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Löschungsbewilligung für Gesamtgrundpfandrecht

OLG München – Az.: 34 Wx 404/15 – Beschluss vom 06.05.2016

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt – vom 17. November 2015, soweit sie das Fehlen von Pfandfreigaben beanstandet, aufgehoben.

Gründe

I.

Dem Beteiligten gehört Wohnungs- und Teileigentum (Wohnungen und Stellplätze). In der Dritten Abteilung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher sind je zwei Buch- und zwei Briefgrundschulden für die D. Bank zu Beträgen von 102.258,38 € (III/1), 51.129,19 € (III/2), 144.848,99 € (III/3) und 102.258,38 € (III/4), ferner eine weitere Buchgrundschuld für die A. Bank zu 102.258,38 € (III/5) eingetragen. Die Gesamthaft an anderen Grundstücken (Wohnungs- und Teileigentum), die nur teilweise im Eigentum des Beteiligten bzw. seiner Ehefrau stehen, ist jeweils vermerkt.

Zu notarieller Urkunde vom 17.8.2015 beantragte der Beteiligte u. a. die Löschung der eingetragenen Gesamtbelastungen. Den Antrag legte der Notar gemäß § 15 GBO am 12.11.2015 dem Grundbuchamt zum Teilvollzug vor, nämlich beschränkt auf die Einheiten im Eigentum des Beteiligten und seiner Ehefrau, die der Löschung zugestimmt hat. Dem Antrag liegt eine Löschungsbewilligung der D. Bank vom 15.11.2012 bei, in der unter Bezugnahme auf alle die Gesamtgrundschulden betreffenden Grundbücher unter Verzicht auf Vollzugsnachricht erklärt wird:

Hiermit bewilligen wir die Löschung der vorbezeichneten Grundschulden nebst Zinsen und Nebenleistungen im Grundbuch und an allen etwaigen sonstigen dort vermerkten Mithaftstellen.

Die Erklärung der A. Bank vom 2.9.2015 hinsichtlich sämtlicher Grundbuchblätter lautet:

Es wird bewilligt und beantragt, an dem bezeichneten Grundbesitz, sowie an allen dort etwa vermerkten Mithaftstellen samt allen Nebeneinträgen und etwaigen Löschungsvormerkungen zu löschen:

102.258,38 € Buchgrundschuld …

Soweit hier noch erheblich hat das Grundbuchamt den Eintragungsantrag mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 17.11.2015 dahingehend beanstandet, dass jeweils Pfandfreigaben fehlten. Eine Löschungsbewilligung könne nicht in eine Pfandfreigabeerklärung umgedeutet werden.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Urkundsnotars, der unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung die Ansicht vertritt, dass die vorgelegte Löschungsbewilligung den Teilvollzug erlaube.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 GBO) erhobene Beschwerde ist statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG; § 71 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO). Sie hat in der Sache Erfolg, da die für die Gesamtgrundpfandrechte erteilten Löschungsbewilligungen dahin ausgelegt werden können, dass sie auch einen Teilvollzug erlauben und die dafür erforderliche materiell-rechtliche Erklärung des Teilverzichts mitenthalten.

1. Das Grundbuchamt verlangt für den Teilvollzug der Löschung zusätzlich zur Bewilligung noch die Vorlage einer Pfandfreigabeerklärung. Eine solche kann Gegenstand einer Zwischenverfügung sein (OLG Hamm MittBayNot 1998, 446).

2. Bei dem gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. GBO zulässig gestellten Löschungsantrag des Beteiligten ist zu prüfen, ob dieser von der Bewilligung (§ 19 GBO) der voreingetragenen (§ 39 GBO) Grundschuldgläubigerin gedeckt ist. Der Vollzug eines Eintragungsantrags, der dem Umfang nach hinter der Bewilligung zurückbleibt, ist jedenfalls unter der Voraussetzung zulässig, dass nach dem Inhalt der Bewilligung ein Teilvollzug zugelassen werden soll, also inhaltlich trennbare Einzelbewilligungen vorliegen (BayObLGZ 1948 – 51, 508/515 f.; 1955, 48/53; Demharter GBO 29. Aufl. § 13 Rdn. 19). Ob neben der Bewilligung weitere Erklärungen erforderlich sind, hängt davon ab, aus welchem materiell-rechtlichen Grund die Löschung erfolgen soll.

a) Nach § 875 BGB setzt die Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück die Erklärung des Berechtigten und die Löschung im Grundbuch voraus. Zusätzlich ist für die Löschung einer (Gesamt-)Hypothek nach § 1183 BGB die Zustimmung des (der) Eigentümer(s) erforderlich. Liegt hingegen der Bewilligung ein Verzicht auf die Hypothek (§ 1168 BGB) bzw. Gesamthypothek (§ 1175 BGB) oder -grundschuld (§ 1192 Abs. 1 BGB) zugrunde, so fällt diese dem (den) Eigentümer(n) gemeinsam zu (§§ 1168, 1175 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es entsteht eine Gesamteigentümergrundschuld (§§ 1172, 1177 Abs. 1 BGB), die an Einzelgrundstücken nur aufgrund einer entsprechenden Erklärung des Gläubigers gelöscht werden kann, wenn die übrigen Eigentümer der mithaftenden Grundstücke zustimmen oder er von allen anderen Eigentümern der mithaftenden Grundstücke diese Zustimmung verlangen kann (BGH MDR 2010, 799). Erklärt der Gesamtgläubiger hingegen den Verzicht auf die Gesamtgrundschuld nur an einem der haftenden Grundstücke (§ 1175 Abs. 1 Satz 2 BGB; sogenannte Pfandfreigabe), so erlischt das Recht außerhalb des Grundbuchs, die Eintragung ist nur noch deklaratorischer Art (Rohe in Bamberger/Roth BGB 3. Aufl. § 1175 Rn. 4). In diesem Fall bedarf es weder der Zustimmung des Eigentümers des belasteten Grundstücks noch der Zustimmung der Eigentümer des mithafteten Grundbesitzes (KG JFG 11, 243/245; Staudinger/Wolfsteiner BGB Neubearb. Juli 2014 § 1183 Rdn. 24).

b) Da die Löschungsbewilligung regelmäßig keine Angaben zu ihrer materiell-rechtlichen Grundlage enthält, ist durch ihre Auslegung zu ermitteln, welche – gegebenenfalls weiteren – Erklärungen sie umfasst. So beinhaltet eine Löschungsbewilligung für das Gesamtrecht materiell-rechtlich eine Aufgabeerklärung im Hinblick auf das Grundpfandrecht i. S. v. § 875 BGB (BGH NJW 2013, 1676 Rz. 16; NJW 1974, 1083), weshalb die Löschung wegen des Anwartschaftsrechts des Eigentümers auf Erwerb des Grundpfandrechts nach § 1183 BGB zusätzlich seiner Zustimmung bedarf. Eine Auslegung als Verzicht (§ 1168 BGB) des Gläubigers auf das Grundpfandrecht scheidet dagegen regelmäßig aus; denn der Verzicht hat zur Folge, dass der Eigentümer das fortbestehende Recht kraft Gesetzes erwirbt und erst nach seiner Eintragung (Demharter § 27 Rn. 8) seinerseits eine Löschungsbewilligung abgeben könnte (OLG Hamm DNotZ 1977, 35/37).

c) Dass die für eine Gesamtgrundschuld abgegebene Löschungsbewilligung materiell-rechtlich auch eine Löschung des Rechts an einem von mehreren belasteten Objekten erlaubt, also im Zweifel eine Pfandfreigabeerklärung in Bezug auf ein einzelnes Grundstück mitenthält, ergibt sich daraus, dass bei den eintretenden Rechtsfolgen von Aufhebung einerseits und Verzicht andererseits kein Unterschied besteht (OLG Hamm MittBayNot 1998, 446/447; insoweit ebenso Schöner/ Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2724a bei FN 10). Erklärt der Gläubiger eines Gesamtgrundpfandrechts, ein einzelnes Grundstück aus der Haftung für dieses Recht zu entlassen, so wird dies regelmäßig als Verzichtserklärung im Sinne des § 1175 Abs. 1 Satz 2 BGB verstanden (KG JFG 11, 243; LG Augsburg MittBayNot 1979, 20/21; Staudinger/Wolfsteiner § 1175 Rn. 7) und führt auch ohne Zustimmung des Eigentümers zum Erlöschen des Rechts an dem aus der Mithaft entlassenen Grundstück. Rechtserfolg von Verzicht (nach § 1175 Abs. 1 Satz 2 BGB) und Aufhebung sind somit identisch; der Unterschied liegt darin, dass die Aufhebung zusätzlich einer Erklärung des Eigentümers bedarf, während der Verzicht allein auf der einseitigen Erklärung des Gläubigers beruht. Daher wird die Pfandentlassung auch als der Aufhebung rechtssystematisch näher als dem Verzicht nach § 1168 BGB angesehen (vgl. insbesondere KG JFG 11, 243/245).

Im Zweifel ist folglich anzunehmen, dass die der Bewilligung immanente Aufhebungserklärung auch einen Verzicht des Gläubigers i. S. v. § 1175 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst und somit die Löschung ohne Nachweis der Eigentümerzustimmung (§ 27 GBO) erlaubt (OLG Hamm MDR 2010, 446/447).

d) Vereinzelt wird vertreten, ein Teilvollzug sei nicht zulässig, da bei einer Löschungsbewilligung für das Gesamtrecht beachtet werden müsse, dass die Grundschuld nach §§ 1192, 1173 Abs. 2 BGB auf den Eigentümer des mithaftenden Grundstücks übergegangen sein könnte (vgl. Schöner/ Stöber Rn. 2474a).

Damit wird jedoch entgegen der Vermutung des § 891 BGB die Bewilligungsbefugnis des eingetragenen Gläubigers in Zweifel gezogen. Wenn das Gesamtgrundpfandrecht nach §§ 1173, 1192 Abs. 1 BGB ganz oder teilweise auf den Eigentümer des mitbelasteten Grundstücks übergegangen wäre, so wäre in diesem Umfang nicht die eingetragene Grundpfandrechtsgläubigerin, sondern der Eigentümer des mitbelasteten Grundstücks Betroffener i. S. v. § 19 GBO. Solange aber der bewilligende Gläubiger als Berechtigter im Grundbuch eingetragen ist, greift die gesetzliche Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB, die auch für das Grundbuchamt gilt (OLG Frankfurt FGPrax 2012, 100). Sie weist den Fortbestand des Rechts in der Person des eingetragenen Gläubigers aus. Das Grundbuchamt wäre nach dem Legalitätsprinzip nur dann an der Löschung gehindert, wenn ihm die fehlende Bewilligungsbefugnis des Gläubigers positiv bekannt wäre.

e) Gegen die obige (zu c) Ansicht wird noch angeführt, dass die Löschungsbewilligung als rein verfahrensrechtliche Erklärung (Demharter § 19 Rn. 13 m. w. N.) nicht zur Vereinfachung je nach den Besonderheiten des Einzelfalles ausgelegt werden könne. Denn nicht zwangsläufig sei es im Interesse des Gläubigers, dass die abgegebene Bewilligung auch die Löschung nur an einem Grundstück mit Entlassung aus der Mithaft zur Folge habe (Schöner/Stöber Rn. 2724a). Dem könne zwar dadurch begegnet werden, dass der Eigentümer materiell-rechtlich nach § 1183 BGB und verfahrenrechtlich nach § 27 GBO einem Teilvollzug zustimme (Staudinger/Wolfsteiner § 1175 Rn. 10). Andererseits soll es jedoch sogar zur Aufhebung der Gesamthypothek genügen, wenn nur ein Eigentümer eines mit einer Gesamthypothek belasteten Grundstücks zustimmt; es sei wenig sinnvoll, die Zustimmung aller zu verlangen, wenn ohne weiteres ein Verzicht an den Grundstücken der nicht zustimmenden Eigentümer erklärt und insofern das Recht gelöscht werden könne (Staudinger/Wolfsteiner § 1183 Rn. 23; a. A. KGJ 20 A 209).

Der Senat folgt schon nicht der Ansicht, die Löschungsbewilligung könne nicht dahin ausgelegt werden, dass damit auch ein Teilverzicht erklärt ist. Ein solcher ist nämlich als Sonderform der Aufhebung des Rechts anzusehen (vgl. insbesondere KG JFG 11, 243/245). Zudem schließt nach allgemeiner Ansicht eine Pfandfreigabe immer auch eine Löschungsbewilligung mit ein, weshalb nicht nachvollziehbar ist, dass dies nicht auch umgekehrt gelten soll (Munzig MittBayNot 2002, 191).

f) Hier umfasst die Bewilligung des Gläubigers die Löschung des Gesamtrechts an allen mithaftenden Grundstücken. Der Wortlaut der Erklärung lässt nur den Schluss zu, dass eine Löschung des Gesamtrechts nach § 19 GBO bewilligt werden sollte. Der Löschungsantrag des Eigentümers (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GBO) richtet sich hingegen auf den teilweisen Vollzug der Löschungsbewilligung an nur einigen der belasteten Grundstücke, soll also das Fortbestehen der Eintragungen an anderen Blattstellen nicht berühren.

Die Auslegung (§ 133 BGB) der beiden Löschungsbewilligungen ergibt, dass sie stillschweigend auch das Einverständnis mit einem Teilvollzug enthalten. Ein Grundschuldgläubiger, der die Löschung des Gesamtrechts bewilligt, will nach nächstliegender Bedeutung seiner uneingeschränkten Erklärung seine Rechtsposition an den Grundpfandrechten insgesamt aufgeben. Mit der Aushändigung der Löschungsbewilligung überlässt er dem Grundstückseigentümer den Vollzug. Seine Interessensphäre wird durch die Art und Weise des Grundbuchvollzugs (sofortige Löschung des Gesamtrechts oder Löschung zunächst nur an einzelnen Pfandobjekten mit späterer Löschung am verbliebenen Belastungsobjekt) nicht berührt (zutreffend Lotter MittBayNot 1985, 8; a. A. Schöner/Stöber Rn. 2724a). Bei Banken, die auf dem Sektor der Baufinanzierung tätig sind, ergibt sich ein derartiges Verständnis zudem aus einer seit vielen Jahren praktizierten und unbeanstandeten Form der praktischen Abwicklung.

Aus der Grundakte finden sich im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte für eine Befriedigung des Gläubigers im Hinblick auf das Gesamtgrundpfandrecht (§ 1192 Abs. 1, § 1142 BGB) durch einen (anderen) Grundeigentümer, aus der sich eine Widerlegung der Vermutung des § 891 BGB ergeben könnte.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 25 Abs. 1 GNotKG).

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