Rechtliche Klarheit: Postmortale Vollmacht und die Eintragung von Grundschulden
Das Oberlandesgericht Hamburg entschied, dass die Eintragung einer Grundschuld im Grundbuch nicht vom Nachweis der Erbfolge abhängig gemacht werden darf, wenn eine postmortale Vollmacht vorliegt. Dies bestätigt die Wirksamkeit postmortaler Vollmachten und erleichtert Transaktionen im Erbfall, insbesondere bei Immobilien. Das Urteil hebt die Bedeutung klarer rechtlicher Regelungen in Nachlassangelegenheiten hervor.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Grundschuld-Eintragung: Das Gericht lehnt die Forderung des Grundbuchamts nach einem Erbnachweis für die Eintragung einer Grundschuld ab.
- Postmortale Vollmacht: Die postmortale Generalvollmacht bleibt gültig und berechtigt zur Vornahme von Grundstücksgeschäften.
- Rechtsbeständigkeit: Die Vollmacht bleibt bis zu ihrem Widerruf oder der Kraftloserklärung der Urkunde wirksam.
- Legalitätsprinzip: Das Grundbuchamt ist nicht verpflichtet, die Wirksamkeit der Vollmacht über das übliche Maß hinaus zu prüfen.
- Voreintragung der Erben: Eine Voreintragung der Erben im Grundbuch ist nicht erforderlich.
- Gültigkeit der Vollmacht: Die Gültigkeit der Vollmacht wird nicht durch die Alleinerbenstellung der Vollmachtnehmerin beeinträchtigt.
- Unabhängigkeit vom Erbverfahren: Die Wirksamkeit der Vollmacht bleibt bestehen, solange kein abgeschlossenes Erbverfahren vorliegt.
- Präzedenzfall: Das Urteil setzt einen wichtigen Präzedenzfall für ähnliche Fälle, die die Gültigkeit postmortaler Vollmachten betreffen.
Übersicht
Die Bedeutung postmortaler Vollmachten im Erbrecht

Im Bereich des Erbrechts und der Immobilientransaktionen spielt die postmortale Vollmacht eine wesentliche Rolle. Sie ermöglicht es, rechtliche Handlungen über den Tod hinaus fortzuführen und ist insbesondere bei der Übertragung von Wohnungseigentum relevant. Dieses juristische Instrument gewinnt an Bedeutung, wenn es um die Erbfolge und die Eintragung von Grundschulden geht. In diesem Kontext stellt sich häufig die Frage, inwieweit eine solche Vollmacht die Notwendigkeit des Nachweises der Erbfolge ersetzen kann und welche rechtlichen Konsequenzen damit verbunden sind.
Die Wirksamkeit und die Grenzen einer postmortalen Vollmacht sind zentrale Themen, die nicht nur für Rechtsanwälte und Notare, sondern auch für Erben und Immobilieneigentümer von großer Bedeutung sind. Der folgende Beitrag beleuchtet ein aktuelles Urteil, das wichtige Klarstellungen in Bezug auf diese Thematik liefert und zeigt auf, welche Implikationen sich daraus für die Praxis ergeben. Lassen Sie uns einen Blick auf die Details dieses Falles werfen und dessen Auswirkungen auf die Handhabung solcher Vollmachten im rechtlichen Kontext verstehen.
Postmortale Vollmacht und Grundschuldeintragung – Ein Fall fürs Gericht
Im Zentrum des aktuellen Falles stand die Frage, ob für die Eintragung einer Grundschuld im Grundbuch der Nachweis der Erbfolge erforderlich ist, insbesondere wenn eine postmortale Vollmacht vorliegt. Dies wurde vom Oberlandesgericht Hamburg im Fall Az.: 13 W 59/22 am 10.01.2023 entschieden. Die Beschwerdeführer, die im Besitz einer postmortalen Vollmacht waren, strebten die Eintragung einer Grundschuld auf ein Wohnungseigentum an, das zuvor einem verstorbenen Erblasser gehörte.
Das rechtliche Dilemma entstand, als das Grundbuchamt die Vollmacht in Frage stellte. Es argumentierte, dass die Vollmacht aufgrund der Alleinerbenstellung der Vollmachtnehmerin durch Konfusion erloschen sei und forderte somit einen Erbnachweis nach § 35 GBO. Diese Auffassung wurde jedoch von den Beschwerdeführern angefochten.
Die rechtliche Bewertung der Vollmacht
Die Kernfrage war, ob die Vollmacht auch nach dem Tod des Vollmachtgebers weiterhin gültig bleibt. Nach § 168 BGB bleibt eine Vollmacht so lange gültig, bis sie vom Vollmachtgeber oder dessen Erben widerrufen wird. Im konkreten Fall hatte die Beteiligte zu 3), welche die postmortale Vollmacht besaß, diese nicht widerrufen. Sie erklärte sich sogar als Alleinerbin, was normalerweise die Vollmacht nicht beeinträchtigt, solange kein Widerruf erfolgt.
Das Gericht stellte klar, dass das Grundbuchamt nicht befugt ist, die Wirksamkeit der Vollmacht eigenständig zu hinterfragen, insbesondere da kein Widerruf vorlag. Dieses Prinzip ist entscheidend, um die Rechtssicherheit in der Abwicklung von Nachlassangelegenheiten zu gewährleisten.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg
Das Gericht entschied zugunsten der Beschwerdeführer. Es wies das Grundbuchamt an, die Eintragung der Grundschuld ohne Nachweis der Erbfolge vorzunehmen. Diese Entscheidung beruht auf der Annahme, dass die postmortale Vollmacht weiterhin gültig ist und die Beteiligte zu 3) somit berechtigt war, im Namen des Erblassers zu handeln.
Dieses Urteil betont die Bedeutung postmortaler Vollmachten im Erbrecht und stellt klar, dass solche Vollmachten auch nach dem Tod des Vollmachtgebers ihre Gültigkeit behalten, solange sie nicht widerrufen werden. Es hebt auch die Bedeutung des Legalitätsprinzips hervor, das besagt, dass das Grundbuchamt die Richtigkeit des Grundbuchs zu wahren hat, ohne dabei übermäßig in die Vollmachten und die Erbfolge einzugreifen.
Relevanz für Notare und Rechtsanwälte
Dieser Fall ist besonders relevant für Notare und Rechtsanwälte, die sich mit Erbrecht und Immobilientransaktionen beschäftigen. Er zeigt auf, wie wichtig es ist, die Gültigkeit und Grenzen postmortaler Vollmachten zu verstehen und wie diese im Kontext der Erbfolge und Grundschuldeintragung angewendet werden können.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg bietet eine wichtige Orientierungshilfe für die Praxis und stellt einen wichtigen Referenzpunkt für ähnliche Fälle dar. Es verdeutlicht, dass die Eintragung von Grundschulden im Rahmen einer postmortalen Vollmacht ohne die Notwendigkeit eines Erbnachweises erfolgen kann, was die Abwicklung von Nachlassangelegenheiten erheblich vereinfacht.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was ist eine postmortale Vollmacht?
Eine postmortale Vollmacht ist eine Vollmacht, die erst nach dem Tod des Vollmachtgebers wirksam wird. Der Vollmachtgeber erteilt diese Vollmacht zu seinen Lebzeiten und bestimmt, dass sie erst mit seinem Tod wirksam wird. Der Bevollmächtigte kann dann auch nach dem Tod des Vollmachtgebers als Vertreter des Erblassers bzw. dessen Erben über das Vermögen verfügen.
Im Gegensatz dazu steht die transmortale Vollmacht, die sowohl vor als auch nach dem Tod des Vollmachtgebers gilt.
Nach deutschem Recht erlischt eine Vollmacht nicht zwangsläufig mit dem Tod des Vollmachtgebers. Es muss durch Auslegung ermittelt werden, ob die Vollmacht über den Tod hinaus gelten soll. Wenn der Vollmacht ein Auftragsverhältnis zugrunde liegt, besteht die Auslegungsregel, dass im Zweifel der Auftrag und somit die Vollmacht fortbestehen.
Die postmortale Vollmacht kann in verschiedenen Kontexten nützlich sein, beispielsweise im Rahmen einer Bestattungsverfügung oder zur Regelung von Erbschaftsangelegenheiten. Es ist jedoch ratsam, eine solche Vollmacht notariell beurkunden zu lassen, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 13 W 59/22 – Beschluss vom 10.01.2023
Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Eintragung einer Grundschuld zugunsten der Beschwerdeführer nicht von einem Nachweis der Erbfolge zugunsten der Beteiligten zu 3) abhängig zu machen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer begehren die Eintragung einer Grundschuld in das Wohnungseigentum, eingetragen zugunsten des am 30.09.2010 verstorbenen Herrn H… G… K… Ottensen Blatt … beim Amtsgericht Hamburg-Altona. Der Grundschuldbestellung liegt ein notariell beglaubigter Kaufvertrag an diesem Wohnungseigentum sowie einem weiteren Wohnungseigentumsanteil zugrunde.
Beim Kaufvertragsabschluss wurde die vermeintliche Erbin des Herrn H… K… vollmachtlos vertreten durch dessen Kinder. Der Kaufvertrag wurde nachfolgend von der Beteiligten zu 3), die eine notarielle postmortale Generalvollmacht besitzt, genehmigt. Im Rahmen ihrer Genehmigung erklärte sie, Alleinerbin nach Herrn K… zu sein. In der gleichen Urkunde wie dem notariellen Kaufvertrag wurden die Beschwerdeführer bevollmächtigt, eine Grundschuld einzutragen und deren Eintragung zu bewilligen. Laut § 4 der Generalvollmacht ist der Beteiligten zu 3) im Einzelfall eine Unterbevollmächtigung erlaubt.
Mit Zwischenverfügung vom 27.10.2022 beanstandete das Grundbuchamt die Vollmacht. Es vertrat die Auffassung, dass die Vollmacht aufgrund der Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 3) durch Konfusion erloschen sei und forderte einen Erbnachweis nach § 35 GBO. Hiergegen richtet sich die von den Beschwerdeführern eingereichte Beschwerde.
II.
Die Beschwerde, die der insoweit zuständige Notar in Vollmacht für die Beschwerdeführer eingelegt hat, ist zulässig (§ 71 ff. GBO) und begründet. Das Amtsgericht hat die Eintragung der Eigentumsumschreibung zu Unrecht mit der Begründung versagt, dass die Beteiligte zu 3) sich nicht auf die zu ihren Gunsten ausgestellte postmortale Vollmacht berufen kann.
1) Voraussetzung einer Eintragung im Grundbuch ist nach § 19 GBO die Bewilligung desjenigen, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird. Diese Bewilligung kann dabei grundsätzlich auch durch einen hierfür Berechtigten erfolgen, soweit dieser seine Berechtigung im Sinne des § 29 GBO nachweisen kann. Die Beteiligte zu 3) hat einen solchen Nachweis in Form der notariell beurkundeten General- und Vorsorgevollmacht beigebracht. Die von der Beteiligten zu 3) eingereichte Vollmacht umfasst sämtliche Rechtsgeschäfte, enthält eine Befreiung von den Voraussetzungen des § 181 BGB und soll nach § 4 auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirksam bleiben. Ferner ist sie zur Unterbevollmächtigung berechtigt und hat die Beschwerdeführer ihrerseits wirksam mit notarieller Urkunde bevollmächtigt.
Ausreichende Bedenken gegen den Nachweis einer wirksamen Bevollmächtigung ergeben sich nicht daraus, dass die Beteiligte zu 3) erklärt hat, Alleinerbin des Herrn K… geworden zu sein. Grundsätzlich gilt nach § 168 BGB, dass eine Vollmacht solange gültig bleibt, bis sie vom Vollmachtgeber bzw. dessen Erben im Fall einer postmortalen Vollmacht widerrufen wird. § 172 Abs. 2 BGB bestimmt darüber hinaus, dass die Vertretungsmacht aufgrund einer Vollmachturkunde solange fortbesteht, bis die Urkunde zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wurde. Eine Ausnahme hierzu besteht nach § 173 BGB nur, wenn Dritte – hier das Grundbuchamt – positive Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis vom Erlöschen der Vollmacht haben. Eine solche positive Kenntnis folgt jedoch nicht bereits aus der Erklärung der Vollmachtnehmerin in einer notariellen Urkunde, dass sie sich für die Alleinerbin des Vollmachtgebers hält. Insofern ist bereits unklar, auf welcher Tatsachenbasis die Vollmachtnehmerin diese Erklärung abgegeben hat. Die Frage, ob eine Alleinerbenstellung tatsächlich besteht, lässt sich regelmäßig nur in einem hierfür vorgesehenen Verfahren klären. Sofern ein solches Verfahren nicht abgeschlossen ist, besteht ein Interesse an der Wirksamkeit der postmortalen Vollmacht fort. Jedenfalls im Außenverhältnis, das auch dem Grundbuchamt gegenüber anzunehmen ist, besteht die Legitimationswirkung der Vollmacht fort (vgl. OLG Stuttgart, MittBayNot 2019, 587).
Das Grundbuchamt ist auch nicht aufgrund des Legalitätsprinzips verpflichtet, die Wirksamkeit der Vollmacht weiter aufzuklären. Für eine verbindliche Feststellung der Erbenstellung ist das Grundbuchverfahren mit seiner Beschränkung auf präsente Beweismittel ungeeignet. Zwar hat das Grundbuchamt im Rahmen des Legalitätsprinzips Zweifeln an der Richtigkeit bzw. Wirksamkeit der ihm vorgelegten Erklärungen grundsätzlich nachzugehen. Das Grundbuchamt ist nicht nur zur Beachtung der förmlichen Eintragungsvoraussetzungen, sondern auch zur Wahrung der Richtigkeit des Grundbuchs verpflichtet (vgl. BGH NJW 1989, 1093). Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Legalitätsprinzips können vorliegend weitere Nachweise jedoch nicht verlangt werden. Das Legalitätsprinzip soll verhindern, dass das Grundbuch materiell unrichtig wird. Insofern ist das Legalitätsprinzip dahingehend eingeschränkt, dass weitere Nachweise nur dann verlangt werden können, wenn dies Auswirkungen auf die Richtigkeit des Grundbuchs hat. Die Nachweisanforderungen des Grundbuchverfahrens sind kein Selbstzweck, sondern sollen verlässliche Eintragungsgrundlagen sicherstellen und die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen in standardisierten Verfahren ohne einzelfallbezogene Beweiswürdigung ermöglichen (vgl. KG Berlin, FGPrax 2021, 99, 100). Die Gefahr einer materiellen Unrichtigkeit ist jedoch jedenfalls dann, wenn keine weiteren Gründe für die Unwirksamkeit der Bevollmächtigung erkennbar sind, aus der Sicht des Grundbuchamts nicht gegeben. Sollte die Vollmacht mangels Alleinerbenstellung wirksam sein, wäre die Eintragung zu vollziehen. Sollte die Beteiligte zu 1) Alleinerbin sein, so wäre sie Berechtigte im Sinne des §§ 19, 39 GBO.
2) Auch einer Voreintragung der Beteiligten zu 1) nach § 39 GBO bedarf es im vorliegenden Fall nach § 40 Abs. 1 GBO analog nicht. Zwar ist umstritten, ob die Vorschrift des § 40 Abs. 1 GBO auf Finanzierungsgrundschulden anzuwenden ist. So spricht insbesondere der Wortlaut des § 40 Abs. 1 GBO gegen eine solche Anwendung, da es sich weder um eine Übertragung noch eine Aufhebung eines Rechts, sondern vielmehr um eine Belastung handelt. Eine Voreintragung solle nur in Fällen entbehrlich sein, in denen der Erbe unmittelbar mit seiner Eintragung wieder aus dem Grundbuch verschwindet (vgl. KG Beschluss vom 2.8.2011 – 1 W 243/11, FGPrax 2011, 270).
Andererseits sprechen die gewichtigeren Gründe für eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO in denjenigen Fällen, in denen der Erblasser eine postmortale Vollmacht erteilt hat. Insofern ist zu berücksichtigen, dass nach ganz überwiegender Meinung im Falle der Veräußerung eines vererbten Grundstücks zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung für den Erwerber die Voreintragung der Erben nicht erforderlich ist. Die Auflassungsvormerkung dient insofern allein dem Zweck, die endgültige Übertragung vorzubereiten und zu sichern und ist in ihrem rechtlichen Bestand von dem Bestand des gesicherten Übertragungsanspruchs abhängig (vgl. u.a. KG, Beschluss vom 2.08.2011, 1 W 243/11; Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl.. § 40 Rn. 17). Eine vergleichbare Sachlage ist aber auch bei einer Finanzierungsgrundschuld wie im vorliegenden Fall gegeben. Auch diese dient dem Zweck, die regelmäßig kurz danach erfolgende Eigentumsübertragung vorzubereiten und ist ohne weiteres identifizierbar. Zudem ist ihre Bestellung durch die Erklärung des postmortal bevollmächtigten Beteiligten für die Erben bindend geworden. Auch in diesem Fall liegt eine Konstellation vor, in welcher der berechtigte Erbe alsbald wieder aus dem Grundbuch verschwindet. Hinzu kommt, dass das Handeln des postmortal Bevollmächtigten rechtskonstruktiv vergleichbar ist mit dem Handeln eines Nachlasspflegers, für den die Ausnahme vom Voreintragungsgrundsatz nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 Fall 2 GBO ausdrücklich gilt (vgl. insofern auch OLG Frankfurt a.M. ZEV 20167, 719; OLG Köln, 2018, 418, 419; OLG Stuttgart, MittBayNot 109, 578, 579; OLG Celle, ErbR 2020, 126, 127; KG, BWNotZ 2020, 357).