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Immobilienkaufvertrag – Aufklärungspflicht über Nichtbestehen einer Wohngebäudeversicherung

LG Hagen – Az.: 2 O 33/18 – Urteil vom 03.09.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Immobilienkaufvertrag.

Die Parteien sind vorliegend durch einen am 03.02.2017 bei dem Notar XXX in  geschlossenen Kaufvertrag miteinander verbunden. Hierbei einigten sich die Parteien darüber, dass die Klägerin ein freistehendes Einfamilienhaus in der I2 in XXX zu einem Kaufpreis von 350.000,00 EUR von den Beklagten erwerben würde.

Die Beklagten unterhielten eine Wohngebäudeversicherung mit der Vertragsnummer XXX bei der E AG. Diese wurde von Seiten der XXX mit Schreiben vom 05.04.2017 mit Wirkung zum 10.05.2017 aufgrund Schadenshäufung gekündigt. Die Übergabe der oben genannten Immobilie erfolgte am 11.04.2017. Die Beklagten informierten die Klägerin über den Umstand, dass die Versicherung gekündigt worden war, nicht.

Die Klägerin behauptet, am 22.06.2017 sei es zu einem Unwetter und infolge dessen zu einem Schaden an der Immobilie gekommen. Es sei zu erheblichem Hagelschlag und Regengüssen gekommen, wodurch die streitgegenständliche Immobilie im Dachbereich erheblich geschädigt worden sei. Die Schieferdeckung der Immobilie sei an einer Vielzahl von Stellen von Hagelkörnern durchschlagen worden, sodass es aufgrund des mit dem Unwetter verbundenen Regens bereits zu Nässe- und Feuchtigkeitsschäden im Dach- und Wohnbereich gekommen sei.

Die Schäden seien für sie zunächst vom Boden aus nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Zudem habe das Gebäude zum Zeitpunkt des Unwetters noch leer gestanden, da ein Einzug erst Ende Juli geplant gewesen sei.

Als sie sich am 06.07.2017 an die Beklagten gewandt habe, um die Daten der Wohngebäudeversicherung zu erfragen, sei ihr erstmals mitgeteilt worden, dass eine solche nicht bestehe.

Am 14.07.2017 seien sodann massive Feuchtigkeitsschäden festgestellt worden, da an diesem Tag die Zimmerdecke im Eingangsbereich zwecks Einbaus einer neuen Hauseingangstüre entfernt worden sei. Dabei habe sie festgestellt, dass Feuchtigkeitsschäden aus dem schadhaften Schieferdach in die Deckenkonstruktion übergeschlagen seien.

Die Mängelbeseitigungskosten beliefen sich ausweislich eines Kostenvoranschlages des E2 GmbH auf 38.386,65 EUR. Diese Kosten seien erforderlich, ortsüblich und angemessen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Zu den Nebenpflichten aus dem Kaufvertrag zähle insbesondere die Pflicht zur Aufklärung über vertragswesentliche Umstände und Risiken, die mit dem Kaufgegenstand verbunden seien. Daher hätten die Beklagten vorliegend die Klägerin darüber informieren müssen, dass die Kündigung der Wohngebäudeversicherung durch den Versicherer erfolgt sei. Dies ergebe sich auch aus § 242 BGB. In Deutschland hätten 99% aller Immobilien eine Wohngebäudeversicherung. Diese sei bis 1994 sogar eine Pflichtversicherung gewesen. Daher habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass die streitgegenständliche Immobilie ebenfalls versichert sei.

Wäre sie über das Nichtbestehen des Versicherungsschutzes aufgeklärt worden hätte sie sich umgehend um Versicherungsschutz bemüht.

Zuletzt lasse sich das Bestehen einer solchen Aufklärungspflicht auch den §§ 95 ff. VVG entnehmen. Dem Gesetzgeber sei ersichtlich daran gelegen gewesen für wertvolle und risikobehaftete Gegenstände wie Immobilien einen lückenlosen Versicherungsschutz zu gewährleisten, weswegen der Versicherungsschutz bei der Veräußerung einer Immobilie auf den Erwerber übergehe.

Der Kläger beantragt,

1.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 38.386,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2017 zu zahlen;

2.  festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr im Reparaturfalle die auf die geltend gemachten Reparaturkosten anfallende Mehrwertsteuer zu bezahlen,

3.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verpflichten, sie von der Inanspruchnahme durch die Rechtsanwaltskanzlei I3 & Wolff wegen der durch die vorgerichtliche Rechtsverfolgung entstandenen Kosten in Höhe von 1.590,91 EUR freizustellen.

Die Beklagten beantragen,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, sie hätten, nachdem sie das Kündigungsschreiben der XXX erhalten hätten den Makler XXX angerufen und diesen hierüber informiert.

Sie sind der Auffassung, sie seien rechtlich nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über die Kündigung zu informieren. Jedenfalls im Jahr 2017 habe es sich bei der Gebäudeversicherung nicht mehr um eine Pflichtversicherung gehandelt. Wenn keine Pflicht bestanden habe, diese Versicherung abzuschließen, habe erst Recht keine Pflicht bestanden, die Klägerin über die Kündigung der Versicherung zu informieren. Es wäre im Gegenteil die Pflicht der Klägerin gewesen, sich durch Nachfrage über den bestehenden oder nicht bestehenden Versicherungsschutz zu informieren. Dies habe sie jedoch unterlassen.

Da die Klägerin es auch unterlassen habe, direkt nach dem behaupteten Unwetter den behaupteten Schaden zu begutachten müsse sie sich jedenfalls den Einwand des erheblichen Mitverschuldens gefallen lassen, da sich die Feuchtigkeitsschäden hierdurch verschlimmert hätten.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 38.386,65 EUR aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 i.V.m. 249 ff. BGB.

1.

Die Beklagten waren nicht verpflichtet, die Klägerin darüber zu informieren, dass die streitgegenständliche Immobilie nicht mehr durch eine Wohngebäudeversicherung versichert war.

a) Bei Vertragsverhandlungen besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten (Staudinger/Singer/v. Finckenstein, BGB [2004], § 123 Rdnr. 10; Kramer, in: MünchKomm, 5. Aufl., § 123 Rdnrn. 16-18; BGH, NJW 1983, 2493; NJW 2001, 3331). Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH, NJW 1989, 763 m.w.N.).

Allerdings besteht nach der Rechtsprechung eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (RGZ 111, 233; vgl. zur Aufklärungspflicht des Vermieters NJW 2000, 1714; NJW 2004, 2674; BGHZ 168, 168, NJW-RR 2007, 298, BGH, NJW 2001, 3331; NJW-RR 2008, 258; Staudinger/Singer/v. Finckenstein, § 123 Rdnr. 11; Kramer, in: MünchKomm, § 123 Rdnrn. 16‐18). Davon wird insbesondere bei solchen Tatsachen ausgegangen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können (BGH, NJW-RR 1991, 439; NJW 1990, 975). Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein, § 123 Rdnr. 17 m.w. Nachw.).

Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, kommt es danach wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an.

b) Nach Auffassung des Gerichts obliegt es grundsätzlich dem Käufer einer Sache, sich selbst über die Gefahren und Risiken zu informieren, die allgemein für ihn mit dem Abschluss eines Kaufvertrags verbunden sind. Er muss zwar nicht nach Umständen forschen, für die er keinen Anhaltspunkt hat und die so außergewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen kann. Das Bestehen eines Versicherungsschutzes gehört allerdings nicht hierzu.

Im Hinblick auf die möglichen gravierenden Auswirkungen war der fehlende Versicherungsschutz für die Klägerin zwar von erheblicher Bedeutung. Sie durfte allerdings redlicherweise keine Aufklärung erwarten, da sie die Frage nach dem Versicherungsschutz ohne weitere Umstände selbst hätte erfragen können.

Dabei ist auch zu bedenken, dass die Information über das Bestehen des Versicherungsschutzes hier für die Klägerin nicht insoweit von Bedeutung gewesen wäre, als das es über die Frage des Kaufvertragsschlusses an sich entschieden hätte. Denn vom Bestehen des Versicherungsschutzes wollte die Klägerin den Kaufvertrag ersichtlich nicht abhängig machen. Vielmehr handelte es sich für die Klägerin bei der Versicherung um eine „Selbstverständlichkeit“.

Im Rahmen der persönlichen Anhörung hat die Klägerin selbst ausgesagt, sie sei aufgrund dessen, dass sie schon mehrere Immobilien erworben habe davon ausgegangen, dass Versicherungsschutz bestehe und automatisch auf sie übergehe, da das bisher immer so gewesen sei. Nachgefragt habe sie nicht, vielmehr sei sie gutgläubig gewesen.

aa)

Bei der Wohngebäudeversicherung handelt es sich seit 1994 nicht mehr um eine Pflichtversicherung, weswegen es sich bei dem Nichtbestehen des Versicherungsschutzes auch nicht um einen außergewöhnlichen Umstand handelt, mit dem die Klägerin nicht hätte rechnen und über den daher von Seiten der Beklagten hätte aufgeklärt werden müssen.

Dass die Klägerin die Rechtslage, die sich 1994 geändert hat, nicht zur Kenntnis genommen hat, kann den Beklagten nicht zur Last gelegt werden. Daher wären die Beklagten nach Auffassung des Gerichts nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über das Bestehen des Versicherungsschutzes aufzuklären, selbst wenn dieser – hypothetisch – nie bestanden hätte, weil die Beklagten diesen bspw. nicht für notwendig gehalten hätten. Wenn aber auf Seiten der Beklagten keine Pflicht bestand, über das Bestehen des Versicherungsschutzes an sich aufzuklären, bestand auch keine Pflicht, die Klägerin über eine Änderung des Versicherungsschutzes, hier die Beendigung nach Kaufvertragsschluss und Übereignung, zu informieren. Hieran ändert auch der enge, zeitliche Zusammenhang zwischen der Kündigung des Vertrages mit Schreiben vom 05.04.2017 und der Übereignung der Immobilie am 11.04.2017 nichts.

Dies wäre allenfalls dann anders zu beurteilen gewesen, wenn zunächst auf Nachfrage der Klägerin das Bestehen einer Versicherung ausdrücklich bejaht worden, und diese sodann nicht über die später erfolgte Kündigung informiert worden wäre. In diesem Fall hätten die Kläger erkennen können und müssen, dass es sich beim Bestehen des Versicherungsschutz um einen Umstand handelt, an dem die Klägerin erkennbar interessiert ist und über den auch ungefragt informiert werden muss. Dies war jedoch vorliegend gerade nicht der Fall.

bb)

Daher bestand auch aus Treu und Glauben kein Anspruch der Klägerin auf Aufklärung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (NJW 2014, 155).

Wie bereits dargelegt war die Klägerin schon nicht in entschuldbarer Weise in Unkenntnis über die Frage des Versicherungsschutzes. Die Beklagten hingegen mussten zwar davon ausgehen, dass die Klägerin keine Kenntnis von der Kündigung des Versicherungsvertrages von Seiten der XXX hatte; hieraus konnten sie jedoch nicht schließen, dass die Klägerin sich nicht ihrerseits um einen Versicherungsschutz bemühen würde.

cc)

Auch aus der Regelung des § 86 VVG ergibt sich nichts anderes. Diese Regelung hat zwar den Zweck, einen lückenlosen Versicherungsschutz zu gewährleisten. Auskunftspflichten, die über die oben genannten hinausgingen, können daraus aber nicht abgeleitet werden.

dd)

Die Beklagten waren deshalb weder aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht noch nach Treu und Glauben und den Grundsätzen eines redlichen Geschäftsverhaltens verpflichtet, die Klägerin über die Kündigung des Versicherungsvertrages zu informieren.

VI.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S.1, S.2 ZPO.

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