OLG Rostock – Az.: 3 W 122/16 – Beschluss vom 09.12.2016
1. Die Beschwerde des weiteren Beteiligten gegen die am 15.09.2016 erfolgte Löschung der im Grundbuch von A., Blatt 193, unter lfd. Nummer 8 in Abt. III eingetragenen Grundschuld seitens des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Ribnitz-Damgarten wird zurückgewiesen.
2. Der weitere Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 300.000,00 EUR.
3. Der Antrag des weiteren Beteiligten, ihm für das Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der weitere Beteiligte war als Gläubiger einer im Grundbuch von A., Blatt 193, unter lfd. Nummer 8 der Abt. III eingetragenen Grundschuld über 300.000,00 EUR eingetragen.
Mit notariell beglaubigter Urkunde vom 18.11.2008 bewilligte der weitere Beteiligte die Löschung der Grundschuld.
Im August 2013 erklärte er die Anfechtung und den Widerruf der Löschungsbewilligung und zeigte dies dem Grundbuchamt an.
Im Zuge der Beurkundung eines Kaufvertrages hat der eingetragene Eigentümer die Löschung u. a. dieser Grundschuld beantragt. Unter Vorlage des Originals der Löschungsbewilligung vom 18.11.2008 und des Grundschuldbriefes hat der Urkundsnotar sodann mit Schreiben vom 19.06.2015 gem. § 15 GBO beim Grundbuchamt die Löschung beantragt.
Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat sich der weitere Beteiligte unter Hinweis auf die Anfechtung und den Widerruf der Löschungsbewilligung gegen die Löschung gewandt.
Gleichzeitig hat er beim Landgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und am 10.09.2015 eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach dem eingetragenen Eigentümer aufgegeben wurde, den Löschungsantrag beim Grundbuchamt Ribnitz-Damgarten zurückzunehmen und von der Löschungsbewilligung einstweilen keinen Gebrauch zu machen. Auf den Widerspruch des eingetragenen Eigentümers hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 06.01.2016 den Beschluss vom 10.09.2015 aufgehoben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen (22 O 242/15). Nachfolgend hat der weitere Beteiligte beim Landgericht Stralsund erneut den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die wortgleich mit dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10.09.2015 durch Beschluss vom 11.01.2016 erlassen wurde. Auf erneuten Widerspruch des eingetragenen Eigentümers hat auch das Landgericht Stralsund mit Urteil vom 04.04.2016 seine Beschlussverfügung vom 11.01.2016 aufgehoben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen (6 O 10/16). Hiergegen hat der weitere Beteiligung Berufung beim Oberlandesgericht Rostock eingelegt, über die noch nicht entschieden ist (1 U 54/16).
Nach Vorlage des o. g. Urteils des Landgerichts Berlin vom 06.01.2016 hat das Amtsgerichts am 15.09.2016 auf den Antrag des eingetragenen Eigentümers u. a. die Grundschuld unter lfd. Nummer 8 der Abt. III gelöscht.
Gegen diese Löschung wendet sich der weitere Beteiligte mit seiner Beschwerde vom 21.09.2016.
Er ist der Auffassung, trotz des Urteils des Landgerichts Stralsund vom 05.04.2016 hätte die Grundschuld nicht gelöscht werden dürfen. Das Urteil und damit die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 11.01.2016 sei nicht rechtskräftig. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ändere nichts. Eine Grundschuld könne nicht vorläufig gelöscht werden.
Die Löschung könne keinen Bestand haben, denn dadurch würde in das noch nicht rechtskräftige Verfahren eingegriffen.
Darüber hinaus sei der weitere Beteiligte an seine Aufgabeerklärung noch nicht gebunden gewesen, da er die Löschungsbewilligung nicht gegenüber dem Begünstigten abgegeben habe, bevor er die Anfechtung erklärt habe. Der Begünstigte habe die Löschungsbewilligung auch nicht vor dem Jahre 2015 erhalten.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.11.2016 nicht abgeholfen.
II.
1. Die Beschwerde gegen eine Eintragung – wozu auch eine Löschung gehört – ist grundsätzlich gem. § 71 Abs. 2 S. 1 GBO unzulässig.
2. Im Wege der Beschwerde kann jedoch gem. § 71 Abs. 2 S. 2 GBO verlangt werden, dass das Grundbuchamt angewiesen wird, unter den Voraussetzungen des § 53 GBO einen Widerspruch einzutragen. Mit diesem beschränkten Ziel ist die Beschwerde des weiteren Beteiligten nach §§ 71 Abs. 2 S. 2, 73 GBO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 GBO ist ein Widerspruch einzutragen, wenn das Grundbuchamt eine Eintragung – hier Löschung – unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, denn das Grundbuchamt hat im Zuge der Löschung der streitbefangenen Grundschuld keine gesetzlichen Vorschriften verletzt. Vielmehr lagen dem Grundbuchamt der Löschungsantrag nach § 13 Abs. 1 GBO, eine der Form des § 29 GBO entsprechende Bewilligung des weiteren Beteiligten nach § 19 GBO im Original und der Grundschuldbrief nach §§ 41, 42 GBO im Original vor. Insbesondere die Löschungsbewilligung des weiteren Beteiligten vom 18.11.2008 war für das Grundbuchamt nicht etwa aufgrund der nachfolgenden Erklärungen des weiteren Beteiligten oder der von ihm angestrengten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unbeachtlich.
a. Die vom weiteren Beteiligten erklärte Anfechtung der Löschungsbewilligung geht ins Leere, da die Eintragungs-(Löschungs-)Bewilligung eine rein verfahrensrechtliche Erklärung und keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist, so dass sie auch nicht nach den allgemein für Willenserklärungen geltenden Bestimmungen des BGB nichtig oder anfechtbar sein kann (vgl. BayObLG, Beschl. v. 27.03.2003, 2Z BR 18/03, ZfIR 2003, 682; OLG Jena, Beschl. v. 05.03.2001, 6 W 88/01, RPfleger 2001, 298; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 19 Rn. 115).
b. Soweit sich der weitere Beteiligte auf den ebenfalls erklärten Widerruf der Löschungsbewilligung beruft, verhilft das ebenfalls nicht zum Erfolg seiner Beschwerde.
Als Verfahrenshandlung wird die Eintragungsbewilligung mit ihrer Wirksamkeit bindend und unwiderruflich. Ein Widerruf nach Eintritt der Wirksamkeit ist daher unbeachtlich (vgl. nur Demharter, a. a. O., Rn. 112, 113 m. w. N.). Wirksam geworden ist die Löschungsbewilligung, wenn die Urkunde mit dem Willen des Erklärenden – hier des weiteren Beteiligten – dem Grundbuchamt oder zur Vorlage bei diesem demjenigen in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift zugeht, zu dessen Gunsten die Löschung erfolgen soll – hier der eingetragene Eigentümer (vgl. dazu Demharter, a. a. O., Rn. 21, m. w. N.). Wird die Eintragungsbewilligung – wie hier – von dem Begünstigten dem Grundbuchamt vorgelegt, so darf das Grundbuchamt grundsätzlich davon ausgehen, dass sie diesem von dem Berechtigten ausgehändigt wurde und weder vor noch gleichzeitig mit der Aushändigung ein Widerspruch erfolgt ist (vgl. Demharter, a. a. O., Rn. 113). Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Grundbuchamt die Eintragungsbewilligung vom Begünstigten im Original oder in Ausfertigung vorgelegt wird (vgl. Demharter, a. a. O., Rn. 26, 113 m. w. N.; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 29.07.1993, 2Z BR 62/93, DNotZ 1994, 182). Dies ist hier der Fall.
Zu einer eingehenden Prüfung der materiellen Rechtslage ist das Grundbuchamt demgegenüber weder in der Lage noch dazu verpflichtet. Der Erklärende ist in derartigen Fällen vielmehr gehalten, die eventuelle materiell-rechtliche Unwirksamkeit seiner Erklärung im ordentlichen Zivilrechtsweg geltend zu machen, ggfs. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
c. Diesen Weg hat der weitere Beteiligte daher auch zutreffend beschritten. Entsprechende Entscheidungen, die der Löschung der Grundschuld entgegengestanden hätten bzw. noch entgegenstehen, hat der weitere Beteiligte letztlich jedoch nicht erwirken können.
aa. Zwar hat das Landgericht Berlin zunächst mit Beschluss vom 10.09.2015 dem eingetragenen Eigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, seinen Löschungsantrag zurückzunehmen und von der Löschungsbewilligung einstweilen keinen Gebrauch zu machen.
Diesen Beschluss hat das Landgericht Berlin jedoch auf den Widerspruch des eingetragenen Eigentümers mit Urteil vom 06.01.2016 aufgehoben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dass der weitere Beteiligte hiergegen Rechtsmittel eingelegt hätte, ist nicht ersichtlich; das Urteil des Landgerichts Berlin vom 06.01.2016 ist daher rechtskräftig.
bb. Des Weiteren hat auch das Landgericht Stralsund mit Beschluss vom 11.01.2016 auf Antrag des weiteren Beteiligten eine wortgleiche einstweilige Verfügung erlassen. Auch diesen Beschluss hat jedoch das Landgericht auf Widerspruch des eingetragenen Eigentümers mit Urteil vom 04.04.2016 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Hiergegen hat der weitere Beteiligte zwar Berufung einlegen lassen. Dies ändert aber nichts daran, dass derzeit eine zu beachtende einstweilige Verfügung – entgegen der Auffassung des weiteren Beteiligten – nicht vorliegt, denn mit der Aufhebung der Beschlussverfügung aufgrund Widerspruchs durch Urteil entfällt ihre Wirkung nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, bereits mit Verkündung des Urteils und nicht erst mit dessen Rechtskraft (vgl. hierzu nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 925 m. w. N. zum Streitstand).
3. Einer Entscheidung über das Gesuch des weiteren Beteiligten, gem. § 76 Abs. 1 GBO im Wege der einstweiligen Anordnung die Eintragung eines Widerspruchs zu veranlassen, bedarf es nach Vorstehendem nicht mehr.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich gem. §§ 53 Abs. 1, 61 GNotKG nach dem Nennwert der streitbefangenen Grundschuld.
5. Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung, da deren Voraussetzungen gem. § 78 Abs. 2 S. 1 GBO nicht erfüllt sind.
6. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen, da es der Beschwerde nach vorstehenden Ausführungen an der hinreichenden Erfolgsaussicht i. S. v. §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1 ZPO fehlt.