OLG Celle – Az.: 4 W 156/12 – Beschluss vom 30.08.2012
Die Beschwerde der Eigentümerin vom 16. Juli 2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Lüneburg vom 6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Eigentümerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Eigentümerin begehrt u. a. die Löschung eines zugunsten ihrer verstorbenen Mutter eingetragenen Wohnungsrechts.
Die Eigentümerin hat im Rahmen eines Übertragungsvertrags vom 29. Oktober 2009 ihren Eltern in § 4 ein Wohnungsrecht eingeräumt. Hierin sind u. a. die Verteilung der Verbrauchskosten (Verteilung nach Köpfen) sowie die Verpflichtung der Erwerberin zur Übernahme der allfälligen Schönheitsreparaturen und sonstigen Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten geregelt.
Nach dem Tod der Mutter begehrt die Eigentümerin nunmehr die Löschung des Wohnrechts und einer Vormerkung auf Rückauflassung sowie den Rangtausch anderer Eintragungen mit einer Grundschuld. Diese Anträge hat das Grundbuchamt nach Erlass von Zwischenverfügungen mit Beschluss vom 6. Juni 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, eine Löschung sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Wegen des Fehlens einer Vorlöschklausel sei die Bewilligung der Erben und deren Nachweis der Erbenstellung erforderlich oder aber alternativ der Ablauf der erforderlichen Jahresfrist. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Eigentümerin.
II.
Die gemäß den §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Grundbuchamt hat zu Recht die gestellten Anträge zum jetzigen Zeitpunkt abschlägig beschieden.
1. Die Löschung eines nur zu Lebzeiten geltenden Wohnungsrechts kann, sofern nicht gem. § 23 Abs. 2 GBO ein Löschungserleichterungsvermerk eingetragen ist, gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 GBO nur erfolgen, wenn ein Jahr nach dem Todesfall vergangen ist oder die Erben die Löschung unter dem Nachweis ihrer Erbenstellung bewilligen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Das Erfordernis der Bewilligung der Erben ergibt sich aus der Möglichkeit, dass zugunsten der ehemals Berechtigten noch Rückstände bestehen, die durch die Erben eingefordert werden können. Das Wohnungsrecht ist nach überwiegender Auffassung ein solches Recht, bei dem Rückstände nicht ausgeschlossen werden können (vgl. Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., §§ 23, 24 Rn. 39 m. w. N. auch zum Streitstand). Die Möglichkeit von Rückständen besteht z. B., wenn eine Unterhaltungspflicht zum Inhalt des Wohnungsrechts gehört, §§ 1093 Abs. 1 Satz 1, 1090 Abs. 2, 1021 BGB (vgl. a. OLG Düsseldorf FGPrax 1995, 11 f – aus juris).
Der Senat geht nach den in § 4 des Übertragungsvertrags getroffenen Vereinbarungen davon aus, dass vorliegend die Möglichkeit von Rückständen besteht, was ausreichend ist. Zu Recht hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass nach dem Inhalt des Übertragungsvertrags die Eigentümerin zur Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnung verpflichtet ist und sich hieraus – aus welchen Gründen auch immer – Ansprüche der Erblasserin ergeben, die auf den oder die Erben übergegangen sein könnten. Im Übrigen ist es nach § 4 des Übertragungsvertrags so, dass der Erblasserin auch Forderungen an zu viel vorausgezahlten Verbrauchskosten zustehen könnten. Denn die Erblasserin hatte sich an allen anderen, nicht den für ihre Räume und den Verbrauch anfallenden Kosten, soweit diese durch Messeinrichtungen getrennt erfasst werden können, in dem Verhältnis zu beteiligen, in dem die Zahl der die Wohnung ständig bewohnenden Personen zur Zahl der das Haus ständig bewohnenden Personen steht (also eine Verteilung nach Köpfen). Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus der vorzunehmenden Abrechnung noch zugunsten der Verstorbenen positive Forderungen ergeben. Die schlichte Behauptung der Eigentümerin, es bestünden keine Forderungen der Erblasserin, ist im Grundbuchverfahren unzureichend.
Das Argument der Eigentümerin, nur der Erblasserin höchstpersönlich stünden etwaige Ansprüche zu, ist unbegründet. Zu unterscheiden ist von der Ausübung des Wohnrechts als höchstpersönlichem Recht und den sich aus den Verpflichtungen des Eigentümers bzw. Wohnrechtsverpflichtetem ergebenden Forderungen des Berechtigten. Diese stellen keine höchstpersönlichen Rechte dar.
Der Einwand der Eigentümerin, dass die der Erblasserin geschuldeten Pflichten letztlich ihr selbst zugutekämen, ist unzutreffend. Berechtigte wären und sind die Erben der verstorbenen Mutter. Diese gilt es zunächst zu ermitteln; dass die Eigentümerin die Alleinerbin ist, ergibt sich aus dem Inhalt der Grundbuchakte oder sonstiger offenbarer Umstände nicht.
2. Das Grundbuch hat konsequent und zu Recht auch die weiter gestellten Anträge zurückgewiesen.
a) Dies gilt hinsichtlich der Anträge auf Rangtausch und Eintragung einer Grundschuld schon deswegen, weil das Wohnrecht aus den o. a. Gründen nicht gelöscht werden kann und abgeänderte Anträge nicht gestellt sind.
b) Ein Recht zur Löschung der Rückauflassungsvormerkung nur auf Antrag der Eigentümerin besteht ebenfalls nicht. Das Grundbuch ist nicht gem. § 22 GBO unrichtig geworden. Das der Erblasserin ursprünglich zustehende Recht ist nicht durch ihren Tod untergegangen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine erloschene Auflassungsvormerkung durch erneute Bewilligung ohne Grundbuchberichtigung und inhaltsgleiche Neueintragung wieder zur Sicherung eines neuen deckungsgleichen Anspruchs verwendet werden. Hiervon sind also auch der Eintragung der Vormerkung zeitlich später erfolgende Einigungen bzw. Bewilligungen betroffen (BGH NJW 2000, 805, 806). Dies hat zur Folge, dass der neue Schuldgrund im Grundbuch nicht eingetragen werden muss, mit der die erloschene Vormerkung wieder „aufgeladen“ wird (KG Rechtspfleger 2011, 365 ff., Rn. 20 – aus juris; BGH NJW 2008, 578). Dem steht die Aufgabe des Grundbuchs, eine eindeutige, klare und vollständige Aussage über vergangene und gegenwärtige Rechtsverhältnisse zu machen, nicht entgegen (BGH NJW 2008, 578 ff., Rn. 16 – aus juris). Eine gesicherte Antwort dazu, ob ein anderer als der eingetragene Schuldgrund dem durch die Vormerkung gesicherten Anspruch zugrunde liegt, enthält das Grundbuch nicht (KG, a. a. O., Rn. 22 m. w. N.).
Wird nunmehr ein Antrag auf Berichtigung des Grundbuches gestellt, sind an die Führung des Unrichtigkeitsnachweises gem. § 22 Abs. 2 GBO strenge Anforderungen zu stellen. Das Grundbuch ist bezüglich einer eingetragenen Vormerkung unrichtig, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch erloschen ist, da die Vormerkung von dem Bestand dieses Anspruchs abhängig ist (KG, a. a. O., Rn. 17 f. m. w. N.). Ein solches Erlöschen ist vorliegend jedoch nicht nachgewiesen. Zwar ist die Übergeberin verstorben. Es ist jedoch nicht völlig ausgeschlossen, dass z. B. die seinerzeitigen Vertragsparteien nachträglich andere Schuldgründe für die Rückauflassungsvormerkung vereinbart und dies dem Grundbuch nicht mitgeteilt haben. Eine solche Möglichkeit ist nicht nur denktheoretisch vorhanden, sondern – wie die vom Bundesgerichtshof und anderen Oberlandesgerichten getroffenen Entscheidungen zeigen – auch in der Praxis gegeben. Zwar sind durchaus Sachverhalte vorstellbar, in denen sich aus dem Zusammenhang der Umstände hinreichend sicher ergibt, dass der gesicherte Anspruch erloschen und nicht anderweitig wieder aufgeladen worden ist. Eine solche Annahme ist jedoch nur ausnahmsweise angebracht (so ausdrücklich OLG Hamm, DNotZ 2011, 691 ff. – aus juris). Für eine solche Ausnahme einer ganz entfernt liegenden Möglichkeit ergeben sich aus der Grundbuchakte jedoch keine Anhaltspunkte.
Die Eigentümerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die von ihr zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. Mai 2012 (Az.: V ZB 258/11) stützen. Denn im Gegensatz zum dort entschiedenen Sachverhalt ist vorliegend nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit, von einer nicht vererblichen Rückauflassungsvormerkung auszugehen. Gem. § 3 des Vertrags war die Übernehmerin, die jetzige Eigentümerin, zwar verpflichtet, über das Grundstück nicht ohne Zustimmung der Übergeber zu deren Lebzeiten zu verfügen [Anm: Hervorhebung durch den Senat]. Der Rückübertragungsanspruch sollte aber „nicht übertragbar und vererblich“ sein. Diese Formulierung ist nicht eindeutig und auch nicht hinreichend sicher auslegbar. Denn sie lässt Raum für folgende Auslegungen: der Anspruch ist nicht übertragbar und nicht vererblich bzw. weder übertragbar noch vorerblich
oder nicht übertragbar, aber vererblich. Dass die letzte Alternative nicht völlig ausgeschlossen ist, zeigt die Überlegung, dass damit ein Verbleiben des Anspruchs in der Familie gesichert bliebe.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 78 GBO bot dieser Sachverhalt nicht. Die Wertfestsetzung erfolgt auf den mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmenden Regelwert gemäß den §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO.