Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Grundsatzentscheidung zu Notarkosten bei Geschäftsunfähigkeit
- Streit um die Kostenberechnung: Der Weg durch die Instanzen
- Bundesgerichtshof hebt Urteil auf: Zahlungspflicht trotz Geschäftsunfähigkeit
- Rechtlicher Kernkonflikt: Schutz des Geschäftsunfähigen versus Notarpflichten
- Bedeutung der Entscheidung für Betroffene: Notare und Klienten
- Ausblick: Neubewertung durch das Kammergericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet Geschäftsunfähigkeit im rechtlichen Sinne und wie wird sie festgestellt?
- Unter welchen Umständen kann ein Geschäftsunfähiger trotzdem für Notarkosten haftbar gemacht werden?
- Welche Rolle spielt die Erkennbarkeit der Geschäftsunfähigkeit für die Frage der Kostentragungspflicht?
- Was sind die rechtlichen Konsequenzen, wenn ein Vertrag mit einem Geschäftsunfähigen geschlossen wurde?
- Wie kann ich mich als Laie vor finanziellen Risiken schützen, wenn ich mit älteren oder erkrankten Personen Verträge abschließe?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: IV ZB 37/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Bundesgerichtshof (IV. Zivilsenat)
- Datum: 26. Februar 2025
- Aktenzeichen: IV ZB 37/24
- Verfahrensart: Rechtsbeschwerde
- Rechtsbereiche: Notarkostenrecht (Gerichts- und Notarkostengesetz – GNotKG)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Frau, die als geschäftsunfähig galt und ursprünglich die Aufhebung einer Notarkostenrechnung beantragte.
- Beklagte: Ein Notar, der die Kostenrechnung erstellt hatte und Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung der Vorinstanz einlegte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Frau suchte im August 2021 den Notar auf. Sie beabsichtigte, ihren ehemaligen Bankberater zu adoptieren, ihn zum Alleinerben einzusetzen und ihm eine umfassende Vollmacht zu erteilen. Nach mehreren Beratungsterminen teilte sie dem Notar im September 2021 mit, dass sie von dem Vorhaben Abstand nimmt. Der Notar stellte daraufhin im Dezember 2021 eine Kostenrechnung über 3.531,32 EUR aus, basierend auf einer Beratungsgebühr. Die Frau beantragte beim Landgericht erfolgreich die Aufhebung dieser Rechnung. Der Notar legte Beschwerde ein und änderte die Begründung seiner Kostenrechnung (nun basierend auf der vorzeitigen Beendigung eines Beurkundungsverfahrens). Das Kammergericht wies die Beschwerde des Notars zurück. Dagegen legte der Notar Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der Notar für seine Tätigkeit (Beratung bzw. Vorbereitung einer Beurkundung, die dann nicht stattfand) eine Gebühr nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz verlangen darf und auf welcher Rechtsgrundlage (Beratungsgebühr oder Gebühr für die vorzeitige Beendigung eines Beurkundungsverfahrens).
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Kammergerichts vom 19. März 2024 aufgehoben.
- Folgen: Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen. Das Kammergericht muss nun erneut prüfen und entscheiden und dabei auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bestimmen.
Der Fall vor Gericht
Grundsatzentscheidung zu Notarkosten bei Geschäftsunfähigkeit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem viel beachteten Beschluss (Az.: IV ZB 37/24) vom 26. Februar 2025 eine wichtige Frage geklärt: Muss eine Person, die geschäftsunfähig ist, aber deren Zustand für einen Notar nicht erkennbar war, die durch ihre Beauftragung entstandenen Notarkosten tragen? Das höchste deutsche Zivilgericht bejahte dies und hob eine anderslautende Entscheidung des Kammergerichts Berlin auf.
Die Vorgeschichte begann im August 2021. Eine Frau, deren Geschäftsunfähigkeit später festgestellt wurde, suchte einen Notar auf. Sie verfolgte weitreichende Pläne: die Adoption ihres ehemaligen Bankberaters, dessen Einsetzung als Alleinerbe und die Ausstellung einer umfassenden Vollmacht für ihn. Der Notar führte daraufhin mehrere Beratungsgespräche mit ihr durch.
Nachdem die Frau dem Notar im September 2021 mitteilte, dass sie von ihren Vorhaben Abstand nehme, stellte dieser ihr die entstandenen Kosten in Rechnung. Die Kostenberechnung vom 6. Dezember 2021 belief sich auf 3.531,32 Euro. Als Grundlage diente eine Beratungsgebühr, berechnet aus einem angenommenen Geschäftswert von 3,6 Millionen Euro.
Streit um die Kostenberechnung: Der Weg durch die Instanzen
Die Frau, beziehungsweise ihre rechtliche Vertretung, beantragte die Aufhebung der Kostenberechnung beim Landgericht. Sie argumentierte mit ihrer Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Beauftragung. Das Landgericht folgte dieser Argumentation und hob mit Beschluss vom 8. Juni 2022 die Kostenberechnung auf. Es ging davon aus, dass der Beratungsauftrag wegen der Geschäftsunfähigkeit nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig sei.
Gegen diese Entscheidung legte der Notar Beschwerde beim Kammergericht ein. Im Beschwerdeverfahren legte er vorsorglich eine alternative Begründung für seine Forderung vor. Er stützte den Betrag nun hilfsweise auf eine Gebühr für die vorzeitige Beendigung eines Beurkundungsverfahrens (Nr. 21301 KV GNotKG), behielt aber die ursprüngliche Summe bei.
Das Kammergericht wies die Beschwerde des Notars jedoch zurück. Es vertrat die Auffassung, dass die Geschäftsunfähigkeit der Frau gemäß § 104 Nr. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) jeglichen Kostenanspruch des Notars ausschließe. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um eine reine Beratung oder ein abgebrochenes Beurkundungsverfahren handele. Die Schutzvorschriften für Geschäftsunfähige (§§ 104 ff. BGB) seien auch im öffentlichen Recht anzuwenden.
Bundesgerichtshof hebt Urteil auf: Zahlungspflicht trotz Geschäftsunfähigkeit
Der Notar gab sich damit nicht zufrieden und legte Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Dieser folgte nun der Argumentation des Notars und hob die Entscheidung des Kammergerichts auf. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen.
Der BGH stellte klar, dass die ursprüngliche Kostenberechnung vom Dezember 2021 die Grundlage des Verfahrens bildet. Die spätere Einreichung einer alternativ begründeten Berechnung änderte daran nichts, sondern diente lediglich dazu, den Anspruch auf eine andere Rechtsgrundlage zu stützen.
Kern der BGH-Entscheidung: Haftung nach GNotKG
Entscheidend ist die rechtliche Bewertung des BGH zur Kostenhaftung. Entgegen der Ansicht des Kammergerichts besteht grundsätzlich eine Zahlungspflicht des Auftraggebers nach § 29 Nr. 1 GNotKG (Gerichts- und Notarkostengesetz), auch wenn dieser geschäftsunfähig war – vorausgesetzt, die Geschäftsunfähigkeit war für den Notar nicht erkennbar.
Der BGH schloss sich damit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an. Diese besagt, dass eine Person, deren Geschäftsunfähigkeit für den Notar nicht offensichtlich ist, die durch ihre Beauftragung ausgelösten Kosten tragen muss. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Notar aufgrund seiner Amtspflichten tätig werden musste.
Rechtlicher Kernkonflikt: Schutz des Geschäftsunfähigen versus Notarpflichten
Im Zentrum des Falles steht der Konflikt zwischen zwei wichtigen Rechtsprinzipien. Einerseits sollen die Vorschriften über die Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) Menschen schützen, die die Tragweite ihrer Handlungen nicht voll erfassen können. Verträge, die sie schließen, sind in der Regel nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB).
Andererseits unterliegen Notare als Träger eines öffentlichen Amtes bestimmten Pflichten. Gemäß § 15 BNotO (Bundesnotarordnung) sind sie grundsätzlich verpflichtet, ihre Amtstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund zu verweigern. Eine nicht erkennbare Geschäftsunfähigkeit stellt in der Regel keinen solchen Grund dar.
Der BGH wog diese Prinzipien ab. Er kam zu dem Schluss, dass der Schutz des Geschäftsunfähigen nicht so weit reicht, dass er einen Notar, der gutgläubig und in Erfüllung seiner Amtspflichten tätig wurde, auf den Kosten sitzen lässt. Die Kostenhaftung nach § 29 Nr. 1 GNotKG greift hier als spezielle Regelung.
Bedeutung der Entscheidung für Betroffene: Notare und Klienten
Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat erhebliche praktische Bedeutung für mehrere Gruppen.
Für Notarinnen und Notare
Für Notare schafft das Urteil Rechtssicherheit. Sie können darauf vertrauen, dass ihre Gebührenansprüche grundsätzlich auch dann bestehen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass ein Auftraggeber geschäftsunfähig war, dies aber bei der Amtshandlung nicht erkennbar war. Dies schützt Notare vor unbilligen finanziellen Nachteilen, die entstehen könnten, wenn sie ihre gesetzlichen Pflichten erfüllen.
Für geschäftsunfähige Personen und ihre Vertreter
Für geschäftsunfähige Personen und ihre gesetzlichen Vertreter (z.B. Betreuer) bedeutet das Urteil, dass Handlungen mit Kostenfolgen verbunden sein können, auch wenn die handelnde Person geschäftsunfähig ist. Entscheidend ist, ob die Geschäftsunfähigkeit für den Vertragspartner – hier den Notar – erkennbar war. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Zahlungspflicht für die Notarkosten bestehen.
Dies unterstreicht die Wichtigkeit, bei rechtlichen Angelegenheiten im Zweifel die Geschäftsunfähigkeit offen zu kommunizieren oder sicherzustellen, dass die betroffene Person entsprechend vertreten wird. Es schützt die Geschäftsunfähigen nicht davor, für Kosten aufkommen zu müssen, die durch ihr Handeln bei Nichterkennbarkeit ihres Zustandes entstehen.
Für Angehörige und Betreuer
Angehörige und rechtliche Betreuer sollten sich dieser Rechtsprechung bewusst sein. Sie müssen damit rechnen, dass die von ihnen betreute Person Kosten verursachen kann, die rechtlich durchsetzbar sind, wenn die Geschäftsunfähigkeit nicht offensichtlich war. Dies kann relevant für die Verwaltung des Vermögens der betreuten Person sein.
Ausblick: Neubewertung durch das Kammergericht
Der Fall liegt nun wieder beim Kammergericht in Berlin. Dieses muss unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BGH neu entscheiden. Es ist davon auszugehen, dass das Kammergericht nun zu dem Ergebnis kommen wird, dass die Kostenberechnung des Notars dem Grunde nach berechtigt ist.
Das Kammergericht wird prüfen müssen, ob die Geschäftsunfähigkeit der Frau für den Notar tatsächlich nicht erkennbar war. Sollte dies der Fall sein, wird die ursprüngliche Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und der Antrag der Frau auf Aufhebung der Kostenberechnung zurückgewiesen werden. Zudem muss das Kammergericht über die Kosten des gesamten Verfahrens entscheiden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Ein geschäftsunfähiger Mensch muss trotz seiner Geschäftsunfähigkeit für Notarkosten aufkommen, wenn er den Notar beauftragt hat und dieser die Geschäftsunfähigkeit nicht erkennen konnte, wie der BGH nun entschieden hat. Die Schutzvorschriften des BGB zu Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 ff.) sind auf notarielle Aufträge weder direkt noch entsprechend anwendbar, da zwischen Notar und Auftraggeber ein besonderes öffentlich-rechtliches Verhältnis besteht. Diese Entscheidung hat weitreichende praktische Bedeutung für den Schutz geschäftsunfähiger Personen, da sie trotz mangelnder Geschäftsfähigkeit zur Zahlung von Notarkosten verpflichtet bleiben können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Geschäftsunfähigkeit im rechtlichen Sinne und wie wird sie festgestellt?
Geschäftsunfähigkeit bedeutet im rechtlichen Sinne, dass eine Person nicht in der Lage ist, wirksame rechtliche Erklärungen abzugeben, zum Beispiel einen Vertrag abzuschließen oder ein Testament zu errichten. Solche Erklärungen sind von Anfang an ungültig. Das ist wichtig zu verstehen, denn es schützt Menschen, die aufgrund ihres Zustands die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht überblicken können.
Wer gilt als geschäftsunfähig?
Das Gesetz unterscheidet hier klar:
- Kinder unter sieben Jahren: Alle Kinder, die noch nicht ihren siebten Geburtstag gefeiert haben, gelten automatisch als geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Ihre rechtlichen Erklärungen sind immer unwirksam.
- Personen mit dauerhafter Störung der Geistestätigkeit: Geschäftsunfähig ist auch, wer sich in einem Zustand dauerhafter krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, die eine freie Willensbildung ausschließt (§ 104 Nr. 2 BGB).
- Das bedeutet: Die Person kann aufgrund ihres geistigen Zustands nicht mehr vernünftig abwägen und selbstbestimmt entscheiden.
- Dies kann zum Beispiel bei fortgeschrittener Demenz, schweren psychischen Erkrankungen oder einer geistigen Behinderung der Fall sein.
- Wichtig: Es kommt nicht auf eine bestimmte Diagnose an, sondern darauf, ob die Fähigkeit zur freien Willensbildung tatsächlich fehlt. Eine vorübergehende Störung, wie starker Alkoholrausch, führt zwar nicht zur Geschäftsunfähigkeit im Sinne des § 104 BGB, aber ebenfalls zur Ungültigkeit der in diesem Zustand abgegebenen Erklärung (§ 105 Abs. 2 BGB).
Wie wirkt sich Geschäftsunfähigkeit aus?
Die wichtigste Folge der Geschäftsunfähigkeit ist: Alle Willenserklärungen, die eine geschäftsunfähige Person abgibt, sind rechtlich nichtig, also von Anfang an ungültig (§ 105 Abs. 1 BGB).
- Stellen Sie sich vor: Eine Person mit schwerer Demenz unterschreibt einen Kaufvertrag für ein teures Auto. Dieser Vertrag ist ungültig, weil die Person geschäftsunfähig war. Sie ist nicht an den Vertrag gebunden.
- Ausnahme für Alltagsgeschäfte: Für volljährige Geschäftsunfähige gibt es eine Ausnahme: Sogenannte Geschäfte des täglichen Lebens, die mit geringwertigen Mitteln sofort bezahlt werden (wie der Kauf von Lebensmitteln), können wirksam sein (§ 105a BGB). Dies gilt aber nur, wenn das Geschäft keine erhebliche Gefahr für die Person oder ihr Vermögen darstellt.
Wichtig zu wissen: Die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung bedeutet nicht automatisch, dass die betreute Person geschäftsunfähig ist. Viele betreute Menschen sind weiterhin geschäftsfähig. Geschäftsunfähigkeit nach § 104 BGB ist eine separate rechtliche Bewertung des Geisteszustands.
Wie wird Geschäftsunfähigkeit festgestellt?
Es gibt kein offizielles Register oder einen Ausweis für Geschäftsunfähigkeit. Geschäftsunfähigkeit besteht automatisch, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (Alter unter 7 oder dauerhafte Störung der Geistestätigkeit) vorliegen.
Die Frage, ob jemand geschäftsunfähig war, stellt sich meist erst im Nachhinein, wenn es Streit über die Gültigkeit eines Geschäfts gibt – zum Beispiel, wenn fraglich ist, ob jemand Notarkosten zahlen muss für einen Vertrag, den er im Zustand der Geschäftsunfähigkeit geschlossen hat.
- Gerichtliche Prüfung: Ob eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. bei der Unterschrift unter einem Vertrag) geschäftsunfähig war, muss im Streitfall von einem Gericht geklärt werden.
- Sachverständigengutachten: Das wichtigste Beweismittel ist dabei in der Regel ein ärztliches oder psychiatrisches Gutachten. Ein Sachverständiger beurteilt den geistigen Zustand der Person zum relevanten Zeitpunkt, oft auch rückwirkend.
- Weitere Beweise: Auch ärztliche Atteste, Zeugenaussagen von Ärzten, Pflegepersonal oder Angehörigen sowie Unterlagen aus einem Betreuungsverfahren können zur Beurteilung herangezogen werden.
Die Feststellung erfolgt also nicht pauschal, sondern immer bezogen auf den konkreten Zeitpunkt, zu dem die rechtliche Erklärung abgegeben wurde.
Unter welchen Umständen kann ein Geschäftsunfähiger trotzdem für Notarkosten haftbar gemacht werden?
Grundsätzlich gilt: Personen, die geschäftsunfähig sind, können keine wirksamen Verträge schließen. Geschäftsunfähig ist zum Beispiel, wer dauerhaft psychisch krank ist und deshalb seine Entscheidungen nicht mehr frei treffen kann, oder Kinder unter sieben Jahren. Eine Willenserklärung einer geschäftsunfähigen Person ist rechtlich gesehen von Anfang an nichtig, also ungültig. Das steht so im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 104, 105 BGB).
Das bedeutet normalerweise: Wenn eine geschäftsunfähige Person einen Notar aufsucht und beispielsweise einen Vertrag beurkunden lassen möchte, kommt kein wirksamer Vertrag mit dem Notar zustande. Die geschäftsunfähige Person selbst müsste die Notarkosten dann grundsätzlich nicht bezahlen, da sie sich rechtlich nicht wirksam dazu verpflichten konnte.
Ausnahme: Die „Veranlassung“ der Notartätigkeit
Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme im Kostenrecht, die dazu führen kann, dass eine geschäftsunfähige Person trotzdem für Notarkosten haften muss. Dies betrifft die Frage, wer die Tätigkeit des Notars „veranlasst“ hat.
- Wer ist Kostenschuldner? Das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) regelt, wer die Kosten für die Tätigkeit eines Notars bezahlen muss (§ 29 GNotKG). Kostenschuldner ist unter anderem derjenige, der die Tätigkeit des Notars veranlasst hat.
- „Veranlassung“ durch Geschäftsunfähige? Obwohl die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen zivilrechtlich ungültig ist, gibt es Gerichtsentscheidungen (z.B. Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 15.09.2016, Az. I-15 W 284/15), die argumentieren, dass auch eine geschäftsunfähige Person die Notartätigkeit im Sinne des Kostenrechts „veranlassen“ kann.
- Wann liegt eine solche Veranlassung vor? Dies kann der Fall sein, wenn die geschäftsunfähige Person äußerlich betrachtet den Anschein erweckt, sie würde wirksam handeln – also zum Notar geht, um eine Beurkundung bittet und damit die Tätigkeit des Notars faktisch auslöst. Entscheidend ist hier nicht die Gültigkeit der Willenserklärung, sondern das tatsächliche Verhalten, das zur Inanspruchnahme des Notars führt. Die Kostenpflicht entsteht hier aus der tatsächlichen Inanspruchnahme der Amtstätigkeit.
Was bedeutet das konkret?
Stellen Sie sich vor, eine Person, deren Geschäftsunfähigkeit für den Notar nicht sofort erkennbar ist, beauftragt eine Beurkundung. Nach der oben genannten Rechtsprechung könnte diese Person die Notarkosten zahlen müssen, weil sie durch ihr Auftreten und ihre Bitte die Tätigkeit des Notars ausgelöst (veranlasst) hat.
Wichtig zu verstehen ist: Diese kostenrechtliche Betrachtung weicht vom allgemeinen Grundsatz ab, dass Geschäftsunfähige keine wirksamen Verpflichtungen eingehen können. Sie dient auch dem Schutz des Notars, der seine Amtstätigkeit erbracht hat.
Keine Haftung bei offensichtlicher Geschäftsunfähigkeit: Konnte oder musste der Notar die Geschäftsunfähigkeit jedoch erkennen, wird eine Haftung des Geschäftsunfähigen für die Kosten in der Regel ausscheiden.
Abgrenzung zur gesetzlichen Vertretung
Handelt hingegen ein gesetzlicher Vertreter (z.B. ein vom Gericht bestellter Betreuer) im Namen der geschäftsunfähigen Person beim Notar, schuldet der Vertreter bzw. das Vermögen der vertretenen Person die Kosten. Hier entsteht die Zahlungspflicht aber nicht durch die Handlung des Geschäftsunfähigen selbst, sondern durch das wirksame Handeln des Vertreters.
Welche Rolle spielt die Erkennbarkeit der Geschäftsunfähigkeit für die Frage der Kostentragungspflicht?
Die Frage, ob eine Geschäftsunfähigkeit für den Notar erkennbar war oder nicht, spielt eine ganz entscheidende Rolle bei der Klärung, wer die Notarkosten tragen muss. Es ist oft der zentrale Punkt in solchen Fällen.
Wenn die Geschäftsunfähigkeit für den Notar nicht erkennbar war
Stellen Sie sich vor, eine Person erscheint beim Notar und wirkt völlig klar, orientiert und geschäftsfähig. Der Notar hat keine offensichtlichen Anhaltspunkte, an der Geschäftsfähigkeit zu zweifeln und nimmt die gewünschte Beurkundung vor. Später stellt sich heraus, dass diese Person zum Zeitpunkt der Beurkundung tatsächlich geschäftsunfähig war.
- Folge: In einem solchen Fall kann eine Pflicht zur Zahlung der Notarkosten dennoch bestehen.
- Begründung (vereinfacht): Der Notar durfte in diesem Moment auf die scheinbare Geschäftsfähigkeit der Person vertrauen. Er hat seine Leistung im guten Glauben erbracht. Obwohl der Vertrag oder die Beauftragung durch die geschäftsunfähige Person rechtlich gesehen ungültig ist (§§ 104, 105 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), sehen die Regelungen zum Schutz des Geschäftsverkehrs und des Vertrauens des Notars vor, dass die entstandenen Kosten unter Umständen trotzdem bezahlt werden müssen. Hier wiegt der Schutz des Vertrauens des Notars schwer.
Wenn die Geschäftsunfähigkeit für den Notar erkennbar war
Nun das andere Szenario: Eine Person kommt zum Notar, ist aber offensichtlich verwirrt, kann den Zweck des Termins nicht verstehen oder macht einen stark beeinträchtigten Eindruck. Ein sorgfältiger Notar müsste hier Zweifel an der Geschäftsfähigkeit bekommen.
- Folge: War die Geschäftsunfähigkeit für den Notar klar erkennbar oder hätte er bei pflichtgemäßer Prüfung erhebliche Zweifel haben müssen, besteht in der Regel keine Pflicht zur Zahlung der Notarkosten durch die geschäftsunfähige Person oder deren Vertreter/Erben.
- Begründung (vereinfacht): Notare haben die gesetzliche Pflicht, sich von der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu überzeugen (§ 11 Beurkundungsgesetz – BeurkG). Erkennen sie oder hätten sie erkennen müssen, dass eine Person geschäftsunfähig ist, dürfen sie die Beurkundung nicht vornehmen. Tun sie es dennoch, handeln sie pflichtwidrig. Der zugrundeliegende Auftrag an den Notar ist wegen der Geschäftsunfähigkeit von Anfang an ungültig, und der Notar kann sich nicht darauf berufen, auf die Gültigkeit vertraut zu haben, da er die Geschäftsunfähigkeit hätte erkennen müssen.
Was bedeutet „erkennbar“?
Ob eine Geschäftsunfähigkeit „erkennbar“ war, hängt nicht davon ab, ob der Notar sie tatsächlich erkannt hat. Entscheidend ist, ob ein objektiv sorgfältiger Notar unter den gegebenen Umständen Anzeichen hätte erkennen müssen, die auf eine mögliche Geschäftsunfähigkeit hindeuten.
- Beispiele für Anzeichen: Starke Verwirrtheit, Unfähigkeit, einfache Fragen zu beantworten, fehlende Orientierung zu Ort, Zeit oder Person, Äußerung von Wahnvorstellungen.
- Keine Erkennbarkeit: Wenn die Person sich klar ausdrückt, die Tragweite des Geschäfts versteht und keine Auffälligkeiten zeigt, ist die Geschäftsunfähigkeit (selbst wenn sie besteht, z.B. durch eine noch nicht diagnostizierte Demenz im Anfangsstadium) für den Notar oft nicht erkennbar.
Die Beurteilung der Erkennbarkeit ist also der Dreh- und Angelpunkt dafür, ob eine Zahlungspflicht für Notarkosten entsteht, wenn die beurkundende Person geschäftsunfähig war.
Was sind die rechtlichen Konsequenzen, wenn ein Vertrag mit einem Geschäftsunfähigen geschlossen wurde?
Ein Vertrag, den Sie mit einer geschäftsunfähigen Person schließen, hat in der Regel keine rechtliche Wirkung. Das Gesetz schützt Personen, die aufgrund ihres Alters (z.B. Kinder unter sieben Jahren) oder wegen bestimmter psychischer Zustände nicht in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidungen zu verstehen und eigenverantwortlich Verträge zu schließen (§ 104 BGB).
Grundsätzliche Ungültigkeit des Vertrags
Die Willenserklärung einer geschäftsunfähigen Person, also ihre Zustimmung zum Vertrag, ist rechtlich nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB). Das bedeutet:
- Der Vertrag kommt von Anfang an nicht zustande. Es ist so, als hätte es ihn nie gegeben.
- Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie wussten, dass Ihr Vertragspartner geschäftsunfähig ist oder nicht. Der Schutz der geschäftsunfähigen Person hat Vorrang.
- Der Vertrag kann auch nicht nachträglich genehmigt werden, weder durch die geschäftsunfähige Person selbst (falls sie später geschäftsfähig wird) noch durch einen gesetzlichen Vertreter (z.B. Betreuer).
Eine sehr enge Ausnahme besteht für volljährige Geschäftsunfähige bei sogenannten „Geschäften des täglichen Lebens“ (§ 105a BGB). Das sind geringfügige Angelegenheiten (z.B. Kauf von Lebensmitteln), die sofort bezahlt und erfüllt werden. Solche Verträge können wirksam sein, wenn sie für die geschäftsunfähige Person keine erhebliche Gefahr darstellen. Bei größeren Verträgen, insbesondere solchen, die notariell beurkundet werden (z.B. Immobilienkauf), greift diese Ausnahme praktisch nie.
Folgen der Ungültigkeit (Rückgabe)
Da der Vertrag von Anfang an ungültig ist, müssen alle Leistungen zurückgegeben werden, die aufgrund des vermeintlichen Vertrags ausgetauscht wurden.
- Wenn Sie Geld erhalten haben, müssen Sie es zurückzahlen.
- Wenn Sie eine Ware übergeben haben, können Sie diese zurückverlangen.
- Dies folgt aus den Regeln zur ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB).
Sonderfall: Kosten (z.B. Notarkosten)
Wenn durch den Versuch, den Vertrag zu schließen, Kosten entstanden sind (wie z.B. Notargebühren für eine Beurkundung), stellt sich die Frage, wer diese trägt.
- Die geschäftsunfähige Person selbst haftet in der Regel nicht für diese Kosten aus dem nichtigen Vertrag heraus. Da ihre Vertragserklärung ungültig ist, entsteht auch keine vertragliche Pflicht zur Kostenübernahme.
- Der Vertragspartner, der den Vertrag mit dem Geschäftsunfähigen schließen wollte, muss die Kosten unter Umständen tragen. Bei Notarkosten ist es zum Beispiel oft so, dass derjenige die Kosten schuldet, der den Notar beauftragt hat oder dessen Interesse die Beurkundung diente. Es kann also sein, dass Sie als Vertragspartner die Notarkosten zahlen müssen, auch wenn der Vertrag letztlich wegen der Geschäftsunfähigkeit Ihres Gegenübers ungültig ist. Die genaue Kostenverteilung richtet sich nach den gesetzlichen Kostenvorschriften (insbesondere dem Gerichts- und Notarkostengesetz – GNotKG) und den Umständen des Einzelfalls.
Wie kann ich mich als Laie vor finanziellen Risiken schützen, wenn ich mit älteren oder erkrankten Personen Verträge abschließe?
Wenn Sie Verträge mit Personen schließen, bei denen Zweifel an deren voller geistiger Klarheit bestehen könnten – etwa aufgrund hohen Alters oder einer Erkrankung –, ist Vorsicht geboten. Der Grund dafür ist die sogenannte Geschäftsfähigkeit.
Geschäftsfähig ist grundsätzlich jeder volljährige Mensch. Geschäftsunfähig ist nach dem Gesetz (§ 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), wer sich in einem Zustand befindet, der die freie Willensbestimmung ausschließt und nicht nur vorübergehend ist. Das kann bei bestimmten psychischen Krankheiten oder geistigen Behinderungen der Fall sein. Ein Vertrag, den eine geschäftsunfähige Person abschließt, ist von Anfang an unwirksam. Das bedeutet, der Vertrag hat rechtlich nie existiert.
Dies kann zu finanziellen Risiken führen. Wenn Sie beispielsweise einen Vertrag schließen, der später für unwirksam erklärt wird, weil Ihr Vertragspartner geschäftsunfähig war, können Sie bereits entstandene Kosten – wie etwa Notargebühren für eine Beurkundung – unter Umständen selbst tragen müssen.
Worauf Sie achten können
Es gibt keine allgemeingültige Methode, um Geschäftsunfähigkeit sicher festzustellen, da dies eine komplexe medizinische und rechtliche Bewertung ist. Sie können jedoch auf bestimmte Anzeichen achten, die Anlass zur Vorsicht geben könnten:
- Wirkt die Person orientierungslos (zeitlich, örtlich, zur Person)?
- Hat die Person Schwierigkeiten, den Inhalt und die Folgen des Vertrags zu verstehen, auch nach einfacher Erklärung?
- Macht die Person einen verwirrten oder stark beeinflussbaren Eindruck?
- Gibt es plötzliche, unerklärliche Änderungen im Verhalten oder bei Entscheidungen?
Diese Anzeichen allein beweisen keine Geschäftsunfähigkeit, sollten aber Ihre Aufmerksamkeit erhöhen.
Mögliche präventive Maßnahmen
Um das Risiko zu verringern, unwissentlich einen Vertrag mit einer geschäftsunfähigen Person zu schließen, gibt es verschiedene allgemeine Ansätze:
- Offene Kommunikation: Sprechen Sie mögliche Bedenken behutsam an, wenn dies die Situation erlaubt. Manchmal klären sich Zweifel im Gespräch.
- Hinzuziehung von Zeugen: Bitten Sie eine neutrale, vertrauenswürdige Person, bei den Vertragsgesprächen und dem Abschluss anwesend zu sein. Diese Person kann später bezeugen, welchen Eindruck der Vertragspartner gemacht hat.
- Einbindung von Vertrauenspersonen oder Betreuern: Fragen Sie höflich nach, ob es eine Vertrauensperson (z.B. einen nahen Angehörigen) oder einen gerichtlich bestellten Betreuer gibt. Wenn ein Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis (z.B. Vermögenssorge) bestellt ist, ist dieser für den Vertragsabschluss zuständig oder muss zustimmen.
- Ärztliche Bestätigung: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, um eine aktuelle ärztliche Bestätigung der Geschäftsfähigkeit zu bitten. Dies muss jedoch vom potenziellen Vertragspartner selbst veranlasst werden.
- Notarielle Beurkundung: Bei wichtigen Verträgen (z.B. Immobilienkauf, Schenkung) ist oft eine notarielle Beurkundung gesetzlich vorgeschrieben. Notare haben die Pflicht, die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu prüfen. Sie vermerken ihre Einschätzung in der Urkunde. Eine absolute Sicherheit bietet dies jedoch auch nicht, da die Beurteilung oft nur auf dem Eindruck während des Termins basiert.
Was passiert, wenn der Vertragspartner geschäftsunfähig war?
Stellt sich heraus, dass Ihr Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschäftsunfähig war, ist der Vertrag rechtlich unwirksam. Das bedeutet, es entstehen keine Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag. Sie können also keine Leistung fordern, und Ihr Vertragspartner muss auch nichts leisten. Bereits ausgetauschte Leistungen müssen in der Regel zurückgegeben werden. Wie bereits erwähnt, können Ihnen aber Kosten entstanden sein (z.B. für Gutachten, Notar), die Sie möglicherweise nicht ersetzt bekommen.
Sich vorab über die Geschäftsfähigkeit Gedanken zu machen und gegebenenfalls vorsichtige Schritte zur Klärung zu unternehmen, kann helfen, spätere rechtliche und finanzielle Probleme zu vermeiden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Geschäftsunfähigkeit (§ 104 Nr. 2 BGB)
Geschäftsunfähigkeit bedeutet, dass eine Person aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite ihrer rechtlichen Erklärungen zu verstehen und vernünftig danach zu handeln. Dies ist in § 104 Nr. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt. Im vorliegenden Fall wurde bei der Frau nachträglich festgestellt, dass sie zum Zeitpunkt der Beauftragung des Notars geschäftsunfähig war. Verträge oder rechtliche Handlungen geschäftsunfähiger Personen sind normalerweise unwirksam.
Beispiel: Eine Person mit fortgeschrittener Demenz kauft ein teures Auto. Ist sie nachweislich geschäftsunfähig, ist der Kaufvertrag von Anfang an ungültig.
Nichtigkeit (§ 105 Abs. 1 BGB)
Nichtigkeit bedeutet, dass ein Rechtsgeschäft (z. B. ein Vertrag oder eine Beauftragung) von Anfang an rechtlich völlig unwirksam ist, so als hätte es nie existiert. Gemäß § 105 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die von einer geschäftsunfähigen Person abgegeben wird, nichtig. Die Vorinstanzen (Landgericht und Kammergericht) gingen daher davon aus, dass der Auftrag an den Notar wegen der Geschäftsunfähigkeit der Frau nichtig war und sie deshalb keine Kosten zahlen müsse.
Beispiel: Ein fünfjähriges Kind kauft Süßigkeiten. Da das Kind geschäftsunfähig ist, ist der Kaufvertrag nichtig.
Kostenhaftung nach § 29 Nr. 1 GNotKG
Die Kostenhaftung nach § 29 Nr. 1 GNotKG (Gerichts- und Notarkostengesetz) regelt, wer die Gebühren und Auslagen eines Notars bezahlen muss. Nach dieser Vorschrift ist grundsätzlich die Person zur Zahlung verpflichtet, die den Notar beauftragt hat (der Antragsteller bzw. Auftraggeber). Der BGH entschied hier, dass diese spezielle Regelung für Notarkosten auch dann gilt, wenn der Auftraggeber geschäftsunfähig war, der Notar dies aber nicht erkennen konnte. Die allgemeine Regel der Nichtigkeit aus dem BGB tritt in diesem Fall hinter die spezielle Kostenhaftung des GNotKG zurück.
Beispiel: Sie beauftragen einen Notar, einen Kaufvertragsentwurf zu erstellen. Nach § 29 Nr. 1 GNotKG haften Sie für die dadurch entstehenden Notarkosten.
Amtspflicht (§ 15 BNotO)
Notare sind Träger eines öffentlichen Amtes und unterliegen daher besonderen Amtspflichten, die in der Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt sind. Eine zentrale Pflicht aus § 15 BNotO besagt, dass ein Notar seine Amtstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern darf. Im vorliegenden Fall argumentierte der BGH, dass der Notar aufgrund dieser Amtspflicht tätig werden musste, da die Geschäftsunfähigkeit der Frau für ihn nicht erkennbar war. Diese Pflichterfüllung rechtfertigt es, dass der Notar trotz der (unerkannten) Geschäftsunfähigkeit der Auftraggeberin einen Anspruch auf seine Gebühren hat.
Beispiel: Jemand bittet einen Notar um die Beglaubigung einer Unterschrift. Solange keine rechtlichen Hinderungsgründe (wie z. B. erkennbare Geschäftsunfähigkeit oder Verdacht auf Geldwäsche) vorliegen, darf der Notar die Amtshandlung aufgrund seiner Amtspflicht grundsätzlich nicht ablehnen.
Beurkundungsverfahren
Ein Beurkundungsverfahren ist der formelle Prozess, den ein Notar durchführt, um Rechtsgeschäfte oder Erklärungen in einer öffentlichen Urkunde festzuhalten (z. B. Kaufverträge, Testamente, Gesellschaftsgründungen). Dieses Verfahren umfasst typischerweise Beratung, Entwurfserstellung, Prüfung der Geschäftsfähigkeit (soweit möglich), Belehrung der Beteiligten und das eigentliche Verlesen und Unterzeichnen der Urkunde. Im Text wurde argumentiert, dass die Kosten auch als Gebühr für ein vorzeitig beendetes Beurkundungsverfahren (Nr. 21301 KV GNotKG) gerechtfertigt sein könnten, da die Frau den Notar für die Beurkundung von Adoption, Testament und Vollmacht aufgesucht hatte.
Beispiel: Der gesamte Prozess beim Notar zum Abschluss eines Immobilienkaufvertrags, von der ersten Besprechung über den Entwurf bis zur Unterschrift aller Parteien vor dem Notar, ist ein Beurkundungsverfahren.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 104 Nr. 2 BGB Geschäftsunfähigkeit: Geschäftsunfähig ist, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Geschäftsunfähigkeit bedeutet, dass eine Person nicht wirksam Rechtsgeschäfte abschließen kann, weil sie die Bedeutung und Folgen ihrer Handlungen nicht versteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beteiligte war geschäftsunfähig, was das Gericht erster Instanz und das Beschwerdegericht dazu veranlasste anzunehmen, dass der Vertrag mit dem Notar und somit die Kostenforderung unwirksam sind.
- § 105 Abs. 1 BGB Nichtigkeit der Willenserklärung: Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. Dies bedeutet, dass alle von einer geschäftsunfähigen Person abgegebenen Erklärungen, die rechtliche Wirkungen erzielen sollen, von Anfang an keine rechtliche Gültigkeit haben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Kammergericht argumentierte, dass die Beauftragung des Notars durch die Geschäftsunfähige rechtlich nicht existent war und somit keine Grundlage für eine Gebührenforderung des Notars besteht.
- Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG), Kostenverzeichnis (KV) Nr. 24201 i.V.m. 24200 und Nr. 21301: Das GNotKG regelt die Gebühren für notarielle Leistungen. Die genannten Nummern im Kostenverzeichnis legen fest, welche Gebühren für Beratungsleistungen und für die vorzeitige Beendigung eines Beurkundungsverfahrens anfallen können, wobei die Höhe sich nach dem Geschäftswert richtet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Notar berechnete Gebühren basierend auf diesen Vorschriften, zuerst für Beratung und hilfsweise für die Beendigung des Verfahrens. Strittig war, ob diese Gebühren trotz der Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten verlangt werden können.
- § 15 Bundesnotarordnung (BNotO) Amtspflicht des Notars: Notare sind verpflichtet, ihre Amtstätigkeit auszuüben, wenn sie darum ersucht werden und kein Ablehnungsgrund vorliegt. Diese Pflicht soll sicherstellen, dass Rechtsuchende notarielle Hilfe erhalten können, auch wenn besondere Umstände vorliegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Beschwerdegericht sah die Amtspflicht des Notars nicht als ausreichend an, um eine Kostenhaftung der Geschäftsunfähigen zu begründen, während der BGH möglicherweise dieser Pflicht ein höheres Gewicht für die Gebührenpflicht beimisst.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Personen, die einen Notar beauftragen zum Thema Notarkosten bei Abbruch der Beurkundung
Sie planen wichtige Regelungen für Ihr Leben, etwa ein Testament, eine Adoption oder eine Vorsorgevollmacht, und wenden sich an einen Notar. Manchmal ändern sich Pläne jedoch kurzfristig oder es bestehen Zweifel an der eigenen Handlungsfähigkeit. Was passiert dann mit den Notarkosten, auch wenn keine Urkunde unterschrieben wird?
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Kostenrisiko frühzeitig klären
Klären Sie von Beginn an mit dem Notar, welche Kosten für Beratungen, Entwürfe oder die Vorbereitung von Beurkundungen anfallen können, auch wenn es am Ende nicht zum Abschluss des Geschäfts (z.B. der Beurkundung) kommt. Fragen Sie nach den voraussichtlichen Gebühren für die einzelnen Schritte seiner Tätigkeit.
⚠️ ACHTUNG: Notare rechnen nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) ab. Kosten entstehen oft schon mit der ersten in Anspruch genommenen Tätigkeit (z.B. Beratung, Entwurf), nicht erst mit der Unterschrift unter die Urkunde.
Tipp 2: Auftragsumfang genau definieren
Legen Sie möglichst klar fest, was der Notar für Sie tun soll: Soll er Sie nur beraten? Soll er bereits einen konkreten Entwurf für eine Urkunde erstellen? Soll er eine Beurkundung vollständig vorbereiten? Je klarer der Auftrag ist, desto besser können Sie nachvollziehen, wofür Gebühren anfallen, selbst wenn das Vorhaben später abgebrochen wird.
Tipp 3: Abbruch bedeutet nicht automatisch Kostenfreiheit
Auch wenn Sie sich entscheiden, das ursprünglich geplante Vorhaben (z.B. Adoption, Testament) nicht weiterzuverfolgen und die Beurkundung vorzeitig abbrechen, kann der Notar für seine bis dahin erbrachten Leistungen Gebühren verlangen. Dies kann z.B. eine Beratungsgebühr oder eine Gebühr für die vorzeitige Beendigung eines Beurkundungsverfahrens sein.
Tipp 4: Geschäftsunfähigkeit schließt Kostenpflicht nicht automatisch aus
Selbst wenn Zweifel an der Geschäftsfähigkeit einer Person bestehen oder diese später festgestellt wird, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass für die notarielle Tätigkeit keine Kosten geschuldet werden. Die Rechtslage hierzu ist komplex und vom Einzelfall abhängig.
⚠️ ACHTUNG: Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall (Az. IV ZB 37/24) entschieden, dass die Kostenpflicht auch bei im Raum stehender Geschäftsunfähigkeit bestehen kann. Eine pauschale Ablehnung einer Notarkostenrechnung allein mit dem Argument der Geschäftsunfähigkeit ist daher riskant und sollte juristisch geprüft werden. Holen Sie im Zweifel rechtlichen Rat ein, insbesondere wenn Sie als Vertreter für die betroffene Person handeln.
Tipp 5: Rechnungsgrundlage prüfen
Prüfen Sie eine erhaltene Notarrechnung genau. Der Notar muss angeben, auf welcher Grundlage er die Kosten berechnet (z.B. welche Gebührentatbestände des GNotKG angewendet wurden). Bitten Sie gegebenenfalls um eine Erläuterung, wie sich die Kosten zusammensetzen und nach welchem Geschäftswert sie berechnet wurden.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Im vom BGH entschiedenen Fall änderte der Notar nachträglich die Begründung seiner Kostenrechnung (von Beratungsgebühr zu Gebühr für vorzeitige Beendigung). Dies unterstreicht, wie wichtig die genaue juristische Grundlage für die geforderten Gebühren ist. Kommunizieren Sie Änderungen Ihrer Absichten oder den Abbruch eines Vorhabens immer zeitnah und nachvollziehbar (ggf. schriftlich) an den Notar, um Missverständnisse über den Stand des Verfahrens und die bis dahin angefallenen Tätigkeiten zu vermeiden.
✅ Checkliste: Notarkosten bei Abbruch
- Klären: Welche Kosten können für welche Tätigkeiten (Beratung, Entwurf, Vorbereitung) entstehen, auch ohne Abschluss?
- Festlegen: Was genau ist der Auftrag an den Notar (nur Beratung, Entwurf etc.)?
- Kommunizieren: Änderungen oder Abbruch des Vorhabens dem Notar sofort mitteilen?
- Prüfen: Rechnung erhalten? Grundlage (Gebührentatbestand) und Berechnung nachvollziehbar?
- Handeln (bei Zweifel): Bei Unklarheiten oder Fragen zur Geschäftsfähigkeit rechtlichen Rat einholen?
Das vorliegende Urteil
BGH – Az.: IV ZB 37/24 – Beschluss vom 26.02.2025
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