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Grundstückskaufvertrag – Schadensersatz bei Abbruch von Vertragsanbahnungsgesprächen

LG Schwerin – Az.: 3 O 30/21 – Urteil vom 18.02.2022

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Schwerin – Zivilkammer 3 – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2021 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.001,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit einer Teilklage Schadensersatz wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen über einen Grundstückskauf von der Beklagten.

Der Kläger war seit 1998 Mieter einer Gewerbefläche in Schwerin Görries, ………, auf der Grundlage eines Mietvertrages mit der Beklagten. Der Kläger betrieb auf der gemieteten Fläche bis zum 30.09.2020 eine Go-Kart-Bahn.

Die Parteien nahmen ab Anfang 2018 Gespräche auf über den Verkauf eines Teilgrundstücks, auf dem sich das Mietobjekt befand. Die Verkaufsgespräche führte für die Beklagte ……….

Dieser einigte sich mit dem Beklagten auf einen Kaufpreis von 150,000,00 Euro für den Erwerb des bisherigen Mietobjekts vom Kläger.

Im Mai 2018 ließ der Kläger sich ein Finanzierungsangebot über den verhandelten Betrag von 150.000,00 Euro von seiner Hausbank erstellen. Diese bestand auf einem Gutachten zur Werthaltigkeit des zu finanzierenden Verkaufsobjekts. Der Kläger wandte für die Einholung des Immobilien-Gutachtens 1.000,00 Euro, umsatzsteuerfrei, auf.

Im August 2018 informierte ……… den Kläger über die erfolgte Beauftragung eines Architekturbüros mit den notwendigen Vorarbeiten für die Trennung der Grundstücke. Die Beklagte ließ Abrissarbeiten durchführen, um die Überbauung zwischen den neuen Grundstücken zu beseitigen. Im September bestätigte ……… gegenüber dem Kläger auch per E-Mail, dass der vereinbarte Kaufpreis für die Kartbahnhalle 150.000,00 Euro betrage. ……… übersandte dem Kläger einen Entwurf des Grundstückskaufvertrages. Hinsichtlich der Einzelheiten des Entwurfs wird auf Anlage K 9 (Bl. 45 ff. d.A.) Bezug genommen.

In Vorbereitung der Teilung der Grundstücke und des Grundstückserwerbs beauftragte der Kläger die Firma ……… mit der Beräumung des Grundstücks. Für diese Leistungen zahlte der Kläger 4.046,00 Euro. Es fand eine Teilungsvermessung des Grundstücks statt und ein Grenzfeststellungstermin am 07.11.2019. In den Protokollen zur Grenzfeststellung wurde der Kläger als Grundstückserwerber geführt. Durch die Grenzvermessung stellte sich heraus, dass die vom Kläger bisher genutzte Zuwegung auf dem benachbarten Grundstück der ……… lag, die zur Einräumung eines künftigen Wegerechts für den Kläger nicht bereit waren.

Aufgrund der Grenzfeststellung kam die Beklagte mit dem Grundstücksnachbarn ins Gespräch, der bis dahin unbemerkt seinerseits Grundstücksteile der Beklagten genutzt hatte.

In einem Gespräch des Klägers mit ……… im Februar 2020 mit im Einzelnen streitigem Teilnehmerkreis und Gesprächsinhalt teilte ……… mit, dass es einen weiteren Interessenten gäbe, der Interesse am Erwerb des Gesamtgrundstücks habe.

Am 24.02.2020 unterzeichnete der Kläger eine Geheimhaltungsvereinbarung mit der Beklagten.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Erklärung wird auf Anlage K 11 (Bl. 22 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte verkaufte das Gesamtgrundstück an ihren Grundstücknachbarn. Mit E-Mail vom 11.03.2020 teilte ……… dem Kläger mit, dass das Grundstück an einen Dritten verkauft worden sei und die Übergabe der Liegenschaft vorbereitet werde. Mit Schreiben vom 23.03.2020 kündigte der Erwerber des Grundstücks den Mietvertrag mit dem Kläger. Dieser räumte die Kartbahn zum 15.10.2020.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe die Vertragsanbahnungsgespräche grundlos abgebrochen. Der Vertragsschluss sei bis zum Termin der Grenzfeststellung faktisch sicher gewesen. Die Beklagte habe ohne Vorankündigung an einen Dritten verkauft. Das Verhalten der Beklagten sei treuwidrig und habe die Existenz des Klägers zerstört, da das Betreiben der Kartbahn anderweitig in Schwerin nicht möglich sei. Der Kläger meint, er habe Anspruch auf Schadensersatz und begehrt insoweit im Wege der Teilklage den Ersatz der Gutachterkosten von 1.000,00 Euro, eines Teilbetrages von 2.000,00 Euro auf die aufgewendeten Beräumungskosten des Grundstücks, einen Teilbetrag von 1.000,00 Euro von den angefallenen Kosten für die Räumung des Grundstücks nach Verkauf und Beendigung des Mietvertrages und einen Ersatz für seinen Einkommensausfall von monatlich ca. 3.000,00 in Höhe eines Teilbetrages von 1.001,00 Euro.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.001,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Kläger nach der Grenzvermessung nicht mehr bereit gewesen sei, die abgesprochenen 150.000,00 Euro für den Grundstücksteil zu zahlen. Sie habe zudem durch ……… mitgeteilt, dass sie an einen anderen Interessenten verkaufen werde, sofern dieser einen höheren Preis biete oder das gesamte Grundstück kaufen wolle. Die Beklagte habe sich wegen der geänderten Gesamtumstände nach der Grenzvermessung für den Verkauf an einen Dritten entschieden.

Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört. Hinsichtlich des Anhörungsergebnisses wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 10.12.2021 (Bl. 120 ff.d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte nicht zu. Der Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1, 249 BGB.

Zwar haben die Parteien durch die Aufnahme konkreter Verhandlungen über den Verkauf eines Teilgrundstücks der Beklagten an den Kläger ein vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet. Die Beklagte hat jedoch keine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt.

Der Verkauf des Grundstücks an einen Dritten und die Beendigung der Verhandlungen mit dem Kläger sind nicht pflichtwidrig. Grundsätzlich ist die Beklagte in ihrer Entscheidung, mit wem sie den Vertrag abschließt, frei. Insoweit gilt bis zum Abschluss eines Vertrages für alle Beteiligten die Vertragsfreiheit. Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, auch wenn sie in einzelnen Punkten bereits konkret werden, begründet noch keine Bindung. Dies gilt in besonderem Maße für Verträge, die – wie hier der Grundstückskaufvertrag – formpflichtig sind.

Insbesondere die notarielle Beurkundung nach § 311b BGB dient bis zum Abschluss der Beurkundung vor dem Notar gerade der Warnung und dem Schutz der Vertragsschließenden vor übereilten Verpflichtungen oder unüberlegten Bedingungen (vgl. Palandt/Grüneberg, 79. Auflage, § 311b, Rdnr. 2) dadurch, dass sie bei der Beurkundung ihrer Willenserklärung, vor deren Abgabe, belehrt werden müssen. Bei formbedürftigen Verträgen besteht zur Vermeidung eines auch nur mittelbaren Abschlusszwangs ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis deshalb nur, wenn ein schwerer, in der Regel vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflichten zum redlichen Verhalten vorliegt (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 311 Rdnr. 31). Daran fehlt es.

Es muss über die Inanspruchnahme normalen Verhandlungsvertrauens hinaus zunächst Vertrauen im Sinne eines qualifizierten Vertrauenstatbestandes in Anspruch genommen worden sein. Dies ist nicht allein schon deshalb der Fall, weil die Beklagte hier wusste, dass der Kläger im Hinblick auf den künftigen Vertragsschluss Aufwendungen tätig, um die eigene Finanzierung zu klären (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 11/17 -, Rdnr. 14; Palandt/Grüneberg, a.a.O. Rdnr. 32). Ein besonderer Vertrauenstatbestand im Sinne eines Inaussichtstellens eines sicheren Vertragsschlusses liegt auch nicht in der Bestätigung, dass man sich auf 150.000,00 Euro geeinigt hat. Darin liegt allein die Wiederholung, dass man sich in Vertragsverhandlungen befindet.

Dasselbe gilt für den Beginn von Vorarbeiten der Beklagten, hier für die Teilung des Grundstücks, um den Teilverkauf an den Kläger zu ermöglichen. Auch darin liegt lediglich die Bestätigung, dass man sich in Vertragsverhandlungen befindet. Ebenso verhält es sich mit dem Umstand, dass der Kläger bei der Teilungsvermessung als künftiger Erwerber von der Beklagten benannt ist. Soweit das zu veräußernde Grundstück durch Vermessung überhaupt noch der Größe nach zu bestimmen und zu teilen war und die Frage des Wegerechts nach Absprache des Kaufpreises infolge der Vermessung klärungsbedürftig wurde, gab es zwischen den Parteien noch eine Reihe abstimmungsbedürftiger Fragen, weshalb der Kläger von einem sicheren Vertragsschluss nicht ausgehen konnte.

Ungeachtet dessen, ob die Beklagte überhaupt einen qualifizierten Vertrauenstatbestand durch die vorgenannten Umstände und zuletzt die Geheimhaltungserklärung des Klägers nach einem Gespräch im Februar 2020 geschaffen hat, hat sie jedenfalls nicht pflichtwidrig gehandelt. Pflichtwidrig ist, ausgehend vom Grundsatz der Vertragsfreiheit, allein der Abbruch der Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund. Dabei sind an den triftigen Grund keine zu hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O. Rdnr. 32.).

Die Möglichkeit des Verkaufs an einen Dritten, der bereit ist, das gesamte Grundstück zu erwerben, ist ein hinreichend sachlicher Grund, sich für diesen Käufer und gegen zwei andere Käufer zu entscheiden. Der Verkauf an den Kläger verlangt die Teilung des Grundstücks und die Regelung einer Zuwegung zum Teilgrundstück. Auch, wenn dies regelbar gewesen wäre, stellt es sich ohne Weiteres als der aufwendigere Weg zur Verwertung des Grundstücks dar. Die Entscheidung für den einheitlichen Verkauf des Gesamtgrundstücks lässt sich deshalb nicht als grundlos und treuwidrig bewerten.

Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger zudem noch nach Grenzfeststellung versucht haben sollte, einen anderen Kaufpreis zu verhandeln. Bereits das Vorhandensein eines dritten Interessenten, der das Gesamtgrundstück erwerben will, rechtfertigt die Entscheidung der Beklagten für diesen Interessenten und die Beendigung der Vertragsverhandlungen mit dem Kläger.

Einer Vernehmung der zum Gespräch im Februar 2020 angebotenen Zeugen des Klägers bedurfte es daher nicht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

II.

Der Streitwert wurde gemäß § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt.

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