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Kostenprivilegierung bei Übertragung eines Landwirtschaftbetriebs auf eine GbR

LG Stralsund – Az.: 6 OH 15/18 – Beschluss vom 21.10.2019

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, betreffend die Kostenrechnung der Notarin vom 20.06.2018 – A 931/1/1 – 2018 – wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragstellerin erwarb mit Hofübergabevertrag vom 28.02.2018 das landwirtschaftliche Einzelunternehmen von … (Anlage Ast. 1, Bl. 7 d.A.). Die Gesellschafter der Antragstellerin sind die Kinder des Veräußerers. Die Antragsgegnerin legte am 20.06.2018 ihre Kostenrechnung, wobei sie einen Geschäftswert von 3.360.065,92 € zugrunde legte (Anlage Ast. 2, Bl. 28 d.A.).

Die Antragsteller beantragen, diesen Geschäftswert zu reduzieren.

Sie meinen, der Geschäftswert müsse unter Berücksichtigung des § 48 Abs. 1 GNotKG lediglich 707.624,00 € betragen. Sie sind der Ansicht, die Vorschrift müsse verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch auf Gesellschaften des bürgerlichen Rechts anzuwenden sei. Die Vorschrift knüpfe an veraltete Strukturen in der Landwirtschaft an, die nicht mehr den aktuellen Verhältnissen entsprächen, vielmehr würden landwirtschaftliche Unternehmen vermehrt in gesellschaftsrechtlichen Formen betrieben.

Die Ländernotarkasse und der Präsident des Landgerichts haben Stellung genommen (Bl. 37, 43 d.A.).

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 127 Abs. 1 GNotKG ist zulässig, aber unbegründet.

Die Antragsgegnerin hat den Geschäftswert nach Maßgabe der § § 36, 46 ff. GNotKG zutreffend ermittelt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Vorschrift des § 48 Abs. 1 GNotKG nicht einschlägig. Sie setzt voraus, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Hofstelle „an eine oder mehrere natürliche Personen“ übertragen wird. Das ist vorliegend nicht der Fall. Der Rechtsbegriff „natürliche Person“ meint den Menschen als Rechtsträger. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 705 ff. BGB ist zwar (obwohl ihr nach heute praktisch einhelliger Auffassung Rechtsfähigkeit zukommt) keine juristische Person, sie ist aber auch keine natürliche Person. Sie kann entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht wie eine natürliche Person bzw. als eine in einer Bruchteilsgemeinschaft verbundene Mehrheit von natürlichen Personen behandelt werden. Der Zweck des § 48 Abs. 1 GNotKG ist die Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe im Familienbesitz. Die Vorschrift regelt einen Ausnahmetatbestand zu § 46 GNotKG, sodass ihre Voraussetzungen eng auszulegen sind. Angesichts der Formulierung in § 48 Abs. 1 GNotKG ist unverkennbar, dass eine Zuwendung an eine Gesellschaft (sei es eine Personengesellschaft, sei es eine Kapitalgesellschaft) nicht begünstigt sein soll. Daher kommt nach ganz überwiegender Auffassung in der Literatur die Anwendung des § 48 Abs. 1 GNotKG bei dem Erwerb durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht in Betracht (vgl. die in der Stellungnahme der Ländernotarkasse wiedergegebenen Fundstellen).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift nicht zu dem von ihr gewünschten Ergebnis. Einer derartigen Auslegung bedarf es nicht, weil der Gesetzgeber angesichts des oben erwähnten Zweckes der Regelung gerade eine Privilegierung im Falle der Veräußerung an andere Erwerber als natürliche Personen nicht gewollt hat. Diese Privilegierung über den Wortlaut der Norm hinaus ist auch nicht geboten. Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf einen Strukturwandel in der Landwirtschaft. Einen derartigen Strukturwandel zeigt die Antragstellerin bereits nicht auf, sondern behauptet ihn lediglich. Recherchen der Kammer im Internet haben folgendes ergeben:

In dem Situationsbericht 2012/2013 des Deutschen Bauernverbandes heißt es unter „3.4 Betriebs- und Rechtsformen“: „Nach Rechtsformen betrachtet dominieren die landwirtschaftlichen Einzelunternehmen, die in der Regel als Familienbetriebe geführt werden. So zählten 273.000 der 299.100 landwirtschaftlichen Betriebe Deutschlands 2010 zu den Einzelunternehmen (gut 91 Prozent). Allerdings ging die Zahl der Einzelunternehmen – bereinigt um die Anhebung der Erfassungsgrenzen – seit 2007 um knapp 9 Prozent zurück.“

Ausweislich der Tabellen aus dem Statistischen Jahrbuch 2016, veröffentlicht vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, waren von etwa 275.000 landwirtschaftlichen Betrieben etwa 244.000 Einzelunternehmen, mithin etwa 89 %.

Das bedeutet, dass weiterhin die große Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe von Einzelunternehmern, d. h. natürlichen Personen, geführt werden. Unabhängig davon ist es ohnehin nicht Aufgabe der Kammer, das Gesetz (vermeintlich) geänderten Lebensverhältnissen anzupassen.

Ohne Erfolg versucht sich die Antragstellerin In diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des BGH vom 25.11.2016 (BLw 4/15) zu stützen. In dieser Entscheidung führt der BGH aus, die in § 9 GrdstVG geregelten Versagungsgründe seien vor allem darauf ausgerichtet, die Agrarstruktur durch die Schaffung und den Erhalt leistungsfähiger Betriebe zu fördern und nicht unzeitgemäße Verhältnisse zu konservieren (Rn 18 zitiert nach juris). Das hilft der Antragstellerin aber bereits allein deshalb nicht, weil der in § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GrdstVG geregelte Versagungsgrund für den landwirtschaftlichen Betrieb keine bestimmten Rechtsformen vorsieht (vgl. insoweit ausdrücklich BGH, Beschluss vom 26.11.2010, BLw 14/09 zitiert nach juris Rn 17), während die Privilegierungsvorschrift des § 48 Abs. 1 GNotKG genau das tut, nämlich die Rechtsform „natürliche Person“ vorsieht. Der Gesetzgeber hat damit von der ihm zustehenden Befugnis, unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich zu regeln, Gebrauch gemacht.

Hinzu kommen noch folgende Erwägungen: In der Vorgängervorschrift, § 19 Abs. 4 KostO, war eine Beschränkung wie in § 48 Abs. 1 GNotKG – Übertragung nur auf natürliche Personen – nicht enthalten, eine Anwendung auch auf die Übertragung auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurde indes unter bestimmten Voraussetzungen (ausnahmsweise) gleichwohl angenommen (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 215). Allein der Umstand, dass mit der Regelung der Kostenprivilegierung in § 48 Abs. 1 GNotKG diese ausdrücklich nur für Fälle der Übertragung auf eine natürliche Person zugelassen wird, lässt für die Einbeziehung auch von Übertragungen auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts keinen Raum (mehr).

Zudem hat sich mit der gewandelten Auffassung zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts diese der OHG angenähert ist, welche wiederum zwar keine juristische Person ist, aber rechtlich weitgehend verselbständigt und mithin weithin den gleichen Regeln wie diese unterworfen ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., Einl. § 105 Rn 12).

III.

Die Tragung von Gerichtskosten und die Erstattung außergerichtlicher Auslagen war nicht anzuordnen.

1. Das Verfahren vor dem Landgericht ist gebührenfrei; Das Kostenverzeichnis enthält keinen anwendbaren Gebührentatbestand, was der Regelung in § 146 Abs. 6 der aufgehobenen Kostenordnung entspricht.

2. Außergerichtliche Auslagen des Notars waren der Antragstellerin nicht aufzuerlegen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

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