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Grundstückskaufvertrag – Gewährleistungsausschluss

LG Kassel – Az.: 9 O 1174/17 – Urteil vom 21.12.2017

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 2275,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2017 zu zahlen.

Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger von allen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die sich aus dem Rechtsstreit mit Herrn „……“ vor dem Amtsgericht Kassel, 415 C 3390/13, entstehen, freizustellen, auch für eventuelle Folgeinstanzen in derselben Rechtssache.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger alle Zahlungen und weiteren finanziellen Schäden zu ersetzen haben, die sich aus dem Überbau zum Nachbargrundstück im Rahmen des zwischen den Parteien am 11.02.2011 geschlossenen Grundstückskaufvertrags ergeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche nach einem Grundstückskaufvertrag geltend.

Mit notariellem Vertrag vom 11.02.2011 kaufte der Kläger von den Beklagten die Grundstücke Grundbuch von „……“ Blatt „……“ – Flur „……“ Flurstück „……““……“, Gebäude- und Freifläche, Größe 133 qm – sowie Grundbuch von „……“ Blatt „……“ – Flur „……“ Flurstück „……“ , Gebäude- und Freifläche, Größe 124 qm – zum Kaufpreis 173.000,- Euro, wobei im Kaufpreis enthalten war diverses Mobiliar und diverse Einrichtungsgegenstände und diese mit einem Kaufpreisanteil von 3000,- Euro bemessen waren.

Unter V. des Kaufvertrages heißt es:

„V. Weitere Vereinbarungen

– Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeder Gewährleistung, soweit das Gesetz einen solchen Ausschluss zulässt. Der Verkäufer haftet daher nicht für Güte, Lage, Eigenschaft und Beschaffenheit des Kaufobjektes. Der Inhalt dieser Vereinbarungen und ihre rechtliche Tragweite wurden eingehend erörtert.

– Der Verkäufer leistet dafür Gewähr, dass der Vertragsgegenstand auf den Käufer übertragen wird frei von im Grundbuch in Abteilung II und III eingetragenen Belastungen und Beschränkungen sowie frei von Rechten und Ansprüchen Dritter, deren Bestehen in diesem Vertrag nicht erwähnt ist. …

– …“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Vertrag (Bl. 92 ff. d.A.) Bezug genommen.

Im Nachgang stellte sich heraus, dass der Eigentümer des benachbarten Grundstücks, „……“ – „……“ – einen Teil des verkauften Grundstücks für sich beansprucht.

In dem Rechtsstreit 416 C 3390/13 AG Kassel zwischen Herrn „……“ – dem Nachbarn des Grundstücks – als Kläger, dem hiesigen Kläger als Beklagten und den hiesigen Beklagten als Streitverkündeten ging es um die Frage des Grenzverlaufs zwischen den Grundstücken „……“ und „……“ . Der dort gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. „……“ führte in seinem Gutachten vom 23.06.2016 aus, dass der zwischen den Grundstücken „……“ und „……“ verlaufende Zaun nicht die tatsächliche Grundstücksgrenze darstelle; die im beiliegenden Liegenschaftsplan zum Gutachten eingezeichnete Grenze stelle den tatsächlichen und rechtlichen Grenzverlauf dar (Band II Bl. 230 der AG-Akte).

Folge ist, dass am Grundstück des hiesigen Klägers eine Fläche in einer Größe von 35 Quadratmetern fehlt. Auch hat der Kläger über diesen nun entfallenden Grundstücksstreifen keinen Zugang mehr zu seinem Kellerraum.

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten ihn arglistig getäuscht. Der Beklagte „……“ habe bereits im Zeitpunkt des Kaufvertrages den Überbau gekannt und gewusst, dass ein Grundstücksstreifen der Freifläche zum Nachbargrundstück gehöre. Wiederholt habe der Beklagte das Thema Überbau mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, „……“ , erörtert und dann verabredet, das Thema ruhen zu lassen, bis „……“ die Renovierungsarbeiten an seinem Gebäude „……“ beendet habe.

Der Kläger ist der Ansicht, hierüber habe er aufgeklärt werden müssen. Auch ist er der Ansicht, wegen Arglist habe die Haftung nicht wirksam ausgeschlossen werden können. Schließlich ist der Kläger ist der Ansicht, wegen Einschränkungen der Nutzbarkeit ebenso wie Zahlungsansprüchen wegen Überbaus handele es sich um einen Rechtsmangel, so dass Haftung aus Vertrag – wegen des Passus „frei von Rechten und Ansprüchen Dritter“ – bestehe.

Der Kläger begehrt Ersatz von 35 Quadratmeter à 65,- Euro (Bodenrichtwert) (Antrag 1); Ersatz aller Kosten aus dem amtsgerichtlichen Rechtsstreit (Antrag 2); Feststellung wegen noch nicht abschließend feststellbaren Schadens bezüglich Nutzungsentfalls für den Kellerraum (Antrag 3); sowie Feststellung wegen Schäden aus dem Überbau (Antrag 4) und beantragt deshalb,

– die Beklagten zu verurteilen, an ihn 2275,- Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2011;

– die Beklagten zu verurteilen, ihn – den Kläger – von allen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die ihm aus dem Rechtsstreit mit Herrn „……“ vor dem Amtsgericht Kassel, 416 C 3390/13, entstehen, freizustellen, auch für eventuelle Folgeinstanzen in derselben Rechtssache;

– festzustellen, dass die Beklagten ihm – dem Kläger – alle Schäden daraus zu ersetzen haben, dass dieser zur Nutzung seines Kellerraums im Objekt, ober der die Parteien am 11.02.2011 einen Grundstückskaufvertrag schlossen, diesen deshalb nicht mehr betreten kann, weil der einzige Zugang zum Nachbargrundstück gehört;

– festzustellen, dass die Beklagten ihm – dem Kläger – alle Zahlungen und weiteren finanziellen Schäden zu ersetzen haben, die sich aus dem verschwiegenen Überbau zum Nachbargrundstück im Rahmen des zwischen den Parteien am 11.02.2011 geschlossenen Grundstückskaufvertrags ergeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie berufen sich auf den Gewährleistungsausschluss in V.1. des Vertrages.

Weiter bestreiten sie arglistiges Verhalten und behaupten, sie hätten vor dem Grundstückskaufvertrag keine Zweifel daran gehabt, dass ihr Eigentum so bestehe wie im Grundbuch verzeichnet. Auch hätten sie nicht mit dem Nachbarn „……“ über die Frage der Überbauung gesprochen. „……“ habe nie die Auffassung vertreten, dass sie – die Beklagten – einen Teil seines Grundstücks innehätten. „……“ habe selbst erst nach Veräußerung des Grundstücks durch die Beklagten an den Kläger Kenntnis von der Überbauung erhalten.

Vorsorglich bestreiten die Beklagten, dass dem Kläger ein Schaden wegen Entfalls eines Kellerraums entstanden sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet.

I.

Dem Kläger stehen die Ansprüche gegen die Beklagten wie tenoriert zu.

Der Anspruch folgt aus Ziffer V.2. des Vertrages.a) Ziffer V. des zwischen dem Kläger als Käufer und den Beklagten als Verkäufern geschlossenen Grundstückskaufvertrags scheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Einerseits heißt es:“1. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeder Gewährleistung, soweit das Gesetz einen solchen Ausschluss zulässt. Der Verkäufer haftet daher nicht für Güte, Lage, Eigenschaft und Beschaffenheit des Kaufobjektes.Der Inhalt dieser Vereinbarungen und ihre rechtliche Tragweite wurden eingehend erörtert.“Danach also soll die Gewährleistung so weit als möglich ausgeschlossen sein.Andererseits heißt es: „2. Der Verkäufer leistet dafür Gewähr, dass der Vertragsgegenstand auf den Käufer übertragen wird frei von im Grundbuch in Abteilung II und III eingetragenen Belastungen und Beschränkungen sowie frei von Rechten und Ansprüchen Dritter, deren Bestehen in diesem Vertrag nicht erwähnt ist.Der Verkäufer leistet weiterhin dafür Gewähr, dass Wohnungsbindung nach dem Wohnungsbindungsgesetz nicht besteht.“Danach wird gerade die Gewährleistung übernommen, und zwar insbesondere auch dafür, dass der Vertragsgegenstand – das Grundstück – frei ist von Rechten und Ansprüchen Dritter.b) Indes besteht die Widersprüchlichkeit nur auf den ersten Blick; die beiden Absätze lassen sich durchaus miteinander in Einklang bringen.Richtig ist, dass durch V.1. ein möglichst weitreichender Gewährleistungsausschluss gewollt ist – also „Ausschluss jeder Gewährleistung, soweit das Gesetz einen solchen Ausschluss zulässt“. Diese weitreichende Klausel wird aber durch V.2. wieder eingeschränkt dahingehend, dass in bestimmten Fällen eben doch eine Gewähr übernommen wird – nämlich dafür, dass der Vertragsgegenstand sein soll „frei von im Grundbuch in Abteilung II und III eingetragenen Belastungen und Beschränkungen sowie frei von Rechten und Ansprüchen Dritter, deren Bestehen in diesem Vertrag nicht erwähnt ist“ sowie schließlich dafür, dass keine „Wohnungsbindung nach dem Wohnungsbindungsgesetz“ besteht. Gewollt ist damit ersichtlich folgendes: Grundsätzlich soll die Gewährleistung ausgeschlossen sein. Der Gewährleistungsausschluss gilt nur nicht in zwei Fällen: wenn das Gesetz einen Gewährleistungsausschluss nicht zulässt (V.1.) sowie wenn es um Belastungen und Beschränkungen in Abteilung II und III, um Rechte und Ansprüche Dritter sowie um Wohnungsbindung nach dem Wohnungsbindungsgesetz geht (V.2.). Damit übernimmt der Verkäufer insbesondere die Gewähr für Rechtsmängel („frei von Rechten und Ansprüchen Dritter“), nicht aber für Sachmängel.Bei dem hier vom Kläger gerügten Eigentum eines Dritten – des Herrn „……“ – handelt es sich um das Recht eines Dritten am Grundstück. Dieses unterfällt Ziffer V.2. des Vertrages – und ist damit nicht vom Gewährleistungsausschluss gedeckt, sondern unterfällt damit im Gegenteil der Übernahme der Gewähr durch die Beklagten als Verkäufer. Das Grundstück muss frei sein von Rechten und Ansprüchen Dritter – und damit insbesondere auch frei vom Eigentum eines Dritten. Unstreitig aber gehören 35 Quadratmeter Fläche nicht zum verkauften Grundstück, sondern zum Grundstück des Herrn „……“ . Dafür, dass das Grundstück frei ist von Rechten Dritter – und damit auch vom Eigentum eines Dritten, hier des „……“ -, müssen die Beklagten nach V.2. des Vertrages Gewähr leisten.

Was die Rechtsfolgenseite anbelangt, gilt folgendes: a) Unstreitig fehlt am verkaufen Grundstück eine Fläche von 35 Quadratmetern. Ebenfalls unstreitig hat der Kläger den Bodenrichtwert von 65,- Euro pro Quadratmeter genannt. Dies ergibt 35 x 65 = 2265,- Euro.Die diesbezüglichen Zinsen ergeben sich hinsichtlich der Höhe aus dem Gesetz und hinsichtlich des Zeitpunktes aus dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit. Ein früherer Verzugseintritt ist nicht dargetan.b) Der Kläger hat auch einen Anspruch gegen die Beklagten, dass diese ihn freistellen von allen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aus dem Rechtsstreit mit Herrn „……“ vor dem Amtsgericht Kassel, 416 C 3390/13. Die Beklagten können sich auf den Gewährleistungsausschluss nicht berufen, s.o., vielmehr haben sie Gewähr dafür übernommen, dass das Grundstück frei ist von Rechten Dritter, also auch vom Eigentum des Herrn „……“ . Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aus dem Rechtsstreit zwischen Herrn „……“ und dem Kläger beruhen darauf, dass der Kläger nicht das Eigentum am gesamten Grundstück erwerben konnte.c) Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagten ihm alle Zahlungen und weiteren finanziellen Schäden zu ersetzen haben, die sich aus dem verschwiegenen Überbau zum Nachbargrundstück im Rahmen des zwischen den Parteien am 11.02.2011 geschlossenen Grundstückskaufvertrags ergeben. Auch dies folgt aus der Übernahme der Gewähr dafür, dass das Grundstück frei ist von Rechten Dritter, s.o. Der Kläger hat auch ein Feststellungsinteresse; Zahlungen sind denkbar insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Überbaus sowie unter dem Gesichtspunkt des problematischen Zugangs zum Kellerraum.d) Dagegen war nicht separat zu tenorieren eine Feststellung, dass die Beklagten dem Kläger alle Schäden daraus zu ersetzen haben, dass dieser den Kellerraum nicht mehr betreten kann, weil der Zugang zum Nachbargrundstück gehört. Für diesen weiteren Feststellungsantrag fehlt es am Feststellungsinteresse. Es ist bereits festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger alle Zahlungen und finanziellen Schäden ersetzen müssen, die sich aus dem verschwiegenen Überbau ergeben (vgl. c). Ein weiteres Feststellungsinteresse besteht angesichts dessen nicht. Vielmehr sind etwaige Folgeschäden wegen fehlenden Zugangs zum Keller bereits in dem umfassenden Feststellungsantrag (vgl. c) enthalten.

II.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund des § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

III.

Hinsichtlich des Streitwerts bleibt es beim Beschluss vom 03.05.2017 (Bl. 8 d.A.).

 

 

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