OLG München – Az.: 34 Wx 417/11 – Beschluss vom 19.12.2011
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Landshut vom 24. August 2011 aufgehoben.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, das als beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch des Amtsgerichts Landshut von Landshut – blaues Viertel – Bl. 953, in der Zweiten Abteilung unter lfd. Nr. 1 zu Lasten des Grundstücks FlSt 522 eingetragene Abbruch- und Veränderungsverbot zu löschen.
III. Von einer Gebührenerhebung im Löschungsverfahren wird abgesehen.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind jeweils zu 233/1000 als Miteigentümer sowie hinsichtlich eines weiteren Miteigentumsanteils zu 301/1000 in Erbengemeinschaft als Eigentümer von Grundbesitz, auf dem sich ein historisches Gebäude befindet, im Grundbuch eingetragen. In der Zweiten Abteilung des Grundbuchs ist unter lfd. Nr. 1 als beschränkte persönliche Dienstbarkeit für den Beteiligten zu 4 ein Abbruch- und Veränderungsverbot (denkmalpflegerische Verpflichtung) eingetragen. Dabei ist auf eine Bewilligung vom 3.12.1971/15.12.1971 Bezug genommen. In der Urkunde vom 3.12.1971 ist folgende Klausel enthalten:
„Der Käufer verpflichtet sich für sich und seine Rechtsnachfolger bei Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen an dem Gebäude, dem Denkmalscharakter und unbedingte Schutzwürdigkeit zuzuerkennen ist, alle Handlungen zu unterlassen, die gegen die Grundsätze der Denkmalspflege und die jeweils einzuholenden Weisungen des Bay. Landesamtes für Denkmalspflege verstoßen. Er verpflichtet sich in gleicher Weise einen Abbruch des Gebäudes zu unterlassen.“
Unter dem 25.5.2011 haben die Beteiligten zu 1 bis 3 – anwaltlich vertreten – begehrt, von Amts wegen die Grunddienstbarkeit zu löschen, da sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße. Dieser verlange, dass der in der Grunddienstbarkeit geregelte Anspruch nach Inhalt oder Gegenstand genügend bestimmt oder bestimmbar ist. Die Nutzungsbeschränkung entsprechend den „allgemeinen Grundsätzen der Denkmalspflege“ sei mehrdeutig und damit zu unbestimmt.
Nach Anhörung des Beteiligten zu 4 hat das Grundbuchamt den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, hinsichtlich des Abbruchs des Gebäudes sei die Verpflichtung bestimmt, so dass schon deshalb eine vollständige Löschung ausscheide. Im Übrigen seien die Maßnahmen, bei denen der Grundstückseigentümer durch die Dienstbarkeit beschränkt werde, konkretisiert. Ausdrücklich seien nämlich Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen an dem Gebäude angeführt. Die Formulierung „Handlungen zu unterlassen, welche gegen die Grundsätze der Denkmalpflege verstoßen“ könne nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr bestehe ein untrennbarer Sachzusammenhang mit der Verpflichtung, bei den genannten Maßnahmen die Weisungen des Landesamts für Denkmalspflege einzuholen. Aufgrund der Komplexität des Denkmalschutzes würde es den Rahmen einer Eintragungsbewilligung sprengen, wenn man alle nur erdenklichen Konstellationen in die Eintragungsbewilligung aufnehme. Die Dienstbarkeit sei so zu verstehen, dass es der Grundstückseigentümer zu unterlassen habe, Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen ohne (An-) Weisung der Denkmalschutzbehörde vorzunehmen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 1, § 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG zulässig. Lehnt nämlich das Grundbuchamt die von Amts wegen vorzunehmende Löschung einer Eintragung als inhaltlich unzulässig ab, ist hiergegen die Beschwerde statthaft (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 53 Rn. 61). Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind auch beschwerdeberechtigt, da sie als betroffene Eigentümer im Falle der Unrichtigkeit der Eintragung nach § 894 BGB einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung hätten (vgl. Demharter § 71 Rn. 69).
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Im Grundsatz dürfte eine denkmalpflegerische Dienstbarkeit über den öffentlich-rechtlichen Denkmalschutz (Art. 4 ff. DSchG) hinaus auf privatrechtlicher Ebene in Betracht kommen (vgl. LG Passau MittBayNot 1977, 191/192; Quack Rpfleger 1979, 281). Hier handelt es sich jedoch um die inhaltlich unzulässige Eintragung einer Dienstbarkeit, die rechtlich wirkungslos und daher nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen ist (vgl. z.B. Senat vom 27.5.2008 – 34 Wx 130/07 – MittBayNot 2008, 380). Die inhaltliche Unzulässigkeit kann sich im Falle der Dienstbarkeit auch daraus ergeben, dass diese nicht ausreichend bestimmt ist (vgl. Senat aaO.; Staudinger/Frank BGB Neubearb. 2009 § 1090 Rn. 6; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 1211).
2. Dabei ist die Grenze zwischen Bestimmtheit und Unbestimmtheit fließend. Einerseits werden die Anforderungen überspannt, wenn man eine Begriffsbestimmung fordert, die von vornherein für alle nur denkbaren Fälle jede Möglichkeit eines Zweifels ausschließt, denn dies wird vielfach nicht möglich sein. Die Bezeichnung muss aber so bestimmt sein, dass der Richter im Streitfall nach verständigem Ermessen – bei sinnvoller Auslegung – in der Lage ist, die Grenze zu ziehen (vgl. OLG Düsseldorf Rpfleger 1979, 305). Es muss nämlich jedermann aus dem Grundbuch und den dazugehörigen Urkunden den Inhalt der Eintragung klar ersehen können. Der Rechtsinhalt muss aufgrund objektiver Umstände bestimmbar und für einen Dritten erkennbar und verständlich sein, so dass dieser in der Lage ist, die hieraus folgende höchstmögliche Belastung des Grundstückseigentums einzuschätzen und zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu gewinnen, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum konkret haben kann (vgl. OLG Brandenburg FGPrax 2009, 100; Senat NJW-RR 2011, 1461; Staudinger/Meyer BGB Neubearb. 2009 § 1018 Rn. 88). Der Bestimmtheitsgrundsatz soll nämlich auch Streitfälle vermeiden helfen, indem für alle Beteiligten und Interessenten Klarheit über den Inhalt und Umfang des Rechts geschaffen wird (vgl. OLG Düsseldorf Rpfleger 1979, 305). Dabei können die objektiven Umstände jedoch auch außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind. Je gravierender allerdings die mit der Dienstbarkeit verbundene Einschränkung des betroffenen Eigentümers ist, desto größere Anforderungen müssen an die Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes gestellt werden. Das bedeutet aber auch, dass zum Verständnis nicht die Kenntnis von Grundsätzen notwendig sein darf, die beim „normalen“ Grundbuchinteressenten billigerweise nicht vorausgesetzt werden können (vgl. Senat MittBayNot 2008, 380, für die Kenntnis örtlicher Rechtsvorschriften).
3. Diesen Anforderungen genügt die Dienstbarkeit nicht.
a) Hierbei ist nicht zu unterscheiden zwischen dem Verbot des Abbruchs und dem Verbot sonstiger Maßnahmen. Der Abbruch des Gebäudes hat unter denselben Voraussetzungen zu unterbleiben wie Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen. Es ist alles zu vermeiden, was gegen die Grundsätze der Denkmalspflege und die jeweils einzuholenden Weisungen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalspflege verstößt. Situationen, in denen ein Abbruch den Grundsätzen der Denkmalspflege entspricht, sind nicht ausschließbar.
b) Dem Grundbuchamt ist darin Recht zu geben, dass die Maßnahmen, bei denen die Grundsätze der Denkmalspflege zu beachten sind, konkretisiert sind. Es handelt sich letztlich um jede bauliche Maßnahme an dem Gebäude. Nicht ausreichend konkretisiert ist aber, unter welchen Umständen diese Handlungen zu unterlassen sind. Insoweit ist auf die „Grundsätze der Denkmalspflege“ verwiesen. Diese sind aber nicht ohne weiteres für jeden Interessenten erkennbar. Sie sind fließend, einem Wandel unterworfen und auch anderweitig – etwa durch Rechtsquellen – nicht ausreichend konkretisiert. Um diese Grundsätze einschätzen zu können, sind spezielle Fachkenntnisse erforderlich. Es ist schließlich nicht ausgeschlossen, dass auch unter den Fachleuten Uneinigkeit herrscht, welche Grundsätze im Einzelnen wann anzuwenden sind.
c) Zwar wahrt ein umfassender Verzicht auf die Ausübung von Rechten den Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. BayObLGZ 2004, 103). Der Bestimmtheitsgrundsatz wäre daher gewahrt, wenn jede Maßnahme, die in den baulichen Bestand eingreift, von der Zustimmung einer Behörde abhängig gemacht worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Nach dem Wortlaut der Bewilligung muss der Grundstückseigentümer (nur) Handlungen unterlassen, die gegen die Grundsätze der Denkmalspflege und die „einzuholenden“ Weisungen des Bayerischen Landesamts für Denkmalspflege verstoßen. Es ergibt sich daraus schon nicht eindeutig, wann derartige Weisungen eingeholt werden müssen. Insbesondere stehen die Grundsätze der Denkmalspflege gleichberechtigt neben den Weisungen. Die Bewilligung stellt auch nicht klar, ob und inwieweit das Bayerische Landesamt für Denkmalspflege die Möglichkeit eingeräumt bekommt, über die öffentlich-rechtlichen Vorschriften hinaus Anforderungen zu stellen und auf zivilrechtlichem Weg durchzusetzen oder auch abweichend von den „Grundsätzen der Denkmalpflege“ Handlungen zu genehmigen.
III.
Über die Kosten des Löschungsverfahrens ist nach §§ 81 bis 84 FamFG zu befinden. Dem Senat erscheint es sachgerecht, ausdrücklich auszusprechen, dass Gebühren nach der Kostenordnung nicht erhoben werden. Für die Beschwerdeinstanz folgt dies unmittelbar aus § 131 Abs. 3 KostO, weil die Beteiligten zu 1 bis 3 als Beschwerdeführer obsiegt haben. Soweit der Antrag erstinstanzlich Gebühren ausgelöst hat (vgl. § 2 Nr. 1 KostO), ist es gerechtfertigt, solche im Hinblick auf den Verfahrensausgang nicht zu erheben (siehe § 81 Abs. 1 Satz 2 KostO). Der Beteiligte zu 4 scheidet als Kostenschuldner aus (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KostO). Hingegen liegen keine besonderen Umstände vor, nach denen es billig erschiene, auch eine Kostenerstattung zugunsten der Beteiligten zu 1 bis 3 anzuordnen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.