Ein Bevollmächtigter forderte gestützt auf eine Transmortale Generalvollmacht bei Nacherbfolge die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch. Das Gericht musste klären, ob diese Vollmacht ausreicht, um die Anwartschaftsrechte potenzieller, noch unbekannter Erben auszuhebeln.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Kann eine Vollmacht über den Tod hinaus die Rechte von Nacherben aushebeln?
- Ein Grundstück, eine Vorerbin und eine mächtige Vollmacht: Was war passiert?
- Warum sind Nacherbenvermerk und transmortale Vollmacht ein juristisches Spannungsfeld?
- Weshalb schützt das Gericht die Nacherben stärker als die Vollmacht?
- Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Reicht meine transmortale Vollmacht aus, um den Nacherbenvermerk zu löschen?
- Kann ich als Vorerbe ein Grundstück trotz Nacherbenvermerk verkaufen?
- Muss ich die Zustimmung aller Nacherben für die Löschung des Nacherbenvermerks einholen?
- Was tun, wenn der Kreis der Nacherben (z.B. ungeborene Kinder) noch nicht feststeht?
- Wie gestalte ich mein Testament, damit der Vorerbe mehr Verfügungsfreiheit hat?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 20 W 58/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Celle
- Datum: 23.08.2024
- Aktenzeichen: 20 W 58/24
- Verfahren: Beschwerdeverfahren (Grundbuchsache)
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Grundbuchrecht, Vertretungsrecht
- Das Problem: Die Vorerbin wollte einen Vermerk im Grundbuch löschen, der die Rechte der zukünftigen Erben schützte. Um die Löschung zu bewirken, nutzte die Vorerbin die Bewilligung von Generalbevollmächtigten des Verstorbenen. Das zuständige Grundbuchamt lehnte dies ab, weil die zukünftigen Erben nicht zugestimmt hatten.
- Die Rechtsfrage: Kann eine über den Tod hinaus wirkende Generalvollmacht den Bevollmächtigten ermächtigen, einen Schutzvermerk für die noch nicht bekannten Nacherben im Grundbuch zu löschen?
- Die Antwort: Nein. Eine Generalvollmacht reicht nicht aus, um die Rechte der zukünftigen Erben aufzuheben oder deren Schutzvermerk zu löschen. Für die Löschung ist entweder die Zustimmung aller Nacherben oder ein strenger Nachweis erforderlich, dass der Grundbucheintrag falsch ist.
- Die Bedeutung: Der Schutz der zukünftigen Erben wird auch bei Vorliegen einer Generalvollmacht aufrechterhalten. Eine Generalvollmacht kann grundsätzlich nicht dazu dienen, die Bindungen der Nacherbfolge zu umgehen oder faktisch zu beenden.
Kann eine Vollmacht über den Tod hinaus die Rechte von Nacherben aushebeln?
Ein über den Tod hinaus wirksamer Wille ist ein zentrales Anliegen im Erbrecht. Doch was geschieht, wenn zwei Instrumente zur Regelung des Nachlasses in Konflikt geraten? Kann eine vom Erblasser ausgestellte, umfassende Generalvollmacht die im Testament festgelegten Schutzrechte zukünftiger Erben, der sogenannten Nacherben, aufheben? Mit dieser juristisch anspruchsvollen Frage befasste sich das Oberlandesgericht Celle in seinem Beschluss vom 23. August 2024 (Az. 20 W 58/24) und fällte eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung für die Gestaltung von Testamenten und Vollmachten. Der Fall zeigt eindrücklich die Grenzen auf, an die selbst eine weitreichende, Transmortale Vollmacht stößt, wenn es um den Schutz des Grundbuchs und der Nacherben geht.
Ein Grundstück, eine Vorerbin und eine mächtige Vollmacht: Was war passiert?

Die Ausgangslage des Falles ist ein klassisches erbrechtliches Konstrukt. Ein Mann verstarb und hinterließ ein Testament, das seine Ehefrau als Vorerbin einsetzte. Das bedeutet, sie wurde zunächst Eigentümerin des Nachlasses, einschließlich eines Grundstücks. Als Nacherben bestimmte er ihre leiblichen Kinder. Sollten diese nicht erben können oder wollen, wurde eine Stiftung als Ersatznacherbin benannt.
Um die Rechte dieser Nacherben zu sichern, wurde im Grundbuch des Grundstücks ein sogenannter Nacherbenvermerk eingetragen. Dieser Vermerk funktioniert wie ein öffentliches Warnsignal: Er zeigt jedem potenziellen Käufer oder Gläubiger, dass die Vorerbin nicht frei über das Grundstück verfügen kann. Verfügungen, die das Recht der Nacherben beeinträchtigen, sind ihnen gegenüber unwirksam (§ 2113 BGB).
Jahre vor seinem Tod hatte der Erblasser jedoch eine weitere Vorkehrung getroffen: Er erteilte zwei Vertrauenspersonen eine umfassende Generalvollmacht. Diese sollte ausdrücklich über seinen Tod hinaus gelten – eine sogenannte transmortale Vollmacht. Sie ermächtigte die Bevollmächtigten, ihn in allen Angelegenheiten zu vertreten.
Genau auf diese Vollmacht stützte sich nun die Vorerbin. Gemeinsam mit den beiden Generalbevollmächtigten beantragte sie beim Grundbuchamt die Löschung des Nacherbenvermerks. Ihr Ziel war es, die Verfügungsbeschränkung aufzuheben und das Grundstück frei von den Rechten der Nacherben zu machen.
Das Grundbuchamt lehnte den Antrag jedoch ab. Es vertrat die Ansicht, dass die Vollmacht die Bevollmächtigten nicht dazu berechtige, im Namen der Nacherben zu handeln und deren Schutzrecht aufzugeben. Die Zustimmung der Nacherben selbst fehle. Gegen diese Entscheidung legte die Vorerbin Beschwerde ein, die schließlich vor dem Oberlandesgericht Celle landete.
Warum sind Nacherbenvermerk und transmortale Vollmacht ein juristisches Spannungsfeld?
Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, muss man das Spannungsverhältnis der beiden zentralen Rechtsinstitute verstehen, die hier aufeinandertrafen.
Der Nacherbenvermerk im Grundbuch (§ 51 GBO) ist das wichtigste Sicherungsmittel für den Nacherben. Er schützt dessen Anwartschaftsrecht auf das Erbe. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls (typischerweise der Tod des Vorerben) gehört das Vermögen dem Vorerben, aber es ist als Sondervermögen zu behandeln. Der Vermerk macht diese Bindung für alle sichtbar und verhindert, dass der Vorerbe Grundstücke einfach verkauft und der Nacherbe am Ende leer ausgeht.
Die transmortale Generalvollmacht ist ein Instrument, das dem Willen des Erblassers über seinen Tod hinaus Geltung verschaffen soll. Sie ermöglicht es den Bevollmächtigten, den Nachlass schnell und unbürokratisch zu verwalten, ohne auf einen Erbschein warten zu müssen. Die Macht der Bevollmächtigten leitet sich direkt vom Erblasser ab, nicht von den Erben.
Der Konflikt entsteht, wenn die durch die Vollmacht ermöglichten Handlungen die durch das Testament geschaffenen Rechte der Nacherben berühren. Die Kernfrage lautet: Kann der Wille des Erblassers, der sich in der Vollmacht manifestiert, den ebenfalls auf seinem Willen beruhenden Schutz der Nacherben aushebeln?
Weshalb schützt das Gericht die Nacherben stärker als die Vollmacht?
Das Oberlandesgericht Celle wies die Beschwerde der Vorerbin zurück. Es entschied, dass die transmortale Generalvollmacht nicht ausreicht, um die Löschung des Nacherbenvermerks ohne die Mitwirkung der Nacherben zu rechtfertigen. Die Richter analysierten die beiden rechtlich denkbaren Wege zur Löschung eines solchen Vermerks und stellten fest, dass keiner davon im vorliegenden Fall gangbar war.
Weg 1: Warum fehlte die notwendige Zustimmung der Nacherben?
Grundsätzlich kann ein Recht im Grundbuch nur mit Bewilligung desjenigen gelöscht werden, der von der Löschung betroffen ist (§ 19 GBO). Im Fall des Nacherbenvermerks sind das die Nacherben. Ihre Zustimmung ist erforderlich. Das Problem: Im vorliegenden Fall stand der Kreis der Nacherben noch nicht endgültig fest. Als Nacherben waren die „leiblichen Abkömmlinge“ der Vorerbin eingesetzt. Da die Vorerbin noch lebte, war nicht ausgeschlossen, dass sie weitere Kinder bekommen könnte.
Für solche Fälle, in denen Nacherben noch unbekannt oder ungeboren sind, sieht das Gesetz eine Lösung vor: die Bestellung eines Pflegers (§ 1882 BGB), der die Interessen dieser potenziellen Erben vertritt. Dessen Handeln bedürfte zudem der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 1850 Nr. 1 BGB). Dieser Weg wurde hier nicht beschritten.
Die Vorerbin argumentierte stattdessen, die Zustimmung der Generalbevollmächtigten ersetze die der Nacherben. Ihre Logik: Da die Vollmacht vom Erblasser stammt, können die Bevollmächtigten für den gesamten Rechtskreis handeln, den der Erblasser geschaffen hat – also auch für die Nacherben. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht.
Weg 2: Warum war das Grundbuch nicht nachweislich unrichtig?
Ein zweiter Weg zur Löschung einer Eintragung ist der Nachweis, dass das Grundbuch unrichtig ist (§ 22 GBO). Das bedeutet, die tatsächliche Rechtslage stimmt nicht mehr mit dem überein, was im Grundbuch steht. Hätte die Vorerbin beispielsweise nachweisen können, dass das Grundstück aus der Nacherbenbindung herausgefallen ist, wäre der Vermerk unrichtig und zu löschen.
An diesen Nachweis stellt das Gesetz jedoch extrem hohe Anforderungen. Eine bloße Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Es müssen alle denkbaren Möglichkeiten ausgeräumt werden, die für die Richtigkeit der Eintragung sprechen. Einen solchen lückenlosen Beweis konnte die Vorerbin nicht erbringen. Der Nacherbenvermerk spiegelte die im Testament angeordnete Rechtslage korrekt wider und war somit nicht unrichtig.
Der Kernkonflikt: Warum kann die Vollmacht die Nacherben nicht vertreten?
Im Zentrum der Entscheidung stand die Auseinandersetzung mit dem Hauptargument der Vorerbin: Die vom Erblasser erteilte Vollmacht müsse doch ausreichen, um in seinem Sinne zu handeln. Das Gericht setzte sich dabei intensiv mit einer in der Rechtsliteratur und von anderen Gerichten (etwa dem OLG Stuttgart) vertretenen Gegenmeinung auseinander, verwarf diese aber aus mehreren überzeugenden Gründen:
- Der Status des Nacherben: Bis zum Tod des Vorerben ist der Nacherbe noch kein vollwertiger Erbe. Er hat lediglich ein Anwartschaftsrecht – eine gesicherte Erwerbsaussicht. Das Gericht argumentierte, dass ein Bevollmächtigter nicht die Rechte einer Person ausüben kann, die diese Rechte selbst noch gar nicht innehat. Die Nacherben sind noch nicht Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, und die Vollmacht kann diesen Zustand nicht vorwegnehmen.
- Der Schutzzweck der Nacherbfolge: Die Konstruktion der Vor- und Nacherbschaft dient gerade dazu, das Vermögen für eine spätere Generation zu erhalten. Würde man zulassen, dass eine Generalvollmacht diesen Schutz aushebeln kann, könnte der Vorerbe mithilfe der Bevollmächtigten den Nachlass faktisch auflösen und den Willen des Erblassers unterlaufen. Dies würde dem Wesen der Nacherbfolge widersprechen.
- Die strenge Auslegung im Grundbuchrecht: Im Grundbuchverkehr gilt der Grundsatz der Eindeutigkeit. Vollmachten werden im Zweifel eng ausgelegt. Die vorgelegte Generalvollmacht enthielt keinen expliziten Hinweis darauf, dass die Bevollmächtigten auch ermächtigt sein sollten, die Rechtsposition der Nacherben aufzugeben. Das Gericht war nicht bereit, eine derart weitreichende Befugnis in eine allgemeine Formulierung hineinzuinterpretieren.
Das Gericht stellte klar, dass die Macht der transmortalen Vollmacht zwar weitreichend ist, aber primär gegenüber dem Nachlass des Erblassers wirkt. Sie verleiht keine Befugnis, in die eigenständigen, gesetzlich geschützten Anwartschaftsrechte der Nacherben einzugreifen.
Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?
Die Entscheidung des OLG Celle hat erhebliche praktische Konsequenzen für jeden, der seinen Nachlass durch eine Vor- und Nacherbschaft regeln und gleichzeitig eine transmortale Vollmacht erteilen möchte. Da das Gericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen hat, ist das letzte Wort zwar noch nicht gesprochen, die Tendenz ist jedoch klar.
Checkliste: Nacherbfolge und transmortale Vollmachten in der Praxis
- Eine Vollmacht ist kein Allheilmittel: Gehen Sie nicht davon aus, dass eine transmortale Generalvollmacht alle erbrechtlichen Regelungen ersetzen oder aushebeln kann. Sie ist ein Werkzeug zur Verwaltung, aber kein Instrument zur Umgestaltung der Erbfolge.
- Die Rechte der Nacherben sind stark geschützt: Der Nacherbenvermerk im Grundbuch ist eine hohe Hürde. Seine Löschung vor dem Nacherbfall ist nur mit Zustimmung aller potenziellen Nacherben oder durch den strengen Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit möglich.
- Formulieren Sie Ihren Willen präzise: Wenn Sie als Erblasser möchten, dass Ihr Vorerbe mehr Freiheiten hat, sollten Sie über die Anordnung einer „befreiten Vorerbschaft“ (§ 2136 BGB) nachdenken. Dies muss jedoch klar im Testament formuliert sein und hebt nicht alle Beschränkungen auf. Eine Vollmacht ist hierfür das falsche Instrument.
- Beachten Sie die Rolle unbekannter Nacherben: Sobald der Kreis der Nacherben nicht final feststeht (z.B. „meine künftigen Enkel“), ist für Verfügungen über Grundstücke in der Regel die Einschaltung eines gerichtlich bestellten Pflegers und des Betreuungsgerichts unumgänglich.
- Holen Sie sich spezialisierten Rat: Die Kombination aus Testament, Vor- und Nacherbschaft sowie Vollmachten ist komplex. Eine frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht oder einen Notar ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass Ihr letzter Wille später auch wie gewünscht umgesetzt werden kann und keine unlösbaren Konflikte entstehen.
Die Urteilslogik
Die gesetzlichen Schutzmechanismen der Nacherbfolge setzen klare Grenzen für die Reichweite einer Vollmacht, die über den Tod des Erblassers hinaus Gültigkeit beansprucht.
- Transmortale Vollmacht begrenzt die Befugnis: Eine Generalvollmacht, die über den Tod hinaus erteilt wurde, verleiht dem Bevollmächtigten keine Befugnis, eigenständige, gesetzlich geschützte Rechtspositionen der Nacherben, insbesondere deren Anwartschaftsrecht, aufzuheben.
- Hohe Anforderungen an die Grundbuchlöschung: Die Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerks setzt zwingend entweder die Bewilligung aller betroffenen Nacherben voraus oder den lückenlosen Nachweis, dass der Grundbucheintrag nachweislich und unwiderlegbar unrichtig ist.
- Vertretung unbekannter Nacherben: Ist der Kreis der Nacherben noch nicht abschließend bestimmt (zum Beispiel bei potenziell ungeborenen Abkömmlingen), erfordert die Vertretung ihrer Interessen bei Verfügungen über das Nachlassvermögen die Bestellung eines gerichtlich bestellten Pflegers.
Im Erbrecht triumphiert die testamentarisch angeordnete Sicherung des Erbguts für künftige Generationen über die allgemeine Handlungsfreiheit der bevollmächtigten Nachlassverwaltung.
Experten Kommentar
Ein Generalbevollmächtigter soll das Erbe unbürokratisch verwalten können. Dieses Urteil zieht aber eine klare rote Linie, wo diese Macht endet: Die transmortale Generalvollmacht ist keine Freikarte, um den Nacherbenvermerk im Grundbuch einfach zu löschen. Die Richter machen unmissverständlich klar, dass der Schutz des Anwartschaftsrechts der Nacherben über der reinen Verwaltungsmacht des Bevollmächtigten steht. Wer Grundstücke für die nächste Generation sichern will, hat damit ein mächtiges Instrument in der Hand, das sich nicht einfach durch eine allgemeine Vollmacht umgehen lässt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Reicht meine transmortale Vollmacht aus, um den Nacherbenvermerk zu löschen?
Nein, eine umfassende transmortale Generalvollmacht reicht nicht aus, um den Nacherbenvermerk im Grundbuch zu entfernen. Das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle) stellte klar, dass dieses mächtige Dokument am Schutz der Nacherben scheitert. Die Vollmacht soll die unbürokratische Verwaltung des Nachlasses ermöglichen, nicht jedoch die Erbfolge umgestalten. Das Grundbuchamt wird die Löschung des Vermerks daher blockieren.
Der Grund für dieses Scheitern liegt im fundamentalen Unterschied der Rechtsnatur: Die Vollmacht wirkt nur innerhalb des Rechtskreises des Erblassers, primär zur Nachlassverwaltung. Die Rechte der Nacherben hingegen sind ein eigenständiges, gesetzlich gesichertes Anwartschaftsrecht. Dieses Recht entsteht durch die testamentarische Anordnung selbst und kann nicht durch eine Vollmacht des Vorerben vorweggenommen oder ersetzt werden. Das Gericht schützt damit die testamentarische Anordnung des Erblassers, das Vermögen für die nachfolgende Generation zu sichern.
Um den Vermerk zu löschen, müssen Sie zwingend einen der beiden juristischen Wege beschreiten, die das Grundbuchrecht vorschreibt. Entweder benötigen Sie die unbedingte Bewilligung aller potenziellen Nacherben (§ 19 GBO), oder Sie müssen die lückenlose Unrichtigkeit des Grundbuchs nachweisen (§ 22 GBO). Die Vollmacht verleiht den Bevollmächtigten keine Befugnis, in die Rechte Dritter einzugreifen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kreis der Nacherben noch offen und unbestimmt ist.
Vermeiden Sie unnötige, langwierige Gerichtsverfahren auf Basis der Vollmacht und fordern Sie sofort die Kopie der OLG Celle Entscheidung (Az. 20 W 58/24) bei Ihrem Anwalt an.
Kann ich als Vorerbe ein Grundstück trotz Nacherbenvermerk verkaufen?
Formal können Sie als Vorerbe das Grundstück verkaufen, da Sie der eingetragene Eigentümer sind. Allerdings macht der Nacherbenvermerk jede Verfügung, welche die Rechte der Nacherben beeinträchtigt, unwirksam (§ 2113 BGB). Ein solcher Verkauf ist daher rechtlich möglich, aber extrem risikoreich für jeden potenziellen Käufer. Die Bindung des Grundstücks an die Nacherben bleibt bestehen.
Der Vermerk im Grundbuch dient als öffentliches Warnsignal. Er informiert Banken, Notare und Käufer darüber, dass das Grundstück mit den Rechten der Nacherben belastet ist. Dieses gesetzlich geschützte Anwartschaftsrecht wird durch die zivilrechtliche Vorschrift des § 2113 BGB gesichert. Ist der Verkauf für die künftigen Erben nachteilig, können sie das Grundstück beim Eintritt des Nacherbfalls vom Käufer zurückfordern. Diese relative Unwirksamkeit bedeutet, dass die Veräußerung nur im Verhältnis zu den Nacherben keinen Bestand hat.
Professionelle Investoren, Bauträger oder Banken werden das Grundstück in der Regel nicht zum vollen Marktwert ankaufen oder beleihen. Sie scheuen das hohe Risiko der späteren Rückforderung durch die Nacherben. Ein wirtschaftlich sinnvoller Verkauf ist praktisch nur möglich, wenn Sie die schriftliche Zustimmung aller Nacherben zur Löschung des Vermerks erhalten. Alternativ besteht Handlungsfreiheit, wenn der Erblasser Sie im Testament ausdrücklich als sogenannten befreiten Vorerben eingesetzt hat.
Überprüfen Sie umgehend das Grundbuch, um festzustellen, ob Sie als Vorerbe von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen befreit wurden, da dies Ihre Handlungsspielräume stark erweitert.
Muss ich die Zustimmung aller Nacherben für die Löschung des Nacherbenvermerks einholen?
Ja, die Zustimmung aller Nacherben ist zwingend erforderlich, um den Nacherbenvermerk aus dem Grundbuch löschen zu lassen. Dies folgt aus der Regelung des § 19 GBO, nach der ein im Grundbuch eingetragenes Recht nur mit der Bewilligung seines Inhabers gelöscht werden kann. Die Löschung tangiert unmittelbar das gesetzlich geschützte Anwartschaftsrecht der Nacherben.
Das Anwartschaftsrecht gewährt den Nacherben eine gesicherte Rechtsposition, die der Nacherbenvermerk öffentlich sichert. Ihre Zustimmung benötigen Sie nicht nur von allen bekannten und volljährigen Nacherben. Sie müssen auch potenzielle Nacherben einbeziehen. Dies betrifft Personen, die zum Zeitpunkt der Löschung noch nicht geboren oder namentlich nicht bestimmbar sind, wie etwa künftige Enkelkinder. Der Erblasser konnte diese Zustimmung nicht durch eine umfassende Vollmacht vorwegnehmen.
Der fatalste Fehler ist die Annahme, die Unterschrift der aktuell lebenden Nacherben reiche aus. Ist der Kreis der Nacherben laut Testament offen formuliert, beispielsweise als „alle Abkömmlinge“, blockiert dies die Löschung. Eine Generalvollmacht kann die eigenständigen Schutzrechte der Nacherben nicht ersetzen, da sie bis zum Nacherbfall noch nicht die Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers sind. Das Grundbuchamt akzeptiert die Löschung des Nacherbenvermerks nur, wenn die Bewilligung lückenlos vorliegt.
Erstellen Sie eine detaillierte Liste aller im Testament genannten Nacherben und überprüfen Sie, ob der Kreis testamentarisch offen oder bereits abschließend bestimmt ist.
Was tun, wenn der Kreis der Nacherben (z.B. ungeborene Kinder) noch nicht feststeht?
Steht der Kreis der Nacherben, etwa bei ungeborenen oder noch unbekannten potenziellen Personen, nicht abschließend fest, ist die Verfügungsfreiheit des Vorerben blockiert. Sie müssen einen zwingend notwendigen Umweg über die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters gehen. Ein gerichtlich bestellter Pfleger muss die Interessen dieser zukünftigen Erben wahrnehmen und deren Schutzrechte sichern.
Das Gesetz schützt das Anwartschaftsrecht zukünftiger Nacherben konsequent, auch wenn diese noch nicht existieren oder unbekannt sind. Gemäß § 1882 BGB ist deshalb für die noch unbekannten oder ungeborenen Begünstigten ein Vertreter zu bestellen. Das zuständige Pflegschaftsgericht wählt eine neutrale Person, die einzig die Aufgabe hat, die Rechtsposition der potenziellen Erben zu sichern. Ohne diese formelle Vertretung wird das Grundbuchamt keine Löschung des Nacherbenvermerks vornehmen.
Die Bestellung des Pflegers allein reicht nicht aus, um eine Verfügungsbeschränkung aufzuheben. Zustimmungen des Pflegers, welche die Rechte des unbekannten Nacherben beeinträchtigen, benötigen zusätzlich die Genehmigung des Betreuungsgerichts nach § 1850 Nr. 1 BGB. Nur durch diesen formaljuristischen Umweg, der die doppelte Absicherung der potenziellen Erben gewährleistet, kann der Nacherbenvermerk rechtssicher gelöscht werden.
Kontaktieren Sie umgehend einen Notar oder Fachanwalt, um alle notwendigen Dokumente für den Antrag auf Bestellung eines Pflegers beim zuständigen Betreuungsgericht zusammenzustellen.
Wie gestalte ich mein Testament, damit der Vorerbe mehr Verfügungsfreiheit hat?
Wenn Sie Ihrem überlebenden Partner als Vorerben größere Handlungsspielräume einräumen möchten, müssen Sie dies im Testament präzise festlegen. Eine einfache Generalvollmacht ist dafür ungeeignet und schafft später unnötige Konflikte beim Grundbuchamt. Setzen Sie den Vorerben stattdessen ausdrücklich als befreiten Vorerben nach § 2136 BGB ein. Diese klare Anweisung ist die einzige gerichtsfeste Lösung.
Die Regel der Vor- und Nacherbschaft sieht strenge gesetzliche Beschränkungen vor, um das gesamte Vermögen für die späteren Nacherben zu erhalten. Die explizite Anordnung der befreiten Vorerbschaft lockert diese engen Vorgaben. Der Vorerbe kann dann freier über die Nachlassgegenstände verfügen, zum Beispiel Immobilien verkaufen oder Hypotheken aufnehmen, ohne die Nacherben fragen zu müssen. Wichtig ist: Die Befreiung entbindet den Vorerben nicht automatisch vom gesetzlichen Schenkungsverbot, da er die Nacherben nicht vorsätzlich schädigen darf.
Allgemeine Vollmachtsformulierungen, die dem Partner alle Befugnisse erteilen sollen, ersetzen die spezifischen erbrechtlichen Schutzbestimmungen nicht. Gerichte und Grundbuchämter erkennen diese Vollmachten in Bezug auf den Nacherbenschutz nicht an, wie aktuelle Rechtsprechung bestätigt. Achten Sie darauf, dass die Befreiung lediglich Verfügungen gegen Entgelt erleichtert. Der im Grundbuch eingetragene Nacherbenvermerk bleibt bestehen, dient aber bei der befreiten Vorerbschaft nur noch als Schutz vor unentgeltlichen Verfügungen.
Vereinbaren Sie umgehend einen Termin beim Notar, um die juristischen Implikationen der befreiten Vorerbschaft (§ 2136 BGB) detailliert zu prüfen und gerichtsfeste Klauseln zu verwenden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anwartschaftsrecht
Das Anwartschaftsrecht beschreibt die gesicherte Erwerbsaussicht eines zukünftigen Erben, dessen Position durch die testamentarische Anordnung bereits so stark gefestigt ist, dass sie gesetzlichen Schutz genießt. Obwohl der Nacherbe das Vermögen erst später erhält, soll er bereits vor dem Nacherbfall gegen Verfügungen des Vorerben abgesichert sein, damit der letzte Wille des Erblassers nicht unterlaufen wird.
Beispiel: Das Gericht betonte, dass die Bevollmächtigten nicht in das eigenständige Anwartschaftsrecht der Nacherben eingreifen durften, da dieses ein gesetzlich geschütztes Recht Dritter darstellt.
Befreite Vorerbschaft
Eine Befreite Vorerbschaft liegt vor, wenn der Erblasser den Vorerben ausdrücklich von einigen der strengen gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen entbindet, die normalerweise die Weitergabe des Vermögens sichern. Diese Gestaltung erlaubt es dem Vorerben, freier über den Nachlass zu verfügen, zum Beispiel Immobilien zu verkaufen, während der Erblasser dennoch sicherstellt, dass die Substanz des Vermögens für die Nacherben erhalten bleibt.
Beispiel: Hätte der Erblasser im Testament die Ehefrau als befreite Vorerbin eingesetzt, hätte sie über das Grundstück weitestgehend freier verfügen können, ohne die aufwendige Zustimmung aller Nacherben einholen zu müssen.
Nacherben
Nacherben sind diejenigen Personen, die das Erbe erst erhalten, nachdem zuvor eine andere Person, der sogenannte Vorerbe, für eine bestimmte Zeit oder bis zum Eintritt eines Ereignisses (meist der Tod des Vorerben) Erbe war. Dieses erbrechtliche Institut ermöglicht es dem Erblasser, die Vermögensnachfolge über zwei Generationen hinweg zu steuern und so das Vermögen für die nachfolgende Familie oder eine bestimmte Stiftung abzusichern.
Beispiel: Die leiblichen Kinder wurden im Testament als Nacherben eingesetzt, da sie den Nachlass erst nach dem Tod der Vorerbin, ihrer Mutter, als finales Erbe übernehmen sollten.
Nacherbenvermerk
Der Nacherbenvermerk ist eine zwingend im Grundbuch einzutragende Warnung, die öffentlich kundtut, dass ein Grundstück mit den Rechten der Nacherbfolge belastet ist. Dieser Vermerk dient als wichtigstes Sicherungsmittel, da er jeden potenziellen Käufer oder Gläubiger darüber informiert, dass der Vorerbe nur eingeschränkt über das Grundstück verfügen kann.
Beispiel: Die Vorerbin versuchte vergeblich, die Löschung des Nacherbenvermerks beim Grundbuchamt zu erwirken, um die Verfügungsbeschränkung des Grundstücks aufzuheben und einen freien Verkauf zu ermöglichen.
Pfleger
Ein Pfleger (oder Ergänzungspfleger) ist eine vom Betreuungs- oder Nachlassgericht bestellte neutrale Person, die die Interessen von Erben wahrnehmen muss, deren Kreis noch unbekannt oder unbestimmt ist, wie etwa ungeborene Kinder. Das Gesetz verlangt die Einschaltung eines Pflegers, um sicherzustellen, dass auch die Rechte der zukünftigen Nacherben, die noch nicht selbst handeln können, gerichtlich vertreten und geschützt werden.
Beispiel: Weil im Fall der Vorerbin nicht ausgeschlossen war, dass weitere Abkömmlinge als Nacherben infrage kamen, wäre für Verfügungen die Bestellung eines Pflegers zwingend notwendig gewesen.
Transmortale Vollmacht
Juristen nennen das eine Transmortale Vollmacht, wenn eine vom Erblasser ausgestellte Generalvollmacht ausdrücklich über dessen Tod hinaus wirksam bleiben soll. Dieses Instrument dient dazu, den Nachlass nach dem Todesfall schnell und unbürokratisch zu verwalten, ohne dass die Erben den langwierigen und oft teuren Erbschein abwarten müssen.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Celle musste entscheiden, ob die weitreichende transmortale Vollmacht der Bevollmächtigten ausreicht, um die Löschung des Nacherbenvermerks ohne die Mitwirkung der Nacherben zu beantragen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Celle – Az.: 20 W 58/24 – Beschluss vom 23.08.2024
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