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Nachweis Erlöschen subjektiv-persönlicher Reallast – Vorlage Sterbeurkunde

KG Berlin – Az.: 1 W 262/19 – Beschluss vom 17.04.2020

Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.

Gründe

I.

Ursprünglich war – soweit hier von Interesse – die am 25. September 1901 geborene A H als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Sie veräußerte am 20. Dezember 1965 einen hälftigen Miteigentumsanteil an ihren Ehemann F… H…, den sie am 8. Juli 1965 geheiratet hatte. Die zur UR-Nr. 2… /1… des Notars G… A… in B… erklärte Auflassung wurde am 26. April 1966 im Grundbuch vollzogen. Die Eheleute bewilligten zugleich für den jeweils anderen einen Nießbrauch an ihrem hälftigen Miteigentumsanteil, was in Abt. II lfd. Nr. 4 und 5 gebucht wurde.

Am 20. März 1972 erwarb F… H… auch den seiner Ehefrau verbliebenen hälftigen Miteigentumsanteil – UR-Nr. 4… 1… des Notars A… P… in B… . U.a. heißt es in der Urkunde wörtlich:

 

Ҥ 2

Als Kaufpreis verpflichtet sich der Erschienene zu 1) an die Erschienene zu 2), die jetzt 71 Jahre alt ist, ab 1. April 1972 eine monatliche Rente von 400,– DM ( in Worten: Vierhundert Deutsche Mark) zu zahlen.

Die Rente ist für den Unterhalt der Verkäuferin bestimmt. Zugrunde gelegt ist der jetzige Stand der Lebenshaltungskosten, für die der Preisindex für die Lebenshaltung maßgebend ist, der vom statistischen Bundesamt jeweils festgesetzt wird.

(…)

§ 3

Die Genehmigung der Landeszentralbank nach § 3 des Währungsgesetzes wird von beiden Vertragsschließenden hiermit beantragt.

Der Käufer unterwirft sich wegen der Rente von monatlich 400,– DM der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Der Erschienene zu 1) beantragt die Eintragung der Rente als Reallast auf den Gesamtgrundstück zugunsten der Erschienenen zu 2).”

Am 30. August 1972 wurde die zur UR-Nr. 4… /1… erklärte Auflassung im Grundbuch vollzogen und zugleich zugunsten der Veräußerin in Abt. II lfd. Nr. 6 eine Reallast sowie unter lfd. Nr. 7 ein unter § 7 der Urkunde bewilligter Nießbrauch eingetragen.

A… H… verstarb am 5. Februar 1975. Auf Antrag des F… H… wurden die in Abt. II lfd. Nr. 4, 5 und 7 gebuchten Nießbrauchsrechte am 12. Mai 1975 gelöscht.

Am 19. Januar 1976 wurde die Beteiligte an Stelle ihres am 11. Oktober 1975 verstorbenen Vaters F… H… als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Zur UR-Nr…. 3… /2… des Notars C… K… in B… hat die Beteiligte u.a. die Löschung der in Abt. II lfd. Nummer 6 des Grundbuchs eingetragenen Reallast bewilligt und beantragt. Der Urkundsnotar hat die Urkunde mit Schriftsatz vom 25. Juli 2019 zum Vollzug bei dem Grundbuchamt eingereicht. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 29. Juli 2019 unter Fristsetzung darauf hingewiesen, dass es zur Löschung der Reallast der Vorlage einer Löschungsbewilligung der Erben der Berechtigten unter Nachweis der Erbfolge bedürfe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 14. Oktober 2019, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Insbesondere ist die Beteiligte beschwerdeberechtigt. Die Löschung eines eingetragenen Rechts setzt regelmäßig einen darauf gerichteten Antrag voraus, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 46, Rdn. 6). Im Antragsverfahren deckt sich die Beschwerdeberechtigung mit dem Antragsrecht (Demharter, a.a.O., § 71 Rdn. 63). Bei Erlass einer Zwischenverfügung ist deshalb derjenige beschwerdeberechtigt, der den Antrag hätte stellen können. Antragsberechtigt ist jeder, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird oder zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll, § 13 Abs. 1 S. 2 GBO. Das ist hier die Beteiligte, deren Eigentum an dem Grundstück durch die in Abt. II lfd. Nr. 6 gebuchte Reallast beschränkt wird.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Zwischenverfügung ist nicht nach § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst, weil das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis nicht besteht.

a) Die Eintragung eines Löschungsvermerks erfordert neben einem darauf gerichteten Antrag, § 13 GBO, die Bewilligung desjenigen, dessen Recht von der Löschung betroffen ist, § 19 GBO. Da die Berechtigte der zur Löschung beantragten Reallast verstorben ist, müsste die Löschungsbewilligung von ihren Rechtsnachfolgern erklärt worden sein. Hier hat die Beteiligte die Bewilligung erklärt, hingegen nicht in genügender Form nachgewiesen, Rechtsnachfolgerin der Berechtigten zu sein. Das wäre dann der Fall, wenn ihr Vater alleiniger Erbe seiner Ehefrau geworden war. Zwar hat die Beteiligte dies so vortragen lassen, hingegen kann diese – gesetzliche – Erbfolge nur durch einen Erbschein nachgewiesen werden, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO. Ein solcher Erbschein liegt nicht vor.

b) Zur Berichtigung des Grundbuchs bedarf es der (Löschungs-)Bewilligung hingegen nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird, § 22 Abs. 1 S. 1 GBO. Dieser Nachweis, für den die Form des § 29 GBO gilt, liegt in Bezug auf das Erlöschen der in Abt. III lfd. Nr. 6 des Grundbuchs eingetragenen Reallast vor.

aa) Zur Belastung eines Grundstücks mit einer Reallast, § 1105 BGB, ist die Einigung des Eigentümers und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, § 873 Abs. 1 BGB. Bei der Eintragung kann zur näheren Bezeichnung des Inhalts der Reallast auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden, § 874 BGB.

Nach weit verbreiteter Meinung muss die Tatsache, dass ein Recht befristet oder bedingt ist, als solche aus dem Grundbuch selbst ersichtlich sein, weil die Befristung oder Bedingung nicht zum Inhalt des Rechts gehört (OLG München, FamRZ 2013, 733; OLG Hamm, NZM 2012, 318, 319; FGPrax 2011, 10, 11; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 266, 1306a; Demharter, a.a.O., § 44, Rdn. 20; Palandt/Bassenge, BGB, 79. Aufl., § 874, Rdn. 5). Der Eintragungsvermerk in Abt. III lfd. Nr. 6 des Grundbuchs verhält sich weder zu einer Befristung noch zu einer Bedingung. Dort ist lediglich die Reallast als solche mit dem Hinweis “Geldrente” sowie die Berechtigte bezeichnet. Ein Hinweis, dass die Reallast lediglich auf die Lebenszeit der Berechtigten beschränkt sein sollte, ist dem Eintragungsvermerk selbst nicht zu entnehmen. Ansonsten wird dort auf die Eintragungsbewilligung vom 20. März 1972 verwiesen.

bb) Ein fehlender Hinweis auf eine Befristung oder Bedingung des Rechts im Eintragungsvermerk schließt hingegen nicht aus, dass materiell-rechtlich doch nur ein solch beschränktes Recht entstanden ist (BGH, FGPrax 2011, 163, 164; OLG München, MittBayNot 2017, 248, 249; C. Heinze, in: Staudinger, BGB, 2018, § 874, Rdn. 27). Im Verfahren auf Löschung der Reallast gem. § 22 Abs. 1 GBO muss sich die Befristung dann aber wenigstens aus der im Eintragungsvermerk in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ergeben (OLG Hamm, NZM 2012, 318, 319). Das ist hier der Fall.

Die Bewilligung ist vorliegend zu § 3 der UR-Nr. 4… /1… erklärt worden. Von einer Befristung der Reallast ist dort nicht ausdrücklich die Rede. Gleichwohl ist der Erklärung mit der im Grundbuchverfahren erforderlichen Sicherheit durch Auslegung, § 133 BGB, ein auf die Lebenszeit der Gläubigerin beschränktes Recht zu entnehmen.

Im Grundbuchverfahren kann im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und das Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsgrundlagen eine Auslegung nur erfolgen, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, NJW-RR 2015, 645, 646; NJW 1995, 1081,1082, Schöner/Stöber, a.a.O., Rdn. 172; Demharter, a.a.O., § 19, Rdn. 28). Ist die in dem Eintragungsvermerk im Grundbuch in Bezug genommene Eintragungsbewilligung in einer notariellen Urkunde enthalten, können zur Auslegung der Eintragung nur die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen herangezogen werden, die durch zulässige Bezugnahme zum Grundbuchinhalt geworden sind (Demharter, a.a.O. m.w.N.).

Im Grundbuch eingetragen ist eine subjektiv-persönliche Reallast, § 1111 BGB, denn die Berechtigung hieraus hängt nicht von dem Eigentum an einem Grundstück ab, vgl. § 1110 BGB. Berechtigte war die verstorbene A… H… . Die subjektiv-persönliche Reallast ist grundsätzlich vererblich (Grziwotz, in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 1111, Rdn. 4), sie kann aber auch auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt werden (OLG Düsseldorf, OLGreport 2003, 1; Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., §§ 23, 24, Rdn. 9; Wilsch, in: Hügel, GBO, 4. Aufl., § 23, Rdn. 21). Das ist etwa der Fall, wenn die Reallast – ausschließlich – eine Leibrente, § 759 BGB, sichern soll. Die Leibrente ist ein einheitlich nutzbares Recht, das dem Berechtigten für die Lebensdauer eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus fortlaufend wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen in Geld oder vertretbaren Sachen bestehen (BGH, Urteil vom 13. März 1980 – III ZR 179/78 – juris; Urteil vom 16. Dezember 1965 – II ZR 274/63 – juris; RGZ 67, 204, 208).

Eine solche Leibrente ist der Berechtigten der Reallast Abt. II lfd. Nr. 6 zur UR-Nr. 48/1972 als Gegenleistung für die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück versprochen worden. Dagegen spricht nicht, dass in der Bewilligung in § 3 Abs. 2 S. 2 der UR-Nr. 4… /1… lediglich von “der Rente” die Rede ist. Dieser Begriff wird in der Bewilligung vorausgesetzt und knüpft an die im vorherigen Satz behandelte “Rente von monatlich 400,– DM” an, die ihrerseits in § 2 der Urkunde inhaltlich bestimmt worden ist. Danach verpflichtete sich der Erwerber des Miteigentumsanteils, der Verkäuferin als Kaufpreis eine monatliche Rente von 400,– DM zu zahlen, die für deren Unterhalt bestimmt und wertgesichert sein sollte.

Nach der Verkehrsauffassung (hierzu: BGH, Urteil vom 13. März 1980 – III ZR 179/78 –, juris) ist dies als Leibrentenversprechen zu werden. Die Veräußerung eines Grundstücks zur Sicherung einer lebenslangen Versorgung bildet gerade einen Hauptanwendungsfall eines Leibrentenversprechens (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 8. Aufl., Rdn. 1481; Holland, in: Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl., Teil 2 Kap. 6, Rdn. 75ff; Herrler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl., Kapitel 1 § 5, Rdn. 413ff).

Bei der Regelung, dass die Rente für den Unterhalt der Verkäuferin bestimmt sei, handelt es sich entgegen dem Grundbuchamt nicht lediglich um ein Motiv der Vertragsparteien, sondern dies bildet ein Element des Leibrentenversprechens, mit dem die Beschränkung des Bezugs auf die Lebenszeit der Berechtigten zum Ausdruck kommt. Daran ändert die Bestimmung der Rente als “Unterhalt” nichts. Dass die Eheleute damit einen – familienrechtlichen – Unterhaltsanspruchs der Berechtigten gegenüber ihrem Ehemann hätten regeln wollen, ist nicht ersichtlich. Es fehlt bereits jeder Bezug zu den tatsächlichen Verhältnissen der Eheleute (hierzu: OLG Koblenz, OLGZ 1978, 245, 247). Im Gegenteil sollte “die Rente” von ihren Verhältnissen gerade nicht abhängig, sondern pauschal indiziert sein.

cc) Entgegen der angefochtenen Zwischenverfügung ist eine Bewilligung der Rechtsnachfolger der Berechtigten auch nicht im Hinblick auf § 23 Abs. 1 S. 1 HS 1 GBO erforderlich. Danach darf ein Recht, das auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt ist und bei dem Rückstände von Leistungen nicht ausgeschlossen sind, nach dessen Tod nur mit Bewilligung des Rechtsnachfolgers gelöscht werden, wenn die Löschung vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Berechtigten erfolgen soll oder wenn der Rechtsnachfolger der Löschung bei dem Grundbuchamt widersprochen hat.

Die Berechtigte ist vor mehr als einem Jahr verstorben und Rechtsnachfolger haben der Löschung gegenüber dem Grundbuchamt nicht widersprochen. In den Grundakten befindet sich keine Urkunde (zur Form vgl. Demharter, a.a.O., § 23, Rdn. 21), die einen solchen Widerspruch enthielte, das Grundbuch enthält keine entsprechende Eintragung, vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 HS 2 GBO. Dann aber genügt zur Löschung der Nachweis des Todes des Berechtigten (Demharter, a.a.O., § 23, Rdn. 15). In der Grundakte befindet sich die beglaubigte Abschrift der Sterbeurkunde des Standesamts Zehlendorf von Berlin vom 7. Februar 1975, wonach die Berechtigte am 5. Februar 1975 verstorben ist.

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