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Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Gerichtsurteil: Korrekte Notargebühren für Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments
- ✔ Der Fall vor dem LG Arnsberg
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Was ist ein gemeinschaftliches Testament und wie unterscheidet es sich von einem Einzeltestament?
- Unter welchen Umständen kann ein gemeinschaftliches Testament widerrufen werden?
- Welche Notargebühren fallen bei der Errichtung und beim Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments an?
- Welche Rolle spielt der Geschäftswert bei der Berechnung der Notargebühren für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments?
- Gibt es unterschiedliche Gebühren für den gemeinschaftlichen und den einseitigen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom LG Arnsberg
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Es ging um die Notargebühren für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments.
- Die Antragstellerin ist eine Notarin, die eine Kostenrechnung für ihre Tätigkeit erstellt hatte.
- Ein Beteiligter beanstandete diese Kostenrechnung und es gab die Frage, welche Gebühr angesetzt werden sollte.
- Die Unsicherheit lag darin, ob eine Gebühr nach KV Nr. 21201 Nr. 1 oder Nr. 21100 GNotKG korrekt ist.
- Das Gericht bestätigte die Kostenrechnung der Notarin und erklärte sie für berechtigt.
- Das Gericht entschied gerichtsgebührenfrei und ohne Erstattung von Auslagen.
- Die Entscheidung basiert auf der Bewertung der bestehenden Gebührenordnung.
- Die Auswirkungen sind, dass die Notarin ihre Kostenrechnung unverändert belassen darf.
- Der Fall klärt die Rechtslage bezüglich der zu berechnenden Gebühr für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments.
- Die Entscheidung hilft, Unsicherheit und Streitigkeiten über Notargebühren in ähnlichen Fällen zu vermeiden.
Gerichtsurteil: Korrekte Notargebühren für Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments
Ein gemeinschaftliches Testament ist eine rechtlich komplexe Angelegenheit. Zwei oder mehr Personen, häufig Ehepartner, können darin ihre gegenseitigen Erbansprüche regeln. Wenn einer der Erblasser verstirbt, tritt das Testament in Kraft und bestimmt die Nachfolge. In manchen Fällen kann es jedoch notwendig sein, das gemeinsame Testament zu widerrufen. Hierfür fallen Notargebühren an, deren Höhe von verschiedenen Faktoren abhängt. Wie genau diese Gebühren berechnet werden und wann ein Widerruf sinnvoll sein kann, erläutert der folgende Beitrag anhand eines konkreten Gerichtsfalls.
✔ Der Fall vor dem LG Arnsberg
Gemeinschaftlicher Widerruf eines privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments
Die Notarin beurkundete am 07.04.2020 die gemeinschaftliche Aufhebung eines privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments, welches der Beteiligte zu 2) und seine Ehefrau unter dem 28.08.2017 errichtet hatten. Für ihre Tätigkeit übersandte die Notarin dem Beteiligten zu 2) eine Kostenrechnung, bei der sie einen Gegenstandswert von 547.000 EUR zugrunde legte und eine Gebühr nach KV Nr. 21202 GNotKG i.H.v. 507,50 EUR in Ansatz brachte.
Bei einer Geschäftsprüfung durch den Beteiligten zu 3) als vorgesetzte Dienstbehörde wurde darauf hingewiesen, dass für diese Beurkundung auch eine Gebühr nach KV Nr. 21100 GNotKG hätte abgerechnet werden können. Es bestand Unklarheit darüber, ob für den gemeinschaftlichen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments eine Gebühr nach Nr. 21201 Nr. 1 KV GNotKG oder nach Nr. 21100 KV GNotKG anzusetzen ist.
Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Kostenrechnung
Auf Anweisung des Beteiligten zu 3) stellte die Notarin als Beteiligte zu 1) einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 130 Abs. 2, 127 GNotKG zu der Kostenrechnung Nr. 0000007. Sie vertrat die Ansicht, dass für den gemeinsamen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments eine Gebühr nach Nr. 21201 Nr.1 KV GNotKG abzurechnen sei. Der Beteiligte zu 3) teilte diese Auffassung.
Umstrittene Rechtsfrage zur anzuwendenden Gebührenvorschrift
In der Literatur ist umstritten, ob bei einem gemeinsamen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testamentes eine Gebühr nach 21100 oder nach 21201 KV GNotKG anzusetzen ist:
- Teilweise wird die Auffassung vertreten, der gemeinschaftliche Widerruf stelle keinen einseitigen Widerruf im Sinne von 21201 Nr. 1 KV GNotKG dar, weshalb eine Beurkundungsgebühr nach 21100 KV GNotKG anzusetzen sei.
- Die Gegenmeinung, der sich die Kammer anschloss, sieht KV 21201 Nr. 1 GNotKG auch beim gemeinsamen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testamentes als anwendbar an. Denn rechtstechnisch handelt es sich bei einem gemeinschaftlichen Testament um doppelt einseitige Verfügungen von Todes wegen. Die Aufhebung stellt damit den gleichzeitigen Widerruf von jeweils einseitigen Verfügungen von Todes wegen dar, was die reduzierte Gebühr Nr. 21201 Nr. 1 KV GNotKG rechtfertigt.
Gerichtliche Bestätigung der Kostenrechnung der Notarin
Das Gericht bestätigte die Kostenrechnung der Notarin vom 09.04.2020. Es waren weder formelle noch materielle Beanstandungen vorzunehmen:
- Die Rechnung entsprach formell den Anforderungen nach § 19 Abs. 2 und 3 GNotKG.
- Der Geschäftswert war mit 547.000 EUR, dem Vermögen des Beteiligten zu 2) und seiner Ehefrau, zutreffend angesetzt worden.
- Es war nicht zu beanstanden, dass die Notarin für die gemeinsame Aufhebung des privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments eine Gebühr nach 21201 KV GNotKG erhoben hatte.
Die Entscheidung erging gerichtsgebührenfrei, Auslagen wurden nicht erstattet.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung klärt eine bisher umstrittene Rechtsfrage zu den Notargebühren beim gemeinschaftlichen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments. Das Gericht bestätigt, dass die reduzierte Gebühr nach Nr. 21201 KV GNotKG anzuwenden ist, da es sich rechtstechnisch um den gleichzeitigen Widerruf von doppelt einseitigen Verfügungen von Todes wegen handelt. Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit für die notarielle Praxis und trägt zu einer einheitlichen Anwendung der Gebührenvorschriften in solchen Fällen bei.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie ein gemeinschaftliches Testament widerrufen möchten, können Sie nun sicher sein, dass die Notargebühren dafür nach einem niedrigeren Satz berechnet werden. Das Gericht hat bestätigt, dass der gemeinsame Widerruf eines Testaments rechtlich als zwei einzelne Widerrufe betrachtet wird. Dadurch fallen geringere Kosten an, als wenn es sich um eine einzelne Handlung handeln würde. Dies kann Ihnen helfen, die Kosten für die Änderung Ihrer letztwilligen Verfügung besser einzuschätzen und zu planen.
Beachten Sie jedoch, dass die Höhe der Notargebühren auch von anderen Faktoren abhängt, wie dem Wert Ihres Nachlasses. Es ist daher ratsam, sich vor dem Widerruf eines Testaments von einem Notar oder Rechtsanwalt beraten zu lassen, um die genauen Kosten zu ermitteln und mögliche rechtliche Fragen zu klären.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Interessieren Sie sich für die Notargebühren beim Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments? Dann sind Sie hier genau richtig! In unserer informativen FAQ-Sektion finden Sie alle wichtigen Antworten rund um dieses Thema. Lernen Sie die rechtlichen Grundlagen und Hintergründe kennen, die für dieses Urteil relevant waren. Nutzen Sie diese hilfreichen Informationen, um Ihre Fragen zu diesem Thema zu klären und eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Lassen Sie sich inspirieren und vertiefen Sie Ihr Verständnis – unsere FAQ-Sektion steht Ihnen dafür zur Verfügung!
- Was ist ein gemeinschaftliches Testament und wie unterscheidet es sich von einem Einzeltestament?
- Unter welchen Umständen kann ein gemeinschaftliches Testament widerrufen werden?
- Welche Notargebühren fallen bei der Errichtung und beim Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments an?
- Welche Rolle spielt der Geschäftswert bei der Berechnung der Notargebühren für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments?
- Gibt es unterschiedliche Gebühren für den gemeinschaftlichen und den einseitigen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments?
Was ist ein gemeinschaftliches Testament und wie unterscheidet es sich von einem Einzeltestament?
Ein gemeinschaftliches Testament ist eine gemeinsame Verfügung von Todes wegen, die von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet wird. Im Gegensatz dazu ist ein Einzeltestament die letztwillige Verfügung einer einzelnen Person.
Beim gemeinschaftlichen Testament setzen sich die Ehegatten in der Regel gegenseitig als Alleinerben ein. Erst nach dem Tod des Letztversterbenden erben die Kinder oder andere Personen. Dadurch bleibt das Vermögen zunächst ungesplittet beim überlebenden Ehegatten. Ein Einzeltestament enthält hingegen nur die Verfügungen einer Person für den eigenen Todesfall.
Ein wesentlicher Unterschied ist die Bindungswirkung. Beim gemeinschaftlichen Testament sind die Ehegatten aneinander gebunden – wechselbezügliche Verfügungen können nur gemeinsam geändert werden. Ein Einzeltestament ist dagegen frei widerruflich. Allerdings kann auch ein gemeinschaftliches Testament zu Lebzeiten beider Partner einseitig widerrufen werden, wenn der Widerruf notariell beurkundet und dem anderen Ehegatten zugestellt wird.
Ein Vorteil des gemeinschaftlichen Testaments ist, dass der überlebende Ehegatte finanziell abgesichert ist und das Vermögen uneingeschränkt nutzen kann. Nachteilig kann sich die Bindungswirkung auswirken, wenn sich die Lebensverhältnisse ändern. Auch kann nur ein Freibetrag bei der Erbschaftssteuer genutzt werden.
Beim Einzeltestament ist der Erblasser flexibler, muss aber bedenken, dass der andere Ehegatte von Änderungen nichts erfährt. Zudem greift der Schutz des Pflichtteilsrechts erst mit Eintritt der Bindungswirkung beim gemeinschaftlichen Testament.
Welche Variante sinnvoll ist, hängt von den individuellen Umständen ab. Wichtig ist, sich der Vor- und Nachteile bewusst zu sein und sich beraten zu lassen, um die passende Lösung zu finden.
Unter welchen Umständen kann ein gemeinschaftliches Testament widerrufen werden?
Ein gemeinschaftliches Testament kann unter folgenden Umständen widerrufen werden:
Zu Lebzeiten beider Ehegatten:
- Durch ein neues gemeinschaftliches Testament
- Durch ein gemeinschaftliches Widerrufstestament
- Durch gemeinsame Rücknahme des notariellen Testaments aus amtlicher Verwahrung
- Durch gemeinsame Vernichtung des Testaments
Ein Ehepartner alleine kann seine wechselbezüglichen Verfügungen (z.B. gegenseitige Erbeinsetzung) auch einseitig widerrufen, indem er eine notariell beurkundete Widerrufserklärung gegenüber dem anderen Ehegatten abgibt. Diese wird aber erst wirksam, wenn sie dem anderen zugeht.
Nach dem Tod eines Ehegatten:
- Der überlebende Ehepartner ist in seiner Testierfreiheit eingeschränkt und kann von den wechselbezüglichen Verfügungen nicht mehr abweichen.
- Ausnahme: Wenn der Überlebende die Erbschaft ausschlägt, kann er frei über sein Vermögen verfügen.
- Spätere Verfügungen, die den wechselbezüglichen Verfügungen widersprechen, sind unwirksam.
Einseitige Verfügungen eines Ehegatten können jederzeit frei widerrufen werden, z.B. durch Widerrufstestament, widersprechendes Testament oder Vernichtung.
- Gemeinschaftliches Testament bei Scheidung unwirksam:
- Eine letztwillige Verfügung wird unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod geschieden wurde.
- Ausnahme: Wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch im Fall einer Scheidung getroffen hätte.
Für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments fallen Notargebühren an, die sich nach dem Wert des Nachlasses richten. Bei einem Nachlasswert von 500.000 Euro betragen die Kosten für den Widerruf rund 560 Euro.
Welche Notargebühren fallen bei der Errichtung und beim Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments an?
Bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments fallen für den Notar nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) Gebühren an. Diese richten sich nach dem Wert des Vermögens, über das im Testament verfügt wird (modifiziertes Reinvermögen). Für die Beurkundung eines gemeinschaftlichen Testaments erhebt der Notar eine 2,0-fache Gebühr (Nr. 21100 KV GNotKG). Zusätzlich können noch eine Dokumentenpauschale, Auslagen und Umsatzsteuer anfallen.
Beispiel: Bei einem modifizierten Reinvermögen von 200.000 € beträgt die reine Beurkundungsgebühr für ein gemeinschaftliches Testament 670 €. Hinzu kommen noch weitere Kosten, sodass die Gesamtkosten etwa 800 € betragen können.
Möchte man ein bestehendes gemeinschaftliches Testament widerrufen, so kann man dies grundsätzlich kostenfrei durch Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung tun (§ 2256 BGB). Errichtet man stattdessen mit Hilfe des Notars ein ausdrückliches Widerrufstestament, so erhält der Notar dafür nach Nr. 21201 KV GNotKG eine halbe Gebühr. Wird mit dem Widerruf gleichzeitig ein neues Testament erstellt, so kann der Notar seine Gebühren nach dem höheren der beiden Geschäftswerte (Widerruf oder Neuerstellung) berechnen.
Welche Rolle spielt der Geschäftswert bei der Berechnung der Notargebühren für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments?
Der Geschäftswert spielt eine entscheidende Rolle bei der Berechnung der Notargebühren für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments. Er bildet die Grundlage für die Gebührenberechnung und bestimmt maßgeblich deren Höhe.
Unter dem Geschäftswert versteht man das Reinvermögen des Erblassers, also die Summe aller Vermögenswerte abzüglich der Verbindlichkeiten. Dabei werden Schulden jedoch nur bis zur Hälfte des Aktivvermögens berücksichtigt.
Bei einem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute errechnet sich der Geschäftswert aus dem Reinvermögen beider Ehegatten. Für den Widerruf eines solchen Testaments darf der Notar seine Gebühren nach dem höheren Wert berechnen – entweder dem des Widerrufs oder dem der Neuerstellung.
Je höher der Nachlasswert, desto höher fallen auch die Notargebühren aus. Bei einem Vermögen von 50.000 Euro betragen die Kosten für den Widerruf rund 100 Euro, bei 500.000 Euro ca. 560 Euro und bei 1 Million Euro ca. 1.040 Euro.
Neben der Gebühr, die sich aus dem Geschäftswert errechnet, kommen noch Auslagen wie eine Dokumentenpauschale, Kosten für die Registrierung im Zentralen Testamentsregister und die gesetzliche Umsatzsteuer hinzu.
Gibt es unterschiedliche Gebühren für den gemeinschaftlichen und den einseitigen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments?
Ja, es gibt Unterschiede bei den Notargebühren für den gemeinschaftlichen und den einseitigen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments.
Für den gemeinschaftlichen Widerruf durch beide Ehegatten darf der Notar nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) eine 0,5-fache Gebühr berechnen. Die genaue Höhe richtet sich nach dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Widerrufs.
Beispielsweise betragen die Notarkosten für den gemeinschaftlichen Widerruf eines Nachlasses von 5.000 Euro 37,50 Euro. Bei einem Nachlass von 100.000 Euro erhöhen sich die Kosten auf 136,50 Euro.
Hingegen ist ein einseitiger Widerruf durch nur einen Ehegatten nur möglich, indem eine notariell beurkundete Widerrufserklärung dem anderen Ehegatten zugestellt wird. Auch hier darf der Notar eine 0,5-fache Gebühr erheben.
Wird das Testament nicht nur widerrufen, sondern auch ein neues Testament errichtet, kann der Notar seine Gebühr nach dem höheren Geschäftswert berechnen – entweder dem des Widerrufs oder dem der Neuerstellung. Kommen bei dem neuen Testament zusätzliche Verfügungen hinzu, darf der Notar die 1,0-fache Gebühr (bei einem Ehegattentestament die 2,0-fache) nochmals verlangen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 2265 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Ein gemeinschaftliches Testament ist eine besondere Form des Testaments, die Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner gemeinsam verfassen. Hier wird geregelt, wer welche Verfügungen treffen kann und unter welchen Bedingungen diese Testamente widerrufen werden können.
- § 2271 BGB (Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung): Dieser Paragraph beschreibt die Bedingungen, unter denen eine wechselbezügliche Verfügung im gemeinschaftlichen Testament widerrufen werden kann. Ein Widerruf ist meist nur gemeinsam möglich oder nach dem Tod eines Ehegatten durch besondere Erklärungen.
- § 19 GNotKG (Kostenverzeichnis nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz): Hier sind die allgemeinen Grundsätze für die Erstellung von Notarkostenrechnungen beschrieben. Die formellen Anforderungen müssen erfüllt sein, damit die Kostenrechnung gültig ist.
- KV Nr. 21100 GNotKG (Beurkundung sonstiger Erklärungen): Diese Kostenverordnung regelt die Gebühren für die Beurkundung sonstiger Erklärungen durch den Notar. Dies könnte im Kontext eines einseitigen Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments relevant sein.
- KV Nr. 21202 GNotKG (Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments): Diese Vorschrift beschreibt spezielle Gebühren für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments. In der Entscheidung des LG Arnsberg wurde geklärt, dass diese Gebühr korrekt angewendet wurde.
- § 130 und § 127 GNotKG (gerichtliche Überprüfung von Notarkosten): Diese Paragraphen regeln die Möglichkeiten und Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung von Notarkostenrechnungen. Die Notarin stellte hier einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezüglich der strittigen Kostenrechnung.
- Gebühr nach KV Nr. 21201 Nr. 1 GNotKG (Errichtung und Widerruf eines Erbvertrags und eines gemeinschaftlichen Testaments): Dieser spezielle Gebührensatz kommt zur Anwendung, wenn es um die Beurkundung oder den Widerruf von gemeinschaftlichen Testamenten geht. Es gibt hier eine Streitfrage, ob dieser oder ein anderer Gebührensatz angewendet werden soll.
⇓ Das vorliegende Urteil vom LG Arnsberg
LG Arnsberg – Az.: 5 OH 10/22 – Beschluss vom 13.10.2022
Auf den durch die Beteiligte zu 1) gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 18.07.2022 wird die Kostenrechnung der Antragstellerin vom 09.04.2020 (Kostenberechnung Nr. 0000007) bestätigt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Notarin mit Amtssitz in N.
Sie beurkundete am 07.04.2020 zu ihrer Urkundenrolle Nr. 000 für das Jahr 2020 die gemeinschaftliche Aufhebung eines privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments, welches der Beteiligte zu 2) und seine Ehefrau unter dem 28.08.2017 errichtet hatten. Unter dem 09.04.2020 übersandte die Notarin dem Beteiligten zu 2) für ihre Tätigkeit die Kostenrechnung mit der Nr. 0000007, bei der sie einen Gegenstandswert von 547.000 EUR zugrunde legte und eine Gebühr nach KV Nr. 21202 GNotKG i.H.v. 507,50 EUR in Ansatz brachte.
Am 16.02.2022 fand bei der Notarin eine Geschäftsprüfung durch den Beteiligten zu 3) als vorgesetzte Dienstbehörde statt, im Rahmen derer der Kostenprüfer darauf hinwies, dass für die o.g. Beurkundung auch eine Gebühr nach KV Nr. 21100 GNotKG hätte abgerechnet werden können. Mit Schreiben vom 04.07.2022 wurde die Notarin vom Beteiligten zu 3) als gebeten, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 130 Abs. 2, 127 GNotKG zu stellen, weil in der Literatur umstritten sei, ob für den gemeinschaftlichen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments eine Gebühr nach Nr. 21201 Nr. 1 KV GNotKG oder nach Nr. 21100 KV GNotKG anzusetzen sei.
Auf diese Anweisung hin hat die Beteiligte zu 1) unter dem 18.07.2022 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu der dem Antrag beigefügten Kostenrechnung Nr. 0000007 gestellt.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, für den gemeinsamen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments sei eine Gebühr nach Nr. 21201 Nr.1 KV GNotKG abzurechnen.
Sie beantragt sinngemäß, ihre Kostenrechnung vom 09.04.2020 (Nr. 0000007) für berechtigt zu erklären.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben keine Anträge gestellt.
Der Beteiligte zu 3) hält ebenfalls den Ansatz einer Gebühr nach KV 21201 Nr. 1 GNotKG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der gemäß §§ 130 Abs. 2, 127 GNotKG zulässige Antrag der Beteiligten zu 1) vom 18.07.2022 ist begründet und führt zu einer Bestätigung ihrer dem Beteiligten zu 2) erteilten Kostenrechnung vom 09.04.2020 (Nr. 0000007).
Die Kostenrechnung ist weder in formeller noch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Sie entspricht formell den Anforderungen nach § 19 Abs. 2 und 3 GNotKG. Das Verfahren bzw. Geschäft wird bezeichnet und die Wertvorschriften, aus denen sich der Geschäftswert für die jeweilige Gebühr ergibt, sind angegeben.
Der Geschäftswert in der Rechnung ist mit 547.000 EUR zutreffend angesetzt worden, da dieser Wert das Vermögen des Beteiligten zu 2) und seiner Ehefrau darstellt.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Notarin für die gemeinsame Aufhebung eines privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments eine Gebühr nach 21201 KV GNotKG erhoben hat.
Zutreffend hat der Beteiligte zu 3) im Verfahren darauf hingewiesen, dass in der Literatur umstritten ist, ob bei einem gemeinsamen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testamentes eine Gebühr nach 21100 oder nach 21201 KV GNotKG anzusetzen ist.
So wird teilweise (vgl. Diehn, Notarkostenberechnungen, 8. Aufl. 2022 Rn. 1724 ff.) die Auffassung vertreten, der gemeinschaftliche Widerruf eines gemeinschaftlichen Testamentes stelle keinen einseitigen Widerruf im Sinne von 21201 Nr. 1 KV GNotKG dar, weshalb eine Beurkundungsgebühr nach 21100 KV GNotKG anzusetzen sei.
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer jedoch nicht an.
Vielmehr teilt sie die Ansicht, nach der KV 21201 Nr. 1 GNotKG auch beim gemeinsamen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testamentes gilt (so Uhl in: Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, GNotKG KV 21200 Rn. 7; Macht in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, KV GNotKG Nr. 21200-21201, Rn. 21). Denn rechtstechnisch handelt es sich bei einem gemeinschaftlichen Testament um doppelt einseitige Verfügungen von Todes wegen (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, Vor § 2265, Rn. 1).Die Aufhebung eines gemeinschaftlichen Testamentes stellt damit den gleichzeitigen Widerruf von jeweils einseitigen Verfügungen von Todes wegen dar, weshalb die reduzierte Gebühr Nr. 21201 Nr. 1 KV GNotKG gerechtfertigt ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG i.V.m. § 81 FamFG.