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Keine Grundbuchberichtigung auf Grundlage von Teilerbscheinen

KG Berlin 1 – Az.: 1 W 1276/20 – Beschluss vom 23.06.2020

Die Zwischenverfügungen werden im angefochtenen Umfang aufgehoben.

Gründe

I.

Die eingetragene Eigentümerin schloss am 14. Juli 1990 mit der Beteiligten und weiteren drei Geschwistern zur UR-Nr. x1990 des Notars x in Wx einen Erbvertrag. Darin setzte sie ihre vier Geschwister zu je ¼ Anteilen zu ihren Erben ein. Weiter bestimmte die eingetragene Eigentümerin: „Ersatzerben anstelle eines jeden Miterben sind dessen Abkömmlinge untereinander hinsichtlich der Erbquoten nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge“.

Auf Grund des Überweisungszeugnisses des Amtsgerichts Kassel vom 7. November 1990, das sie und ihre vier Geschwister, darunter auch die Beteiligte, als Erben ihres Vaters ausweist, wurde die eingetragene Eigentümerin als solche am 28. November 1990 in Abt. I des Grundbuchs eingetragen.

Mit handschriftlichen Testamenten vom 12. August 2001 und 24. August 2001 setzte die eingetragene Eigentümerin eine dritte Person zu ihrer „alleinigen Erbin“ ein.

Die eingetragene Eigentümerin verstarb am 17. November 2018. Das Amtsgericht Schöneberg – Nachlassgericht – eröffnete die beiden Testamente am 8. Januar 2019 und den Erbvertrag am 14. Februar 2019. Es erteilte am 6. November 2019 zwei Gemeinschaftliche Teilerbscheine – 66 VI x/19. Der „1. Gemeinschaftliche Teilerbschein“ weist drei Neffen und eine Nichte der Erblasserin als deren Miterben zu je 1/16 des Nachlasses aus. Der „2. Gemeinschaftliche Teilerbschein“ weist – mutmaßlich – vier weitere Nichten und einen Neffen als Miterben zu je 1/20 des Nachlasses aus.

Unter dem 7. Januar 2020 hat die Beteiligte die Berichtigung des Grundbuchs beantragt, dass sie, ihr Bruder sowie die sich aus den beiden Teilerbscheinen ergebenden Miterben an Stelle der eingetragenen Eigentümerin im Grundbuch gebucht werden. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 4. März 2020 unter Fristsetzung u.a. darauf hingewiesen, es fehle ein weiterer Teilerbschein bezüglich der restlichen Erbteile. Mit Verfügung vom 17. April 2020 hat es unter weiterer Fristsetzung – allein – auf dieses Eintragungshindernis hingewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 26. Mai 2020 nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Gegenstand des Verfahrens ist allein das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Hindernis eines fehlenden weiteren Teilerbscheins. Von den übrigen, in der Zwischenverfügung vom 4. März 2020 aufgeführten Beanstandungen, hat das Grundbuchamt in der Folge Abstand genommen. Jedenfalls ist es auf die Einwendungen des jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten gegen diese Beanstandungen nicht mehr eingegangen; in der weiteren Zwischenverfügung wird nur noch das eine, hier maßgebliche Eintragungshindernis aufgezeigt.

2. Die Beschwerde ist begründet. Das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht, so dass die Zwischenverfügungen – jedenfalls insoweit – nicht veranlasst waren, vgl. § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

a) Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen wird, § 22 Abs. 1 GBO. Ist das Grundbuch durch Tod eines Berechtigten unrichtig geworden, ist der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO.

Beruht die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt es in der Regel, wenn anstelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über deren Eröffnung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 S. 2 HS 1 GBO. Dann darf das Grundbuchamt einen Erbschein nur verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können.

Danach kann zum Nachweis der Erbfolge ein zur Niederschrift eines Notars geschlossener Erbvertrag ausreichend sein, vgl. §§ 2274, 2276, 2278, 1937 BGB (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 35, Rdn. 35).

b) Hingegen wird aus dem in § 35 Abs. 1 GBO enthaltenen Regel-Ausnahme-Prinzip abgeleitet, dass das Grundbuchamt sich nur nach einem Erbschein zu richten hat, wenn ihm sowohl ein solcher als auch die in einer öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen vorgelegt wird (Krause, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 35, Rdn. 155; Wilsch, in: Hügel, GBO, 4. Aufl., § 35 Rdn. 83 und 24; Schaub, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 35, Rdn. 93; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 794).

c) Dies gilt grundsätzlich auch bei Vorlage eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins, der die Erbteile nur eines Teils von mehreren Miterben ausweist (vgl. Schaub, a.a.O., Rdn. 60).

Hingegen ist eine Teilberichtigung des Grundbuchs allein auf der Grundlage eines solchen Erbscheins nicht möglich (Schöner/Stöber, a.a.O., Rdn. 810). An Stelle des Erblassers sind grundsätzlich alle Miterben im Grundbuch einzutragen (AG Osterhofen, NJW 1955, 467, 468). Gegenüber dem Grundbuchamt ist deshalb das Erbrecht am Eigentum vollständig nachzuweisen (Schaub, a.a.O., Rdn. 89). Das kann durch Vorlage weiterer Teilerbscheine erfolgen, die zusammen die Gesamtrechtsnachfolge zu 100 % erschöpfen (Volmer, in: Keller/Munzig, GBO, 8. Aufl., Rdn. 39).

d) Mit den von der Beteiligten vorgelegten beiden gemeinschaftlichen Teilerbscheinen wird die Gesamtrechtsnachfolge nicht vollständig nachgewiesen. Vielmehr ergibt sich für die dort ausgewiesenen Miterben lediglich eine Quote in Höhe von insgesamt 1/2 des Nachlasses. Das führt hier aber nicht zu dem von dem Grundbuchamt gezogenen Schluss, zum Nachweis der Beteiligung der Beteiligten und ihres Bruders an der Erbengemeinschaft, also für die andere Hälfte des Nachlasses, sei ein weiterer Teilerbschein vorzulegen.

(1) Nach der von dem Senat geteilten überwiegenden Meinung erbringt ein Erbschein im Grundbuchverfahren über seine materiell-rechtliche Vermutungswirkung, § 2365 BGB, hinaus volle Beweiskraft für das Bestehen des in ihm bezeugten Erbrechts (OLG Frankfurt am Main, FGPrax 2019, 58, 59; OLG München, FamRZ 2016, 939, 940; Schaub, a.a.O., § 35, Rdn. 107; Demharter, a.a.O., § 35 Rdn 27 bis 29; Volmer, a.a.O., § 35, Rdn. 59). Wegen der alleinigen Zuständigkeit des Nachlassgerichts für die Erteilung des Erbscheins, § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG, stehen dem Grundbuchamt nur ganz eingeschränkte materiell-rechtliche Prüfungspflichten hinsichtlich der Richtigkeit des durch den Erbschein bezeugten Erbrechts zu (Krause, a.a.O., § 35, Rdn. 75).

Diese Beweiskraft ist hingegen auf das bezeugte Erbrecht beschränkt. Sie geht grundsätzlich nicht darüber hinaus. Nichts anderes kann aus dem Regel-Ausnahme-Prinzip des § 35 Abs. 1 GBO hergeleitet werden. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, dass bei Vorlage gemeinschaftlicher Teilerbscheine, die das Erbrecht nicht vollständig erschöpfen, den Nachweis der Beteiligung der weiteren Miterben am Nachlass durch eine Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, erbracht werden kann. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn eine solche Verfügung von Todes wegen ohne weiteres mit den Teilerbscheinen in Übereinstimmung zu bringen ist. Das ist hier der Fall.

(2) Die eingetragene Eigentümerin hatte in dem Erbvertrag vom 14. Juli 1990 ihre vier Geschwister zu je ¼ als Erben eingesetzt und für jeden von ihnen eine gleichlautende Ersatzerbenregelung getroffen. Diese Beteiligung am Nachlass macht die Beteiligte für sich und ihren an dem Erbvertrag beteiligten Bruder geltend. Dies steht nicht im Gegensatz zu den beiden von dem Nachlassgericht erteilten gemeinschaftlichen Teilerbscheinen. Im Gegenteil fügen diese sich ohne weiteres in die Regelungen des Erbvertrags ein.

Ersatzerben der Geschwister sollten jeweils deren Abkömmlinge sein mit einer Beteiligung untereinander entsprechend der gesetzlichen Erbfolge. Demgemäß weist der 1. gemeinschaftliche Teilerbschein eine Beteiligung der dort aufgeführten vier Miterben von insgesamt ¼ des Nachlasses aus, nämlich 1/16 für jeden von ihnen. Sämtliche Miterben werden als Neffen bzw. Nichte der Erblasserin bezeichnet, so dass es sich um Abkömmlinge eines ihrer Geschwister handeln muss. Naheliegend dürfte der Schluss sein, dass es sich um die Kinder der Schwester Ix der eingetragenen Eigentümerin handelt, weil sie den gleichen Familiennamen tragen. Sollten insoweit Zweifel bei dem Grundbuchamt bestehen, böte sich die Erforderung einer Sterbeurkunde dieser Schwester oder – naheliegender – die Einsicht in die Akten 66 VI x/19 der Abteilung für Nachlasssachen des Amtsgerichts an (vgl. Wilsch, a.a.O., Rdn. 99).

Nichts anderes gilt für den 2. gemeinschaftlichen Teilerbschein. Die dort aufgeführten fünf Miterben sind mit einer Quote von jeweils 1/20 an dem Nachlass beteiligt, was zusammen ebenfalls einer Quote von ¼ entspricht und auf eine Beteiligung an Stelle der Schwester Ux der eingetragenen Eigentümerin schließen lässt. Zwar ist nur die Miterbin Ax ausdrücklich als Nichte bezeichnet, jedoch lassen die Geburtsdaten dieser Miterben und ihre mit der Schwester Ux der eingetragenen Eigentümerin gleichlautenden Familien– bzw. Geburtsnamen den Schluss zu, dass es sich bei ihnen um Abkömmlinge im Sinne der Ersatzerbenregelung des Erbvertrags handelt. Bei verbleibenden Zweifeln kann das Grundbuchamt auch hier eine Sterbeurkunde der Schwester Ux der eingetragenen Eigentümerin erfordern, wenn sich eine solche nicht ohnehin schon in den Nachlassakten befindet, was allerdings anzunehmen ist.

Bezeugen beide gemeinschaftlichen Teilerbscheine danach das Erbrecht der von der eingetragenen Eigentümerin in dem Erbvertrag bestimmten Ersatzerben, ist kein Grund gegeben, der Beteiligten zum Nachweis ihres Erbrechts und des ihres Bruders die Vorlage weiterer Teilerbscheine aufzugeben. Ihre Beteiligung am Nachlass in Höhe von jeweils ¼ folgt aus dem Erbvertrag vom 14. Juli 1990.

(3) Diesem Ergebnis stehen schließlich die beiden privatschriftlichen Testamente der eingetragenen Eigentümerin vom 12. und 24. August 2001 nicht entgegen.

(a) Allerdings hat das Grundbuchamt, wenn der Erblasser neben einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen ein privatschriftliches Testament hinterlassen hat, auch die Wirksamkeit des privatschriftlichen Testaments zu klären, wenn sich aus diesem Bedenken gegen die Wirksamkeit der öffentlichen Verfügung von Todes wegen ergeben (OLG Frankfurt am Main, FamRZ 1998, 1470, 1471). Es muss den Inhalt des privatschriftlichen Testaments würdigen, um festzustellen ob die Bedenken begründet sind. Dabei hat es in gleicher Weise zu verfahren wie bei der Würdigung einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen (OLG München, FamRZ 2018, 298, 300). Diese muss das Grundbuchamt in eigener Verantwortung auslegen, auch wenn es sich um die Klärung rechtlich schwieriger Fragen handelt. Die Pflicht zur eigener Auslegung entfällt wiederum dann, wenn für diese erst zu ermittelnde tatsächliche Umstände maßgebend sind (OLG München, a.a.O.; FamRZ 2017, 574, 575; BayObLG, FamRZ 2000, 42; OLG Köln, FGPrax 2000, 89, 90; Demharter, a.a.O., Rdn. 36; Krause, a.a.O., Rdn. 149).

(b) Beide privatschriftlichen Testamente geben keinen Anlass, an der weiteren Wirksamkeit der in dem Erbvertrag getroffenen Verfügungen von Todes wegen zu zweifeln.

Der Erbvertrag hat die Unwirksamkeit einer späteren Verfügung von Todes wegen zur Folge, soweit letztere das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde, § 2289 Abs. 1 BGB. So ist es hier. Die in dem Erbvertrag bestimmten Erbeinsetzungen hatten die damaligen Urkundsbeteiligten ausdrücklich vertragsmäßig getroffen, § 2278 BGB. Zwar hatte sich die eingetragene Eigentümerin ausdrücklich das Recht vorbehalten, über sämtliche Nachlassgegenstände anderweitig testamentarisch zu verfügen. Dies jedoch nur durch Vermächtnisanordnungen, von denen das vorliegend betroffene Grundstück zudem ausdrücklich ausgenommen worden war. Die Stellung ihrer Geschwister als (Vertrags-) Miterben war danach bindend und konnte durch die beiden späteren Testamente nicht mehr beeinträchtigt werden.

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