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Grundstückskaufvertrag – Löschung einer Auflassungsvormerkung nach Rücktritt Unmöglichkeit

LG Bonn – Az.: 1 O 106/18 – Urteil vom 07.12.2018

Der Beklagte wird verurteilt, die Löschung der im Grundbuch von B, Blatt #### in Abteilung II, laufende Nr. 1, eingetragenen Vormerkung zu bewilligen.

Die außergerichtlichen Kosten der vormaligen Klägerin zu 2. trägt diese selbst. Die Kosten des Rechtsstreites im Übrigen werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit notariellem Kaufvertrag vom 18.01.2008 (UR-Nr. ##/#### des Notars Dr. X, P, Anlage K2 = Bl.## – ## d.A.) veräußerten die Klägerin zu 1. sowie Frau F D als jeweils hälftige Miteigentümerinnen die im Grundbuch von B, Blatt #### eingetragenen Grundstücke, Flurstücke ###, ### und ###, an den Beklagten und Herrn I. Dieser Vertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:

(3)  Kaufpreis

Der Kaufpreis beträgt 282.200,– EUR (…).

Der Kaufpreis ist zur Zahlung fällig (…) innerhalb von vier Wochen nach Zugang einer schriftlichen Mitteilung des Notars (…), dass (…)

d)  ihm der Käufer die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplanes und des Erschließungsvertrages nachgewiesen hat durch Vorlage einer Bestätigung der zuständigen Gemeinde,

e)  Rücktrittsrechte nach Ziffer (6) nicht mehr ausgeübt werden können (…).

(…)

(6)  Rücktrittsrecht des Verkäufers und des Käufers

Der Verkäufer und der Käufer behalten sich jeweils das Recht zum Rücktritt von diesem Vertrage vor, für den Fall, dass der Bebauungsplan und der Erschließungsvertrag für den Kaufgegenstand nicht bis zum 30.09.2008 rechtswirksam geworden sind.

Der Notar hat den Käufer auf die Rechtsfolgen von § 162 BGB hingewiesen.

(…) Das Rücktrittsrecht kann frühestens zum 30. Oktober 2008 ausgeübt werden und erlischt mit Ablauf des 30. November 2008.

Aufgrund dieses Kaufvertrages wurde für den Beklagten und Herrn I am 20.02.2008 in Abteilung II des Grundbuchs von B die streitgegenständliche Auflassungsvormerkung eingetragen (vgl. Grundbuchauszug Anlage K1 = Bl.# -## d.A.).

Mit notarieller Vereinbarung vom 20.11.2008 (UR-Nr. ####/#### des Notars Dr. X, P, Anlage K12 = Bl.## – ## d.A.) verlängerten die Vertragsparteien die Rücktrittsfrist für die Käufer bis zum 01.05.2009. Ein Rücktritt wurde bis zum Ablauf dieser Frist nicht erklärt. Ein Bebauungsplan nebst Erschließungsvertrag nach Ziffer (3) d) des Vertrages liegt bislang nicht vor.

Herr I verstarb am 18.12.2009 und wurde von seiner Ehefrau beerbt, die mit Erklärung vom 07.12.2017 die Löschung der im Grundbuch für ihren verstorbenen Ehemann eingetragenen Vormerkung bewilligt hat (Anlage K3 = Bl.## – ## d.A.). Auch Frau F D ist zwischenzeitlich verstorben. Dass diese von der vormaligen Klägerin zu 2. beerbt wurde, hat der Beklagten mit Nichtwissen bestritten.

Mit Schreiben vom 01.02.2011 teilte die Stadt M dem klägerischen Prozessbevollmächtigten auf Nachfrage mit, dass das Bebauungsplanverfahren derzeit ruhe und aufgrund dieser Tatsache die Voraussetzungen zum Abschluss eines Erschließungsvertrages noch nicht vorlägen (Anlage K4 = Bl.## d.A.). Inhaltsgleiche Mitteilungen der Stadt M erfolgten mit Schreiben vom 26.10.2016, 16.03.2017 und 01.09.2017 (Anlagen K5, K7 und K8 = Bl.##, ## und ## d.A.). Daraufhin wurde der Beklagte mit Schreiben vom 15.09.2017 und 27.12.2017 (Anlagen K9 und K10 = Bl.## – ## d.A.) dazu aufgefordert, die Löschung der im Grundbuch eingetragenen Vormerkung zu bewilligen.

Mit ihrer Klage vom 16.03.2018 haben die Klägerinnen vorsorglich gegenüber dem Beklagten den Rücktritt von dem Kaufvertrag vom 18.01.2008 erklärt.

Die vormalige Klägerin zu 2. hat ihre Klage mit Schriftsatz vom 28.09.2018 zurückgenommen. Die Klägerin führt den Rechtsstreit insoweit in Prozessstandschaft fort.

Die Klägerin behauptet, die Stadt M werde in absehbarer Zeit keinen die drei Grundstücke einbeziehenden Bebauungsplan entwickeln. Die als Stadtplanerin bei der Stadt M tätige Zeugin E habe ihrem Prozessbevollmächtigten am 25.06.2018 telefonisch mitgeteilt, dass zur Bebauung der Grundstücke kein Bebauungsplan erforderlich sei, da diese nach § 34 BauGB bebaubar seien.

Die Klägerin trägt ferner unwidersprochen vor, Herr I habe seinerzeit als Projektentwickler allein und ohne Beteiligung des Beklagten mit der Stadt M die Verhandlungen über den Entwurf des Bebauungsplanes Nr.15 geführt und zusammen mit der Stadtplanerin und Zeugin K Entwürfe für den Bebauungsplan entwickelt (vgl. ausschnittweise Anlage K11 = Bl.## d.A.). Sie behauptet, Herr I habe in Gesprächen mit ihr und bei anderen Gelegenheiten mehrmals eine Zeitspanne von maximal drei Jahren bis zur Erstellung des Bebauungsplanes und Abschluss des Erschließungsvertrages erwähnt. Auch die Käufer seien bei Abschluss des notariellen Vertrages vom 18.01.2008 davon ausgegangen, dass spätestens nach Ablauf von nicht einmal 9 Monaten die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises erfüllt sein würden.

Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht, dass ihr nicht zugemutet werden könne, nahezu 10 Jahre an einen Kaufvertrag gebunden zu bleiben, ohne dass die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises auch nur andeutungsweise feststünden.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung der im Grundbuch von B, Blatt #### in Abteilung II, laufende Nr. 1, eingetragenen Vormerkung zu bewilligen; hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung der zu Lasten ihres hälftigen Miteigentumsanteils an den in der Klageschrift bezeichneten Grundstücken eingetragenen Vormerkung zu bewilligen;

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet den Klägervortrag zu den Äußerungen der Zeugin E und der von Herrn I2 erwähnten Zeitspanne mit Nichtwissen. Er vertritt die Rechtsansicht, dass die vertraglichen Rücktrittsfristen abschließend seien und jedenfalls eine Vertragsbindungsfrist von bis zu 30 Jahren bei Grundstücksverträgen weder unangemessen sei noch gegen § 242 BGB verstoße.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bewilligung der Löschung der eingetragenen Vormerkung aus den §§ 894, 1011 BGB (vgl. zum Anspruchsinhalt: Palandt/Herrler, BGB, 77.Aufl. 2018, § 894 Rd.8 m.w.N.). Denn der durch die Vormerkung gesicherte schuldrechtliche Anspruch des Beklagten auf Verschaffung des Grundstückseigentums aus dem Kaufvertrag vom 18.01.2008 (§§ 883 Abs.1 Satz 1, 433 Abs.1 Satz 1 BGB) ist spätestens aufgrund des in der Klageschrift erklärten Vertragsrücktritts erloschen und das Grundbuch dadurch im Sinne von § 894 BGB unrichtig geworden (vgl. Palandt/Herrler, aaO., § 886 Rd.4 und § 894 Rd.2 jeweils m.w.N.).

Die als Miteigentümerin der Grundstücke durch diese Unrichtigkeit auch unmittelbar beeinträchtigte Klägerin (arg. §§ 903 S.1, 1008ff. BGB) kann diesen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuches aus eigenem Recht und im Übrigen gemäß § 1011 BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft für die übrigen Miteigentümer gerichtlich geltend machen (vgl. Palandt/Herrler, aaO., § 894 Rd.6 sowie § 1011 Rd.2 und Rd.4 m.w.N.) .

Der durch die Vormerkung gesicherte schuldrechtliche Anspruch des Beklagten ist durch die Rücktrittserklärung in der Klageschrift (§ 349 BGB) erloschen, das Kaufvertragsverhältnis durch den begründeten und rechtswirksamen Rücktritt in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden (arg. §§ 346ff. BGB).

Der Rücktrittsgrund für die Klägerin folgt aus § 326 Abs.5 BGB, da der Beklagte als Kaufpreisschuldner wegen der Unmöglichkeit der für die Fälligkeit des Kaufpreiszahlungsanspruches nach Ziffer (3) d) des notariellen Vertrages vom 18.01.2008 zu erbringenden Nachweise gemäß § 275 Abs.1 BGB von seiner Zahlungspflicht befreit geworden ist (vgl. BGH NJW 2008, 53, 55 Rd.23 – betreffend den Kauf eines Gebrauchtfahrzeuges mit Unfallschaden; Palandt/Grüneberg, aaO., § 326 Rd.18; vgl. aber aus den nachfolgenden Erwägungen auf § 323 BGB abstellend: Lorenz in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 47.Edit. 01.08.2018, § 275 Rd.41; MüKo/Ernst, BGB, 7.Aufl. 2016, § 275 Rd.146 bis 148).

Zwar ist der Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen wegen der denklogisch nicht gänzlich auszuschließenden Möglichkeit, dass ein rechtswirksamer Bebauungsplan nebst Erschließungsvertrag zu irgend einem Zeitpunkt einmal formuliert werden könnte, nicht naturgesetzlich, faktisch oder rechtlich unmöglich (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, aaO., § 275 Rd.13ff. mit weiteren Beispielen). Allerdings liegt hier ein – von dem Gesetzgeber bewusst nicht geregelter – Fall einer einstweiligen oder „vorübergehenden“ Unmöglichkeit vor, aufgrund derer der Klägerin als Gläubigerin des Kaufpreisanspruches ein Festhalten an diesem Vertrag bis zum Wegfall dieses Leistungs- beziehungsweise Fälligkeitshindernisses nicht zuzumuten ist (vgl. Lorenz in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, aaO., § 275 Rd.39ff.; Palandt/Grüneberg, aaO., § 275 Rd.11f.; MüKo/Ernst, aaO., § 275 Rd.135ff. jeweils m.w.N.). Dies folgt im vorliegenden Fall aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung der berechtigten Erwartungen der Parteien bei Abschluss der Kaufvertrages, der wirtschaftlichen Auswirkungen der bisherigen zeitlichen Verzögerungen, der völlig offenen Frage des Eintritts der Fälligkeitsvoraussetzungen und der damit verbunden Belastungen des (Mit-) Eigentums der Klägerin.

Zwar trifft die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Rücktrittsrechts einschließlich der zu einer Leistungsbefreiung des Beklagten führenden Umstände (MüKo/Ernst, aaO., § 326 Rd.130; H.Schmidt in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 48.Edit. 01.11.2018, § 326 Rd.37). Allerdings ergeben sich diese Voraussetzungen bereits aus dem unstreitigen Sachvorbringen der Parteien, wonach bislang keinerlei Umstände dafür ersichtlich sind, dass und zu welchem Zeitpunkt ein Bebauungsplan beschlossen werden wird. Der bisherige Zeitablauf sowie die im Tatbestand zitierten Stellungnahmen der Stadt M sprechen für das Gegenteil. Diese Umstände hindern die Klägerin nunmehr seit dem 20.02.2008 infolge der grundbuch- und sachenrechtlichen Wirkungen der Vormerkung (vgl. §§ 883 Abs.2, 891 Abs.1, 892 Abs.1 BGB) an einer uneingeschränkten Verwertung ihres (Mit-)Eigentums (arg. § 903 Satz 1 BGB), ohne dass ihr hierfür eine Kompensation gewährt wird. Auch die aus dem Vertrag vom 18.01.2008 ersichtliche Risikoverteilung rechtfertigt hier gemäß den §§ 133, 157, 242 BGB keine abweichende Beurteilung (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 11.03.1994 – V ZR 48/93 = WM 1994, 1221, 1222), da der in Ziffer (6) des Vertrages formulierte Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplanes nebst Erschließungsvertrag bis zum 30.09.2008 verdeutlicht, dass die Vertragsparteien einvernehmlich von einem derartigen zeitlichen Rahmen ausgegangen sind. Dieser zeitliche Rahmen begrenzt zugleich die vertraglich gewollte Dauer einer entschädigungslosen Beschränkung des (Mit-) Eigentums der Klägerin, vorbehaltlich einer zugunsten des Beklagten zuletzt unter dem 20.11.2008 noch einmal vereinbarten Verlängerung seines eigenen Rücktrittsrechtes.

Dieses der Klägerin nach alledem zustehende gesetzliche Rücktrittsrecht wird aus den vorstehenden Erwägungen auch durch das darüber hinaus vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht der Parteien, das an keinen besonderen Rücktrittsgrund geknüpft worden ist, nicht berührt (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 323 Rd.2 m.w.N.).

Die weiteren Rücktrittsvoraussetzungen von § 323 BGB, auf den § 326 Abs.5 BGB verweist, sind erfüllt.

Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 21.12.2016 (Anlage K6 = Bl.## d.A.) auf die vorstehend dargelegten Umstände hingewiesen. Der Beklagte bestreitet jede Verpflichtung zu seiner Mitwirkung an der Herbeiführung der Fälligkeitsvoraussetzungen nach Ziffer (3) d) des notariellen Vertrages, so dass eine (weitere) Fristsetzung insoweit entbehrlich ist (§ 323 Abs.2 Ziffer 1. BGB). Auch § 323 Abs.6 BGB greift erkennbar nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1, 269 Abs.3 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, der sich wegen § 894 ZPO lediglich auf den Kostentenor erstreckt (vgl. Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 15.Aufl. 2018, § 709 Rd.5; MüKo/Götz, ZPO, 5.Aufl. 2016, § 708 Rd.19), ergibt sich aus § 709 ZPO.

Streitwert:  15.000,00 EUR  (entsprechend den Angaben in der Klageschrift).

 

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