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Grundstücksübertragungsvertrag -Vertragsauslegung hinsichtlich Aufwendungsersatzansprüchen

OLG Dresden – Az.: 20 U 1931/11 – Urteil vom 10.07.2012

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 18.10.2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Das Urteil ist – hinsichtlich der Kosten – vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des für den Beklagten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des von ihm zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 242.863,64 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus dem Grundstück …-Straße … in M., eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal, Grundbuch von M., Bl. ., Flurstücksnummer ., und .-Straße … in M., eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Hohenstein-Ernsttahl, Grundbuch von M., Bl. ., Flurstücknummer … Eigentümerin beider Grundstücke ist die Klägerin. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Die Klägerin verlangt im Berufungsverfahren noch die Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkungen und die Feststellung der Nichtigkeit von zwei notariellen Verträgen, mit denen sich die Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen zur Übertragung der Grundstücke an den Beklagten verpflichtet hat; hilfsweise verlangt sie Feststellung, dass aus diesen Urkunden (Anlagen K 5, K 6) dem Beklagten keine Ansprüche zustehen. Der Beklagte verlangt – widerklagend – die Abgabe von Auflassungserklärungen hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke.

Das Landgericht Zwickau hatte bereits unter dem Az. 1 O 405/09 zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin durch Beschluss vom 04.05.2009 gegen den Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung ein Verfügungsverbot erlassen. Durch Zwischenurteil vom 18.03.2011 hat das Landgericht ferner seine sachliche Zuständigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit festgestellt.

Mit Urteil vom 18.10.2011 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und auf Widerklage die Klägerin verurteilt, die Auflassung der Grundstücke gegenüber dem Sequester zu erklären. Das Landgericht hat eine Sittenwidrigkeit der Grundstückskaufverträge verneint. Auch sei die Geschäftsgrundlage dieser Verträge nicht weggefallen. Gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Kündigungs-, Widerrufs- oder Rücktrittsgründe seien ebenfalls nicht ersichtlich. Demgegenüber habe der Beklagte – in zulässiger, gewillkürter Prozessstandschaft – einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an den Sequester. Die formalen Voraussetzungen hierfür lägen nach den Grundstücksübertragungsverträgen vor. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe der Klägerin nicht zu. Dies sei ausdrücklich ausgeschlossen worden, wenn es in den Grundstücksübertragungsverträgen heiße, Gegenleistungen „gleich welcher Art“ seien ausgeschlossen. Zudem seien die geltend gemachten Gegenforderungen nicht konnex. Gegenansprüche aus dem Auftragsverhältnis seien zudem auch der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt. Die gestellten Hilfsanträge seien mit Erhebung der Widerklage insgesamt unzulässig geworden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie hält das Urteil für falsch. Das Landgericht habe sich mit wesentlichem Prozessvorbringen nicht auseinandergesetzt. Wie bereits in erster Instanz vertritt sie auch in der Berufungsbegründung die Auffassung, dass die Grundstücksübertragungsverträge sittenwidrig und damit nichtig seien. Die beiden Vereinbarungen zugrundeliegende Geschäftsgrundlage sei zudem weggefallen und die Vereinbarungen seinen wirksam gekündigt worden. Zumindest aber komme ihr hinsichtlich der bereits vom Landgericht München I titulierten Zahlungsansprüche (das Oberlandesgericht München hat mittlerweile im Berufungsverfahren gegen dieses Urteil der Klägerin 907.245,93 EUR zuerkannt) ein Zurückbehaltungsrecht zu; schließlich sei das Verlangen der Auflassung durch den Beklagten wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben jedenfalls unzulässig. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien auch die Aufwendungen für das Grundstück (Kaufpreis, Kosten und Grunderwerbssteuer) bereits in erster Instanz dargelegt worden. Beträge, welche der Klägerin aus Lebensversicherungen des Beklagten zugeflossen seien, dürften insoweit nicht in Abzug gebracht werden; aus diesen Beträgen seien keine Verbindlichkeiten betreffend die streitbefangenen Grundstücke getilgt worden. Zudem könne der Beklagte die Auflassungsansprüche nicht zulässig im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend machen. Zu Unrecht habe das Landgericht auch die gestellten Hilfsanträge für unzulässig gehalten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Berufungsschriftsatz vom 24.02.2012 und die weiteren Schriftsätze vom 04. und 18.06.2012 verwiesen.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Endurteil des Landgerichts Zwickau vom 18.10.2011 (Aktenzeichen: 1 O 95/10) wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal, Grundbuch von M., Blatt ., Flurstück ., Abteilung II, lfd. Nr. 1 eingetragenen Auflassungsvormerkung zu erteilen.

III. Der Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal, Grundbuch von M., Blatt ., Flurstück ., Abteilung II, lfd. Nr. 1 eingetragenen Auflassungsvormerkung zu erteilen.

IV. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung gemäß Urkunde des Notars W. S. vom 10.10.1996 (Urkunden-Nr. .) nichtig ist.

V. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung gemäß Urkunde des Notars W. S. vom 16.07.1996 (Urkunden-Nr. .) nichtig ist.

Hilfsweise wird beantragt:

VI. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten aus der Vereinbarung gemäß Urkunde des Notars W. S. vom 10.10.1996 (Urkunden-Nr. .) keine Ansprüche zustehen.

VII. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten aus der Vereinbarung gemäß Urkunde des Notars Walter Schott vom 16.07.1996 (Urkunden-Nr. .) keine Ansprüche zustehen.

VIII. Die Widerklage wird abgewiesen.

Der Beklagte, der das Urteil des Landgerichts verteidigt, beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht und auch mit überwiegend zutreffender Begründung die Klageanträge der Klägerin, jedenfalls soweit sie noch im Berufungsverfahren gestellt sind, abgewiesen und der Widerklage des Beklagten stattgegeben. Der Beklagte kann die Auflassung der streitgegenständlichen Grundstücke an den Sequester von der Klägerin verlangen. Die diesen Ansprüchen zugrunde liegenden Grundstücksübertragungsverträge vom 16.07. bzw. 10.10.1996 (Anlagen K 5 und K6) bestehen zwischen den Beteiligten nach wie vor wirksam fort. Zurückbehaltungsrechte kann die Klägerin den Übertragungsansprüchen des Beklagten nicht erfolgreich entgegenhalten.

I.

Nachdem zwischen den Parteien ein Scheidungsverfahren rechtshängig geworden ist, hat der Beklagte gegen die Klägerin aus Ziffer II Abs. 2 Satz 2 der Grundstücksübertragungsverträge vom 16.07. und 10.10.1996 einen Anspruch auf Auflassung der in Rede stehenden Grundstücke. Die Grundstücksübertragungsverträge sind wirksam abgeschlossen worden und entfalten zwischen Parteien nach wie vor Wirkung.

1. Die Grundstücksüberlassungsverträge sind nicht nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam.

a) Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 10.10.1997 – V ZR 74/96, NJW 1998, 590, 591 m.w.N.). Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich, es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen erkennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, wobei dem gleichsteht, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (BGH, Urteil vom 10.10.1997, a.a.O., m.w.N.; BGH, Urteil vom 19.01.2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 m.w.N.).

b) Gemessen daran kann – wie vom Landgericht zu Recht vertreten – vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass den in Rede stehenden Grundstücksübertragungsverträgen ein Gesamtcharakter zukäme, der nicht mehr mit den guten Sitten zu vereinbaren wäre.

aa) Zwar können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH, Urteil vom 19.01.2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127, m.w.N.). Auch dann, wenn ein Rechtsgeschäft eine so weitreichende Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit bewirkt, dass der Betroffene seine geschäftliche Selbstständigkeit weitgehend verliert, verstößt es gegen die guten Sitten (Armbruster, in: Münchner Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 138 Rdn. 71 m.w.N.).

bb) In der Gesamtschau insbesondere der von der Klägerin in den Grundstücksübertragungsverträgen übernommen Pflichten und der ihr hier eingeräumten Rechte kann jedoch eine sittenwidrige Übervorteilung nach diesen Maßstäben nicht festgestellt werden.

(1) Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin mit den Grundstücksübertragungsverträgen einseitige Verpflichtungen übernommen hat, ohne dass dem eigene Rechte gegenüberstehen. Zwar ist die Klägerin mit der Zahlung des Kaufpreises und den später zur Refinanzierung der Kaufpreise geschlossenen Darlehensverträgen erhebliche Verbindlichkeiten eingegangen. Zudem trug sie im Außenverhältnis auch die übrigen Lasten, die mit dem Erwerb und Besitz der Grundstücke einhergegangen sind, ohne dabei – wegen der weitreichenden Übertragungspflichten – gegenüber den Beklagten wirtschaftlich tatsächlich Eigentümerin geworden zu sein. Dabei haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass die Klägerin verpflichtet ist, die Grundstücke „ohne Gegenleistung“ an den Beklagten zu übertragen.

Daraus folgt vorliegend jedoch kein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Der Klägerin standen nicht nur die Mieteinnahmen aus den Grundstücken zu, vielmehr sind die Verträge – im Wege ergänzender Vertragsauslegung – so zu verstehen, dass die Klägerin vom Beklagten im Falle einer Übertragung der Grundstücke sämtliche Aufwendungen (abzüglich der von ihr erzielten Einnahmen) verlangen kann, die ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb und dem Unterhalt der Grundstücke entstanden sind.

Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin war Grundlage des Grundstückserwerbs von vornherein, dass sie – vor allem aus steuerlichen Gründen – formal Eigentümer der Grundstücke werden sollte, um diese dann an ein Unternehmen, an welchem der Beklagte beteiligt war, zu vermieten. Wirtschaftlicher Inhaber der Grundstücke sollte aber der Beklagte sein. Dementsprechend sind in den Grundstücksübertragungsverträgen weitreichende Verfügungsbeschränkungen und Übertragungsverpflichtungen zugunsten des Beklagten vereinbart worden. Daraus resultiert für die Klägerin – unter bestimmten Voraussetzungen – die Pflicht zur Weisungsbefolgung, Anzeige und Herausgabe. Die vertragliche Beziehung war also dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin mit dem Erwerb und dem Besitz der Grundstücke ein Geschäft des Beklagten i.S.d. §§ 662 ff. BGB besorgt hat. Daraus folgen für die Klägerin aber nicht nur Pflichten, sondern gemäß § 670 BGB auch Ansprüche, insbesondere das Recht, Ersatz von Aufwendungen zu verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass nach den Grundstücksübertragungsverträgen die Übertragung „ohne Gegenleistung“ zu erfolgen hat. Denn damit ist zunächst lediglich gemeint, dass die Übertragung kein Austauschverhältnis, etwa mit einer Pflicht zur Zahlung eines Kaufpreises, begründet; unmittelbar grundstücksbezogene Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin, die ihr aufgrund des fiduziarischen Charakters ihrer Eigentümerstellung gegenüber dem Beklagten zustehen, werden dadurch jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Gegen dieses Vertragsverständnis kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg anführen, eine entsprechende Vereinbarung hätte ausdrücklich nach § 313 BGB a. F. (nunmehr: § 311 b BGB) notariell beurkundet werden müssen. Der Beurkundungsbedürftigkeit von Grundstücksübertragungsverträgen steht eine ergänzende Vertragsauslegung und dabei die Berücksichtigung von Umständen außerhalb der Urkunde nicht entgegen, wenn sich der Wille der Parteien in der Urkunde zumindest andeutet (Palandt/Ellenberger, § 133 Rdn. 19 m.w.N. für die Rechtsprechung des BGH). Dies ist vorliegend der Fall, weil das vom Senat vertretene Auslegungsergebnis im Wesentlichen der Urkunde selbst zu entnehmen ist.

Damit ist ein großes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht festzustellen. Die zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Regelungen entsprechen vielmehr einem üblichen (Treuhand-)Auftragsverhältnis, in dem zwar der Treuhänder nach außen die Pflichten und Risiken eines Eigentümers trägt, im Innenverhältnis aber durch entsprechende Erstattungsansprüche abgesichert ist. Offenbleiben kann, ob dieses Vertragsverständnis einer steuerlichen Anerkennung entgegenstehen würde. Zunächst liegt eine formale Eigentümerstellung des einen Ehegatten, die über seine rechtlichen und wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Innenverhältnis zum anderen Ehegatten deutlich hinausgeht, in der Logik und Konsequenz des hier beim Abschluss der streitbefangenen Verträge von beiden Eheleuten gemeinsam angestrebten Steuersparmodells. Ob die fiduziarische Zuordnung der Grundstücke an den Beklagten die Grenzen der steuerrechtlichen Anerkennung (noch) einhält, ist für die Vertragsauslegung i. E. indes ohne Belang. Zwar ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien eines bestimmten Steuermodells ihre vertraglichen Regelungen so treffen wollten, dass der von ihnen angestrebte Steuerspareffekt auch eintreten kann. Vorliegend ist aber nicht zweifelhaft, dass die Parteien ein Treuhandverhältnis eingehen wollten und die Grundstücke wirtschaftlich dem Beklagten zugeordnet bleiben sollten; anders sind die weitreichenden Übertragungspflichten und die Verfügungsbeschränkungen nicht zu erklären. Hinzu kommt, dass dann, wenn man – im Hinblick auf eine andernfalls fehlende steuerliche Anerkennung – vertreten würde, die Grundstücke seien wirtschaftlich der Klägerin zuzuordnen und sie habe keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen, in der Tat eine Nichtigkeit der Grundstückskaufverträge wegen Verstoßes gegen § 138 BGB anzunehmen wäre. Dann ist aber im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien – unabhängig von der steuerlichen Anerkennung – den Vertrag vorrangig so schließen wollten, dass nicht einer von ihnen sittenwidrig übervorteilt wird.

(2) Auch der Umstand, dass es der Beklagte weitgehend selbst in der Hand hatte, etwa durch Stellung eines Scheidungsantrages, die Voraussetzungen für die Übertragung der Grundstücke herbeizuführen, vermag weder für sich noch in der Gesamtschau die Sittenwidrigkeit der in Rede stehenden Vereinbarungen zu begründen. Da auch dann der Beklagte der Klägerin ihre Aufwendungen bezogen auf die Grundstücke zu erstatten hatte, entstehen der Klägerin keine (ihrer Treuhänderstellung) unangemessenen Nachteile. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Verstoß gegen die Ehe– und Familienordnung oder die freie Selbstbestimmung der Klägerin nicht gegeben. Wegen ihres Anspruchs auf Aufwendungsersatz bestehen für sie insbesondere keine unangemessenen Hindernisse, die sie von der Stellung eines Scheidungsantrages abhalten könnten.

(3) Ob die uneingeschränkte und unwiderrufliche Vollmacht als sittenwidrig anzusehen ist, muss der Senat nicht abschließend entscheiden. Denn dies hätte gemäß § 139 BGB nur zur Folge, dass von der Nichtigkeit die Vollmachtserteilung erfasst wäre. Diese Nichtigkeit führt auch nicht in der Gesamtschau mit den weiteren Umständen dazu, dass die Grundstücksübertragungsverträge insgesamt als sittenwidrig anzusehen wären.

2. Auch die Geschäftsgrundlage für die vom Beklagten geltend gemachten Übertragungsansprüche ist nicht – jedenfalls nicht mit der Wirkung, dass die Klägerin nun die Grundstücke behalten könnte – entfallen.

a) Geschäftsgrundlage sind die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhoben worden sind, die beim Abschluss aber zu Tage getreten sind, oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei vom Vorhandensein und dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut (ständige Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 28.04.2005 – III ZR 351/04, NJW 2005, 2069, 2071).

b) Gemessen daran führt der Umstand, dass zwischen den Parteien mittlerweile ein Scheidungsverfahren anhängig ist, nicht dazu, dass die Geschäftsgrundlage der Grundstücksübertragungsverträge entfallen ist – im Gegenteil. Die Vereinbarungen regeln den Fall der Stellung eines Scheidungsantrages ausdrücklich. Sie sehen für diesen Fall vor, dass die Grundstücke an den Beklagten zu übertragen sind. Auch der Umstand, dass bei Insolvenz des Beklagten oder bereits mit dem Wegfall der ursprünglich vorgesehenen Mieterin der Grundstücke die steuerlich vorgestellten Effekte nicht mehr eintreten können, führt nicht dazu, dass die Grundstücke nunmehr wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei der Klägerin endgültig verbleiben würden.

aa) Es mag zwar sein, dass die Vorstellung, mit dem Geschäft Steuern sparen zu können, Geschäftsgrundlage der Grundstücksübertragungsverträge geworden ist. Der Wegfall würde jedoch nicht dazu führen, dass die Vereinbarungen insgesamt hinfällig wären und nunmehr die Grundstücke der Klägerin zustehen würden. Gemäß § 313 Abs. 3 BGB ist die vertragliche Regelung vielmehr zunächst den geänderten Umständen – ausgerichtet am mutmaßlichem Willen der Vertragsparteien und unter umfassender Abwägung ihrer Interessen (Unberath in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, Edition 23, Stand: 01.03.2012, § 313 Rdn. 88 ff. m.w.N.; BGH, Urteil vom 08.02.1984 – VIII ZR 254/82, NJW 1984, 1746 ,1747) anzupassen. Ist eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten bzw. hat er bei Dauerschuldverhältnissen das Recht zur Kündigung.

bb) Selbst wenn eine Anpassung des Vertrages dahingehend in Betracht käme, dass trotz Wegfalls der bisherigen Mieterin oder der Insolvenz des Beklagten weiter Steuern gespart werden könnten, wäre es wegen des dargestellten Charakters des Geschäfts als Treuhandabrede zwingend, dass die Übertragungsansprüche dem Beklagten auch dann erhalten bleiben müssten. Gelingt eine solche Anpassung nicht, dann stünde den Parteien zwar ein Kündigungsrecht zu. Dies führt aber nur dazu, dass die Treuhandabrede ex nunc beendet würde und dementsprechend ebenfalls die Übertragungsrechte (wie vereinbart) dem Beklagten erhalten blieben.

3. Auch eine auf § 314 BGB gestützte Kündigung würde damit nicht dazu führen, dass die Grundstücke bei der Klägerin verblieben, sondern nur dazu, dass – unabhängig von den vereinbarten Übertragungstatbeständen – der Anspruch des Beklagten auf Übertragung bereits mit der Kündigung fällig geworden wäre.

II.

Mit dem Landgericht ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin sich dem Beklagten gegenüber nicht mit Erfolg auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen kann. Das gilt selbst dann, wenn man annimmt, dass der Klägerin hinsichtlich ihrer Aufwendungsersatzansprüche (s. o.) ein Zurückbehaltungsrecht grundsätzlich zustände.

1. Erstattungsansprüche, die der Klägerin im Zusammenhang mit den Grundstücksgeschäften zustehen, hat die Klägerin – darauf hat bereits das Landgericht in seiner Entscheidung zu Recht hingewiesen – nämlich nicht schlüssig dargelegt. Hierzu genügt es nicht, lediglich den gezahlten Kaufpreis, die sonstigen Kosten und die Grunderwerbssteuer vorzutragen. Vielmehr wäre es bereits nach allgemeinen Grundsätzen auch erforderlich gewesen, diesen Ausgaben die erzielten Einnahmen, insbesondere die Mieteinnahmen gegenüberzustellen. Hinzu kommt, dass der Treuhänder gemäß § 666 BGB verpflichtet ist, auch umfassend über die erhaltenen Gelder Rechnung zu legen.

2. Die vor dem Oberlandesgericht München erstrittene Forderung über 907.245,93 EUR kann die Klägerin den Übertragungsansprüchen ebenfalls nicht im Wege eines Zurückbehaltungsrechts erfolgreich entgegenhalten.

a) Ein Recht, wegen dieser Forderung die Übertragung der Grundstücke zurückzubehalten, setzt gemäß § 273 BGB voraus, dass die Forderung auf dem selben rechtlichen Verhältnis wie die in Rede stehende Schuld beruht (sog. Konnexität). Darin liegt eine Einschränkung, die sich – wie die Norm insgesamt – aus dem Gebot von Treu und Glauben ergibt. Der Schuldner soll die Leistung nicht wegen eines beliebigen Gegenanspruchs zurückhalten dürfen, sondern nur dann, wenn die gegenseitigen Ansprüche dem innerlich zusammenhängenden einheitlichen Lebensverhältnis entspringen, wenn sie also in einem natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, so dass es gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden könnte (Krüger, in: Münchner Kommentar zum BGB, a.a.O., § 273 Rdn. 13 m.w.N.). Dabei spielt keine Rolle, aus welchem Rechtsgebiet die Ansprüche entstammen und ob sie sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben. Der erforderliche Zusammenhang der beiderseitigen Ansprüche ist auch gegeben, wenn es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, die beide aus der von den Parteien als Ehegatten eingegangenen Lebensgemeinschaft und der von ihnen betriebenen Lösung dieser Gemeinschaft entsprungen sind (BGH, Urteil vom 27.09.1984 – IX ZR 53/83, NJW 1985, 189, 190 m.w.N.).

b) Gemessen daran ist eine Konnexität der hier in Rede stehenden Ansprüche nicht gegeben.

Anders als vom Landgericht vertreten sind zwar nicht nur solche Ansprüche als konnex anzusehen, die der Klägerin in (unmittelbarem) Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Grundstücken entstanden sind. Es genügt umgekehrt aber auch nicht, dass die Ansprüche – wie die Klägerin meint – „unter dem Dach der Ehe“ begründet worden sind oder ohne Bestehen einer Ehe nicht begründet worden wären. Es genügt insbesondere nicht, dass die Ansprüche in einem gegenseitigen Vertrauen begründet worden sind, das seine Grundlage in der ehelichen Gemeinschaft hat. Vielmehr ist es erforderlich, dass die Ansprüche in der ehelichen Lebensgemeinschaft selbst begründet sind, also aus dieser Lebensgemeinschaft resultieren und mit ihr in einem unmittelbaren, untrennbaren Zusammenhang stehen.

Vorliegend wird man zwar noch die streitgegenständlichen Übertragungsansprüche als in der ehelichen Gemeinschaft begründet ansehen können. Denn Hintergrund ist das Steuersparmodell der Parteien als Ehegatten. Für die Ansprüche jedoch, welche von der Klägerin den Ansprüchen des Beklagten entgegengehalten werden, lässt sich dies auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht feststellen. Dem Vortrag ist – soweit die einzelnen Schulden (Bl. 19 der Klageschrift) überhaupt im Einzelnen näher beschrieben werden – letztlich nur zu entnehmen, dass die Klägerin geschäftliche Schulden ihres Ehemannes (nach einer Umschuldung dieser Verbindlichkeiten in einen gemeinsamen Darlehensvertrag) getilgt hat. Hierzu sei sie – bezogen auf die Verbindlichkeiten beim Bankhaus … KG – wegen eines auf einem Grundstück lastenden Grundpfandrechts gezwungen gewesen. Es mag sein, dass außerhalb einer Ehe die Schulden des Ehemanns durch die Klägerin nicht getilgt worden wären. Daraus folgt aber noch nicht, dass diese Schulden damit in der ehelichen Lebensgemeinschaft wurzeln. Ein für § 273 BGB hinreichender Zusammenhang zwischen den Schulden des Ehemanns und der ehelichen Gemeinschaft wird dadurch nicht begründet. Im Übrigen gebieten es auch die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht, der Klägerin vor der Übertragung der streitigen Grundstücke ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer – in anderem Zusammenhang entstandenen – Ansprüche zuzubilligen. Es entspricht dem Wesen eines Treuhandverhältnisses, in denen das Eigentum an treuhänderisch gehaltenen Vermögensgegenständen wirtschaftlich beim Treugeber verbleiben soll, dass bei Aufhebung des Treuhandverhältnisses diese Werte dann auch dem Treugeber – oder (wie hier) seinen Gläubigern – zeitnah wieder zur Verfügung stehen, jedenfalls soweit der Treuhänder keine offenen Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis selbst hat. Andere Ansprüche des Treuhänders rechtfertigen es vor diesem Hintergrund nicht, diesem ein umfassendes Zurückbehaltungsrecht zuzubilligen. Gegen den Ausfall dieser Forderung gibt ihm auch die Rechtsordnung hinreichende Möglichkeiten, sich anderweitig (auch an den treuhänderisch gehaltenen Vermögensgegenständen) abzusichern.

III.

Der Beklagte kann das Übertragungsrecht auch zulässig im Wege gewillkürter Prozessstandschaft für den (berechtigten) Sequester geltend machen. Insbesondere kann dem Beklagten ein eigenes Interesse an der Geltendmachung der Forderungen nicht abgesprochen werden, weil die Übertragung der Grundstücke an den Sequester der Tilgung seiner Schulden dienen wird.

IV.

Damit erweisen sich die von der Klägerin gestellten Anträge, auch die Hilfsanträge, insgesamt als unbegründet. Ob die weiteren in erster Instanz gestellten Hilfsanträge als unzulässig abzuweisen waren, kann im Berufungsverfahren dahinstehen, weil diese Anträge nicht mehr gestellt sind. Umgekehrt erweist sich der Übertragungsanspruch des Beklagten als begründet.

C.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert. Es ist durch die Rechtsprechung des Bundegerichtshofs auch als geklärt anzusehen, unter welchen Voraussetzungen ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann, insbesondere wann die hierfür herangezogenen Forderungen als konnex anzusehen sind.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beschränkt sich auf den Kostenausspruch; der Hauptsacheausspruch ist gemäß §§ 894, 895 ZPO vollstreckbar.

4. Der Streitwert wurde gemäß §§ 39, 40 GKG i.V.m. § 3 ZPO, § 45 GKG festgesetzt. Der Streitwert orientiert sich am Verkaufswert der in Rede stehenden Grundstücke. Weder die Hilfsanträge noch die Widerklage erhöhen den Streitwert, weil die geltend gemachten Ansprüche wirtschaftlich identisch sind. Durch das Zurückbehaltungsrecht wird der Streitwert nicht erhöht.

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