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Herausgabe von in notarieller Verwahrung befindlicher Originalurkunde an Gerichtssachverständigen

Eine Frau kämpft vor Gericht um die Herausgabe einer notariell verwahrten Originalurkunde, die sie für ein Gutachten zur Echtheit einer Unterschrift benötigt. Der Notar verweigert dies unter Berufung auf seine gesetzliche Pflicht zur sicheren Verwahrung von Urschriften. Nun hat das Landgericht Ingolstadt entschieden, ob die Urkunde ausnahmsweise doch an einen Sachverständigen ausgehändigt werden muss.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 51 T 464/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Das Gericht hat entschieden, dass die Originalurkunden nicht an den gerichtlich bestellten Sachverständigen ausgehändigt werden.
  • Die Beschwerdeführerin muss die Gerichtskosten tragen und erhält keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten.
  • Die Beschwerde wurde abgewiesen, da der Notar gemäß § 45 BeurkG verpflichtet ist, die Urschrift zu verwahren und nicht herauszugeben.
  • Die Urschrift einer notariellen Urkunde darf grundsätzlich nicht ausgehändigt werden, auch nicht an Gerichte oder Sachverständige.
  • Die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde vertritt die Urschrift im Rechtsverkehr und kann eingesehen werden.
  • Eine Ausnahme zur Herausgabe der Urschrift besteht nur, wenn die Urkunde im Ausland verwendet werden soll und alle Beteiligten zustimmen (§ 45a BeurkG).
  • Der Zweck der Verwahrungspflicht ist, die Existenz der Urkunde für Rechtsvorgänge zu sichern.
  • Die Untersuchung der Originalvollmacht kann im Notariat stattfinden, auch wenn dies mit hohem Aufwand verbunden ist.
  • Das Gericht sah keinen hinreichenden Grund, von den gesetzlichen Regelungen abzuweichen.
  • Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da keine grundsätzliche Bedeutung oder Rechtsfortbildungsbedarf bestand.

Notariell verwahrte Urkunden: Grenzen bei Herausgabe an Sachverständige

Jede Person kann im Laufe ihres Lebens in eine Situation geraten, in der juristische Fragen auftauchen. Dabei kann es sich um unterschiedlichste Themen handeln – vom Mietvertrag über Arbeitsverträge bis hin zu Erbregelungen. In solchen Fällen ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen zu kennen und zu verstehen.

Oftmals befinden sich wichtige Dokumente wie Verträge oder Vollmachten in notarieller Verwahrung. Wenn diese Unterlagen dann zu Beweiszwecken benötigt werden, stellt sich die Frage, wie sie rechtmäßig an autorisierte Stellen wie Gerichte oder Sachverständige herausgegeben werden können. Dieses Thema soll im Folgenden näher beleuchtet werden.

Der nachfolgende Beitrag fasst ein Gerichtsurteil zusammen, das sich genau mit dieser Problematik auseinandersetzt und Klarheit in die Rechtslage bringt. So können Betroffene zukünftig besser einschätzen, wie in solchen Fällen vorzugehen ist.

✔ Der Fall vor dem Landgericht Ingolstadt


Streit um Herausgabe notariell verwahrter Originalurkunde

Herausgabe von in notarieller Verwahrung befindlicher Originalurkunde an Gerichtssachverständigen
(Symbolfoto: Daniel Jedzura /Shutterstock.com)

In einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Ingolstadt geht es um die Frage, ob ein Notar verpflichtet ist, eine bei ihm verwahrte Originalurkunde an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen herauszugeben. Die Beschwerdeführerin benötigt die Urkunde nebst Originalvollmacht für ein Gutachten, um zu klären, ob eine darauf befindliche Unterschrift tatsächlich von ihr stammt.

Der Notar lehnte die Herausgabe unter Verweis auf § 45 Abs. 1 Beurkundungsgesetz (BeurkG) ab. Hiernach hat der Notar Urschriften grundsätzlich in Verwahrung zu behalten und darf sie nicht aushändigen. Dagegen legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein. Sie argumentierte, ihr würden sonst unzumutbare Kosten entstehen und das Gutachten wäre ohne Untersuchung des Originals mit speziellen Geräten kaum verwertbar.

Gesetzliche Regelungen zur notariellen Verwahrung von Urkunden

Das Gericht führt aus, dass die Urschriften notarieller Urkunden gemäß § 45 Abs. 1 BeurkG grundsätzlich in der Verwahrung des Notars bleiben müssen. Auch die Beteiligten können den Notar nicht von dieser Amtspflicht entbinden. Die verwahrte Urschrift darf daher nicht einmal vorübergehend ausgehändigt werden.

Eine Ausnahme sieht lediglich § 45a BeurkG vor, wenn die Urkunde im Ausland verwendet werden soll und alle Ausfertigungsberechtigten zustimmen. Dann hat der Notar nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Zweck der strengen Verwahrungspflicht ist es, die Urkundenexistenz für wichtige beurkundungspflichtige Rechtsvorgänge zu sichern. Dies liegt sowohl im Interesse der Beteiligten als auch des Rechtsverkehrs insgesamt.

Notwendigkeit der Untersuchung am Original verneint

Das Gericht betont, dass Urschriften im Rechtsverkehr stets inhaltlich durch Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften vertreten werden. Zu Informations- und Beweiszwecken können die Beteiligten daher grundsätzlich immer auf Einsicht in die Urschrift oder Ausfertigungen zurückgreifen. Eine Aushändigung ist nur in Ausnahmefällen vorgesehen, wenn einer Ausfertigung im Ausland keine hinreichende Beweiskraft zukommt.

Weitere Ausnahmen im Wege der Analogie zu § 45a BeurkG hält das Gericht nicht für zulässig. Im vorliegenden Fall bestehe auch kein Bedürfnis dafür, da die erforderlichen Untersuchungen grundsätzlich in den Räumen des Notars durchgeführt werden können. Der damit verbundene zeitliche und materielle Aufwand rechtfertige für sich genommen noch keine Durchbrechung des gesetzlichen Grundsatzes der notariellen Verwahrung.

Landgericht weist Beschwerde gegen Herausgabeverweigerung zurück

Das Landgericht Ingolstadt wies daher die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Weigerung des Notars zur Aushändigung der Originalurkunde zurück. Es sah keine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung des Notars, von der gesetzlich vorgeschriebenen Verwahrung der Urschrift abzuweichen. Der mit einer Untersuchung beim Notar verbundene Aufwand müsse ggf. in Kauf genommen werden, um den Zweck der notariellen Urkundenverwahrung nicht zu gefährden.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung bekräftigt den hohen Stellenwert der notariellen Urkundenverwahrung. Sie dient der Sicherung wichtiger beurkundungspflichtiger Rechtsvorgänge im Interesse der Beteiligten und des Rechtsverkehrs. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in engen gesetzlichen Grenzen zulässig. Für Untersuchungs- und Beweiszwecke müssen grundsätzlich Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften genügen, selbst wenn dies mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Nur so lässt sich der Sicherungszweck der notariellen Verwahrung aufrechterhalten.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Herausgabe notariell verwahrter Urkunden wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Unter welchen Umständen darf ein Notar die Herausgabe einer verwahrten Originalurkunde verweigern?

Gemäß § 45 Abs. 1 BeurkG bleibt die Urschrift einer notariellen Urkunde grundsätzlich in der Verwahrung des beurkundenden Notars, wenn sie nicht auszuhändigen ist. Der Notar ist verpflichtet, die Originalurkunden sorgfältig aufzubewahren und vor Verlust oder Beschädigung zu schützen. Diese Verwahrungspflicht dient dem Zweck, die dauerhafte Existenz und Beweiskraft der Urkunde für die Beteiligten und den Rechtsverkehr zu sichern.

Aus diesem Grund darf der Notar die Herausgabe einer verwahrten Originalurkunde nur in engen Ausnahmefällen verweigern. Ein berechtigter Grund zur Verweigerung liegt insbesondere dann vor, wenn die Herausgabe dem Sinn und Zweck der notariellen Verwahrung zuwiderliefe. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn durch die Herausgabe die Existenz oder Beweiskraft der Urkunde gefährdet würde.

Ein weiterer Verweigerungsgrund kann sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben. Als Beispiel dient der Fall, dass ein Gerichtssachverständiger die Herausgabe der notariellen Originalurkunde verlangt, um ein Schriftgutachten zu erstellen. Hier muss der Notar sorgfältig prüfen, ob die Herausgabe tatsächlich erforderlich ist oder ob der Begutachtungszweck auch durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift erreicht werden kann. Nur wenn die Vorlage des Originals unbedingt notwendig erscheint, darf der Notar die Urkunde vorübergehend aus der Verwahrung geben.

Zusammengefasst ist festzuhalten Der Notar hat bei einem Herausgabeverlangen stets zu prüfen, ob dieses mit dem gesetzlichen Verwahrungszweck vereinbar ist und ob nicht mildere Mittel wie die Erteilung einer Abschrift ausreichen. Nur in begründeten Ausnahmefällen, in denen ein besonderes Interesse an der Vorlage des Originals besteht, darf er die Herausgabe der Urschrift verweigern.


Welche Möglichkeiten gibt es, Kopien oder Abschriften notariell verwahrter Urkunden zu erhalten?

Wenn Beteiligte Kopien oder Abschriften notariell verwahrter Urkunden benötigen, stehen ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, auch wenn das Original nicht ausgehändigt wird.

Eine Option besteht darin, beim verwahrenden Notar Einsicht in die Urschrift zu nehmen. Der Notar ist verpflichtet, den Beteiligten auf Verlangen Einsicht in die Urkunde zu gewähren. So können sich die Beteiligten über den Inhalt der Urkunde informieren, ohne das Original zu erhalten.

Darüber hinaus können die Beteiligten vom Notar Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften der Urkunde verlangen. Ausfertigungen sind vom Notar erstellte und unterschriebene Kopien der Urkunde, die im Rechtsverkehr wie das Original behandelt werden. Beglaubigte Abschriften sind ebenfalls vom Notar erstellte Kopien, die jedoch lediglich die Übereinstimmung mit dem Original bestätigen.

Die Erteilung von Ausfertigungen und beglaubigten Abschriften ist ein wichtiges Recht der Beteiligten. Dadurch wird sichergestellt, dass sie auch ohne Aushändigung des Originals über die notwendigen Dokumente verfügen, um ihre Rechte wahrzunehmen oder Verpflichtungen nachzukommen. Im Rechtsverkehr haben Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften eine hohe Beweiskraft und werden oft als Ersatz für das Original akzeptiert.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Notar nur den unmittelbar Beteiligten Einsicht gewähren sowie Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften erteilen darf. Dritte müssen ein berechtigtes Interesse nachweisen, um Zugang zu den Informationen zu erhalten.

Im Zusammenhang mit der Herausgabe einer notariell verwahrten Urkunde an einen Gerichtssachverständigen gilt Folgendes. Der Notar darf das Original nur mit Zustimmung aller Beteiligten oder auf Anordnung eines Gerichts an den Sachverständigen herausgeben. Ansonsten kann der Sachverständige beim Notar Einsicht nehmen oder eine Ausfertigung bzw. beglaubigte Abschrift anfordern, um die für sein Gutachten erforderlichen Informationen zu erhalten.


Was ist der Zweck der notariellen Urkundenverwahrung und wessen Interessen werden dadurch geschützt?

Die notarielle Verwahrung von Urkunden dient mehreren wichtigen Zwecken und schützt die Interessen verschiedener Beteiligter:

  • Sicherung wichtiger Rechtsvorgänge: Notarielle Urkunden dokumentieren bedeutsame Rechtsgeschäfte wie Immobilienverkäufe, Testamente oder Gesellschaftsverträge. Durch die Verwahrung beim Notar wird sichergestellt, dass die Originalurkunden dauerhaft erhalten bleiben und nicht verloren gehen, beschädigt oder verfälscht werden können. Dies schafft Rechtssicherheit für die Beteiligten.
  • Schutz der Urkundsbeteiligten: Die sichere Verwahrung der Urkunden schützt insbesondere rechtlich unerfahrene Beteiligte vor Benachteiligung. Sie können darauf vertrauen, dass die beurkundeten Vereinbarungen unverändert Bestand haben. Auch für den Fall von Streitigkeiten ist der Rückgriff auf die Originalurkunde von Bedeutung.
  • Beweisfunktion im Rechtsverkehr: Notarielle Urkunden haben aufgrund der Verwahrung durch eine unabhängige Urkundsperson besondere Beweiskraft. Im Rechtsverkehr, z.B. gegenüber Behörden oder vor Gericht, erbringen sie vollen Beweis für die beurkundeten Tatsachen. Dies erspart aufwändige Beweiserhebungen.

Aufgrund dieser Bedeutung der notariellen Urkundenverwahrung sind die Urkunden grundsätzlich dauerhaft in der Verwahrung des Notars zu belassen. Die Herausgabe der Originalurkunden an Dritte ist nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen zulässig, etwa im Rahmen von Gerichtsverfahren an einen Sachverständigen. Auch dann muss die Integrität und Sicherheit der Urkunde gewährleistet bleiben.


Welche Ausnahmen von der Pflicht zur Urkundenverwahrung sieht das Gesetz vor?

Das Beurkundungsgesetz sieht in § 45a BeurkG eine wichtige Ausnahme von der notariellen Pflicht zur dauerhaften Verwahrung der Urschrift einer Niederschrift vor. Die Urschrift darf ausnahmsweise an die Beteiligten herausgegeben werden, wenn dargelegt wird, dass sie im Ausland verwendet werden soll.

Für die Herausgabe müssen jedoch weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen sämtliche Personen zustimmen, denen eine Ausfertigung der Niederschrift zu erteilen wäre. Dies sind in der Regel alle Beteiligten des beurkundeten Rechtsgeschäfts. Zum anderen muss der Notar eine beglaubigte Abschrift zurückbehalten.

Für die Praxis bedeutet dies, dass der beurkundende Notar die Urschrift einer Niederschrift auch dann nicht an einen Gerichtssachverständigen herausgeben darf, wenn dieser sie für ein Gutachten benötigt. Die Ausnahme des § 45a BeurkG greift hier nicht, da die Verwendung nicht im Ausland erfolgen soll.

Der Notar kann dem Sachverständigen aber eine beglaubigte Abschrift der Urkunde zur Verfügung stellen. Diese hat gemäß § 45 BeurkG dieselbe Beweiskraft wie die Urschrift, so dass der Sachverständige sie uneingeschränkt für seine Begutachtung verwenden kann. Nur in seltenen Ausnahmefällen, etwa wenn Fälschungsmerkmale untersucht werden sollen, kann die Vorlage der Urschrift unerlässlich sein.


Welche Möglichkeiten haben Beteiligte, wenn für Untersuchungen oder als Beweismittel die Originalurkunde benötigt wird?

Wenn für Untersuchungen oder als Beweismittel die Originalurkunde benötigt wird, haben die Beteiligten nur begrenzte Möglichkeiten, da der beurkundende Notar grundsätzlich zur sicheren Verwahrung der Urschrift verpflichtet ist. In den meisten Fällen müssen für Beweiszwecke beglaubigte Ausfertigungen oder Abschriften der notariellen Urkunde genügen, auch wenn ein starkes Interesse an der Urschrift bestehen mag.

Der Notar darf die in seiner Verwahrung befindliche Originalurkunde nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen herausgeben. Ein Gerichtssachverständiger hat daher keinen Anspruch auf Aushändigung der notariellen Urschrift. Benötigt er die Originalurkunde zwingend für seine Untersuchungen, so muss er diese grundsätzlich direkt in den Amtsräumen des verwahrenden Notars durchführen.

Durch dieses Verfahren lässt sich einerseits dem berechtigten Interesse an einer Untersuchung der Urschrift Rechnung tragen. Andererseits wird die sichere Verwahrung des Originals durch den Notar nicht gefährdet. Nur so können Sinn und Zweck der notariellen Urkundenverwahrung, nämlich Beweissicherung und Schutz vor Verlust oder Verfälschung, aufrechterhalten werden.

Zusammengefasst sind die Möglichkeiten der Beteiligten, die Herausgabe notariell verwahrter Originalurkunden zu verlangen, aus guten Gründen sehr eingeschränkt. In aller Regel müssen beglaubigte Kopien für Untersuchungs- und Beweiszwecke ausreichen. Ist ausnahmsweise doch die Urschrift erforderlich, muss die Untersuchung beim verwahrenden Notar stattfinden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 45 BeurkG: Dieser Paragraph legt fest, dass Urschriften notarieller Urkunden grundsätzlich in der Verwahrung des Notars bleiben und nicht ausgehändigt werden dürfen. Dies dient der Sicherung der Urkundenexistenz und verhindert, dass die Originale im Rechtsverkehr verwendet werden.
  • § 45a BeurkG: Diese Vorschrift erlaubt ausnahmsweise die Aushändigung der Urschrift, wenn sie im Ausland verwendet werden soll und alle Beteiligten zustimmen. Diese Ausnahme soll internationalen Anforderungen Rechnung tragen, wo die Ausfertigung der Urschrift nicht anerkannt wird.
  • § 54 BeurkG: Regelt die Statthaftigkeit und die Zulässigkeit von Beschwerden gegen Entscheidungen von Notaren, wie im vorliegenden Fall, wo die Beschwerdeführerin gegen die Ablehnung der Aushändigung der Urschrift durch den Notar Beschwerde eingelegt hat.
  • § 51 BeurkG: Stellt klar, dass selbst Personen, die eine Ausfertigung der Urkunde verlangen können, lediglich ein Einsichtsrecht in die Urschrift haben und diese nicht ausgehändigt bekommen. Dies unterstützt die strikte Verwahrungspflicht der Notare.
  • § 47 BeurkG: Definiert, dass die Ausfertigung die Urschrift im Rechtsverkehr vertritt und somit alle rechtlichen Funktionen der Urschrift übernimmt. Dadurch wird verhindert, dass die Originaldokumente ausgehändigt werden müssen.
  • § 432 ZPO: Ermöglicht es Gerichten, von Dritten Informationen oder Dokumente anzufordern, was theoretisch auch notarielle Urschriften betreffen könnte. Dies ist relevant, wenn ein Gericht die Urschrift als Beweismittel benötigt.
  • § 435 ZPO: Legt fest, dass das Gericht Beweise durch Augenschein erhebt, was in Ausnahmefällen die Vorlage der Urschrift erfordern könnte. Auch hier gilt die Regelung, dass die Urschrift nicht ausgehändigt, sondern nur eingesehen werden kann.
  • § 84 FamFG: Begründet die Kostenentscheidung in Familiensachen, die hier auf die Beschwerdeführerin übertragen wurde, die somit die Gerichtskosten tragen muss.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Ingolstadt

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung bekräftigt den hohen Stellenwert der notariellen Urkundenverwahrung. Sie dient der Sicherung wichtiger beurkundungspflichtiger Rechtsvorgänge im Interesse der Beteiligten und des Rechtsverkehrs. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in engen gesetzlichen Grenzen zulässig. Für Untersuchungs- und Beweiszwecke müssen grundsätzlich Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften genügen, selbst wenn dies mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Nur so lässt sich der Sicherungszweck der notariellen Verwahrung aufrechterhalten.

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LG Ingolstadt – Az.: 51 T 464/22 – Beschluss vom 30.12.2022

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Notars … vom 10.02.2022, mit dem der Antrag auf Aushändigung der Urschrift der Urkunde, URNr. … abgelehnt wurde, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die anfallenden Gerichtsgebühren. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

3. Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 5.000,– € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der Beschwerde vom 25.02.2022 gegen die Weigerung des Notars … in Ingolstadt von ihm verwahrte Originalurkunden einem gerichtlich bestellten Sachverständigen zwecks vergleichender Untersuchung der auf den Urkunden befindlichen Originalunterschriften auszuhändigen.

Mit Beschluss vom 24.06.2021 hat das Landgericht Ingolstadt im Verfahren 1 HK O 3172/20 vor die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Frage angeordnet, ob die Unterschrift unter der mit der Urschrift der Urkunde, URNr. … , verbundenen und verwahrten Vollmacht von der Beschwerdeführerin stammt oder nicht.

Für die Erstellung des Sachverständigengutachtens sind Untersuchungen an der Originalvollmacht notwendig. Zu der Untersuchung ist die Verwendung folgender Gerätschaften notwendig:

– Mikroskop, Volumen ca. 1 Kubikmeter, Gewicht über 50 kg,

– IRDA, Volumen ca. 1 Kubikmeter, Gewicht über 50 kg,

– VSC, Volumen ca. 1 Kubikmeter, Gewicht über 50 kg,

– ESDA, Volumen ca. 1/3 Kubikmeter, Gewicht ca. 20 kg

Der Transport dieser Gerätschaften an das Notariat ist grundsätzlich möglich, hierzu ist die Anmietung eines LKW mit 7,5 t, sowie der Einsatz von mehreren Helfern sowie ein zeitlicher Aufwand von mehreren Tagen notwendig. Die hierzu notwendigen Kosten hat grundsätzlich die Beschwerdeführerin zu tragen.

Aufgrund dessen hat die Beschwerdeführerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beschwerdegegner am 04.02.2022 den Antrag gestellt, das Original der Vollmacht analog § 45a BeurkG dem Sachverständigen auszuhändigen.

Daraufhin hat der Notar mit Schreiben vom 11.02.2022 an den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin unter Verweis auf § 45 Abs. 1 BeurkG eine Herausgabe der Originalurkunden nebst Vollmacht abgelehnt.

Hiergegen legt die Beschwerdeführerin über ihren Prozessbevollmächtigten mit Datum vom 25.02.2022 Beschwerde nach § 54 BeurkG ein.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, durch die Versagung der Aushändigung der Urschrift der Urkunden würden ihr unzumutbare Kosten entstehen und es bestünde die Gefahr dass, falls der Gutachter das Original mit einfachsten Gerätschaften „untersuchen“ würde, das Beweisergebnis kaum brauchbar wäre.

Der Beschwerdegegner hat unter erneuter Berufung auf § 45 BeurkG an seiner Weigerung der Herausgabe der Urschriften festgehalten und sich hierbei insbesondere darauf bezogen, dass die Untersuchung grundsätzlich ohne Einschränkungen auch im Notariat möglich sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie gemäß § 54 Abs. 1 BeurkG statthaft. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

1.

Gemäß § 45 Abs. 1 BeurkG bleibt die Urschrift der notariellen Urkunde, wenn sie nicht auszuhändigen ist, in der Verwahrung des Notars.

Demnach sind Urschriften einer Niederschrift von einem Notar grundsätzlich nicht auszuhändigen, sondern in der Urkundensammlung zu verwahren. Von dieser Aufbewahrungspflicht, die zu den Amtspflichten des Notars gehört, können die Beteiligten den Notar auch nicht befreien. Aus ihr resultiert das grundsätzliche Verbot der Aushändigung der Urschrift an einen Beteiligten, selbst dann noch, wenn alle Beteiligten zustimmen. Die Urschrift nimmt daher nicht am Rechtsverkehr teil; sie wird vielmehr durch die Ausfertigung (§ 47 BeurkG) oder die beglaubigte Abschrift (§ 42 BeurkG) vertreten. Die verwahrten Urschriften dürfen grundsätzlich auch nicht vorübergehend ausgehändigt werden; selbst wer eine Ausfertigung verlangen kann, darf nach § 51 Abs. 3 BeurkG die Urschrift nur einsehen. Auch Gerichten, Behörden oder anderen Urkundspersonen darf die Urschrift grundsätzlich nicht überlassen werden, selbst wenn dies ein gerichtlicher Beweisbeschluss fordern sollte. Der Beteiligte, der ein Recht auf Erteilung einer Ausfertigung und auf Einsicht in die Urschrift hat, kann zwar im Zivilprozess, falls das Gericht die Urschrift verlangen sollte (z.B. nach § 435 ZPO), theoretisch den Urkundenbeweis durch den Antrag auf ein Mitteilungsersuchen nach § 432 Abs. 1 ZPO antreten. Auch in diesem Fall gilt jedoch § 47 BeurkG, wonach die Ausfertigung die Urschrift im Rechtsverkehr vertritt und deshalb als Urschrift im Sinne von § 435 S. 1 ZPO anzusehen ist.

§ 47 BeurkG ist insoweit lex specialis. Sollte es für eine Beweisführung ausnahmsweise auf die in notarieller Verwahrung befindliche Urschrift ankommen und deshalb ein entsprechender Beweisbeschluss ergehen, muss bei der Beweisaufnahme dennoch die Pflicht des Notars, die in seiner Verwahrung befindliche Urschrift nicht herauszugeben, grundsätzlich beachtet werden; in diesem Fall müsste die Beweisaufnahme dem Grunde nach in den Geschäftsräumen des Notars stattfinden (vgl. BeckOGK/Regler, 1.5.2022, BeurkG § 45 Rn. 8-14, Zimmermann, Beck´sches Notar-Handbuch, 7. Auflage 2019, Rn. 47, Lerch in: Lerch, Beurkundungsgesetz, Dienstordnung und Richtlinienempfehlungen der BNotK, 5. Aufl. 2016, § 45 BeurkG, LG Rostock, Beschluss vom 23. Mai 2008 – 9 T 8/07 –, juris m.w.N.).

Zweck der Verwahrungspflicht ist die Sicherung der Urkundenexistenz für die Rechtsvorgänge, für die der Gesetzgeber notarielle Beurkundung anordnet und die daher sowohl für die Beteiligten als auch für den Rechtsverkehr insgesamt von erheblicher Bedeutung sind (vgl. LG Rostock, Beschluss vom 23. Mai 2008 – 9 T 8/07 –, juris m.w.N.).

Eine Ausnahme lässt lediglich § 45a BeurkG zu. Dieser lautet: „Die Urschrift einer Niederschrift soll nur ausgehändigt werden, wenn dargelegt wird, dass sie im Ausland verwendet werden soll, und sämtliche Personen zustimmen, die eine Ausfertigung verlangen können. In diesem Fall soll die Urschrift mit dem Siegel versehen werden; ferner soll eine Ausfertigung zurückbehalten und auf ihr vermerkt werden, an wen und weshalb die Urschrift ausgehändigt worden ist. Die Ausfertigung tritt an die Stelle der Urschrift.“ Grund für die ausnahmsweise Gestattung der Aushändigung der Urschrift durch den Notar ist die Tatsache, dass das ausländische Recht häufig die Urschrift verlangt und die stellvertretende Funktion einer Ausfertigung nicht anerkennt, so dass der Gesetzgeber durch diese Vorschrift dieser Rechtslage Rechnung tragen wollte.

§ 45a BeurkG räumt allerdings den Beteiligten kein Recht auf die Aushändigung der Urkunde ein. Vielmehr hat der verwahrende Notar in solchen Fällen lediglich die Befugnis, die Urkunde herauszugeben, und hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. BeckOGK/Regler BeurkG § 45 Rn. 21, BeckOGK/Regler BeurkG § 45a Rn. 2-7, zur früheren Vorschrift in § 45 Abs. 2 BeurkG: LG Rostock, Beschluss vom 23. Mai 2008 – 9 T 8/07 –, juris m.w.N.).

Die Regelungen des § 45 Abs. 1 und § 45a BeurkG lassen deutlich erkennen, dass der Gesetzgeber von dem Grundsatz ausgeht, dass die Urschrift im Rechtsverkehr stets (inhaltlich) durch die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift vertreten wird. Es ergab sich für den Gesetzgeber keinerlei Bedürfnis, die Aushändigung der Urschrift zu verlangen oder auch nur zu erlauben. Die Beteiligten können danach zu Informations- wie Beweiszwecken grundsätzlich stets auf die Einsicht in die Urschrift oder auf Ausfertigungen hiervon zurückgreifen. Dementsprechend wird es dem Zweck der Sicherung der Urkundenexistenz für die Beteiligten und für den Rechtsverkehr insgesamt am ehesten gerecht, die Aushändigung der Urschrift durch den Notar gänzlich zu untersagen, ohne dass hierdurch die Rechte Beteiligter eingeschränkt würden.

Eine Ausnahme bzw. deren Notwendigkeit hat der Gesetzgeber jedoch, wie die Regelung des früheren § 45 Abs. 2 BeurkG, welche unverändert in den neu geschaffenen § 45a BeurkG überführt wurde, lediglich in denjenigen Fällen geschaffen, in denen im Ausland einer Ausfertigung der Urschrift eine hinreichende stellvertretende Funktion ausnahmsweise nicht zukommt und ein erforderlicher Beweis durch eine Ausfertigung nicht (hinreichend) geführt werden kann.

Nachdem der Gesetzgeber zuletzt mit dem Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 01.06.2017 dies grundsätzlich beibehalten und die Regelung des § 45 Abs. 2 BeurkG lediglich unverändert in den neugeschaffenen § 45 a BeurkG verlagert hat und bei dieser Gelegenheit keine weitere Ausnahme zu der grundsätzlichen Regelung des § 45 Abs. 1 BeurkG geschaffen hat, verbietet sich, weitere Ausnahmen von diesem Grundsatz im Wege der Analogie zu § 45a BeurkG zuzulassen.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass notarielle Urkunden, die sich in Verwahrung eines Notars befinden, im Strafverfahren grundsätzlich beschlagnahmefähig sind. Die hierzu ergangenen Entscheidungen (vgl. BGH, NJW 1987, 2441; LG Darmstadt, wistra 1987, 232; LG Gera, NotBZ 2003, 433; LG Landshut, MittBayNot 1994, 586, alle zitiert nach juris) befassen sich in erster Linie nur mit der Frage, ob notarielle Urkunden dem Privileg der §§ 53, 97 StPO unterliegen und lassen offen, ob die Beschlagnahmefähigkeit sich nur auf beglaubigte Abschriften oder die Urschriften bezieht.

Im Übrigen besteht im vorliegenden Fall auch kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 45 a BeurkG, nachdem die Durchführung der erforderlichen Untersuchungen in den Räumen des Notars dem Sachverständigen grundsätzlich möglich ist. Soweit dies mit erheblichem zeitlichen und materiellen Aufwand verbunden ist, ist dies für sich genommen kein hinreichender Grund für eine Durchbrechung des gesetzlichen Grundsatzes nach § 45 Abs. 1 BeurkG.

III.

Die Entscheidung über die Kostentragung beruht auf § 84 FamFG.

IV.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes der Beschwerde folgt aus § 36 GNotKG.

V.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. § 70 Abs. 2 FamFG.

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