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Löschung von Rückauflassungsvormerkungen nach Beendigung vertraglichen Veräußerungsverbots

OLG Frankfurt – Az.: 14 U 145/10 – Urteil vom 12.04.2011

Auf die Berufung des Beklagten und Widerklägers wird das Schlussurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 28. Mai 2010 abgeändert.

Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, die Löschung der in Abteilung II der nachstehenden Grundbücher zu Gunsten der nachfolgend ebenfalls bezeichneten Flurstücke die Löschung der Rückauflassungsvormerkungen zu bewilligen.

Gemarkung Flur Flurstück Wirtschaftsart und Lage

Größe ha a qm

……………………………

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

 

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 75 % und der Beklagte 25 % zu tragen.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden zu 80 % dem Kläger und zu 20 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 250.000 € leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Widerkläger begehrt vom Widerbeklagten die Löschung von Rückauflassungsvormerkungen, die zu dessen Gunsten bezüglich der im Widerklageantrag bezeichneten Grundstücke im Grundbuch eingetragen sind.

Der Widerkläger und der Widerbeklagte sind Brüder, deren Mutter, Frau A1B, mit Übergabevertrag vom 11.4.1980 (Bd. I Bl. 5 d.A.) ihren Miteigentumsanteil von 13/4 an den Ländereien des C O1 auf den Widerkläger übertrug. Der weitere Miteigentumsanteil von ¼ gehörte bereits dem Widerkläger. In § 4 des Übergabevertrages ist bestimmt:

(1) Der Erwerber verpflichtet sich, die in § 1 bezeichneten Liegenschaften des C O1 weder ganz noch teilweise während eines Zeitraumes von 35 Jahren, hilfsweise 30 Jahren zu veräußern. Die Veräußerung an eheliche, leibliche Abkömmlinge ist jedoch zulässig.

(2) Das Veräußerungsverbot ist schuldrechtlich vereinbart mit der Maßgabe, dass ein Verstoß hiergegen den Rückfall der betroffenen Ländereien an den Veräußerer zur Folge hat.

(3) Das 35-jährige, hilfsweise 30-jährige Veräußerungsverbot gilt auch nach Ableben des Veräußerers. Ansprüche auf Rückübertragung nebst dem Anspruch aus der damit verbundenen Rückauflassungsvormerkung stehen beim Ableben des Veräußerers ersatzweise den nachstehenden bezeichneten Angehörigen des Veräußerers, und zwar in der folgenden Reihenfolge zu

a) Herrn Dr. E1F…

b) Herrn Dr. G1F…

(4) Zur Sicherung des Anspruchs auf Rückübertragung verpflichtet sich der Erwerber, eine Vormerkung in Abteilung II der Grundbücher zu Lasten Aller, den Gegenstand dieses Vertrages betreffenden Ländereien für den Veräußerer oder dessen Rechtsnachfolger an anderer Stelle in dieser Urkunde zu beantragen und eintragen zu lassen.

(5) Das Recht auf Rückübertragung aus dieser zu bestellenden Rückauflassungsvormerkung wird auch bei Eingriffen Dritter rechtswirksam, insbesondere bei Pfändungen, aber auch bei Verpfändungen; dieses gilt mit der Maßgabe, dass der Erwerber berechtigt ist, die Ausübung des Rückübertragungsanspruches bei Eingriffen Dritter dadurch abzuwenden, dass er Ansprüche Dritter binnen 3 Monaten seit Wirksamwerden der Pfändung und bei Verpfändung gegen die erforderliche Quittung befriedigt…

Die Mutter der Parteien verstarb am …4.2007 (Bd. I Bl. 35 d.A.).

Die Parteien streiten darüber, ob die vereinbarten Bindungsfristen abgelaufen sind, wobei nach Ansicht des Widerklägers allenfalls eine Bindungsfrist von 30 Jahren wirksam vereinbart sei. Damit habe das Veräußerungsverbot am 1.7.2010 geendet, weil seit Übergabe des Grundbesitzes am 1.7.1980 zu diesem Zeitpunkt die 30 Jahre abgelaufen gewesen seien. Der Widerbeklagte meint, die 35-jährige Bindungsfrist sei wirksam vereinbart, die noch nicht abgelaufen sei, zumal diese Frist erst mit der Eigentumsumschreibung des Klägers am 26.2.1981 zu laufen begonnen habe (Bd. II Bl. 234 d.A.).

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch Schlussurteil vom 28.5.2010 (Bd. I Bl. 179 ff d.A.) die Widerklage abgewiesen, nachdem es zuvor durch Teilurteil der Klage auf Rückauflassung eines bestimmten Grundstückes stattgegeben hat. Zur Begründung der Abweisung der Widerklage hat es ausgeführt:

Dem Widerkläger stehe kein Anspruch auf Löschung der Auflassungsvormerkungen zu. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob bezüglich des Veräußerungsverbotes eine 35-jährige oder nur eine 30-jährige Bindungsfrist wirksam vereinbart sei. Selbst wenn die 30-jährige Bindungsfrist im April 2010 abgelaufen wäre, würde sich wegen etwaiger Rückübertragungsansprüche noch eine 10-jährige Verjährungsfrist des § 196 BGB anschließen. Während dieses Verjährungszeitraumes seien die Rückauflassungsvormerkungen ebenfalls erforderlich. Vor Ablauf der Verjährungsfrist könne daher die Löschung der Auflassungsvormerkung nicht verlangt werden.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Widerklägers.

Der Widerkläger meint, die Bindungsfrist von 35 Jahren sei mit Ablauf von 30 Jahren unwirksam geworden, da längere Bindungsfristen als 30 Jahre nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unzulässig seien. Diese Frist habe mit Übergabe des Grundbesitzes am 1.7.1980 zu laufen begonnen und sei demgemäß am 1.7.2010 abgelaufen. Daher bestehe kein Veräußerungsverbot mehr, so dass auch keine Rückübertragungsansprüche mehr entstehen könnten. Die Verjährungsfrist des § 196 BGB knüpfe nicht an den Ablauf der Bindungsfrist an, sondern werde allenfalls durch einen Verstoß gegen das Veräußerungsverbot in Lauf gesetzt. Ein solcher Verstoß liege hier bezüglich der mit der Widerklage betroffenen Grundstücke nicht vor. Die Auflassungsvormerkungen gehe daher ins Leere, weshalb sie zu löschen seien.

Der Widerkläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und das am 28. Mai 2010 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Kassel – Az.: 9 O 2454/07 abzuändern und den Widerbeklagten mit Wirkung vom 1.7.2010 wie aus dem Tenor ersichtlich zu verurteilen und darüber hinaus die Löschung der Vormerkungen bezüglich folgender Grundstücke zu bewilligen:

Gemarkung Flur Flurstück Wirtschaftsart und Lage

Größe ha a   qm

 

……….

Hilfsweise wird beantragt, festzustellen, dass der Kläger mit Wirkung zum 1.7.2010 verpflichtet ist, die Löschung der vorgenannten Rückauflassungsvormerkungen zu bewilligen.

Der Widerbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Bindungsfrist sei mit 35 Jahren wirksam vereinbart. Diese habe erst mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch auf den Widerkläger am 26.2.1981 (Bd. II Bl. 234 d.A.) zu laufen begonnen. Diese Frist sei daher nicht verstrichen, weshalb auch das Veräußerungsverbot fortbestehe und die Auflassung zur Sicherung etwaiger Ansprüche erforderlich sei. Deren Löschung könne daher nicht verlangt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Widerklägers ist zulässig, und sie hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg.

Dem Widerkläger steht gemäß § 886 BGB oder § 894 BGB ein Anspruch auf Löschung der Auflassungsvormerkungen bezüglich der im Tenor bezeichneten Grundstücke zu, während die weitergehende Widerklage abzuweisen ist.

1. Der Widerkläger ist Eigentümer von Grundstücken, die durch die eingetragenen Vormerkungen betroffen sind. Durch Übergabevertrag vom 11.4.1980 (Bd. I Bl. 5 d.A.) hat die Mutter der Parteien dem Widerkläger im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihren ¾ Eigentumsanteil an den in § 1 des Vertrages bezeichneten Grundstücken zu Alleineigentum übertragen. Nach § 4 Ziffer 1) des Vertrages (Bd. I Bl. 18 d.A.) hat sich der Widerkläger als Erwerber im Gegenzug zur schenkweisen Übertragung der Grundstücke verpflichtet, die in § 1 des Vertrages bezeichneten Liegenschaften des C O1 weder ganz noch teilweise während einer Laufzeit von 35 Jahren, hilfsweise 30 Jahren zu veräußern. Ein Verstoß des Widerklägers gegen diese Verpflichtung hatte vereinbarungsgemäß die Entstehung eines schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruchs zur Folge. Nach § 4 Ziffer 4 (Bd. I Bl. 19 d.A.) hat der Widerkläger zur Sicherung des schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruchs Auflassungsvormerkungen bewilligt und eintragen lassen. Eine solche Auflassungsvormerkung für Rückübertragungsansprüche bei Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung ist eintragungsfähig (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12.8.1994, 2 Wx 47/93, zitiert nach Juris). Durch diese Auflassungsvormerkungen sind die Grundstücke des Widerklägers betroffen.

2. Der Widerbeklagte ist auch Gläubiger des durch die Vormerkungen gesicherten Rückübertragungsanspruches im Sinne des § 886 BGB. Nach § 4 Ziffer 3 des Vertrages sollte das 35-jährige, hilfsweise 30-jährige Veräußerungsverbot auch nach dem Ableben des Veräußerers gelten. Sollte beim Ableben des Veräußerers die vereinbarte Laufzeit noch nicht verstrichen sein, so sollte Rückfallsberechtigter und Gläubiger des durch die Auflassungsvormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruches erstrangig der Beklagte sein. Da die Veräußerin am …4.2007 verstorben ist (Bd. I Bl. 35 d.A.) und zu diesem Zeitpunkt selbst die hilfsweise vereinbarte 30-jährige Frist des Verfügungsverbotes noch nicht verstrichen war, ist entsprechend der getroffenen Vereinbarung im Übergabevertrag nunmehr für die Restlaufzeit des Verfügungsverbots der Widerbeklagte Rückfallberechtigter, da er nunmehr die durch die Auflassungsvormerkungen gesicherten Ansprüche geltend machen kann. Der Widerbeklagte ist deshalb der richtige Anspruchsgegner.

3. Der Widerkläger hat gemäß § 894 BGB einen Anspruch auf Löschung der auf seinen Grundstücken eingetragenen Vormerkungen, soweit schuldrechtliche Übertragungsansprüche nicht mehr entstehen können und durch die Akzessorietät damit die Auflassungsvormerkungen auch ihre Sicherungsfunktion verloren haben. Dem Widerkläger steht außerdem gegen die durch die Auflassungsvormerkungen gesicherten schuldrechtlichen Rückübertragungsansprüche eine Einrede zu, die deren Geltendmachung auf Dauer im Sinne des § 886 BGB ausschließt. Das schuldrechtliche Veräußerungsverbot hat nämlich durch Zeitablauf zum 1.7.2010 sein Ende gefunden, so dass wegen Verstoßes gegen diese Unterlassungsverpflichtung keine Rückübertragungsansprüche mehr entstehen können, soweit Verstöße gegen das Veräußerungsverbot vor dem 1.7.2010 nicht vorliegen und insoweit die Auflassungsvormerkungen ins Leere gehen.

a) Zwar haben die Parteien im Übergabevertrag in § 4 Ziffer 1) lediglich ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot für 35 Jahre, hilfsweise 30 Jahre vereinbart, ohne näher zu bestimmen, ab wann diese Frist für das Veräußerungsverbot zu laufen beginnt. Ohne spezielle Regelung ist der Übergabevertrag jedoch dahin auszulegen, dass das Veräußerungsverbot mit dem schuldrechtlichen Vollzug des Übergabevertrages in Kraft gesetzt werden sollte. Dies ist nicht das Datum der Beurkundung des Vertrages am 11.4.1980, sondern gemäß § 14 Ziffer 1 des Vertrages (Bd. I Bl. 28 d.A.) der 1.7.1980, nämlich der Tag, an dem Besitz, Nutzungen und Lasten und auch alle sonstigen Rechte und Pflichten auf den Widerkläger als Erwerber übergegangen sind. Auch in anderen Regelungen des Übergabevertrages wird auf dieses Datum abgestellt. Nach § 3 Ziffer 2 des Vertrages sollte die Übertragung des ¾ Eigentumsanteils der Veräußerin mit allen Aktiva und Passiva zum Stichtag 30.6.1980 erfolgen. In § 3 Nr. 3 des Vertrages ist bestimmt, dass die Betriebsübergabe unter Buchfortführung im grundsteuerrechtlichen Sinne zum 1.7.1980 erfolgt. Entgegen der Auffassung des Widerbeklagten ist für den Beginn der Bindungsfrist nicht auf den 26.2.1981 abzustellen, an dem der Widerkläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden sein soll (Bd. II Bl. 234 d.A.), weil es auf die dingliche Rechtslage nicht ankommt. Nach § 4 Ziffer 2 des Übergabevertrages ist das Veräußerungsverbot schuldrechtlich vereinbart. Für diese schuldrechtliche Verpflichtung des Widerklägers kann daher für deren Gültigkeit nichts anderes gelten als für die übrigen Rechte und Pflichten aus dem Übergabevertrag, die ebenfalls am 1.7.1980 wirksam geworden sind. Die vereinbarte Bindungsfrist hat deshalb mit dem 1.7.1990 zu laufen begonnen. Aber selbst wenn die Bindungsfrist mit der Eigentumsumschreibung am 26.2.1981 zu laufen begonnen hätte, wäre die 30-jährige Bindungsfrist ebenfalls bereits verstrichen, so dass es letztlich auf den Zeitpunkt des Beginns der Frist nicht ankommt.

b) Was die Dauer der Bindungsfrist angeht, ergibt sich aus § 4 Ziffer 1 des Übergabevertrages (Bd. I Bl. 18 d.A.), dass die Parteien des Übergabevertrages primär eine 35-jährige und nur hilfsweise eine 30-jährige Bindungsfrist vereinbart haben. Insoweit stützt die Formulierung in dem Übergabevertrag den Vortrag des Widerbeklagten, wonach die Parteien bei Abschluss des Vertrages eine 35-jährige Bindungsfrist eingehend erörtert und vereinbart haben und nur hilfsweise, für den Fall, dass diese nicht wirksam sein sollte, eine 30-jährige Bindungsfrist verabredet haben. Insoweit bedarf es deshalb auch keiner Beweisaufnahme über den Inhalt der Verhandlungsgespräche. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass die vereinbarte Bindungsfrist von 35 Jahren unwirksam ist, weil die schuldrechtliche Verpflichtung, nicht zu verfügen, nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam wird (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 137 Rdnr. 5). Hier kann der in den §§ 2044 Abs. 1 Satz 1, 2109 Abs. 1 Satz 1, 2162 Abs. 1, 2210 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke herangezogen werden, wonach der Erblasser ohne Besonderheiten des Einzelfalles den Erben in der Verfügung über seinen Erbteil oder einzelne Nachlassgegenstände nicht länger als 30 Jahre beschränken kann, weil nach Ablauf dieser Frist die angeordneten Beschränkungen durch Zeitablauf unwirksam werden. Dieser Rechtsgedanke passt auf den vorliegenden Fall, denn bei der Übertragung des Eigentumsanteils der Veräußerin an dem streitgegenständlichen Grundbesitz handelt es sich um eine vorweggenommene Erbfolge. Zweck des Übergabevertrages war es, den Grundbesitz für eine weitere Generation in Familienhand zu erhalten. Dies wird daran deutlich, dass eine Veräußerung an eheliche, leibliche Abkömmlinge zulässig war. Zwar wird teilweise auch die Auffassung vertreten, dass bei einem zeitlich unbegrenzten Veräußerungsverbot eine Begrenzung auf 30 Jahre anzunehmen sei und insoweit eine starre Frist nicht bestehe. Vielmehr sei nach dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und auch unter Berücksichtigung des § 138 Abs. 1 BGB im Einzelfall zu beurteilen, ob eine unangemessene wirtschaftliche Knebelung des Eigentümers vorliege (vgl. Staudinger-Kohler, Kommentar zum BGB 2003, § 137 Rdnr. 45). Im Streitfall ist diese zeitliche Grenze unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mit 30 Jahren anzunehmen. Der Zweck der Regelung, den Grundbesitz in einer weiteren Generation in Familienhand zu erhalten, wird mit einer Frist von 30 Jahren erreicht. Weitere Zwecke hat die Veräußerin mit dem Verfügungsverbot nicht verfolgt. Nach dem Grundsatz des § 137 Satz 1 BGB kann die Verfügungsbefugnis über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft eingeschränkt werden. Eine gewisse dingliche Wirkung des schuldrechtlichen Veräußerungsverbotes nach § 137 Satz 2 BGB wird nur durch die Eintragung der Auflassungsvormerkung erreicht. Eine solche Konstruktion umgeht damit den in § 137 Satz 1 BGB enthaltenen Grundsatz und muss daher einschränkend ausgelegt werden. Das Recht des Eigentümers, ein Grundstück veräußern zu dürfen, betrifft dabei die Kernbefugnisse des Eigentümers nach § 903 BGB. Der Eigentümer wird nämlich durch die Auflassungsvormerkung nicht nur an einer Veräußerung der Grundstücke gehindert, sondern auch eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung der Grundstücke, z.B. durch Belastungen ist kaum möglich. Eine besondere Belastung des Widerklägers ergibt sich im Streitfall auch daraus, dass sich das Veräußerungsverbot nicht nur auf den ¾ Eigentumsanteil erstreckt, den ihm die Veräußerin übertragen hat, sondern auch auf den ¼ Eigentumsanteil, der dem Kläger schon als unbeschränkter Eigentümer gehörte. Gerade wegen der Beschränkung seines eigenen Eigentumsanteils von ¼ sind die Bindungsfristen eng auszulegen, so dass hier entsprechend dem Rechtsgedanken der erbrechtlichen Vorschriften vom Regelfall auszugehen ist, wonach die Bindungsfrist von 35 Jahren mit Ablauf der 30 Jahre unwirksam wurde.

c) Soweit der Widerbeklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH (NJW 2008, 2995) meint, die Vereinbarung einer Bindungsfrist von 35 Jahren sei unbedenklich möglich, weil der BGH auch eine Garantieverpflichtung von 40 Jahren anerkannt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Der Widerbeklagte verkennt, dass schuldrechtliche Verträge auch mit einer längeren Dauer als 30 Jahre vereinbart werden können, so z.B. auch bei Rentenverträgen. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass das schuldrechtliche Veräußerungsverbot mit Rückauflassungsvormerkung die dingliche Verfügungsbefugnis des Widerklägers stark einschränkt, obwohl er uneingeschränkter Eigentümer der Grundstücke ist. Ein derartiger Konflikt zwischen den dinglichen und schuldrechtlichen Befugnissen besteht bei rein schuldrechtlichen Verträgen mit langer Laufzeit nicht. Die Besonderheit des schuldrechtlichen Veräußerungsverbotes liegt gerade darin, dass die Eigentümerbefugnis des Grundstückseigentümers wirtschaftlich derart stark eingeschränkt werden kann, dass seine formale Eigentümerstellung wirtschaftlich nutzlos ist. Gerade diese Einschränkung der Verfügungsbefugnis führt dazu, dass eine unangemessene Knebelung des Eigentümers im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB vorliegen kann, die umso schwerer wiegt, je länger die Bindungsfrist vereinbart ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass im Regelfall entsprechend dem Rechtsgedanken der zitierten erbrechtlichen Vorschriften eine Bindungsfrist von 30 Jahren zulässig ist, während weitergehende Fristen den Eigentümer unangemessen knebeln und damit unwirksam sind. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein dingliches Vorkaufsrecht oder ein Nießbrauchsrecht unbefristet bestellt werden können. Abgesehen davon, dass diese dinglichen Rechte durch Eintragung im Grundbuch ersichtlich sind, wird der Eigentümer eines Grundstücks dadurch nicht an der Veräußerung seines Grundbesitzes gehindert. Gerade weil hier der Widerkläger seinen eigenen Eigentumsanteil von ¼ ebenfalls dem Veräußerungsverbot unterworfen hat, erscheint eine Bindungsfrist von 30 Jahren angemessen und ausreichend, so dass die weitergehende Bindungsfrist unwirksam ist.

d) Da die Bindungsfrist des Veräußerungsverbotes am 1.7.1980 zu laufen begonnen hat, war die 30-jährige Bindungsfrist am 1.7.2010 abgelaufen. Die Frist verlängert sich nicht schon deshalb, weil nach dem Vorbringen des Widerbeklagten möglicherweise noch Verstöße des Widerklägers gegen das Verfügungsverbot vorliegen, die dem Widerbeklagten noch nicht bekannt seien. Es ist Sache des Widerbeklagten, gegebenenfalls durch Einsicht in die Grundbücher festzustellen, ob der Widerkläger vor dem 1.7.2010 gegen das Verfügungsverbot verstoßen hat und entsprechende Eintragungen im Grundbuch verzeichnet sind. Insoweit ist die Widerklage hinsichtlich des Grundstückes das im Grundbuch von O1 Bl. …, Gemarkung O1, Flur … Flurstück …/2 eingetragen ist, abzuweisen, weil bezüglich dieses Grundstücks durch die rechtskräftige Entscheidung über die Klage der Rückübertragungsanspruch bereits rechtskräftig ausgeurteilt ist. Darüber hinaus sind bezüglich der Grundstücke O1, Flur …, Flurstück …/1 und Flurstück …/1 zwei Zwangssicherungshypotheken für die Ehefrau des Widerklägers Dr. H1F sowie für das Land Hessen, Landesjustizfiskus eingetragen (Bd. II Bl. 235 d.A.), so dass insoweit Rückübertragungsansprüche des Widerbeklagten möglich sind. Bezüglich dieser Grundstücke war deshalb die Widerklage ebenfalls abzuweisen. Da weitere Verstöße gegen das Veräußerungsverbot nicht ersichtlich sind und mithin Rückübertragungsansprüche auch nicht mehr entstehen können, weil das Verfügungsverbot beendet ist, gehen die Auflassungsvormerkungen ins Leere, so dass sie zu löschen sind.

e) Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Löschung der Auflassungsvormerkung auch nicht die Verjährungsfrist nach § 196 BGB von 10 Jahren entgegen. Zwar verjähren Ansprüche auf Übertragung des Grundstückseigentums nach § 196 BGB in 10 Jahren. Diese Frist setzt jedoch einen Anspruch auf Übertragung des Grundeigentums voraus, d.h. die Frist würde ab Entstehung eines schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruches aufgrund des Veräußerungsverbotes beginnen. Da hier hinsichtlich der im Rahmen der Widerklage streitgegenständlichen Grundstücke mit Ausnahme der im vorstehenden Absatz genannten drei Grundstücke kein Rückübertragungsanspruch dargetan ist, ist auch die Frist des § 196 BGB nicht in Lauf gesetzt. Es gibt daher keinen Anspruch mehr, den die Auflassungsvormerkungen sichern könnten.

4. Da durch den Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist am 1.7.2010 das Veräußerungsverbot entfallen ist, sind auch die Auflassungsvormerkungen gegenstandslos geworden, so dass der Widerbeklagte mit Ausnahme der genannten drei Grundstücke die Löschungsbewilligungen für die auf den übrigen Grundstücken eingetragenen Auflassungsvormerkungen zu erteilen hat. Die Widerklage ist deshalb in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

III.

Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, da beide Parteien im ersten Rechtszug durch Abweisung der Klage und Stattgabe der Widerklage teils obsiegen, teils unterliegen. Die Kostenentscheidung für den zweiten Rechtszug beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO, da die Widerklage teilweise abgewiesen worden ist, wobei der Senat hinsichtlich der drei Grundstücke von einem Wert von jeweils 14.000 € ausgegangen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung des Senats nicht von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Oberlandesgerichte abweicht und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 26 Nr. 8 EGZPO, 544 ZPO).

 

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