OLG München – Az.: 34 Wx 105/18 – Beschluss vom 22.11.2018
I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aichach – Grundbuchamt – vom 2. Februar 2018 wird verworfen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag des Beteiligten auf „Berichtigung“ einer bereits überholten Eigentümereintragung im Grundbuch.
Im Grundbuch waren die Eltern des Beteiligten als Miteigentümer von Grundbesitz mit Anteilen zu je 1/2 eingetragen (Abteilung I lfd. Nrn. 1 a und b). Nach dem Tod des Vaters wurden am 12.7.1977 dessen Ehefrau (Mutter des Beteiligten) und fünf Kinder, darunter der Beteiligte, mit dem Zusatz „in Erbengemeinschaft“ als Inhaber des Hälfteanteils eingetragen (Nr. 2 b I bis VI). Nach dem Tod der Mutter erfolgte am 27.5.2015 die Eintragung von fünf Personen mit dem Zusatz „in Erbengemeinschaft“ als Inhaber deren Hälfteanteils (anstelle von Nr. 2 a: c I bis V) und entsprechend die Eintragung als Untererbengemeinschaft bei der bis dahin nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft am Hälfteanteil des Vaters (anstelle von Nr. 2 b I: d I bis V). Am 19.8.2016 wurde schließlich aufgrund der Mitteilung des Versteigerungsgerichts über den Zuschlagsbeschluss vom 30.5.2016 der Ersteher als Alleineigentümer eingetragen (lfd. Nr. 3).
Am 5.12.2017 beantragte der Beteiligte, die Eigentümereintragung zu lfd. Nr. 2 a zu berichtigen. Unter Bezugnahme auf § 900 BGB meint er, das alleinige Eigentum am Grundstück habe die Mutter durch Buchersitzung erlangt, weil sie 30 Jahre lang das Grundstück in Eigenbesitz gehabt habe und ebenso lange im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Am 13.5.2007 sei Verjährung eingetreten und somit das Alleineigentum kraft Gesetzes auf die Mutter übergegangen.
Das Grundbuchamt hat zunächst die Grundbucheintragungen erläutert und darauf hingewiesen, dass das Grundbuch richtig sei. Der Beteiligte hat an seinem Antrag festgehalten. Zwar seien alle Eintragungen im jeweiligen Eintragungszeitpunkt zutreffend gewesen. Auch die Eintragung des Erstehers werde durch die begehrte Berichtigung nicht beeinträchtigt. Im Grundbuch solle aber nachträglich verlautbart werden, dass die fünf „eingetragenen Miteigentümer“ ihre Rechte am Eigentum mit Wirkung zum 13.5.2007 unangefochten an die Mutter abgegeben hätten.
Den Antrag hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 2.2.2018 zurückgewiesen. Das Grundbuch gebe die materielle Rechtslage zutreffend wieder. Der behauptete Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs habe nicht stattgefunden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen einer Buchersitzung nicht vorlägen. Zudem finde eine Berichtigung gelöschter Eintragungen nicht statt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte mit der Beschwerde. Er meint, die Mutter sei aufgrund ihrer Miterbenstellung und ihres eigenen Hälfteanteils zunächst Miteigentümerin zu 3/4 geworden und habe schließlich mit Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall den restlichen 1/4-Anteil kraft Gesetzes hinzuerworben, weil sie während der gesamten Dauer das Anwesen im alleinigen Eigenbesitz gehabt habe. Die neben ihr am 12.7.1977 als Miterben eingetragenen Personen bzw. deren „1/4 Eigentum“ seien daher zu löschen. Weiter meint er, die beantragte Berichtigung beziehe sich nicht auf eine bereits gelöschte Eintragung. Dies leitet er aus einer am 14.4.2016, mithin vor Zuschlagserteilung im Versteigerungsverfahren, in Abteilung III (Veränderungsspalte) vorgenommenen Eintragung über den Verzicht der Grundschuldgläubigerin auf ihre Rechte an der erstrangig eingetragenen Grundschuld her. Die Eigentümereintragung, deren Berichtigung verlangt werde, sei in diesem Zusammenhang bedeutsam, außerdem auch im Rahmen der Teilung des Versteigerungserlöses.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen. Eine Berichtigung werde auch nicht durch den Hinweis auf die Eintragung in der Dritten Abteilung ausgelöst, denn infolge des Verzichts gehe die Grundschuld kraft Gesetzes auf denjenigen über, der bei Vorliegen aller Verzichtsvoraussetzungen wahrer Eigentümer zur Zeit des Wirksamwerdens des Verzichts sei.
II.
Die Beschwerde ist bereits unzulässig. Sie hätte aber auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg gehabt.
1. Das Rechtsmittel erweist sich als unzulässig.
a) Gegen die Zurückweisung eines Antrags, mit dem die Berichtigung einer dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs unterliegenden Grundbucheintragung – wie die Eigentümereintragung – begehrt wird, ist zwar nach h. M. die unbeschränkte Beschwerde gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO dann statthaft, wenn geltend gemacht wird, die Eintragung sei nachträglich durch Vorgänge außerhalb des Grundbuchs unrichtig geworden (vgl. BGH ZfIR 2018, 277 m. Anm. Böttcher; Senat vom 22.6.2016 – 34 Wx 40/16, NJOZ 2016, 1194 Rn. 11; BayObLGZ 1952, 157/159 f.; Demharter GBO 31. Aufl. § 71 Rn. 29; Budde in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 58; kritisch: Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 152).
b) Der Beteiligte kann auch als beschwerdeberechtigt angesehen werden.
Beschwerdeberechtigt ist nur derjenige, dessen Rechtsstellung durch die Entscheidung des Grundbuchamts – ihre Unrichtigkeit in dem mit der Beschwerde behaupteten Sinn unterstellt – unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt ist, und der deshalb ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beseitigung der angegriffenen Entscheidung hat. Rein wirtschaftliche Interessen genügen hierfür nicht (BGHZ 80, 126/127; Demharter § 71 Rn. 58; Hügel/Kramer § 71 Rn. 178 – 180).
Danach ist derjenige zur Einlegung der Beschwerde berechtigt, zu dessen Gunsten das Recht eingetragen ist, dessen Löschung wegen nachträglicher Unrichtigkeit verlangt wird. Im Grundbuchverfahren gilt der Grundsatz, dass beschwerdeberechtigt auch derjenige ist, der bei Erfolg seiner Beschwerde eine ungünstigere Rechtsstellung erlangt (Budde in Bauer/Schaub § 71 Rn. 63).
Zwar kann die frühere Eigentümereintragung des Beteiligten in seiner erbengemeinschaftlichen Verbundenheit mit den übrigen Miterben für sich genommen hier keine Beschwerdeberechtigung begründen, weil der Beteiligte aktuell nicht mehr (zusammen mit den übrigen Miterben) als Eigentümer eingetragen ist. Die begehrte Löschung wirkt sich deshalb auf seine rechtliche Stellung als Buchberechtigter insoweit nicht aus (vgl. Budde in Bauer/Schaub § 71 Rn. 64).
Anderes gilt jedoch mit Blick auf den in Abteilung III des Grundbuchs (Veränderungsspalte) eingetragenen Verzicht der Berechtigten auf ihre Rechte an der Grundschuld. Weil gemäß § 1192 Abs. 1, § 1168 Abs. 1 BGB mit der konstitutiven Eintragung des Verzichts (vgl. BGH Rpfleger 1988, 495/496) die Grundschuld auf den wahren Eigentümer des belasteten Grundstücks übergeht und zur Eigentümergrundschuld wird, sofern alle Verzichtsvoraussetzungen vorliegen, wäre der Beteiligte als Mitglied der Erbengemeinschaften dann nicht Rechtsinhaber geworden, wenn – wie behauptet – im Eintragungszeitpunkt seine Eigentümerstellung materiellrechtlich erloschen gewesen wäre (BGH NJW 2015, 2872 Rn. 7; BGH WM 1966, 577/579). Insoweit betrifft eine Entscheidung, die eine nachträgliche Grundbuchunrichtigkeit verneint, den Beteiligten mittelbar in seiner Rechtsstellung, ohne dass es darauf ankommt, dass eine berichtigende Umschreibung der Grundschuld auf die Mitglieder der Erbengemeinschaften mangels Antragstellung (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2709) unterblieben ist.
c) Jedoch ist der Beteiligte alleine, also ohne Mitwirkung und im offensichtlichen Widerspruch zum Willen der eingetragenen Miterben, nicht beschwerdebefugt.
Inhaber des Rechts, aus dem sich die Beschwerdeberechtigung herleitet, ist nicht der Beteiligte allein. Gemäß § 2032 BGB besteht vielmehr Gesamthandsberechtigung der Erben. Der Mitberechtigte einer Rechtsgemeinschaft ist jedoch jedenfalls insoweit nicht prozessführungsbefugt, als sein Antrag – jenseits von Notgeschäftsführungsmaßnahmen – dem Willen der übrigen Mitberechtigten entgegensteht. Auf Verfahrensstandsschaft kann er sich hierfür nicht berufen (vgl. Zöller/Althammer ZPO 32. Aufl. Vorbemerkungen zu §§ 50-58 Rn. 21 m. w. Nachw.).
Richtet sich der Antrag – wie hier – gegen die im Grundbuch verlautbarte Rechtsstellung der Mitberechtigten, so steht die Beschwerdebefugnis gegen die ablehnende Entscheidung daher grundsätzlich nur allen Berechtigten gemeinsam zu (OLG Zweibrücken FGPrax 2016, 74; Demharter § 71 Rn. 60). Dass die vom Beteiligten allein eingelegte Beschwerde nicht im Einklang mit dem Willen der übrigen Gesamthandsberechtigten steht, ergibt sich als Rückschluss schon aus der betriebenen Teilungsversteigerung, die eine Mehrheit von Berechtigten voraussetzt.
2. Zur Sache wird daher lediglich vermerkt, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 GBO nicht vorliegen.
a) Das Begehren – nachträgliche Löschung der Miterben in Abteilung I des Grundbuchs – zielt nicht auf eine Berichtigung des Grundbuchs.
Unrichtig ist das Grundbuch, wenn die formelle und die materielle Rechtslage divergieren, wenn also der Grundbuchinhalt – soweit er sich auf ein Recht an einem Grundstück, ein Recht an einem solchen Recht oder eine Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 BGB bezeichneten Art bezieht – nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt (vgl. § 894 BGB; BayObLG Rpfleger 1988, 254/255; Demharter § 22 Rn. 4; Hügel/Holzer § 22 Rn. 25; Schäfer in Bauer/Schaub § 22 Rn. 37 f.). Unrichtig ist ein Grundbuch allerdings dann nicht mehr, wenn es infolge von Rechtsveränderungen richtig geworden ist (Demharter § 22 Rn. 4). Eine „Berichtigung“ nach § 22 Abs. 1 GBO ist dann nicht möglich (Schäfer in Bauer/Schaub § 22 Rn. 155; vgl. auch Staudinger/Gursky [2013] BGB § 894 Rn. 64 f.).
Der eingetragene Ersteher hat das Eigentum am Grundstück nach § 90 Abs. 1 ZVG durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben, weshalb das Grundbuch richtig ist. Der Beteiligte behauptet lediglich, dass es unrichtig gewesen sei, weil es im Zeitraum ab dem 13.5.2007 bis zur erneuten Rechtsänderung die Mutter nicht als Alleineigentümerin auswies.
Das Begehren ist mithin darauf gerichtet, einen behaupteten, allerdings überholten Rechtszustand nachträglich im Grundbuch zu dokumentieren. Dies ist nicht von § 22 Abs. 1 GBO gedeckt.
b) Selbst wenn das Begehren des Beteiligten als Antrag auf Berichtigung des in Abteilung III unter lfd. Nr. 1 eingetragenen Rechts durch Eintragung des wahren Berechtigten ausgelegt werden könnte (zur Auslegung: Schäfer in Budde/Schaub § 22 Rn. 166), wäre ihm in der Sache kein Erfolg beschieden.
Zwar ist in Abteilung III bislang nur der Verzicht der an der Grundschuld Berechtigten (einer Bank), nicht aber die Umschreibung des Rechts auf den Eigentümer erfolgt (vgl. Schöner/Stöber Rn. 2709; Schäfer in Bauer/Schaub § 22 Rn. 100).
Eine Grundbuchberichtigung durch Eintragung der Mutter als alleinige Rechtsinhaberin scheidet jedoch aus.
Zum einen ist die Mutter verstorben. Gemäß § 1922 BGB sind deren Rechtspositionen durch Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen. Durch die Eintragung der Mutter als Berechtigte des dinglichen Rechts würde das Grundbuch deshalb nicht richtig, sondern erneut unrichtig. Das Grundbuch darf aber nur in der Weise berichtigt werden, dass es den geänderten Rechtszustand fortan richtig wiedergibt (Senat vom 22.9.2015, 34 Wx 47/14 = Rpfleger 2016, 146; vom 11.1.2018, 34 Wx 201/17 = FGPrax 2018, 109; BayObLG NJW-RR 1995, 272).
Zum anderen ist die Behauptung, die Mutter sei durch Ersitzung nach § 900 Abs. 1 BGB Alleineigentümerin des Grundstücks geworden, nicht richtig. Im Wege der Buchersitzung kann der Eigenbesitzer – bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen – nur diejenige materielle Rechtsposition erwerben, die das Buch, d.h. das Grundbuch, zu seinen Gunsten ausweist. Voraussetzung für eine originäre Ersitzung des Alleineigentums nach § 900 BGB wäre daher, dass die Mutter die Buchposition einer Alleineigentümerin innegehabt hätte. Weil die Mutter jedoch zu keiner Zeit als Alleineigentümerin des Grundbesitzes, sondern stets neben den übrigen Erben in ihrer jeweiligen erbengemeinschaftlichen Verbundenheit eingetragen war, konnte sie die Rechtsstellung einer Alleineigentümerin nicht im Wege der Buchersitzung erlangen. Eine Ersitzung gegen den Inhalt des Grundbuchs scheidet aus (Staudinger/Gursky § 900 Rn. 9).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil der Beteiligte die Gerichtskosten bereits nach dem Gesetz (§ 22 Abs. 1 GNotKG) zu tragen hat.
Der Geschäftswert wird mit dem Regelwert festgesetzt, § 61 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und Abs. 3 GNotKG, weil hinreichende Anhaltspunkte zur Schätzung eines Betrags fehlen, dem das Interesse des Beteiligten an der begehrten Eintragung (Löschung der Miterben in Abteilung I) entspricht. Eine Anknüpfung an den Grundstückswert (§ 46 Abs. 1 GNotKG) bzw. an einen auf die Miterben bezogenen anteiligen Wert erscheint ebenso wenig sachgerecht wie ein Abstellen auf den Nennbetrag der in Abteilung III/1 eingetragenen Grundschuld von 35.790,43 € (§ 53 Abs. 1 GNotKG). Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, anhand derer das Interesse des Beteiligten betragsmäßig geschätzt werden könnte.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.