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Grundstückskaufvertrag –  Erfordernis notarielle Reservierungsvereinbarung

OLG Dresden – Az.: 8 U 964/16 – Beschluss vom 23.08.2016

1. Die mündliche Verhandlung vom 12.01.2017 wird aufgehoben.

2. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

3. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Es wird anheimgestellt, zu prüfen, ob die Berufung – insbesondere aus Kostengründen – in gleicher Frist zurückgenommen wird.

Gründe

I.

Beide Parteien sind gewerblich im Immobilienhandel tätig. Die Klägerin begehrt von der Beklagten über bereits erhaltene 8.000,00 € weitere 16.000,00 € aus einer Reservierungsvereinbarung vom 15.09.2015; die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage von der Klägerin die Rückzahlung der vorgenannten 8.000,00 €. Die Reservierungsvereinbarung, über deren Art und Weise des Zustandekommens zwischen den Parteien Streit herrscht, beinhaltete bezüglich einer Liegenschaft in der C…straße … in L. Folgendes:

„Der Angebotspreis für die Liegenschaft beträgt 800.000,00 €.

Der Käufer erhält die Gelegenheit und Zusage, das Objekt bis zum 13.10.2015 zu diesem Kaufpreis zu erwerben.

Der Verkäufer veräußert bis zu diesem Zeitpunkt die Liegenschaft an keinen Dritten.

Der Verkäufer stellt bis zum 21.09.2015 sämtliche für den Erwerb relevanten und nötigen Unterlagen, Gutachten und Beschlüsse zur Verfügung.

Sondervereinbarung: Das Bodengutachten der M. GmbH wurde mit dem Mailverkehr zur Verfügung gestellt. Der Käufer trägt damit das Risiko der Bodenverunreinigungen. Das ist nicht mehr Bestandteil oder ein Rücktrittsgrund im Notarvertrag.

Der Käufer bezahlt für diese Reservierungsvereinbarung eine Gebühr von 1 % (8.000,00 €) sofort und 2 % (16.000,00 €) spätestens zum 29.09.2015, die mit dem Kaufpreis verrechnet wird. Die o.g. Gebühr wird auf das Konto des Verkäufers […] überwiesen.

Die Gebühr 3 % verbleibt beim Verkäufer, falls der Käufer vom Kauf zurücktritt.

Die Gebühr wird an den Käufer zurückerstattet, wenn der Kauf ohne sein Verschulden nicht zustande kommt.“

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung sowie die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Der Schutzzweck der gesetzlichen Regelung zur notariellen Form bei Verträgen über Grundstücke verbiete es, formlose Vertragsstrafeversprechen als wirksam anzuerkennen, durch die gegen den vom Makler als möglichen Grundstückskäufer geworbenen Interessenten mittelbarer Zwang zum Erwerb ausgeübt werde. Auch im vorliegenden Fall werde ein wirtschaftlicher Zwang zum Erwerb ausgeübt, da 10 % der üblichen Maklerprovision lediglich einen Betrag von 4.000,00 € ergäbe. Unerheblich sei, ob die Klägerin Eigentümerin des veräußerten Grundstückes gewesen sei, da die Schutzbedürftigkeit des die Reservierungsgebühr Schuldenden nicht an die Maklereigenschaft einer Vertragspartei anknüpfe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin: Hintergrund des Abschlusses der Reservierungsgebühr sei das starke Interesse der Beklagten am Ankauf des Objektes gewesen, wobei ihr Geschäftsführer wegen eines Urlaubs Zeit für eine Kaufentscheidung benötigt habe. Da zu diesem Zeitpunkt ein anderer Kaufinteressent sogar schon einen Notartermin vorgeschlagen habe, sei auf Wunsch der Beklagten eine Reservierung gegen Entgelt abgestimmt worden. Nachdem zunächst über eine Reservierungsgebühr von 1 % des Kaufpreises gesprochen worden sei, habe die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten um eine Erhöhung auf 3 % gebeten, dem der Geschäftsführer der Beklagten zugestimmt habe. Formuliert worden sei die Reservierungsvereinbarung von einem Architekturbüro, welches von der Beklagten beauftragt worden sei. Die Reservierungsvereinbarung habe nicht den Formvorschriften des § 311b BGB unterlegen. Durch diese Vereinbarung sei kein Kaufzwang auf die Beklagte ausgeübt worden, was bereits daran zu erkennen sei, dass diese trotz der Vereinbarung von dem Kauf Abstand genommen habe. Auf diesen Sachverhalt seien die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Reservierungsgebühr im Maklerrecht nicht heranzuziehen. Die Abmachung beinhalte ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot, welches formfrei vereinbart sei und nur dazu gedient habe, das Objekt trotz eines anderen Kaufinteressenten für die Beklagte auf deren Wunsch zu reservieren.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Leipzig zu Aktenzeichen 7 O 463/16, verkündet am 25.05.2016, zugestellt am 01.06.2016, zu verurteilen, an sie 16.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit 30.09.2015 zu zahlen, und die Widerklage abzuweisen.

II. Die zulässige Berufung hat zur einstimmigen Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen, beabsichtigt der Senat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen:

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht die zwischen den Parteien vereinbarte Reservierungsvereinbarung hinsichtlich der von der Klägerin übernommenen Verpflichtungen über eine schuldrechtliche Verpflichtung, das Objekt nicht an einen anderen Interessenten für einen bestimmten Zeitraum zu verkaufen, hinaus. Vielmehr enthält die Vereinbarung mit der Zusage der Klägerin, der Beklagten bis zum 13.10.2015 das Grundstück C…straße in L. zu einem Kaufpreis von 800.000,00 € zu veräußern, eine einem Vorkaufsrecht gleichkommende verbindliche Verpflichtung der Klägerin zum Abschluss eines Immobilienkaufvertrages; eine derartige Willenserklärung ist formbedürftig (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.1970, IV ZR 1178/68; Grüneberg in Palandt, BGB, Rn. 11 zu § 311b; Hertel in Staudinger, BGB, [2012] Rn. 113 und 121 f. zu § 311b; Kanzleitner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., Rn. 34 zu § 311b; Gehrlein in Bamberger/Roth, Beck`scher Online-Kommentar BGB, 39. Edition, Rn. 13 zu § 313b BGB). Zwar gingen die Parteien in der Vereinbarung erkennbar davon aus, dass noch ein eigener Kaufvertrag abgeschlossen werden sollte; es handelte sich jedoch um eine Abmachung, die als – wie die darin enthaltenen Kaufbedingungen erweisen – hinreichend bestimmter Vorvertrag zu verstehen ist und die die Klägerin zum Abschluss eines Hauptvertrages über den Verkauf der Grundstücke verpflichten sollte, falls sich die Beklagte innerhalb der Bindungsfrist dafür entschied (vgl. hierzu OLG Hamburg, Urt. vom 15.02.1991, 11 U 203/90, NJW-RR 1992, 20). Bereits aus diesem Grund ist die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis richtig, da die notarielle Form nicht eingehalten wurde.

2. Daneben sind aber auch die Ausführungen des Landgerichts zutreffend, dass die Reservierungsvereinbarung zwischen den Parteien auch ohne die enthaltene Verkaufsverpflichtung der Klägerin der notariellen Form bedurft hätte, wenn sie nur eine – als solche nicht formbedürftige – Verpflichtung der Klägerin enthalten hätte, für einen bestimmten Zeitraum das Grundstück nicht an jemand anderen zu veräußern, da durch die Vereinbarung einer Reservierungsgebühr in Höhe von 3 % des Kaufpreises ein erheblicher mittelbarer Druck auf die Beklagte ausgeübt wurde, einen Kaufvertrag abzuschließen. Dies wird regelmäßig angenommen, wenn die Verpflichtung einen Betrag überschreitet, der 10 bis 15 % der üblichen Maklervergütung überschreitet (vgl. BGH, Urt. v. 02.07.1986, IVa ZR 102/85; OLG Köln, Urt. v. 08.01.2013, 24 U 83/12; Senat, Urt. v. 09.04.1997, 8 U 2528/96 mit Tendenz zu einer 10-%- Grenze).

Selbst wenn man der Klägerin dahin beipflichten sollte, dass grundsätzlich dennoch auch eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist, bei der auch berücksichtigt werden kann, ob der Wunsch nach einer Reservierungsvereinbarung vom Zahlungspflichtigen ausgegangen ist und ob es sich bei demjenigen, von dem die Reservierungsvereinbarung ausgegangen ist, um ein gewerbliches Immobilienhandelsunternehmen handelt, ist daneben aber auch die Höhe des vereinbarten Reservierungsentgeltes in den Blick zu nehmen. Zu Recht unterscheidet das Landgericht bei der Bemessung des Maßstabes nicht danach, dass es sich bei dem vorliegenden Vertrag um eine Vereinbarung zwischen den künftigen Kaufvertragsparteien und nicht zwischen einem Makler und einem Interessenten handelt, da es bei der Frage, ob durch eine kostenpflichtige Reservierungsvereinbarung ein wirtschaftlicher Zwang zum Kauf auf den potenziellen Erwerber ausgeübt wird, nicht darauf ankommt, wem gegenüber er zahlungspflichtig ist, sondern allein auf die wirtschaftliche Belastung durch die Verpflichtung.

Daher ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht im Ausgangspunkt von der Größenordnung ausgeht, die 10 % einer üblichen Maklergebühr betragen würde. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts würde eine solche Gebühr in L. 40.000,00 € betragen haben. Selbst wenn man bei der Bemessung der Frage, ob ein unangemessener Zwang ausgeübt wird, im vorliegenden Fall in Betracht ziehen würde, dass bei einem gewerblichen Immobilienunternehmen, welches sich unmittelbar gegenüber dem Veräußerer zur Zahlung einer Reservierungsvergütung bereit erklärt, auch ein Betrag in den Blick genommen werden könnte, der die in der Rechtsprechung sonst angenommene Obergrenze von 10 bis 15 % des Maklerlohns (hier: 4.000,00 € bis 6.000,00 €) maßvoll überschreitet, und sich eventuell vertreten ließe, dass die von den Parteien ursprünglich in den Blick genommene Reservierungsgebühr von 8.000,00 € und die Anknüpfung der Bestimmung der Höhe der Gebühr an 1 % des Kaufpreises möglicherweise im hier vorliegenden Fall eines Vertrages zwischen den potentiellen Kaufvertragsparteien ohne Einschaltung eines Maklers noch keinen solchen wirtschaftlichen Druck auf den Erwerbsinteressenten ausgeübt hätte, dass von einer Formbedürftigkeit der Reservierungsvereinbarung auszugehen wäre, so überschreitet die – auf Veranlassung der Klägerin erfolgte – Festsetzung der Gebühr auf 3 % und damit auf mehr als 50 % einer in L. üblichen Maklerprovision auf jeden Fall den Umfang dessen, was ohne Einhaltung der notariellen Form hätte vereinbart werden können. Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte trotz der Reservierungsvereinbarung von dem Kauf Abstand genommen hat, lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass für sie kein erheblicher mittelbarer Zwang bestanden habe, zumal sie sich geweigert hat, die zweite Teilzahlung zu erbringen.

3. Zwar könnte sich eine Berufung auf die Formnichtigkeit dann als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn eine Partei über längere Zeit hin aus dem nichtigem Vertrag Vorteile gezogen hat und sich nunmehr ihrer Verpflichtung unter Berufung auf den Formmangel entziehen will (vgl. hierzu beispielsweise BGH, Urt. v. 14.06.1996, V ZR 85/95, NJW 1996, 2503). Ein Formmangel führt grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vereinbarung. Er ist nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich, weil sonst die Formvorschriften des Bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden, die vor unüberlegten und übereilten Handlungen die Vertragspartner schützen sollen. An die Unzulässigkeit der Rechtsausübung sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen. Das Ergebnis muss mit Treu und Glauben unvereinbar sein und die andere Partei nicht nur hart, sondern schlechterdings untragbar treffen (vgl. hierzu OLG Hamm, Urt. v. 19.08.1999, 22 U 80/99). Vor dem Hintergrund, dass die Festsetzung der Höhe der Reservierungsgebühr auf 3 % auf Verlangen der Klägerin erfolgt ist, stellt sich die Berufung der Beklagten – auch wenn sie von der Einräumung der Überlegungsfrist profitiert haben mag – auf die Formnichtigkeit nach diesen Maßstäben keinesfalls als rechtsmissbräuchlich dar.

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