LG Nürnberg-Fürth – Az.: 4 O 678/19 – Urteil vom 12.12.2019
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 54.250,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen unzureichender notarieller Beratung.
Unter dem 08.04.2008 errichtete Herr E. M. zur Urkunde des Notars M. L. ein Testament (URNr. 519/2008 L), in welchem er Frau S., die Nichte seiner verstorbenen Frau, zu seiner Alleinerbin einsetzte.
Im Frühling 2012 entstand eine Beziehung zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Erblasser, Herrn E.
Unter dem 26.07.2012 ließ Herr E. M. ein neues Testament durch den Notar Dr. M. beurkunden (URNr. 1337/2012 M). Mit diesem Testament widerrief er seine früher getroffenen letztwilligen Verfügungen, setzte die Klägerin zur Alleinerbin ein und belastete sie mit einem Vermächtnis zugunsten von Frau S. und Frau S. mit der Pflichtteilslast. Das Testament wurde am 01.08.2012 in die besondere amtliche Verwahrung genommen.
Am 29.01.2014 beantragte Herr M. die Rückgabe des in besondere amtliche Verwahrung genommenen Testaments vom 26.07.2012. Das Testament wurde Herrn M. zurückgegeben, die Rückgabe in das Testamentsregister eingetragen und ein entsprechender Hinweis auf dem Testament angebracht, wonach das Testament als widerrufen gilt.
Unter dem 28.05.2015 ließ Herr M. ein weiteres Testament durch den Beklagten beurkunden (URNr. 914/2015 J). In diesem Testament erklärte Herr M., zur Urkunde des Notars Dr. M. vom 26. Juli 2012, URNr. 1337/2012 M, ein Testament errichtet zu haben und die Vermächtnisanordnung nach Ziffer II. 2. sowie die Anordnung über die Tragung von Pflichtteilslasten nach Ziffer II. 3. ersatzlos aufzuheben. Die übrigen Bestimmungen dieses Testaments sollten unverändert fortgelten. Eine Erbeinsetzung enthielt dieses Testament nicht.
Vor der Beurkundung des Testaments vom 28.05.2015 hatte der Beklagte nicht das amtliche Testamentsregister eingesehen.
E. M. verstarb am 04.02.2018.
Mit Schreiben vom 27.02.2018 teilte das Nachlassgericht Neumarkt der Klägerin mit, dass im Nachlassverfahren Frau S. als Erbin angegeben wurde und die Erbfolge auf den notariellen Testamenten vom 08.04.2008 und 28.05.2015 beruhe.
Am 04.10.2018 fand die Anhörung in der Erbsache E. M. vor dem Amtsgericht Neumarkt statt. In diesem Termin schlossen die Klägerin, Frau S. sowie die drei Kinder des Herrn M. einen Vergleich, in dem geregelt wurde, dass die Klägerin den verstorbenen Herrn M. beerbt. In diesem Vergleich verpflichtete sich die Klägerin unter anderem dazu, an Frau S. einen Betrag von 77.500,- Euro zu bezahlen.
Die Klägerin behauptet, ihr sei durch die im Vergleich niedergelegte Zahlungsverpflichtung an Frau S. nach Abzug der Erbschaftssteuer ein Schaden in Höhe von 54.250,- Euro entstanden.
Die Klägerin meint, der Beklagte hätte vor Beurkundung des Testaments vom 28.05.2015 Einsicht in das amtliche Testamentsregister nehmen müssen. Da er in seiner Urkunde auf das Testament vom 26.07.2012 Bezug genommen habe, hätte er auch nachforschen müssen, ob dieses Testament noch hinterlegt sei.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 54.250,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.01.2019 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.954,46 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.01.2019 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte behauptet, vor der Rückgabe des Testaments vom 26.07.2012 sei Herr M. durch den Rechtspfleger L. ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass das Testament durch die Rückgabe als widerrufen gelte. Es sei offensichtlich der Wille des Herrn M. gewesen, dieses Testament nicht mehr gelten zu lassen, dies vor dem Hintergrund, dass es 2013 und 2014 auch Auseinandersetzungen zwischen Herrn M. und der Klägerin gegeben habe.
Der Beurkundungstermin vom 28.05.2019 sei am 19.05.2015 nicht von Herrn M., sondern von der Klägerin vereinbart worden. Diese sei auch bei dem Vorbesprechungstermin und bei der Beurkundung selbst anwesend gewesen. Sowohl zu der Vorbesprechung als auch zu der Beurkundung des Testaments vom 28.05.2015 seien alle in der Urkundensammlung verfügbaren Urkunden hinzugezogen und mit Herrn M. besprochen worden. Auch das Testament vom 26.07.2012 habe vorgelegen. Herr M. habe jedoch die Rückgabe des Testaments aus der besonderen öffentlichen Verwahrung nicht erwähnt und auch die Urschrift des Testaments nicht zum Termin mitgebracht.
Der Beurkundungsauftrag habe dahingehend gelautet, dass die getroffenen Vermächtnisanordnungen aufgehoben werden sollten, eine Erbeinsetzung sei nicht gewünscht gewesen.
Der Beklagte meint, Nachforschungen über die Rücknahme des in Bezug genommenen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung würden nicht zu den Amtspflichten des Notars gehören.
Das Gericht hat am 14.11.2019 mündlich verhandelt. Dabei wurde die Klägerin informatorisch angehört. Die Akten IV 234/18 des Amtsgericht Neumarkt – Nachlassgericht – wurden zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsmitschrift (Bl. 52-54 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Zweifel. Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth gem. § 19 Abs. 3 BNotO sachlich zuständig und gem. § 32 ZPO örtlich zuständig.
II.
Die Klage hat aber in der Sache aus rechtlichen Gründen keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 19 BNotO, da der Beklagte keine ihm obliegenden Amtspflicht verletzt hat, indem er vor Beurkundung des Testaments des Herrn E. M. vom 28.05.2015 (URNr. 914/2015 J) nicht das amtliche Testamentsregister eingesehen hat, um sich davon zu überzeugen, dass sich das Testament vom 26.07.212 noch in besonderer öffentlicher Verwahrung befindet.
1.
Die Pflicht des Notars zur Klärung des einer Beurkundung zugrunde liegenden Sachverhalts ist als Kardinalspflicht in § 17 Abs. 1 BeurkG geregelt. Der Notar soll den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich dabei immer nach dem konkreten Beurkundungsantrag und dem zu beurkundenden Rechtsgeschäft. Der Notar hat den Sachverhalt insoweit aufzuklären, als dies für die Errichtung einer rechtswirksamen Urkunde erforderlich ist.
Nichtsdestotrotz ist es aber grundsätzlich Sache der Beteiligten, dem Notar den Sachverhalt und die für die beantragte Regelung relevanten Angaben zu übermitteln. Eine Verpflichtung zu Nachfrage und Nachforschung ohne Anlass und Anhaltspunkte trifft den Notar nicht (Ganter in Ganter/Hertel/Wörstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Auflage 2018, Rn. 850.). Er ist nicht zu Nachfragen oder Nachforschungen „ins Blaue hinein“ verpflichtet (vgl. Regler in BeckOGK BeurkG, Stand 01.03.2019, § 17 Rn. 25) und darf grundsätzlich ohne eigene Sachprüfung davon ausgehen, dass die abgegebenen Erklärungen tatsächlicher Art richtig sind (vgl. Winkler, BeurkG, 19. Auflage 2019, § 17 Rn. 213).
2.
Vorliegend ist aufgrund der Bezugnahme auf das Testament vom 26.07.2012 zwar insoweit Anlass zur Klärung des Sachverhalts gegeben, als der beurkundende Notar sich über den Inhalt des in Bezug genommenen Testaments vergewissern und den Erblasser fragen muss, ob dieses Testament nach wie vor Gültigkeit beansprucht.
Dass der Beklagte sich nicht über den Inhalt des in Bezug genommenen Testaments vergewissert und eine Nachfrage zu dessen Gültigkeit unterlassen hätte, trägt die Klägerin aber nicht vor.
Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, die Angaben des Erblassers ohne weitere Anhaltspunkt dahingehend zu überprüfen, dass mittels Einsicht in das amtliche Testamentsregister ermittelt wird, ob das in Bezug genommene Testament noch in amtlicher Verwahrung ist, besteht hingegen nicht.
Eine solche allgemeine Nachforschungsverpflichtung würde nicht nur einen erheblichen Mehraufwand für den Notar darstellen, sondern den testierfähigen Erblasser auch dergestalt herabsetzen, dass seinen Angaben ein grundsätzliches Misstrauen entgegengebracht würde. Für ein solches Misstrauen besteht – jedenfalls ohne konkrete Anhaltspunkte – kein Anlass. Dies vorliegend umso mehr, als sich aus der Niederschrift des Rechtspflegers L. vom 29.01.2014, Anlage B5, zur Überzeugung des Gerichts ergibt, dass Herr M. bei der Rücknahme des Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung darüber belehrt wurde, dass das Testament damit als widerrufen gilt.
Vorliegend trägt die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keine Umstände vor, die den Beklagten hätten dazu veranlassen müssen, über die Angaben des mündigen Erblassers hinaus, das amtliche Testamentsregister einzusehen. Eine Amtspflichtverletzung ist nicht gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.