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Grundstückskaufvertrag – Lastenfreiheit des Kaufobjekts als Fälligkeitsvoraussetzung

Grundstückskauf: Streit um fehlende Lastenfreiheit führt zu Urteilsänderung

Der langersehnte Traum vom Eigenheim wird oft durch komplizierte rechtliche Hürden überschattet. Insbesondere bei Grundstückskaufverträgen sind die Pflichten und Rechte der Parteien sorgfältig abzuwägen. Eine zentrale Frage ist, wann das Objekt lastenfrei übergeben werden muss und welche Folgen Verzögerungen haben. Hier prallen nicht selten Käufer- und Verkäuferinteressen aufeinander.

Grundsätzlich ist zwischen der Herstellung der Fälligkeitsvoraussetzungen und der eigentlichen Fälligkeit der Leistung zu unterscheiden. Der genaue Vertragsinhalt ist stets maßgeblich. Eine sorgfältige Gestaltung der Vereinbarungen kann spätere Streitigkeiten vermeiden. Im folgenden Gerichtsurteil werden diese komplexen Zusammenhänge beleuchtet und die Rechtsfolgen einer verzögerten Lastenfreistellung erörtert.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-22 U 86/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Urteil des OLG Hamm: Die Klage gegen die Beklagte wurde abgewiesen, und das vorherige Urteil des Landgerichts Bielefeld geändert.
  2. Kosten des Rechtsstreits: Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits der ersten und zweiten Instanz tragen.
  3. Verzugsansprüche: Das Landgerichts urteilte zu Unrecht auf Verzug, da keine spezifische Fälligkeitsregelung für die Lastenfreistellung im Vertrag enthalten war.
  4. Wegerechtsproblematik: Das Wegerecht war noch eingetragen und verhinderte eine lastenfreie Übertragung des Grundstücks, was zentraler Streitpunkt war.
  5. Vertragliche Vereinbarungen: Der Vertrag sah vor, dass die Beklagte erst nach Kaufpreiszahlung das Grundstück lastenfrei übertragen musste.
  6. Verantwortung der Beklagten: Die Beklagte verpflichtete sich nicht zur zeitgerechten Herstellung der Lastenfreiheit, nur zum Endergebnis.
  7. Schadensersatzforderungen: Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzforderungen wurde vom Landgericht fehlerhaft berechnet.
  8. Mitverschulden des Klägers: Das Gericht wies darauf hin, dass dem Kläger ein überwiegendes Mitverschulden zukommt, was seine Ansprüche beeinträchtigte.
  9. Berufung erfolgreich: Die Berufung der Beklagten war erfolgreich, das Landgerichtsurteil wurde entsprechend geändert.

➜ Der Fall im Detail


Streit um Lastenfreiheit eines Grundstücks nach Kaufvertrag

Im Zentrum dieses Rechtsstreits steht der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aufgrund verzögerter Lastenfreiheit eines erworbenen Grundstücks. Der Kläger erwarb von der Beklagten, die das Grundstück von der Stadt S. gekauft hatte, eine Teilfläche für 246.240,00 EUR.

Grundstückskaufvertrag – Lastenfreiheit des Kaufobjekts als Fälligkeitsvoraussetzung
(Symbolfoto: William Potter /Shutterstock.com)

Ursprünglich waren die Flurstücke mit einem Wegerecht belastet, welches auch nach der Teilung im Grundbuch fortgeschrieben wurde. Trotz der Zusage, diese Lasten im Zuge des Verkaufs zu löschen, blieben sie bestehen, was den Kläger dazu veranlasste, Schadensersatz für daraus resultierende Mietausfälle und Baukostensteigerungen zu fordern.

Der rechtliche Kern des Streits

Die Problematik entwickelte sich aus der Nichterfüllung der Vertragsbedingung der Lastenfreiheit zum vereinbarten Zeitpunkt. Der Kläger lehnte es ab, die Wegerechte zu übernehmen und bestand auf einer Bereinigung, bevor er den Kaufvertrag vollständig abwickelte. Die darauffolgenden rechtlichen Auseinandersetzungen, inklusive einer Klage der Beklagten gegen den Wegerechtsinhaber und eine Berufung, mündeten in einem Vergleich, der die Löschung der Wegerechte gegen Zahlung regelte. Trotz der Einigung verzögerte sich die lastenfreie Übertragung, wodurch dem Kläger nach eigener Auffassung finanzielle Nachteile entstanden.

Entscheidung des Landgerichts und Berufung

Das Landgericht Bielefeld sprach dem Kläger zunächst Schadensersatz zu, basierend auf der Annahme, dass die Beklagte sich mit der Herstellung der Lastenfreiheit in Verzug befand. Diese Entscheidung stützte sich auf die Interpretation des Kaufvertrags, insbesondere auf die zugesicherte Gewährleistung der Lastenfreiheit. Der beklagte Partei wurde eine schuldhafte Handlung attestiert, da sie es versäumt hatte, die rechtlichen Lasten fristgerecht zu beseitigen.

Grund der Berufung und Urteilsänderung durch das OLG Hamm

Das Oberlandesgericht Hamm hob das Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage ab. Die Beklagte argumentierte erfolgreich, dass keine spezifische Fälligkeitsregelung für die Lastenfreistellung im Vertrag festgelegt war und somit eine Mahnung zur Begründung des Verzugs erforderlich gewesen wäre. Die vorliegenden Schreiben wurden nicht als Mahnungen anerkannt, da sie vor der vertraglich festgelegten Fälligkeit erfolgten. Zudem wurde der Beklagten eine Frist von mindestens sechs Monaten für die Sicherstellung der Lastenfreiheit zugestanden.

Die rechtliche Bewertung und Schlussfolgerungen

Die Entscheidung des OLG Hamm stellt klar, dass ohne eine eindeutige vertragliche Regelung zur Fälligkeit der Lastenfreiheit keine Verzugssituation angenommen werden kann. Dies unterstreicht die Bedeutung der genauen Vertragsgestaltung und der klaren Kommunikation der Rechte und Pflichten beider Parteien. Der Fall zeigt auf, dass die Annahme eines automatischen Verzugs bei nicht fristgerechter Erfüllung vertraglicher Pflichten ohne explizite Vereinbarung rechtlich nicht haltbar ist. Die Klageabweisung betont weiterhin die Notwendigkeit für Käufer, die vertraglichen Bedingungen genau zu prüfen und notfalls durch rechtzeitige Mahnung eine klarere Rechtsposition zu schaffen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter Lastenfreiheit bei Grundstücken?

Mit Lastenfreiheit bei Grundstücken ist gemeint, dass keine Rechte Dritter im Grundbuch eingetragen sind, die das Grundstück belasten. Solche Lasten können beispielsweise Grundschulden, Hypotheken, Wegerechte oder Nießbrauchrechte sein.

Für einen Käufer ist die Lastenfreiheit wichtig, da er das Grundstück unbelastet erwerben möchte. Andernfalls müsste er bestehende Rechte Dritter akzeptieren oder übernehmen. Dies kann den Wert und die freie Nutzbarkeit des Grundstücks erheblich beeinträchtigen.

Daher wird in den meisten Kaufverträgen vereinbart, dass der Verkäufer verpflichtet ist, das Grundstück lastenfrei zu übertragen. Bestehen noch Lasten, muss der Verkäufer diese vor der Eigentumsumschreibung beseitigen lassen. Dies geschieht in der Regel durch eine Löschung der Rechte im Grundbuch, wofür der Verkäufer die Zustimmung der Berechtigten einholen muss.

Werden Lasten nicht wie vereinbart gelöscht, kann der Käufer unter Umständen vom Kaufvertrag zurücktreten oder Schadenersatz verlangen. Ausnahmen bilden lediglich Lasten, die der Käufer ausdrücklich übernommen hat. Wegerechte oder Leitungsrechte werden häufig akzeptiert, da sie für die Nutzung des Grundstücks erforderlich sind.

Insgesamt dient die vertragliche Vereinbarung der Lastenfreiheit also dem Schutz des Käufers. Er soll das Grundstück im vereinbarten Zustand und frei von Rechten Dritter erwerben können.

Wie wird Verzug bei der Erfüllung von Vertragspflichten festgestellt?

Um festzustellen, ob Verzug bei der Erfüllung von Vertragspflichten vorliegt, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Fälligkeit der Leistung: Die geschuldete Leistung muss fällig sein, d.h. der Zeitpunkt für die Erfüllung muss eingetreten sein. Die Fälligkeit richtet sich in erster Linie nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien. Wurde nichts vereinbart, ist die Leistung sofort nach Vertragsschluss fällig.
  • Durchsetzbarkeit des Anspruchs: Der Anspruch auf die Leistung muss durchsetzbar sein. Das bedeutet, dass keine Einwendungen oder Einreden des Schuldners gegen die Forderung bestehen dürfen.
  • Mahnung: In den meisten Fällen ist vor Eintritt des Verzugs eine Mahnung erforderlich. Durch die Mahnung wird der Schuldner unter Fristsetzung zur Leistung aufgefordert. Erst wenn diese Frist fruchtlos verstrichen ist, gerät er in Verzug.

Ausnahmen von der Mahnungserfordernis bestehen, wenn:

  • Für die Leistung eine bestimmte Zeit nach dem Kalender vereinbart war (Fixschuld)
  • Nach der Erklärung des Schuldners die Leistung verweigert wird
  • Aus besonderen Gründen unter Abwägung der Interessen beider Teile eine Mahnung unzumutbar ist

Keine höhere Gewalt
Der Verzug darf nicht auf einem unabwendbaren Ereignis beruhen, das außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners liegt (höhere Gewalt).

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, befindet sich der Schuldner im Verzug. Der Gläubiger kann dann die gesetzlichen Verzugsrechte wie Rücktritt, Schadensersatz oder Verzugszinsen geltend machen.

Welche Rolle spielt die Fälligkeitsvereinbarung in einem Kaufvertrag?

Die Fälligkeitsvereinbarung spielt eine zentrale Rolle in Kaufverträgen. Sie regelt, wann die Leistungspflichten der Vertragsparteien fällig werden:

  • Fälligkeit der Kaufpreiszahlung: Üblicherweise wird im Kaufvertrag vereinbart, dass der Kaufpreis bei Übergabe der Kaufsache an den Käufer fällig wird. Es kann aber auch ein späterer Fälligkeitstermin festgelegt werden, z.B. 14 Tage nach Lieferung.
  • Fälligkeit der Lieferpflicht: Für die Lieferpflicht des Verkäufers sollte ebenfalls ein konkreter Termin oder eine Frist im Vertrag stehen. Fehlt eine solche Vereinbarung, ist die Lieferung sofort nach Vertragsschluss fällig.
  • Bedeutung für Verzug: Die Fälligkeitsvereinbarungen sind entscheidend für die Frage, wann Verzug eintritt. Leistet eine Partei nicht zu dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt, gerät sie nach Mahnung in Verzug. Dann kann die andere Partei Verzugszinsen und eventuell Schadensersatz verlangen.
  • Fixschuld: Haben die Parteien eine Leistungszeit „nach dem Kalender“ genau bestimmt, liegt eine sogenannte Fixschuld vor. Hier tritt Verzug bereits mit Fälligkeit ein, ohne dass es einer Mahnung bedarf.

Insgesamt dienen klare Fälligkeitsvereinbarungen also der Rechtssicherheit und der Durchsetzung von Ansprüchen bei Vertragsverletzungen. Sie sollten daher in Kaufverträgen möglichst präzise getroffen werden.

Was bedeutet es, wenn ein Grundstück mit einem Wegerecht belastet ist?

Wenn ein Grundstück mit einem Wegerecht belastet ist, bedeutet das Folgendes:

  • Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten: Das Wegerecht gewährt dem Eigentümer eines anderen Grundstücks (herrschendes Grundstück) das Recht, einen Teil des belasteten Grundstücks (dienendes Grundstück) als Zugang zu nutzen. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks muss diese Nutzung dulden und darf den Weg nicht bebauen oder anderweitig beeinträchtigen.
  • Wertminderung des Grundstücks: Ein mit einem Wegerecht belastetes Grundstück ist in der Regel weniger wert als ein unbelastetes Grundstück. Die Wertminderung hängt von der konkreten Ausgestaltung und Lage des Wegerechts ab. Je stärker die Einschränkung der Nutzbarkeit, desto höher fällt die Wertminderung aus.
  • Duldungspflicht gegenüber Dritten: Der Eigentümer des dienenden Grundstücks muss die Nutzung des Wegerechts durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks dulden. Dies kann als Belastung empfunden werden, da Dritte das eigene Grundstück regelmäßig betreten.
  • Dauerhafte Belastung: Das im Grundbuch eingetragene Wegerecht ist eine Grunddienstbarkeit und damit eine dauernde Belastung des Grundstücks. Es bleibt auch bei einem Verkauf bestehen, sofern es nicht gelöscht wird.

Insgesamt schränkt ein Wegerecht also die freie Verfügbarkeit über das belastete Grundstück ein und mindert dessen Wert. Käufer sollten dies bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 286 BGB (Verzug des Schuldners): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für den Schuldnerverzug. Im Kontext des Falls war die Frage, ob die Beklagte sich in Verzug befand, zentral, weil das Landgericht annahm, die Beklagte hätte die Lastenfreiheit nicht fristgerecht hergestellt. Die spezifischen Bedingungen des Verzugs, insbesondere die Notwendigkeit einer Mahnung, waren entscheidend.
  • § 271 BGB (Bestimmung der Leistungszeit): Hier wird die Leistungszeit bestimmt, die im Vertrag festgelegt werden kann. Die Fehlinterpretation dieser Regelungen führte im vorliegenden Fall zu einer falschen Annahme des Landgerichts bezüglich der Fälligkeit und somit des Verzugs.
  • § 437 Nr. 2 BGB (Rechte des Käufers bei Mängeln): In Verbindung mit § 446 BGB (Gefahrübergang beim Kauf) zeigt dieser Paragraph, dass der Kläger keine Ansprüche aus einer Minderung hatte, da das Eigentum lastenfrei übergegangen war, was für das Urteil relevant war.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser allgemeine Grundsatz des Zivilrechts wurde herangezogen, um zu bewerten, ob eine Verpflichtung zur Leistung bestand, obwohl keine explizite Verzugsfälligkeit vereinbart war. Er spielt eine Rolle in der Beurteilung der Vertragsdurchführung und der wechselseitigen Obliegenheiten.
  • § 446 BGB (Gefahrübergang): Dieser Paragraph regelt den Übergang der Gefahr auf den Käufer und war relevant, um zu bestimmen, dass der Kläger mangelfreies Eigentum erworben hatte und daher keine Minderungsansprüche geltend machen konnte.
  • § 323 BGB (Rücktritt wegen Nichterfüllung): Auch wenn im spezifischen Text nicht explizit erwähnt, ist dieser Paragraph wichtig, da er die Rechte des Käufers bei Nichterfüllung wesentlicher Vertragspflichten regelt, was im weiteren Verlauf des Falles eine Rolle spielen könnte, insbesondere bei fortgesetzten Nichterfüllungen.

Diese Paragraphen bilden das rechtliche Gerüst, das für die Beurteilung des Falles rund um die verzögerte Lastenfreiheit eines Grundstücks nach Kaufvertrag notwendig ist. Sie helfen, die rechtlichen Verpflichtungen und die Rechte der beteiligten Parteien zu verstehen.

OLG Hamm – Az.: I-22 U 86/23 – Urteil vom 07.03.2024

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.05.2023 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld (7 O 42/18) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz inklusive der Kosten der Streithelferin.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung i.H. von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H. von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit der Erfüllung eines Grundstückskaufvertrages.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 11.06.2013 erwarb die Beklagte von der Stadt S. (nachfolgend: Streithelferin) eine Teilfläche der Flurstücke N01 und N02 der Flur N08, Gemarkung S. in einer Größe von ca. 10.380 m2. Durch diese Teilveräußerungen entstanden die neuen Flurstücke N03 bis N04. Der Streithelferin verblieb das neu bezeichnete Flurstück N05 der Flur N08.

Beide ehemaligen Flurstücke N01 und N02 waren mit einem Wegerecht zugunsten benachbarter Flurstücke belastet. Zu den durch dieses Wegerecht Begünstigten zählte auch Herr P. als Eigentümer des Flurstücks N06, das unmittelbar im Westen an den räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans angrenzte. Nach Teilung der Ursprungsflurstücke wurde das Wegerecht auf sämtlichen neu gebildeten Flurstücken im Grundbuch fortgeschrieben.

Im Zuge der Umsetzung des zwischen der Streithelferin und der Beklagten bestehenden Erschließungsplans veräußerte die Beklagte am 12.11.2013 das hier streitgegenständliche Flurstück N07 der Flur N08 für 246.240,00 EUR an den Kläger. Die eingetragenen Belastungen sollten gelöscht werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag UR-NR. 384/2013 des Notars G. Bezug genommen, vgl. Bl. 36 ff. der erstinstanzlichen Akte (nachfolgend: d.A.).

Mit Schreiben vom 29.04.2014 teilte der Notar G. dem Kläger mit, dass die Belastungen in Abt. II des Grundbuchs (Wegerecht zugunsten des Herrn P.) immer noch eingetragen seien und forderte diesen auf, die Rechte zunächst zu übernehmen, um den Vertrag abwickeln zu können. Dies lehnte der Kläger ab. Nachdem sich die Löschung des Wegerechts zugunsten des Herrn P. weiter hinzog, erklärte sich die Beklagte bereit, die streitgegenständlichen Flurstücke mit dem immer noch bestehenden Wegerecht von der Streithelferin zu übernehmen. Die Streithelferin erhob für die Beklagte Klage gegen den Wegerechtsberechtigten Herrn P. vor dem LG Detmold. In erster Instanz unterlag die Streithelferin mit ihrer Klage auf Löschung des Wegerechts vor dem LG Detmold gegen den Berechtigten Herrn P. und legte Berufung ein.

Am 11.04.2016 schlossen die Streithelferin und Herr P. vor dem OLG Hamm (5 U 108/15) einen Vergleich und einigten sich auf die Löschung des Wegerechts gegen Zahlung eines Betrages von 10.000,00 EUR und Übernahme und Unterhaltung der bestehenden Zuwegung zum Flurstück N06 durch die Streithelferin. Die entsprechende Pfandfreigabe des Herrn P. erfolgte daraufhin am 28.06.2016, sodass der Notar G. den Kläger mit Schreiben vom 01.08.2016 darüber informierte, dass nunmehr eine lastenfreie Übertragung möglich sei.

Am 03.08.2016 zahlte der Kläger den Kaufpreis für das streitgegenständliche Grundstück an die Beklagte, woraufhin er im August 2016 ins Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurde. Nach einer zwischenzeitlich erfolgten Umplanung erhielt der Kläger am 28.11.2017 eine Baugenehmigung für ein 6-Parteien-Haus.

Der Kläger hat gemeint, durch die verzögerte Löschung des Wegerechts sei ihm ein erheblicher Schaden entstanden, in Form von Mietausfällen und Baukostensteigerungen. Diese Schäden, die er mit 188.168,48 EUR beziffert, müsse die Beklagte ersetzen.

Das Landgericht hat der Klage, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, vollumfänglich stattgegeben. Ein Anspruch auf Minderung bestehe nicht, da bei Gefahrübergang Lastenfreiheit hergestellt worden sei. Der Kläger habe aber gegen die Beklagte einen Anspruch aus Verzug. Mit Ablauf des 30.04.2014 habe sich die Beklagte in Verzug befunden. Denn diese habe gem. § 271 BGB zum 30.04.2014 die Lastenfreiheit herstellen müssen, was sich aus der Auslegung des notariellen Vertrages ergebe. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, da sie für die Lastenfreiheit in § 5 des notariellen Kaufvertrages Gewähr geleistet habe. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe der Kläger einen Schadensersatzanspruch von 188.168,48 EUR (126.918,40 EUR entgangene Mieten (8,50 EUR Miete/qm bei 533,27 qm vermietbarer Wohnfläche und einer Verzögerung von 28 Monaten) und im Übrigen wegen der Baukostensteigerung). Im Wege der Vorteilsausgleichung seien nur 212,51 EUR für die Abrechnungen der Firma H. und ein Zinsertrag i.H. von 885,78 EUR und von 676,89 EUR zu berücksichtigen. Diese anrechenbaren Beträge würden aber durch die Baukostensteigerung kompensiert. Der Kläger habe mit der Durchführung des Bauvorhabens, ohne sich dem Mitverschuldenseinwand auszusetzen, nicht vor der lastenfreien Übertragung anfangen müssen.

Wegen der weiteren tatbestandlichen Feststellungen und der Parteianträge sowie der rechtlichen Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Die Beklagte begehrt mit der Berufung die Klageabweisung. Das Landgericht habe fehlerhaft Verzug angenommen. Eine Fälligkeitsregelung für die Lastenfreistellung fehle im Vertrag. Mangels bestimmter Leistungszeit sei eine Mahnung zur Verzugsbegründung nicht entbehrlich gewesen. Die Schreiben vom 19.05.2014 und vom 11.06.2014 seien vor Fälligkeit erfolgt und damit keine Mahnungen. Der Beklagten habe mindestens eine Frist von 6 Monaten für die Sicherstellung der Lastenfreiheit nach dem 30.04.2014 zugestanden. Die Beklagte habe auch nicht schuldhaft gehandelt. Denn sie habe zwar eine Gewähr für das Ergebnis – Lastenfreiheit – aber nicht für den zeitlichen Ablauf übernommen. Zudem sei dem Kläger ein überwiegendes Mitverschulden anzulasten. Er hätte erkennen können, dass sich das Wegerecht auf den angelegten Weg konkretisiert habe. Sein Grundstück sei deswegen nur formal, aber nicht wirtschaftlich betroffen gewesen. Auch die Höhe des Schadensersatzanspruches sei fehlerhaft ermittelt. Das Landgericht habe einen zu langen Verzugszeitraum angenommen. Die Schadensberechnung des Landgerichts insbesondere in Bezug auf den Mietausfallschaden sei nicht zutreffend.

Die Streithelferin meint, das Landgericht habe zu Unrecht eine Fälligkeit und damit Verzug angenommen. Es sei gerade keine Zeitbestimmung auf dem 30.04.2014 festgelegt worden. Der Beklagten hätten in jedem Fall 3 Monate, wenn nicht sogar 6 Monate für die Herstellung der Lastenfreiheit zugestanden. Vorherige Mahnungen seien vor Fälligkeit ergangen und damit zur Herstellung des Verzugs ungeeignet. Den Kläger treffe ein gem. § 254 BGB überwiegendes Mitverschulden. Das Landgericht habe auch den Umfang der Verzögerung falsch ermittelt und im Übrigen den Schaden fehlerhaft berechnet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12.05.2023, 7 O 42/18 wird abgeändert und aufgehoben.

Die Streithelferin beantragt für die Beklagte, abändernd die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. Mit Ablauf des 30.04.2014, spätestens aber mit der ersten Mahnung sei Verzug eingetreten. Wie es sich auswirke, wenn es zu Verzögerungen beim Eintritt von Fälligkeitsvoraussetzungen komme, sei umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt. Der Verkäufer habe schon nach Treu und Glauben an der Erreichung des Vertragszwecks und des Leistungserfolgs mitzuwirken, wenn dies erforderlich und ihm zumutbar sei. Die Beklagte habe alles tun müssen, um die Lastenfreiheit zumindest nach dem 30.04.2014 herbeizuführen. Dieser Verpflichtung habe die Beklagte nicht genügt. Die Einwände der Beklagten und der Streithelferin gegen die Höhe der titulierten Forderung – insbesondere im Hinblick auf den Mietausfallschaden – seien nicht begründet.

Der Senat hat mit der Terminsverfügung umfassend Hinweise erteilt, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, vgl. Bl. 141 f. der zweitinstanzlichen Akten (nachfolgend: GA).

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz i.H. von 188.168,48 EUR nebst Zinsen und Zahlung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten i.H. von 3.137,91 EUR.

Soweit die Beklagte abändernd die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt, ist dies unter Zugrundelegung der Berufungsbegründung dahin zu verstehen, dass abändernd die Abweisung der Klage begehrt wird.

1.

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger – entgegen seiner erstinstanzlichen Auffassung – keinen Anspruch aus Minderung gem. § 437 Nr. 2 BGB hat. Denn bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) war das Wegerecht gelöscht. Er hat mangelfreies Eigentum erworben. Dagegen erinnert der Kläger nichts.

2.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien.

a.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte wegen eines Verzuges mit einer Hauptleistungspflicht, §§ 286, 280 BGB.

aa.

Soweit das Landgericht angenommen hat, der Kläger habe ab dem 30.04.2014 einen durchsetzbaren und fälligen Anspruch gegen die Beklagte auf lastenfreie Übertragung des streitgegenständlichen Grundstücks, ist dies unzutreffend. Richtig ist nur, dass die Beklagte die Gewähr für die lastenfreie Eigentumsübertragung übernommen hat. Dies führt aber nicht zu einem Anspruch des Klägers auf lastenfreie Übertragung nach Ablauf des 30.04.2014. Denn die Vertragskonstruktion des abgeschlossenen Vertrages ist durch eine Vorleistungspflicht des Klägers gekennzeichnet. Erst nach Zahlung des Kaufpreises hatte die Beklagte das lastenfreie Eigentum zu übertragen, vgl. §§ 7, 8 des notariellen Vertrages, und durfte dementsprechend der Notar eine Umschreibung veranlassen.

Die Annahme des Landgerichts würde zu einer – mit dem Vertragszweck nicht in Übereinstimmung zu bringenden – ungesicherten Vorleistungspflicht der Beklagten führen. Die Beklagte hätte keinerlei dingliche Sicherheit für die Kaufpreiszahlung, wäre aber zur uneingeschränkten Eigentumsübertragung verpflichtet. Die Beurkundung solch ungesicherter Vorleistungspflichten widerspricht offensichtlich den berechtigten Interessen des Verkäufers eines Grundstücks und wird dementsprechend für gewöhnlich – auch vor dem Hintergrund der notariellen Aufklärungs- und Beratungspflichten – nicht vereinbart. Der Kläger behauptet nicht, dass die Vertragsparteien ein von den diesbezüglich eindeutigen Anordnungen des Vertrages abweichenden Willen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hatten.

bb.

Einem Verzug der Beklagten mit ihrer Hauptleistungspflicht steht entgegen, dass diese noch nicht fällig war.

Voraussetzung für einen Verzug der Beklagten ist, dass ihre Leistung fällig war. Eine Vertragsverletzung des Schuldners löst nicht die Fälligkeit einer Forderung aus (BGH, Urteil vom 28. September 2007 – V ZR 139/06 -, juris Rn. 11 m.w.N). Mangels Sicherstellung der Löschung eingetragener Lasten war die Vorleistungspflicht des Klägers bis zur Löschung des Wegerechts nicht fällig. Erst recht war dann die nachgelagerte Pflicht der Beklagten zur lastenfreien Übereignung ebenfalls noch nicht fällig.

cc.

Die Vorleistungspflicht des Klägers ist auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entfallen mit der Folge, dass seine Forderung auf lastenfreie Übertragung des Eigentums ohne Zahlung des Kaufpreises fällig geworden ist.

Zwar kommt in Betracht, dass sich ausnahmsweise der Schuldner auf die vertragliche Vorleistungspflicht des Gläubigers nicht berufen kann, wenn er seinerseits ernsthaft und endgültig abstreitet, zur Leistung verpflichtet zu sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.5.1968 – VII ZR 40/66 – NJW1968, 1873; MükoBGB/Emmerich, 9. Aufl., § 320 BGB Rn. 32).

Indessen hat die Beklagte zu keiner Zeit gegenüber dem Kläger in Abrede gestellt, dass sie verpflichtet ist, für eine Löschung des Wegerechts Sorge zu tragen. Sie ist in Anerkennung dieser Verpflichtung gegenüber der Streithelferin vorstellig geworden, was dazu führte, dass diese unter Inanspruchnahme der Gerichte die Löschung des Rechts durchsetzte.

dd.

Die den Fall der Vorleistungspflicht erfassende Unsicherheitseinrede gem. § 321 BGB (vgl. hierzu weiter unten) führt nicht dazu, dass der Vorleistungspflichtige einen Anspruch auf Gegenleistung oder auf Sicherheitsleistung Zug-um-Zug gegen die Bewirkung der eigenen Leistung erhält, vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2009 – V ZR 217/08 -, juris Rn. 20 ff.; Staudinger-Schwarze (2020), § 321, Rn. 70. Der Reformgesetzgeber hat eine unter Geltung des alten Rechts stark vertretene Ansicht nicht aufgegriffen (BT-Drucks 14/6040, 179), wonach die Erhebung der Einrede zur Umgestaltung der Vertragspflichten in eine Zug-um-Zug-Leistung i.S. der §§ 320, 322 BGB führen sollte, wenn die Gegenpartei nicht einmal Sicherheit leistet.

Im Übrigen würde eine solche Verpflichtung im Gegenseitigkeitsverhältnis nach §§ 320, 322 BGB mangels Durchsetzbarkeit der Forderung nicht zu einem Verzugsschadenersatz führen, es sei denn, die Voraussetzungen des Annahmeverzugs gem. § 293 ff. BGB lägen vor (vgl. hierzu etwa MükoBGB/Ernst § 286 BGB Rn. 33 mwN).

b.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gem. §§ 286, 280 BGB aus Verzug mit einer Nebenleistungspflicht der Beklagten oder unter dem Gesichtspunkt einer Nebenpflichtverletzung der Beklagten gem. § 280 Abs. 1 BGB.

aa.

Eine den Verzug begründende Nebenleistungspflicht der Beklagten, die Lastenfreiheit des streitgegenständlichen Grundstücks herbeizuführen, besteht nicht.

(1)

Es traf die Beklagte zwar seit dem Abschluss des Vertrages eine sog. vertragliche Leistungstreuepflicht, aus der die generelle Verpflichtung folgte, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 5.4.2016 – XI ZR 440/15 – NJW 2016, 2409 Rn. 16; BGH, Urteil vom 07. Juni 2005 – XI ZR 311/04 – NJW 2005, 2779). Die Beklagte war grundsätzlich verpflichtet, alles zu tun, um eine möglichst zeitnahe Lastenfreistellung des Grundstücks zu gewährleisten (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. Juli 2016 – I-21 U 126/15 -, juris Rn. 66).

Aus dieser Leistungstreuepflicht kann unter Berücksichtigung der Wertung des § 321 BGB aber jedenfalls nicht ein Ersatzanspruch auf das positive Interesse i.V. mit den Verzugsregeln abgeleitet werden (vgl. zur Anwendung von Verzugsregeln auf eine Nebenpflichtverletzung: beckOGK-Dornis, § 286 Rn. 37).

Die vom Verkäufer grundsätzlich geschuldete Beibringung der Lastenfreistellungsunterlagen ist nur ein Teilschritt seiner insgesamt zu erbringenden Leistungsverpflichtung in Form der rechtsmangelfreien Übereignung des Grundstücks (vgl. hierzu DNotZ 2017, 608 Anm. Kesseler zur Entscheidung des OLG Düsseldorf Urteil vom 05. Juli 2016 – I-21 U 126/15). Dies bedeutet, dass diese Pflicht erst dann als einklagbare Hauptpflicht entsteht, wenn der vorleistungspflichtige Käufer den Kaufpreis bezahlt hat, was der Anwendung von Verzugsvorschriften entgegensteht. Aus dem notariellen Kaufvertrag kann auch keine Frist entnommen werden, innerhalb derer die Fälligkeit durch die Beklagte herbeigeführt werden musste. Aus diesem ergibt sich nur, dass Fälligkeit nicht vor dem 30.04.2014 eintreten konnte. Den Parteien war nach der Vertragsgestaltung mithin klar, dass erst nach dem 30.04.2014 die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung durch den Kläger – mit der Folge der Fälligkeit der Gegenleistungspflicht der Beklagten – gegeben sein konnten.

Aus dem Vertragsinhalt lässt sich überdies nicht der übereinstimmende Wille der Parteien ableiten, die bei der Übereignung geschuldete Lastenfreiheit des Grundstücks über die Hauptleistungspflichten hinaus zusätzlich als einklagbare Nebenleistungspflicht auszugestalten. Hierfür sprechen weder der Wortlaut noch die für den Kläger erkennbare berechtigte Interessenlage des Beklagten.

Bereits die Ausführungen unter § 1 des notariellen Vertrages (Bl. 38 d.A.) machen deutlich, dass eine Unsicherheit bezüglich der Herbeiführung der Lastenfreiheit bestand, weil dies von dem Vertrag abhing, den die Beklagte danach mit der Streithelferin abzuschließen beabsichtigte. Dementsprechend ist unter § 4 des notariellen Vertrages nur die Erklärung aufgenommen worden, dass die Grundstücke „voraussichtlich“ zum 30.04.2014 bebaubar sein werden. Diese Formulierung macht deutlich, dass die Beklagte diesbezüglich über die sonstige vertragliche Ausgestaltung hinaus keine weiteren Bindungen eingehen wollte. Vor dem Hintergrund der unter § 1 dargelegten vertraglichen Ausgangslage entsprach dies ihrer Interessenlage, die der Kläger ohne weiteres erkennen konnte. Hätte er weitergehende Bindungen erreichen wollen, hätte es ihm freigestanden, auf eine entsprechende Vertragsausgestaltung hinzuwirken.

(2)

Die gegenständliche Konstellation wird durch die Unsicherheitseinrede des § 321 BGB angemessen und ausgewogen geregelt. Es besteht weder ein Anlass noch ein Bedürfnis, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder durch eine extensive Ausdehnung der Anwendbarkeit und Reichweite von Nebenpflichten Verzugsschäden zuzuerkennen.

Die Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs braucht, anders als in der früher geltenden Fassung des § 321 BGB, nicht auf einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Vorleistungsberechtigten zu beruhen. Auch sonstige drohende Leistungshindernisse begründen die Einrede, wenn sie geeignet sind, die Erbringung der Gegenleistung zu verhindern oder vertragswidrig zu verzögern, oder wenn eine vertragswidrige Beschaffenheit der Gegenleistung von einigem Gewicht zu erwarten ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 179). Zur Leistungsfähigkeit gehört die Fähigkeit, die (Gegen-)Leistung so zu erbringen, dass es nicht zur Verletzung von Rücksichtnahmepflichten kommt, die die Annahme der Gegenleistung für den Vorleistungspflichtigen unzumutbar macht, vgl. Staudinger-Schwarze (2020) BGB § 321 Rn. 43; beckOGKBGB-Rüfner, § 321 Rn. 15. Die Gefährdung der Gegenleistung muss im Gegensatz zu der bisherigen Regelung in § 321 BGB nicht nach Vertragsschluss entstanden sein; es genügt, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt erkennbar geworden ist (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2009 – V ZR 217/08 -, juris Rn. 15).

Gerade eine vertragliche Konstruktion wie die vorliegende, bei der die vom Verkäufer grundsätzlich geschuldete Beibringung der Lastenfreistellungsunterlagen im Ergebnis nur ein Teilschritt seiner insgesamt zu erbringenden Leistungsverpflichtung in Form der rechtsmangelfreien Übereignung des Grundstücks ist, rechtfertigt die Anwendung des § 321 BGB.

§ 321 BGB betrifft dabei zwar im unmittelbaren Anwendungsbereich den Fall, dass der Vorleistungspflichtige zu der Leistung schon verpflichtet ist. Vorliegend war der Kläger – mangels Fälligkeit durch Nachweis der Sicherstellung der Löschung der nicht übernommenen Lasten (vgl. § 7 d des notariellen Vertrages) – noch nicht einer fälligen Forderung ausgesetzt.

Die Beklagte ist aber ihrer Verpflichtung zur Herbeiführung der Fälligkeit nicht vollständig nachgekommen (vgl. o.). Eine entsprechende Anwendung des § 321 BGB ist geboten. Denn diese Vorschrift ordnet an, welche Rechte dem vorleistungsverpflichteten Schuldner zustehen, wenn erkennbar ist, dass der Vorleistungsberechtigte die seinerseits ihm obliegenden Vertragspflichten nicht erfüllen kann. Hierfür macht es keinen Unterschied, ob die Vorleistungspflicht schon fällig ist oder nicht; der Schuldner hat in jedem Fall das anerkennenswerte Interesse, nach Maßgabe § 321 Abs. 2 BGB gegen den Vertragspartner vorzugehen, wenn dieser nicht in der Lage ist, seinen Vertragspflichten vollständig nachzukommen.

Der Kläger war – wie vorangehend dargelegt – vorleistungspflichtig.

Er hätte gem. § 321 Abs. 2 BGB vorgehen und eine angemessene Frist bestimmen können, in welcher die Beklagte die Lastenfreiheit sicherstellen musste oder Sicherheit zu leisten hatte. Die Schreiben vom 19.05.2014 (Bl. 50 d.A.) und 22.05.2014 (Bl. 53 d.A.) setzen zwar jeweils Fristen bis zum 31.05.2014. Der Kläger hat aber nicht Zug-um Zug gegen die Leistung nach Wahl der Beklagten die Gegenleistung gefordert oder zur Sicherheitsleistung aufgefordert. Zudem sind die jeweiligen Fristen bis zum 31.05.2014 deutlich zu kurz. Insoweit ist zu beachten, dass zwar die Beklagte schon bei Vertragsschluss verpflichtet war, sich um die Lastenfreiheit zu kümmern. Nach der Vertragsgestaltung konnte vor dem 30.04.2014 aber kein Verzug eintreten. Für die Umsetzung der Lastenfreiheit hätte mindestens eine weitere angemessene Frist gesetzt werden müssen. Bei der Bemessung dieser Frist ist zu berücksichtigen, dass nach der Vertragskonstruktion es für die Beteiligten klar war, dass eine Fälligkeit zum 30.04.2014 nicht gesichert war. Der Kläger hätte nach Ablauf einer angemessenen Frist zurücktreten können, was er aber nicht gemacht hat. Wenn er an dem Vertrag festhält, ist ihm wegen der Regelungen gem. § 321 BGB verwehrt, Verzugsschäden in Form von Mietausfällen und Baukostensteigerungen geltend zu machen.

(3)

Da für den vorliegenden Fall eine ausgewogene gesetzliche Regelung in Form des § 321 BGB existiert, können keine weitergehenden Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung von Nebenpflichten zugesprochen werden. Der Gesetzgeber hat durch die §§ 320 ff. BGB Normen geschaffen, welche die unterschiedlich ausgestalteten Rechtsverhältnisse der Vertragsparteien im Gegenseitigkeitsverhältnis behandeln. Die hiermit verbundenen gesetzgeberischen Anordnungen dürfen nicht durch die Zubilligung von weitgehenden Schadenersatzansprüchen wegen der Verletzung von Nebenpflichten konterkariert werden. Ausgenommen sind hiervon im Rahmen der Privatautonomie spezielle Vertragsausgestaltungen, die zur Begründung von Nebenleistungspflichten führen können. Derartige Abreden haben die Parteien – wie vorangehend dargelegt – indessen nicht getroffen.

Ob dem Kläger bei dieser Sachlage Schadensersatzansprüche zustehen, die nicht die geltend gemachten Verzögerungsschäden betreffen, kann offen bleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob und in welcher Form dem Kläger im Falle eines Rücktritts Schadensersatzansprüche zugestanden hätten.

3.

Mangels Hauptforderung steht dem Kläger ein Anspruch auf Zinsen und Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte ebenfalls nicht zu.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.

Die Revision wird nicht zugelassen. Der Senat wendet die Rechtsprechung des BGH auf den vorliegenden Fall an.

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