OLG Stuttgart – Az.: 8 W 288/20 – Beschluss vom 12.04.2022
1. Auf die Beschwerde der Beteiligen zu 2) und 3) wird das Grundbuchamt angewiesen, das Grundbuch von Tübingen, Blatt xxx, zu schließen und hinsichtlich des darin beschriebenen Wohnungseigentums nach Nr. 07 der endgültigen Teilungserklärung vom 23.07.1996 (im Aufteilungsplan mit Nr. „A 3“ bezeichnet) unter Beachtung der Ausführungen in diesem Beschluss über den Eintragungsantrag vom 29.07.1996 sowie die nachfolgend gestellten Anträge erneut zu entscheiden.
2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Unter dem 29.07.1996 wurde beim Grundbuchamt Tübingen – Grundbuchamt – der Vollzug von Anträgen zur Bildung von Wohnungseigentum gemäß der vorläufigen Teilungserklärung vom 18.12.1995 und der endgültigen Teilungserklärung vom 23.07.1996 beantragt.
In der vorläufigen Teilungserklärung ist unter § 1 Nr. 6 der vorliegend streitgegenständliche 284/2.000 Miteigentumsanteil „verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. A 3 bezeichneten Wohnung mit Balkon im Erdgeschoss mit Abstellraum im Untergeschoss im Neubau uns Garage“. Auch bei den übrigen Eigentumseinheiten wurde der jeweilige Miteigentumsanteil mit dem Sondereigentum an einer Wohnung verbunden.
In § 2 „Sondernutzungsrechte, Gebrauchsregelung i.S.§ 15 WEG“ ist unter Ziffer 4 diese Einheit ebenfalls als „Wohnungseigentum“ bezeichnet. In dem dazugehörigen Aufteilungsplan sind die Räume hingegen mit „Büro“, „Vorzimmer“, „Besprechung“ bezeichnet. Ein Bad/WC und eine Diele sind vorgesehen, dagegen keine Küche, kein Schlaf- Ess- oder Kinderzimmer. Auf Seite 11 findet sich unter § 5 b) eine Regelung zur Nutzungsänderung mit folgendem Inhalt:
„Die bei den einzelnen Nutzungsrechten im Aufteilungsplan angegebene Nutzungsart darf vom jeweiligen Nutzungsberechtigten geändert werden, wenn dadurch das gemeinschaftliche Eigentum nicht erheblich beeinträchtigt oder für den Berechtigten des anderen Sondereigentums sich hieraus nicht ein erheblicher Nachteil ergibt.“
In der endgültigen Teilungserklärung vom 23.07.1996 ist ausdrücklich niedergelegt, dass die vorläufige Teilungserklärung in § 1 geändert und neu gefasst wird. Sodann werden unter Ziffer 07 die im Aufteilungsplan mit „A 3“ bezeichneten Räume nicht mehr als „Wohnung“ bezeichnet, sondern als „Räume“. Im ebenfalls neu gefassten § 2 findet sich sodann die Bezeichnung „Teileigentum“. Alle übrigen Sondereigentumseinheiten werden als „Wohnung“ oder „Appartement“ bezeichnet. Die §§ 3-16 der vorläufigen Teilungserklärung wurden auf den beigefügten amtlichen Aufteilungsplan bezogen wiederholt (§ 3 der endgültigen Teilungserklärung). Die Bezeichnung der Räume der Einheit A 3 im ebenfalls neuen Aufteilungsplan ist gleich, mit Ausnahme der früheren Terrasse, die nun als Besprechungsraum ausgewiesen ist. In der beigefügten Abgeschlossenheitsbescheinigung des Baurechtsamts Tübingen vom 11.07.1996 ist die Einheit A 3 des in Bezug genommenen Aufteilungsplans vom 11.07.1996 als „gewerblich bzw. freiberuflich genutzte Räume“ bezeichnet.
Am 08.08.1996 vollzog das Grundbuchamt die Anträge, indem es u.a. für die Einheit A 3 das Grundbuch Nr. xxx anlegte und dort den Miteigentumsanteil als mit der im Aufteilungsplan als A 3 bezeichneten „Wohnung“ verbunden kennzeichnete. Wegen des Gegenstands und Inhalts des Sondereigentums wurde in der Eintragung Bezug genommen auf die vorläufige und die endgültige Teilungserklärung.
Bereits am 18.12.1995 hatte die Beteiligte zu 1) mit notariellem Kaufvertrag auf der Grundlage der vorläufigen Teilungserklärung die Einheit A 3 erworben. Unter dem 14.08.1996 wurde für sie die Eintragung einer Vormerkung und einer Grundschuldbestellung beantragt, am 04.08.2000 die Auflassung erklärt und unter dem 07.08.2000 die Eintragung des Eigentumswechsels beantragt. Eine Anpassung des Kaufvertrages an die endgültige Teilungserklärung erfolgte nicht. Am 09.08.2000 wurde die Beteiligte zu 1) als Eigentümerin im Grundbuch von Tübingen, Blatt xxx, eingetragen.
Unter dem 23.06.2020 hat die Beteiligte zu 1) um rechtsmittelfähige Überprüfung der Grundbucheintragung dahingehend gebeten, ob es sich bei der von ihr erworbenen Einheit A 3 tatsächlich um Wohnungs- und Teileigentum, insbesondere ob es sich bei den Räumen im Erdgeschoss um Wohnungseigentum handelt. Für den Fall, dass es sich nicht um Wohnungs- und Teileigentum handelt, erkläre sie aufgrund des Vorbehalts auf Seite 11 der Teilungserklärung vom 18.12.1995, die Änderung der Nutzungsart für die Räume im Erdgeschoss in Wohnungseigentum und beantrage die Eintragung dieser Änderung im Grundbuch. Die Änderung führe zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums oder eines anderen Sondereigentums.
Die Beteiligten zu 2 und 3) sind Eigentümer der Einheiten A 1 und A 2 des genannten endgültigen Aufteilungsplans. Sie haben ihrerseits mit Schriftsatz vom 28.07./14.08.2020 geltend gemacht, der Grundbucheintrag entspreche hinsichtlich der Bezeichnung als Wohnung nicht der maßgeblichen endgültigen Teilungserklärung, und haben auf dieser Grundlage Berichtigung des Grundbuchs und hilfsweise Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Anweisung an das Grundbuchamt, die unrichtige Eintragung zu löschen, zumindest aber einen Widerspruch einzutragen. Sie haben zudem darauf hingewiesen, dass eine Änderung der Nutzungsart von Büro- in Wohnräume eine erhebliche Beeinträchtigung für ihre Eigentumseinheiten mit sich bringen würde.
Das Grundbuchamt hat sich nicht in der Lage gesehen, dem Berichtigungsantrag zu entsprechen – die Unrichtigkeit des Grundbuchs sei nicht zweifelsfrei nachgewiesen und Bewilligungen aller Wohnungs- und Teileigentümer lägen nicht vor -, hat der hilfsweise erhobenen Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) nicht abgeholfen und hat die Akte insoweit dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidung vom 19.08.2020 verwiesen.
II.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich der seitens der Beteiligten zu 2) und 3) nur hilfsweise gestellte Antrag mit dem Ziel der Anweisung an das Grundbuchamt, gemäß § 53 GBO die unrichtige Eintragung zu löschen, zumindest aber einen Widerspruch einzutragen.
Mit diesem Rechtsschutzziel ist die Grundbuchbeschwerde gemäß § 71 Abs. 2 GBO zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, denn die Eintragung der Eigentumseinheit A 3 mit der Zweckbestimmung „Wohnung im Erdgeschoss“ war unzulässig, damit unwirksam, weshalb die Eintragung zu löschen, folglich das diesbezügliche Grundbuch zu schließen und auf der Grundlage des Eintragungsantrags vom 29.07.1996 ein neues Grundbuchblatt hinsichtlich der Einheit A 3 anzulegen ist.
1.
Inhaltlich unzulässig im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ist eine Eintragung, die ihrem – ggf. durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt nach einen Rechtszustand oder -vorgang verlautbart, den es nicht geben kann; dem steht es gleich, wenn Eintragungsvermerke in einem wesentlichen Punkt einander widersprechende Angaben enthalten oder so unklar sind, dass ihre Bedeutung auch bei zulässiger Auslegung nicht ermittelt werden kann, BGH Beschluss vom 04.12.2014 – V ZB 7/13 (JURIS Tz 13), BayObLG Beschluss vom 13.02.1998 – 2Z BR 158/97 (JURIS Tz 18), OLG München Beschluss vom 22.12.2016 – 34 Wx 306/16 (JURIS Tz 16), vgl. auch Holzer in: BeckOK GBO, Hügel, 45. Ed. Stand 01.03.2022, § 53 GBO Rn 69 m.w.N.. Ein solcher Fall ist hier – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Böblingen – gegeben.
a)
Maßgebend für den Inhalt der Eintragung im Grundbuch Blatt xxx ist einerseits die Bezeichnung der Aufteilungseinheit A 3 als „im Aufteilungsplan mit Nr. A 3 bezeichnete[n] Wohnung im Erdgeschoss nebst einem Kellerraum im Untergeschoss und einer Garage“, andererseits der Inhalt der ausdrücklich in Bezug genommenen Teilungserklärungen vom 18.12.1995 und vom 23.07.1996. Denn das zulässigerweise in Bezug Genommene ist als im Grundbuch eingetragen anzusehen. Es bildet mit dem Eintragungsvermerk eine Einheit, die nur einheitlich gelesen und gewürdigt werden kann. Stehen der Eintragungsvermerk und eine dort in zulässiger Weise in Bezug genommene Urkunde, insbesondere die Eintragungsbewilligung, in einem durch Auslegung nicht aufzulösenden Widerspruch zueinander, so liegt eine inhaltlich unzulässige Grundbucheintragung vor, so BayObLG aaO, Demharter, Grundbuchordnung, 32. Auflage 2021, § 44 GBO Rn 15 m.w.N.. Davon zu unterscheiden ist eine Eintragung ohne eine Bezugnahme auf Unterlagen, die lediglich beim Sondereigentum die Zweckbestimmung (rechtlich) nicht zutreffend beschreibt. Eine solche Eintragung ist, da sie für sich allein im Grundbuch eingetragen ist, in ihrem Inhalt jedenfalls nicht in sich widersprüchlich, so dass auch die Zulässigkeit der Eintragung nicht berührt ist.
Hier ist zunächst festzustellen, dass nach der ausdrücklichen Erklärung in § 1 der endgültigen Teilungserklärung die Regelungen in § 1 der vorläufigen Teilungserklärung abgeändert und insgesamt neu gefasst worden sind. Das Gleiche gilt für § 2 der Teilungserklärungen: auch hier wurde die vorläufige Teilungserklärung durch eine Neufassung ersetzt. Dabei wurde im § 1 die Formulierung „Wohnung mit Balkon im Erdgeschoss“ ersetzt durch „Räume mit Balkon im Erdgeschoss“, die Bezeichnung „Wohnungseigentum“ in § 2 Ziffer 4 durch die Formulierung „Teileigentum“ in § 2 Ziffer 07. Bereits der einfache Vergleich der verwendeten Begriffe zeigt eine Diskrepanz zwischen dem Grundbucheintrag und der insoweit allein maßgeblichen endgültigen Teilungserklärung, denn die Wörter „Wohnung“ und „Räume“ sind – auch nach der vom Grundbuchamt selbst vorgenommenen Auslegung – nicht inhaltsgleich: aus der Eintragung „Wohnung“ ergibt sich zugleich, dass eine Nutzung der Räume im Erdgeschoss zu anderen als Wohnzwecken nicht zulässig wäre.
b)
Dem Grundbuchamt kann zudem bereits im Ansatz nicht gefolgt werden, wenn es meint, bei der Auslegung des Begriffs „Räume“ in § 1 Ziffer 07 der endgültigen Teilungserklärung auf die ohne Begründung für nachrangig erklärten Indizien der Bezeichnung in § 2, im Aufteilungsplan sowie in der Abgeschlossenheitsbescheinigung vollständig verzichten und statt dessen auf allgemeine Gesichtspunkte wie die Verwendung des Begriffs in Literatur und Rechtsprechung und eine Auslegungsregel des BGH für den Zweifelsfall abstellen zu können.
Bei der Auslegung einer Grundbucheintragung ist stets auf den Wortlaut und Sinn der Teilungserklärung abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb der Eintragung und der dort zulässig in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere also der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung, dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, BGH aaO (JURIS Tz 8). In seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof dabei sogar ausdrücklich, wenn auch nachrangig, auch die Bezeichnung im Aufteilungsplan für die Auslegung mit herangezogen.
Vorliegend lässt die Verwendung des Begriffs „Teileigentum“ in § 2 Ziffer 07 der endgültigen Teilungserklärung erkennen, dass die teilende Eigentümerin den in § 1 Ziffer 07 benutzten Begriff „Räume“ im Sinne von Teileigentum verstanden hat. Dies wird bestärkt dadurch, dass im Gegensatz zu der vorläufigen an keiner einzigen Stelle der späteren endgültigen Teilungserklärung im Zusammenhang mit der Einheit A 3 ein Begriff verwendet wird, der auch nur ansatzweise konkret auf eine Zweckbestimmung als Wohnung hinweisen könnte, während alle anderen Eigentumseinheiten als Wohnung oder Apartment gekennzeichnet sind. Die Teilungserklärung stellt grundsätzlich eine einheitliche Erklärung dar, so dass sie auch im Rahmen der Auslegung als solche zu behandeln ist. Gerade der Bezeichnung in § 2 Nr. 07 kommt daher bei der Auslegung nicht eine nachrangige, sondern eine besondere Bedeutung zu.
Hinzu kommt schließlich, dass die hier vorgenommene Auslegung – anders als diejenige des Grundbuchamts – als einzige im vollständigen Einklang steht mit den Beschreibungen im Aufteilungsplan und in der Abgeschlossenheitsbescheinigung. Eine Auslegung dahingehend, dass sich der endgültigen Teilungserklärung eine Zweckbestimmung der Räume der Einheit A 3 im Erdgeschoss als Wohnung (so wie eingetragen) ergebe, ist hingegen nicht vertretbar, auch nicht im Rahmen eines „gewissen Ermessensspielraums“.
c)
Somit besteht ein nicht auflösbarer Widerspruch hinsichtlich der Beschreibung des Nutzungszwecks zwischen dem Grundbucheintrag und der darin in Bezug genommenen endgültigen Teilungserklärung, der nicht unter dem öffentliche Glauben steht (BayObLG aaO, JURIS Tz 21ff). Dies hat zur Folge, dass das mit der unzulässigen Eintragung dokumentierte Recht nicht zur Entstehung gelangt ist. Da eine unzulässige Eintragung keine Grundlage für weitere Eintragungen sein kann, sind auch alle nachfolgenden Eintragungen als unzulässig zu löschen mit der weiteren Folge, dass das Grundbuchblatt xxx zu schließen ist. Der ursprüngliche Antrag auf Eintragung ist folglich noch unerledigt und muss nach der Löschung bzw. Schließung des Grundbuchblatts neu beschieden werden, ebenso die nachfolgend die Einheit A 3 betreffend eingereichten Eintragungsanträge, so zutreffend BayObLG aaO. Eine Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO kommt demgegenüber mangels wirksamer Eintragung nicht in Betracht.
Im weiteren Verlauf wird das Grundbuchamt sodann über den hilfsweise gestellten Antrag der Beteiligten zu 1) auf Eintragung der von ihr einseitig erklärten Änderung der Nutzungsart zu entscheiden haben. Aus gegebenem Anlass wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine Änderung der in der Teilungserklärung festgelegten Zweckbestimmung grundsätzlich einer Vereinbarung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentümer bedarf, es sei denn, deren Mitwirkung wäre mit Bindung für die Sondernachfolger abbedungen, OLG München Beschluss vom 11.11.2016 – 34 Wx 264/16. Der Regelung auf Seite 11 der vorläufigen Teilungserklärung lässt sich ein derartiger Verzicht der Miteigentümer auf ihre Rechte nicht entnehmen. Vielmehr beschreibt die Bestimmung lediglich das zulässige Maß der tatsächlichen Nutzung im Rahmen der getroffenen Zweckbestimmung, was sich darin zeigt, dass nach dem Wortlaut des § 5 b) lediglich die im Aufteilungsplan angegebene Nutzungsart geändert werden darf, wohingegen von einer Umwandlung von Wohnungs- in Teileigentum und umgekehrt gerade nicht die Rede ist.
Da die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) Erfolg hat, sind Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben.
Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.