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Gutgläubiger Grundstückserwerb im vorläufigen Insolvenzverfahren?

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 296 – 298/19 – Beschluss vom 28.10.2019

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) wird das Grundbuchamt angewiesen, die in den Grundbüchern des Amtsgerichts Leverkusen von A in den Blättern 7xx6 und 7xx2 jeweils in Abt. II unter lfd. Nrn. 11 und 12 eingetragenen Amtswidersprüche zu löschen.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1) ist im Grundbuch eingetragener Eigentümer des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes. Durch Wohnungs- und Teileigentumskaufvertrag vom 15.04.2019 – UR.Nr. 8xx/2019 des Notars Dr. B in C – hat der Beteiligte zu 1) diesen Grundbesitz an die Beteiligten zu 2) und 3) u.a. verkauft, aufgelassen und die Eintragung von Auflassungsvormerkungen zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) bewilligt (Bl. 153 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 26.04.2019 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 3) unter Bezugnahme auf vorgenannte Urkunde die Eintragung von Auflassungsvormerkungen in den im Rubrum bezeichneten Grundbüchern zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) beantragt (Bl. 152 d.A.). Die Eintragung der Auflassungsvormerkungen ist am 21.05.2019 antragsgemäß erfolgt.

Durch Beschluss vom 01.07.2019 hat das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Essen, 160 IN 94/19, im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Beteiligten zu 1) Herrn Rechtsanwalt Dr. D, den Beteiligten zu 4), zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und u.a. angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände seines Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (Bl. 184 f. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 22.07.2019 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 3) unter Bezugnahme auf die vorgenannte Urkunde vom 15.04.2019 (UR.Nr. 8xx/2019) beantragt, den Eigentumswechsel in den Grundbüchern einzutragen und die am 21.05.2019 eingetragenen Auflassungsvormerkungen zu löschen (Bl. 177 d.A.).

Am 31.08.2019 ist beim Amtsgericht Leverkusen ein Gesuch des Amtsgerichts Essen vom 21.08.2019 eingegangen, unter Hinweis auf den Beschluss vom 01.07.2019 die angeordnete Verfügungsbeschränkung an dem im Rubrum bezeichneten Grundbesitz des Beteiligten zu 1) einzutragen (Bl. 183 ff. d.A.). Dieses Gesuch ist dem Grundbuchamt am 02.09.2019 vorgelegt worden.

Am 05.09.2019 hat das Grundbuchamt den Eigentumswechsel und die Löschung der Auflassungsvormerkungen entsprechend dem Antrag vom 22.07.2019 in den im Rubrum bezeichneten Grundbüchern eingetragen.

Am 09.09.2019 hat das Grundbuchamt in Abt. II unter lfd. Nr. 11 und 12 der im Rubrum bezeichneten Grundbücher Amtswidersprüche gegen den jeweiligen Eigentumswechsel und die Löschungen der Auflassungsvormerkungen eingetragen.

Mit Schreiben vom 09.09.2019 hat das Grundbuchamt den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) bis 3) von der Eintragung der Amtswidersprüche in Kenntnis gesetzt und darauf hingewiesen, dass eine Löschung der Amtswidersprüche erfolgen könne, sobald eine notariell beglaubigte Zustimmungserklärung zu der Veräußerung oder eine Freigabeerklärung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorliege (Bl. 187 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 11.09.2019 (Bl. 188 f. d.A.) hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 3) beantragt, die eingetragenen Amtswidersprüche wieder zu löschen, weil die Voraussetzungen für die Eintragung von Amtswidersprüchen nicht vorliegen würden. Ob die Eintragungen unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt seien, könne offen bleiben, weil die Beteiligten zu 2) und 3) das Eigentum jedenfalls gutgläubig erworben hätten. Es komme daher nicht darauf an, ob vor den Grundbucheintragungen im Insolvenzeröffnungsverfahren eine Verfügungsbeschränkung zu Lasten des Beteiligten zu 1) angeordnet worden sei.

Mit weiterem Schriftsatz vom 12.09.2019 (Bl. 188 f. d.A.) hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 3) klargestellt, dass das Schreiben vom 11.09.2019 als Beschwerde gegen die Eintragung der Amtswidersprüche zu verstehen sei.

Durch am 23.09.2019 erlassenen Beschluss hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 191 ff. d.A.).

II.

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) mit dem Ziel der Löschung der eingetragenen Amtswidersprüche sind gem. § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Dem steht § 71 Abs. 2 GBO nicht entgegen, weil die Eintragung von Amtswidersprüchen, die nicht unter dem öffentlichen Glauben stehen, unbeschränkt anfechtbar ist, so dass mit der Beschwerde ihre Löschung verlangt werden kann (Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 71 Rn. 38, 39). Die Beschwerden sind auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt worden (§ 73 GBO).

Die Beschwerden haben auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Eintragung der Amtswidersprüche gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO lagen nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die Eintragungen und Löschungen, gegen die sich die Amtswidersprüche gerichtet haben, unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen worden sind. Jedenfalls ist das Grundbuch durch die Eintragungen und Löschungen nicht unrichtig geworden.

Die Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) als Eigentümer des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes hat nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs geführt, weil die Beteiligten zu 2) und 3) vom Beteiligten zu 1) Eigentum erworben haben. Die Voraussetzungen gem. §§ 873, 925 BGB sind erfüllt. Zwar war der Beteiligte zu 1) zum Zeitpunkt der Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) am 05.09.2019 nicht mehr verfügungsbefugter Eigentümer, weil zuvor im Insolvenzeröffnungsverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts am 01.07.2019 angeordnet worden ist, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände seines Vermögens nur noch mit Zustimmung des Beteiligten zu 4) wirksam sind (§§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 22 S. 1 InsO). Diese Verfügungsbeschränkung ist auch nicht gem. § 878 BGB unerheblich, weil der Eintragungsantrag vom 22.07.2019 erst nach der Anordnung der Verfügungsbeschränkung am 01.07.2019 gestellt worden ist.

Es liegen indes die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs gem. §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 S. 2 InsO, 892 Abs. 1 S. 2 BGB vor. Das Grundbuch war zum Zeitpunkt der Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) als Eigentümer unrichtig, weil die Verfügungsbeschränkung entgegen §§ 23 Abs. 3, 32 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht im Grundbuch eingetragen war. Der Beteiligte zu 1) war auch durch das Grundbuch als verfügungsbefugter Eigentümer legitimiert. Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb im Sinne eines Verkehrsgeschäfts lag dem Erwerb zugrunde. Ein Widerspruch war zum Zeitpunkt der Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) nicht eingetragen. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Beteiligten zu 2) und 3) zum Zeitpunkt der Eintragung positive Kenntnis von einer Verfügungsbeschränkung des Beteiligten zu 1) hatten. Sie waren daher im Zweifel gutgläubig. Denn nach § 892 BGB ist ein gutgläubiger Erwerb so lange als nachgewiesen anzusehen, bis die Bösgläubigkeit des Erwerbers feststeht. Daher ist ein gutgläubiger Erwerb bis zu dieser Feststellung als glaubhaft anzusehen (Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 53 Rn. 28).

Ein gutgläubiger Erwerb ist entgegen der Auffassung des Grundbuchamts auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil dies in § 878 BGB nicht vorgesehen ist. Denn § 878 BGB und § 892 Abs. 1 S. 2 BGB sind unabhängig voneinander anzuwenden. Soweit das Grundbuchamt ausführt, dass der Eigentumswechsel nicht hätte eingetragen werden dürfen, weil das Grundbuchamt keinen Rechtserwerb herbeiführen darf, von dem es weiß, dass er sich nur kraft guten Glaubens vollziehen kann, ist dem zuzustimmen (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 13 Rn. 12 m.w.N.). Hierauf kommt es indes nicht an, weil der Eigentumswechsel dennoch eingetragen worden ist und damit den gutgläubigen Erwerb ermöglicht hat. Die spätere Eintragung eines Widerspruchs hindert den gutgläubigen Erwerb nicht. Die Widersprüche sind daher zu löschen.

Da der Eigentumswechsel stattgefunden hat, sind die Auflassungsvormerkungen zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) zu Recht gelöscht worden. Die eingetragenen Widersprüche gegen diese Löschungen sind daher ebenfalls zu löschen.

III.

Gerichtskosten für die Beschwerdeverfahren fallen nicht an, weil die Beschwerden Erfolg haben. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gem. § 78 Abs. 2 GBO nicht vorliegen.

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