wege abzuwenden. Das Gericht prüft streng, ob die Alternative mehr als nur theoretisch war. Konkret: War der Schaden kausal auf die fehlerhafte Auskunft des Notars zurückzuführen und bestand keine Erfolgsaussicht gegen das Finanzamt, bleibt die direkte Haftung des Notars bestehen.
Lassen Sie Ihren Steuerbescheid unverzüglich von einem auf Steuerrecht spezialisierten Anwalt prüfen, um festzustellen, ob ein Einspruch gegen die Berechnung der Zehnjahresfrist eine reelle Chance auf Erfolg gehabt hätte.
Diese allgemeinen Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.
Wie muss ich die falsche Aussage des Notars vor Gericht beweisen?
Die größte Herausforderung in einem Notarhaftungsprozess ist es, die Beweislast zu erfüllen, da Ihr Wort gegen das eines Amtsträgers steht. Falsche mündliche Auskünfte des Notars beweisen Sie am wirksamsten durch die Zeugenaussagen unabhängiger Dritter. Solche Zeugen, zum Beispiel die Käufer im Rahmen eines Immobilienverkaufs, besitzen vor Gericht eine besonders hohe Glaubwürdigkeit. Richter messen der Neutralität dieser Aussagen eine entscheidende Bedeutung bei der Beweiswürdigung bei.
Ihr eigenes Gedächtnisprotokoll wird die Verteidigung des Notars leicht als parteilich abtun und reicht meist nicht als alleiniger Beweis. Daher ist die Aussage unbeteiligter Personen der Schlüssel, um die notarielle Amtspflichtverletzung nachzuweisen. Gerichte stufen Zeugen als besonders glaubwürdig ein, wenn sie kein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Haftungsprozesses haben. Das Berufungsgericht ist in der Regel an die Tatsachenfeststellung der ersten Instanz gebunden, solange keine klaren Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen.
Kontaktieren Sie alle anderen Terminteilnehmer, um deren Erinnerungen an die falsche Aussage festzuhalten. Für die Beweiskraft ist es sogar förderlich, wenn die Zeugenaussagen in unwesentlichen Details leicht voneinander abweichen. Dies sehen Richter als ein starkes Indiz dafür, dass keine vorherige Absprache stattgefunden hat. Die Kernaussage – dass der Notar beispielsweise die Spekulationssteuer thematisierte und fälschlicherweise als „kein Problem“ abtat – muss jedoch übereinstimmen.
Bitten Sie die anderen Beteiligten unverzüglich um eine kurze, neutrale schriftliche Bestätigung des Gesprächskerns, um frühzeitig wichtige Beweise zu sichern.
Diese allgemeinen Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.
Welches Datum ist für die 10-Jahres-Frist der Spekulationssteuer beim Verkauf entscheidend?
Die Regel ist eindeutig: Für die Zehnjahresfrist der Spekulationssteuer ist ausschließlich der Tag der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages maßgeblich. Dieses Datum definiert den Zeitpunkt des schuldrechtlichen Vertragsabschlusses. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in Bezug auf § 23 EStG beginnt oder endet die Frist exakt an diesem Stichtag.
Viele Verkäufer sind verunsichert, weil der Vertrag oft noch Genehmigungen Dritter erfordert. Konkret bedarf der Verkauf einer Eigentumswohnung häufig der Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nach § 12 WEG. Trotz solcher Genehmigungsvorbehalte bleibt das Datum, an dem die Unterschriften beim Notar geleistet wurden, der allein entscheidende Stichtag für die Fristberechnung.
Ein Beispiel: Die WEG-Verwaltung erteilt die notwendige Zustimmung erst einige Wochen nach der Beurkundung. Zivilrechtlich mag der Vertrag bis dahin noch schwebend unwirksam sein. Steuerrechtlich ist dieser Zustand unerheblich, denn die späteren Zustimmungen zurückwirken zwingend auf das Datum der Beurkundung. Die Gerichte lehnen das Argument, die Frist beginne wegen der fehlenden WEG-Genehmigung später, klar als unzutreffend ab.
Planen Sie den Notartermin bei Fristnähe vorsorglich mit einem Sicherheitspuffer von mindestens vier Wochen über das exakte 10-Jahres-Jubiläum des Kaufs hinaus.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Amtspflichtverletzung
Eine Amtspflichtverletzung liegt immer dann vor, wenn ein Notar oder ein anderer Amtsträger vorsätzlich oder fahrlässig gegen die ihm durch Gesetze und Verordnungen auferlegten, unparteiischen Pflichten verstößt. Diese Regelung im § 19 BNotO schützt Bürger, die auf die korrekte und sorgfältige Ausübung des öffentlichen Amtes vertrauen, und dient der Absicherung vor fehlerhaften Belehrungen oder Beurkundungen.
Beispiel: Weil der Notar aktiv eine falsche mündliche Auskunft zur Berechnung der Zehnjahresfrist erteilte, sah das Gericht darin eine klare Amtspflichtverletzung seiner notariellen Betreuungspflicht.
Beweiswürdigung
Als Beweiswürdigung bezeichnen Juristen den Prozess, in dem das Gericht die gesammelten Beweismittel, wie Urkunden oder Zeugenaussagen, hinsichtlich ihrer Glaubhaftigkeit und Überzeugungskraft bewertet und gewichtet. Dieses Verfahren ist die Grundlage für jede Tatsachenfeststellung im Prozess, da der Richter gemäß der Zivilprozessordnung (ZPO) nach seiner freien Überzeugung entscheiden muss, welche Fakten als bewiesen gelten.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Beweiswürdigung der ersten Instanz, weil die übereinstimmenden und in unwesentlichen Details voneinander abweichenden Aussagen der Käufer als Zeugen besonders glaubhaft erschienen.
Kausalität
Die Kausalität beschreibt im Haftungsrecht den notwendigen ursächlichen Zusammenhang: Der entstandene Schaden muss eine direkte Folge der Pflichtverletzung sein, die ohne diese Verletzung nachweislich nicht entstanden wäre. Das Gesetz verlangt, dass die schädigende Handlung hinweggedacht werden müsste, um festzustellen, ob der Geschädigte dann anders gehandelt und den Schaden vermieden hätte.
Beispiel: Das Gericht bejahte die Kausalität, weil die Verkäuferin den notariellen Kaufvertrag mit Sicherheit um einige Wochen verschoben hätte, wenn ihr die drohende Spekulationssteuer korrekt mitgeteilt worden wäre.
Schwebend unwirksam
Ein Kaufvertrag wird als schwebend unwirksam bezeichnet, wenn er zwar von den Parteien unterzeichnet, seine endgültige zivilrechtliche Wirksamkeit aber noch von einer Bedingung, meist der obligatorischen Zustimmung einer dritten Partei, abhängt. Bis zum Eintritt dieser Bedingung, etwa der Genehmigung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), ist der Vertrag rechtlich in einer Art Schwebezustand, der die Interessen des Zustimmungsgebers schützt.
Beispiel: Der Kaufvertrag über die Eigentumswohnung war gemäß § 12 WEG zunächst schwebend unwirksam, bis die Verwaltung die notwendige Genehmigung erteilt hatte, was jedoch für die steuerrechtliche Fristberechnung unerheblich war.
Spekulationssteuer
Umgangssprachlich als Spekulationssteuer bekannt ist die Besteuerung des Gewinns, der aus einem privaten Veräußerungsgeschäft resultiert, wenn eine Immobilie innerhalb der gesetzlich festgelegten Zehnjahresfrist wieder verkauft wird. Geregelt ist diese Besteuerung in § 23 EStG, wodurch der Gesetzgeber kurzfristige, auf Gewinn ausgerichtete Immobiliengeschäfte besteuern will, während langfristiger Besitz steuerfrei bleibt.
Beispiel: Die Verkäuferin der Wohnung wollte sicherstellen, dass sie die Spekulationssteuer in Höhe von fast 50.000 Euro legal vermied, weshalb sie sich die genaue Fristberechnung direkt im Notartermin bestätigen ließ.
Subsidiärhaftung
Subsidiärhaftung meint, dass die Haftung des Notars nachrangig ist; der Geschädigte muss zuerst alle anderen realistischen Wege beschreiten, um seinen Schaden von Dritten ersetzt zu bekommen. Diese Regelung in der Bundesnotarordnung soll das öffentliche Amt des Notars entlasten, indem seine Haftung nur dann greift, wenn eine anderweitige Ersatzmöglichkeit definitiv aussichtslos oder unzumutbar ist.
Beispiel: Der Notar versuchte, sich durch Berufung auf die Subsidiärhaftung zu entlasten, da die Verkäuferin theoretisch Einspruch gegen den Steuerbescheid hätte einlegen können, was das OLG jedoch aufgrund gefestigter BFH-Rechtsprechung als erfolglos bewertete.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Köln – Az.: 7 U 139/20 – Beschluss vom 12.07.2021
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