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Grundschuldlöschungsbewilligung – konkludente Erklärung

LG Münster – Az.: 8 O 298/16 – Urteil vom 18.05.2018

Der Beklagte wird verurteilt, den Grundschuldbrief für die Grundschuld in Höhe von 100.000 EUR mit 10 Prozent Jahreszinsen und 5 Prozent Nebenleistung einmalig für U, geboren am ……..19…, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Münster für G1, 588 qm groß in Abteilung III lfd. Nr. 6 an die Kläger herauszugeben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten des Streithelfers der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Im Jahre 2015 beabsichtigten die Kläger, von dem Zeugen T das bebaute Grundstück N-Straße in Münster-Hiltrup zu einem Kaufpreis von 290.000 EUR zu erwerben. Für das Grundstück war die Zwangsversteigerung angeordnet. Auf dem Grundstück lasteten zu diesem Zeitpunkt diverse Grundpfandrechte. Unter diesen Grundpfandrechten befand sich mit der laufenden Nr. 6 eine Briefgrundschuld des Beklagten, der vormals als Notar tätig gewesen war, mit einem Nennwert von 100.000 EUR nebst Jahreszinsen und Nebenleistung. Die Briefgrundschuld sicherte ein Darlehen gleicher Höhe ab, das der Beklagte dem Zeugen T aufgrund finanzieller Probleme gewährt hatte. Der Nennwert der Grundpfandrechte, die der Briefgrundschuld des Beklagten im Rang vorgingen, belief sich auf insgesamt 315.153,60 EUR nebst Jahreszinsen.

Da die Kläger das Grundstück lastenfrei erwerben wollten, wurde vor Abschluss des Kaufvertrags mit den Grundpfandgläubigern abgestimmt, dass diese Löschungsbewilligungen erteilen würden. Es kam auch zu einem Gespräch zwischen dem Zeugen T und dem Beklagten. In diesem erklärte der Zeuge T, dass eine Löschungsbewilligung im Hinblick auf die Briefgrundschuld des Beklagten erforderlich sei, damit er das Objekt veräußern könne.

Am 20.05.2015 erschien der Beklagte gemeinsam mit dem Zeugen T bei dem als Notar amtierenden Streithelfer der Kläger und gab eine Löschungsbewilligung für die Briefgrundschuld ab. Der Streithelfer beglaubigte die Unterschrift des Beklagten. Zudem erteilte der Beklagte dem Streithelfer eine Treuhandanweisung mit der Auflage, über die Löschungsbewilligung nur zur verfügen, wenn er dem Streithelfer zuvor schriftlich hierfür seine Zustimmungserklärung erteilt habe.

Unmittelbar im Anschluss hieran wurde der Kaufvertrag samt Auflassung betreffend das Grundstück notariell beurkundet. In dem Kaufvertrag verpflichtete sich der Zeuge T zur lastenfreien Übertragung des Eigentums an dem Grundstück an die Kläger. Auch wurde der Streithelfer bevollmächtigt, Unterlagen gem. § 875 Abs. 2 BGB entgegenzunehmen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Kaufvertrags Bezug genommen (Bl. 6 ff. GA).

Im Folgenden rief der Streithelfer den Zeugen T an und teilte ihm mit, dass der Beklagte noch keine auflagenfreie Freigabe der Löschungsbewilligung erteilt habe. Der Zeuge T teilte dem Beklagten daraufhin mit, dass die Freigabe der Löschungsbewilligung erforderlich sei. Am 03.06.2015 erklärte der Beklagte zunächst per Fax gegenüber dem Streithelfer, dass dieser von der Löschungsbewilligung ohne Auflagen Gebrauch machen dürfe. Der Streithelfer teilte dem Zeugen T mit, dass er diese Erklärung im Original benötige. Daraufhin suchte der Zeuge T den Beklagten auf, holte die Zustimmungserklärung im Original ab und ließ sie von der Zeugin E zu dem Streithelfer bringen. Daraufhin teilte der Streithelfer den Klägern telefonisch mit, dass der Beklagte mit der auflagenfreien Löschung der Grundschuld einverstanden sei.

Am 05.06.2015 unterschrieben die Kläger den Darlehensvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises.

Der Streithelfer stellte sodann mit Schreiben vom 07.07.2015 den im notariellen Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis fällig. Hierbei übersah er jedoch, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen nicht vorlagen, weil der Beklagte sowie ein weiterer Grundpfandgläubiger – Inhaber der unter der laufenden Nummer 2 eingetragenen Grundschuld – ihm noch nicht den Grundschuldbrief übersandt hatten.

Mit an das Grundbuchamt gerichtetem Schreiben vom 16.07.2015 veranlasste der Streithelfer die Eigentumsumschreibung sowie die Löschung der übrigen zu löschenden Rechte und übersandte hierbei auch die Löschungsbewilligung des Beklagten.

Nachdem offenbar geworden war, dass der Grundschuldbrief des Beklagten noch nicht vorlag, forderte der Streithelfer den Beklagten mehrfach ergebnislos zur Herausgabe des Grundschuldbriefs auf.

Mit Schreiben vom 17.08.2015 teilte der Beklagte dem Streithelfer mit, dass er den Grundschuldbrief erst herausgebe, wenn eine andere Absicherung des Darlehens erfolgt sei. Mit Schreiben vom 24.08.2015 erklärte der Beklagte gegenüber dem Zeugen T, dass er die „Willenserklärung vom 03.6.2015“ wegen arglistiger Täuschung anfechte, da Vereinbarungen betreffend die Rückzahlung des Darlehens nicht eingehalten worden seien. Mit Schreiben vom 29.08.2015 erklärte der Beklagte gegenüber dem Streithelfer, dass er die Zustimmungserklärung zur Verfügung über die Löschungsbewilligung zurücknehme und sie hilfsweise wegen Irrtums und Arglist anfechte.

Am 28.08.2015 erfolgte die Eigentumsumschreibung des Grundstücks auf die Kläger sowie die Löschung der übrigen Rechte. Nach Durchführung eines Ausschließungsverfahrens wurde am 28.11.2016 die unter der laufenden Nummer 2 eingetragene Grundschuld gelöscht. Am 18.07.2016 trat der Zeuge T seine Ansprüche auf Herausgabe des streitgegenständlichen Grundschuldbriefs an die Kläger ab.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.01.2016 forderte der Beklagte die Kläger zur Zahlung von 121.376,61 EUR und drohte an, im Falle der Nichtzahlung die Zwangsversteigerung einzuleiten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.03.2016 forderten die Kläger den Beklagten unter Fristsetzung zur Herausgabe des Grundschuldbriefs auf. Am 18.07.2016 trat der Zeuge T seinen Herausgabeanspruch bezüglich des Grundschuldbriefs an die Kläger ab. Der Zeuge T ist zahlungsunfähig.

Die Kläger behaupten, der Zeuge T habe dem Beklagten in dem Gespräch kurz vor dem Notartermin gesagt, dass er das Darlehen nicht sofort bedienen könne, dass ein Teilbetrag jedoch mittels einer Lebensversicherung gezahlt werden könne, dies aber erst nach Veräußerung des Grundstücks, da die Lebensversicherung an eine Bank abgetreten sei, die ihrerseits Gläubigerin eines auf dem Grundstück lastenden Grundpfandrechts sei. Am 20.05.2015 sei in dem Gespräch zwischen dem Streithelfer und dem Beklagten erörtert worden, dass der Beklagte im Falle einer Zwangsversteigerung aufgrund des Ranges seiner Grundschuld voraussichtlich keinen oder nur einen geringfügigen Erlös erhalten würde; es sei dem Beklagten bewusst gewesen, dass er im Falle der Zwangsversteigerung mit seiner Grundschuld ausfallen würde.

Die Kläger sind unter anderem der Ansicht, aufgrund der Abtretung stehe ihnen aus dem Sicherungsvertrag, der der Briefgrundschuld des Beklagten zugrunde liege, ein Anspruch auf Herausgabe des Grundschuldbriefs zu. Denn der Beklagte habe auf die Sicherung seiner Darlehensforderung verzichtet. Der Löschungsanspruch aus dem Sicherungsvertrag sei am 03.06.2015 fällig geworden, als der Beklagte sein Einverständnis mit der Löschung ohne weiteren Vorbehalt endgültig bestätigte.

Die Kläger und der Streithelfer beantragen, den Beklagten zu verurteilen, den Grundschuldbrief für die Grundschuld in Höhe von 100.000 EUR mit 10 Prozent Jahreszinsen und 5 Prozent Nebenleistung einmalig für U, geboren am ……..19…, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichtes Münster für G1, 588 qm groß in Abteilung III lfd. Nr. 6 dem Grundbuchamt Münster vorzulegen; hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, den Grundschuldbrief für die Grundschuld in Höhe von 100.000 EUR mit 10 Prozent Jahreszinsen und 5 Prozent Nebenleistung einmalig für U, geboren am ……..19…, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Münster für G1, 588 qm groß in Abteilung III lfd. Nr. 6 an die Kläger herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er im Falle einer Zwangsversteigerung mit seiner Grundschuld ausfallen würde, da ihm die Valuta der vorrangigen Grundschulden nicht bekannt gewesen sei. Die Abgabe der Löschungsbewilligung sei durch eine ausdrückliche Zahlungsankündigung des Zeugen T bewirkt worden. Am 02.06.2015 habe der Zeuge T ihm gegenüber erklärt, dass er das Haus verkauft habe und die Darlehensschuld abgelöst werde. Der Zeuge T habe sondiert, ob er 60.000 EUR sofort und 40.000 EUR in naher Zukunft zahlen könne unter Hingabe belastbarer Sicherheiten, nämlich einer Lebensversicherung. Allerdings habe der Zeuge T weder 60.000 EUR noch eine werthaltige Lebensversicherung gehabt. Durch die ausdrückliche Zahlungsankündigung habe der Zeuge T die Übergabe der Löschungsbewilligung bewirkt. Die Zustimmungserklärung vom 03.06.2015 habe sich nur auf die Löschungsbewilligung bezogen, nicht auf die Grundschuld selbst, sie sei auch nicht auflagenfrei erteilt worden. Am 03.06.2015 habe er, der Beklagte, gegenüber dem Notar angekündigt, dass die Grundschuldurkunde erst nach vollständiger Zahlung des Darlehensbetrags oder einer Abwicklung wie von dem Zeugen T am Tag zuvor sondiert herausgegeben werde.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kaufvertrag nichtig sei, da, so behauptet er, die Kläger und der Streithelfer einen schwerwiegenden Verstoß begangen hätten mit der Zielrichtung, ihn, den Beklagten, zu schädigen. Zudem seien die Kläger nicht aktivlegitimiert, da keine vertraglichen Beziehungen zum Beklagten, sondern nur zum Zeugen T bestehen würden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet, hinsichtlich des Hilfsantrags allerdings begründet.

I.

Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Vorlage des streitgegenständlichen Grundschuldbriefs beim Grundbuchamt Münster (Hauptantrag).

Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 896 BGB.

Der Vorlageanspruch aus § 896 BGB setzt voraus, dass der Anspruchsteller Inhaber eines Grundbuchberichtigungsanspruchs gem. § 894 BGB ist (s. etwa Eckert, in: BeckOK/BGB, Stand 01.11.2017, § 896 Rn. 2). Ein Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB besteht nur dann, wenn der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht. Voraussetzung ist also, dass das Grundbuch die bestehende dingliche Rechtslage nicht richtig wiedergibt, wobei das Bestehen eines bloß schuldrechtlichen Anspruchs auf Herstellung des einzutragenden Zustands nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führt (s. etwa BGH NJOZ 2010, 2217, 2218).

Die Kläger können keinen Grundbuchberichtigungsanspruch geltend machen, da das Grundbuch im Hinblick auf die dort nach wie vor eingetragene Grundschuld des Beklagten nicht unrichtig ist. Insbesondere hat der Beklagte nicht wirksam auf die Grundschuld verzichtet, was gem. §§ 1192 Abs. 1, 1168 Abs. 1 BGB zur Folge gehabt hätte, dass sie auf den Eigentümer übergegangen wäre. Unabhängig davon, ob der Beklagte überhaupt eine Verzichtserklärung abgegeben hat, bedarf der Verzicht gem. § 1168 Abs. 2 S. 1 BGB der Eintragung in das Grundbuch. Ohne Eintragung in das Grundbuch bleibt der Verzicht wirkungslos (s. etwa BayObLG NJW-RR 1999, 506, 507). Unstreitig wurde eine solche rechtsändernde Eintragung – Voraussetzung für die anschließende Berichtigung des Grundbuchs durch Umschreibung der Grundschuld auf den Eigentümer – weder bewilligt noch beantragt oder gar eingetragen.

II.

Die Kläger haben jedoch einen Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe des Grundschuldbriefs (Hilfsantrag).

1. Ein solcher Anspruch folgt allerdings zunächst nicht aus § 985 BGB. Denn die Kläger sind nicht Eigentümer des Grundschuldbriefs. Gem. § 952 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB steht das Eigentum an einem Grundschuldbrief dem Inhaber der Grundschuld zu. Inhaber der Grundschuld ist jedoch nach wie vor der Beklagte. Weder hat der Beklagte wirksam dinglich auf die Grundschuld verzichtet, was den Übergang der Grundschuld auf den Eigentümer des Grundstücks zur Folge gehabt hätte, noch hat der Beklagte die Grundschuld wirksam konkludent an die Kläger oder den Zeugen T abgetreten. Dem Parteivortrag lässt sich schon nicht entnehmen, dass der Beklagte mit dem Zeugen T oder den Klägerin eine derartige Abtretungsvereinbarung getroffen hätte. Zudem erfordert §§ 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1154 Abs. 1 S. 1 BGB die schriftliche Form der Abtretungserklärung sowie die Übergabe des Grundschuldbriefs. An Beidem fehlt es.

2. Die Kläger können die Herausgabe des Grundschuldbriefs jedoch aus abgetretenem Recht, nämlich einem schuldrechtlichen Anspruch des Zeugen T gegen den Beklagten aus der der Grundschuld zugrundeliegenden Sicherungsabrede geltend machen. Denn zwischen dem Zeugen T und dem Beklagten wurde eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass die Grundschuld nicht mehr das von dem Beklagten dem Zeugen T gewährte Darlehen – den Darlehensrückzahlungsanspruch sowie den Darlehenszinsanspruch – sichern solle und der Beklagte daher mit der Aufhebung der Grundschuld einverstanden ist. Der hieraus folgende Anspruch auf Aufhebung der Grundschuld setzt, nachdem der Beklagte bereits die Löschungsbewilligung erteilt hat, nur mehr die Herausgabe des Grundschuldbriefs voraus. Hierzu ist der Beklagte verpflichtet.

a) Allerdings ist eine derartige Vereinbarung nicht schon vor dem 03.06.2015 zustande gekommen. Die Kläger haben diesbezüglich vorgetragen, dass der Zeuge T vor der Abgabe der Löschungsbewilligung durch den Beklagten dem Beklagten gesagt habe, dass er das Darlehen nicht bedienen könne und nach der Veräußerung einen Teilbetrag mittels einer Lebensversicherung zahlen könne, zudem mit dem Beklagten beim Notartermin am 20.05.2015 erörtert worden sei, dass er aufgrund des Ranges seiner Grundschuld im Falle der Zwangsversteigerung voraussichtlich keinen oder nur einen geringfügigen Erlös erhalten würde.

Dieser Vortrag ist schon nicht schlüssig im Hinblick auf eine Vereinbarung zwischen dem Zeugen T und dem Beklagten mit dem oben dargestellten Inhalt. Insbesondere lässt sich ihr kein Verhalten des Beklagten entnehmen, dass bei gebotener Auslegung aus dem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) darauf schließen lassen könnte, dass der Beklagte sich verbindlich der Grundschuld begeben wollte. Schon dem Klägervortrag zufolge erklärte der Beklagte weder bei dem Gespräch vor dem Notartermin noch im Gespräch beim Streithelfer sein Einverständnis mit dem Verzicht auf oder der Aufhebung der Grundschuld. Tatsächlich bestand offenbar nach dem Gespräch zwischen dem Zeugen T und dem Beklagten im Vorfeld des Notartermins die Notwendigkeit, die Folgen der Zwangsversteigerung für den wirtschaftlichen Gehalt der Grundschuld mit dem Notar zu erörtern. Eine endgültige Entscheidung war demnach zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefallen. Ebenso wenig war eine endgültige Entscheidung nach der Erörterung mit dem Notar gefallen, da der Beklagte die Nutzung der sodann von ihm abgegebenen Löschungsbewilligung ausdrücklich unter Zustimmungsvorbehalt stellte.

Im Übrigen steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge T in dem mit dem Beklagten vor dem Notartermin geführten Gespräch erklärte, das Darlehen erst nach Veräußerung des Grundstücks teilweise zurückführen zu können. Die Aussage des von den Klägern benannten Zeugen T war insoweit unergiebig. Der Zeuge bekundete, vor dem Notartermin mit dem Beklagten kein Gespräch mit dem von den Klägern behaupteten Inhalt geführt zu haben. Es sei lediglich darum gegangen, dass das Zwangsversteigerungsverfahren eröffnet worden war und das Grundstück nun verkauft werden sollte, weshalb der Beklagte mit dem Notar habe klären wollen, was er noch herausbekommen könne. Dies geht zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Kläger.

b) Der Beklagte hat der Vereinbarung mit dem Zeugen T jedoch konkludent zugestimmt, als er am 03.06.2015 gegenüber dem Streithelfer schriftlich seine Zustimmung zur Nutzung der von ihm am 20.05.2015 abgegebenen Löschungsbewilligung erklärte.

aa) Bei der Löschungsbewilligung handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Erklärung, die zur Löschung von Grundpfandrechten erforderlich ist. Im Ausgangspunkt ist es dabei durchaus möglich, dass mit der Abgabe einer Löschungsbewilligung – oder wie hier: mit der Zustimmung zur vorbehaltlosen Nutzung einer bereits abgegebenen Löschungsbewilligung – zugleich konkludent eine materiell-rechtliche Willenserklärung abgegeben wird (s. etwa Eckert, in: BeckOK BGB, Stand 01.11.2017, Rn. 9). Ob die Löschungsbewilligung eine derartige materiell-rechtliche Willenserklärung enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Entscheidend ist also, ob aus den vorliegenden Indizien auf einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willen des Beklagten geschlossen werden kann, wobei diese Indizien gem. §§ 133, 157 BGB aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zu beurteilen sind. Allgemein gilt, dass im Falle der Divergenz eine dem Erklärenden zurechenbare objektive Bedeutung des Verhaltens aus der Sicht des Erklärungsgegners Vorrang vor dem subjektiven Willen des Erklärenden (BGH, NJW-RR 2005, 639, 640).

Dabei ist allerdings zugrunde zu legen, dass der Beklagte bei Abgabe der Löschungsbewilligung ohne Erklärungsbewusstsein handelte. Er selbst hat in Abrede gestellt, dass er eine über die rein verfahrensrechtliche Erklärung hinausgehende materiell-rechtlich wirkende Willenserklärung abgeben wollte. Die für das Vorliegen eines Erklärungsbewusstseins beweisbelasteten Kläger haben diesbezüglich keinen Beweis angetreten. Gleichwohl hindert selbst das Fehlen des Erklärungsbewusstseins nicht die Annahme einer Willenserklärung. Allerdings ist in diesem Fall dem Erklärenden die objektive Bedeutung seines Verhaltens nur dann zuzurechnen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Erklärung oder sein Verhalten vom Empfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte (BGH, NJW 1984, 2279, 2280).

bb) Hier liegt ein Indizienring vor, der aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts eindeutig auf einen rechtsgeschäftlichen Willen des Beklagten im oben erläuterten Sinne schließen lässt.

(1) Zunächst stand zwischen dem Zeugen T und dem Beklagten aufgrund des eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens und des beabsichtigten Verkaufs des Grundstücks die Aufhebung der Grundschuld zur Diskussion. Aus eben diesem Grund kam es am 20.05.2015 zu dem Notartermin, in dem der Beklagte die Löschungsbewilligung abgab. Für die dort Beteiligten – des Zeugen T, des Streithelfers, aber auch des Beklagten, dem als früherer Notar die erforderliche Sachkenntnis ohne Weiteres unterstellt werden kann – war erkennbar, dass eine Veräußerung des Grundstücks ohne vorherige Löschung der Grundpfandrechte einschließlich der Grundschuld des Beklagten wohl kaum in Betracht gekommen wäre.

Hinzu kommt, dass in dem Notartermin am 20.05.2015 zur Überzeugung des Gerichts auch die Werthaltigkeit der Grundschuld des Beklagten vor dem Hintergrund ihres Ranges erörtert wurde. Dies haben die Zeugen T und E glaubhaft in ihren übereinstimmenden, nachvollziehbaren und in sich jeweils widerspruchsfreien Aussagen bekundet. Infolge dieser Erörterungen musste der Beklagte damit rechnen, dass er im Falle der Zwangsversteigerung mit seiner Grundschuld, und sei es nur teilweise, ausfallen könnte.

Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass der Beklagte sodann die Löschungsbewilligung abgab. Zugleich erteilte er dem Streithelfer eine Treuhandweisung, aufgrund derer letzterer von der Löschungsbewilligung zunächst keinen Gebrauch machen konnte. Grund hierfür war, wie sich aus den auch insoweit glaubhaften Aussagen der Zeugen ergibt, dass der Beklagte die Sache zunächst noch überdenken wollte. Nachvollziehbar ist aufgrund der Zeugenaussagen auch, dass die Gestaltung mittels einer Treuhandanweisung erfolgte, um dem Beklagten – möglicherweise auch aufgrund seines fortgeschrittenen Alters – eine weitere Fahrt zum Streithelfer zu ersparen. Eine solche wäre aber wegen der erforderlichen Beglaubigung notwendig gewesen, wenn der Beklagte die Löschungsbewilligung zunächst noch nicht abgegeben hätte.

Inwiefern der Beklagte die Entscheidung über die Freigabe der Löschungsbewilligung noch überdenken wollte, ist unklar. Möglicherweise wollte er ausloten, ob er aufgrund seiner Sperrposition im Hinblick auf die Durchführung des Kaufvertrags eine (teilweise) Rückführung des dem Zeugen T gewährten Darlehens oder die anderweitige Besicherung des Darlehens erreichen konnte. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, dass der Beklagte zwei Wochen später gegenüber dem Streithelfer nun die Löschungsbewilligung zur Nutzung freigab. Dies konnte aus Sicht eines objektiven Empfängers nur so verstanden werden, dass der Beklagte die Sache nochmals überdacht und nun – aus welchen Gründen auch immer – zu dem Entschluss gekommen war, sich der Grundschuld zu begeben, um die Veräußerung des Grundstücks zu ermöglichen.

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, warum der Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2015 und 29.08.2015 die Zustimmungserklärung zurücknehmen und anfechten wollte, wenn er selbst bei Erklärung der Zustimmung schon davon ausging, dass aufgrund der noch ausstehenden Übergabe des Grundschuldbriefs ohnehin noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden war.

(2) Ohne Bedeutung ist demgegenüber, dass der Beklagte zwar die Zustimmung zur Nutzung der Löschungsbewilligung erklärte, aber nicht zugleich den Grundschuldbrief übergab. Insbesondere steht dieser Umstand nicht der Annahme einer konkludenten materiell-rechtlichen Willenserklärung des oben erläuterten Inhalts entgegen. Denn aus Sicht eines objektiven Dritten wäre nicht verständlich, warum der Beklagte zwar nun nach Bedenkzeit seine Zustimmung zur Nutzung der Löschungsbewilligung erteilte, zugleich aber die Aufhebung der Grundschuld von einer weiteren Bedingung – nämlich der Herausgabe des Grundschuldbriefs – abhängig machen wollte. In diesem Fall hätte es nahegelegen, schon nicht die Zustimmung zur Nutzung der Löschungsbewilligung zu erteilen. Denn die vom Beklagten erklärte Zustimmung zur Nutzung der Löschungsbewilligung wäre in diesem Fall ohne jegliche Bedeutung gewesen.

(3) Gegen die Annahme einer derartigen konkludenten materiell-rechtlichen Willenserklärung spricht schließlich nicht der Beklagtenvortrag, wonach der Beklagte am 03.06.2015 gegenüber dem Streithelfer angekündigt habe, dass der Grundschuldbrief erst nach vollständiger Zahlung oder einer Teilzahlung mit Stellung einer anderen Sicherheit übergeben werden würde. Dieser Vortrag ist erheblich, da in diesem Falle aus Sicht eines objektiven Dritten nicht mehr davon ausgegangen werden konnte, dass der Beklagte mit der Löschungsbewilligung zugleich eine (bedingungslose) materiell-rechtliche Willenserklärung abgegeben wollte. Allerdings haben die Kläger diesen Vortrag bestritten. Beweis hat der insoweit beweisbelastete Beklagte nicht angetreten.

(4) Unter Anlegung der eingangs dargestellten Maßstäbe ist die in der Zustimmungserklärung vom 03.06.2015 zu sehende konkludente materiell-rechtliche Willenserklärung dem Beklagten auch zurechenbar. Denn bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Beklagte erkennen und vermeiden können, dass sein Verhalten vom Streithelfer als Empfangsvertreter des Zeugen T nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte. Dies gilt für den Beklagten schon deshalb, weil diesem als Notar außer Dienst die Abläufe bei Abwicklung eines Grundstückskaufvertrags vertraut waren und er deshalb davon ausgehen musste, dass seine Zustimmungserklärung zur Nutzung der Löschungsbewilligung die weitere Abwicklungskaskade (Fälligkeitsmitteilung des Streithelfers usf.) in Gang setzen würde.

Indem sich der Beklagte nun auf seinen Besitz an dem Grundschuldbrief beruft – und auf dieser Grundlage noch zudem die Kläger zur Rückzahlung des Darlehens aufgefordert hat -, setzt er sich in einen unlösbaren Widerspruch zu seinem in der Zustimmungserklärung vom 03.06.2015 zum Ausdruck gekommenen Willen.

c) Die in der Löschungsbewilligung enthaltene materiell-rechtliche Willenserklärung ist auch nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB als nichtig anzusehen.

aa) In dem an den Streithelfer gerichteten Schreiben vom 29.08.2015 erklärte der Beklagte, dass er die Zustimmungserklärung zurücknehme und hilfsweise wegen Irrtums und Arglist anfechte. Dies ist nach dem Vorhergesagten dahingehend auszulegen, dass jedenfalls auch die mit der Zustimmungserklärung zugleich abgegebene materiell-rechtliche Willenserklärung zurückgenommen und hilfsweise angefochten sein sollte.

Die „Rücknahme“ einer empfangsbedürftigen und bereits zugegangenen materiell-rechtlichen Willenserklärung ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Anfechtung scheitert an einer wirksamen Anfechtungserklärung gem. § 143 Abs. 1 BGB. Zwar ist für die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung nach allgemeiner Auffassung nicht die Angabe des genauen rechtlichen Grundes erforderlich. Zumindest muss die Anfechtungserklärung aber die Tatsachen und damit auch die Willensmängel erkennen lassen, auf die sie gestützt wird (s. Wendtland, in: BeckOK, BGB, Stand 01.11.2017, § 143 Rn. 4). In dem Schreiben führt der Beklagte diesbezüglich jedoch nur aus, dass die Rücknahme und hilfsweise Anfechtung erfolgten, nachdem sich der Zeuge T nicht bei ihm gemeldet habe. Es ist schon unklar, ob dieser Umstand hier den Anfechtungsgrund bezeichnen soll oder nur den Anlass für die Verfassung des Schreibens. Jedenfalls kann hieraus aber weder auf einen Inhalts- oder Erklärungsirrtum noch auf eine arglistige Täuschung geschlossen werden.

bb) In dem an den Zeugen T gerichteten Schreiben vom 24.08.2015 erklärte der Beklagte – unter dem Betreff „Widerruf der Löschungsbewilligung vom 03.06.2015“ – die Anfechtung der Willenserklärung vom 03.06.2015 wegen arglistiger Täuschung, da der Zeuge T entgegen einer Vereinbarung zur Abtragung der Darlehensschuld bislang keine Zahlungen an den Beklagten geleistet habe. Dass sich der Zeuge T nicht an eine etwaige Vereinbarung mit dem Beklagten gehalten haben soll, vermag für sich genommen schon nicht den Vorwurf einer arglistigen Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB zu begründen. Im Rechtsstreit hat der Beklagte hierzu weiter ausgeführt, dass der Zeuge T bei ihm am 02.06.2015 sondiert habe, ob er 60.000 EUR sofort und 40.000 EUR in naher Zukunft zahlen könne unter Stellung einer Sicherheit in Form einer Lebensversicherung. Der Zeuge T habe aber, so trägt der Beklagte weiter vor, weder 60.000 EUR zu seiner Verfügung gehabt, noch sei die Lebensversicherung werthaltig gewesen.

Ein derartiges Nachschieben weiterer tatsächlicher Umstände zur ergänzenden Begründung desselben Anfechtungsgrundes ist grundsätzlich zulässig (s. etwa Wendtland, in: BeckOK BGB, Stand 01.11.2017, § 143 Rn. 5). Allerdings ist dieser Vortrag bestritten worden. Sofern der Beklagte hierfür Beweis angetreten hat durch Vernehmung des Zeugen T, war das Beweisergebnis unergiebig. Der Zeuge T hat bekundet, dass er weder vor noch nach dem Notartermin vom 20.05.2015 mit dem Beklagten über das Darlehen oder die Darlehensabwicklung gesprochen habe. Dies geht zu Lasten des Beklagten, der für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes beweisbelastet ist.

d) Schließlich ist die Vereinbarung zwischen dem Zeugen T und dem Beklagten ebenso wenig wie der Grundstückskaufvertrag vor dem Hintergrund nichtig, dass der Zeuge T, die Kläger und der Streithelfer einen schwerwiegenden Verstoß begangen hätten mit dem Ziel, dem Beklagten zu schädigen. Hierbei handelt es sich um eine Behauptung ins Blaue hinein, substantiierter Vortrag hierzu fehlt. Ferner wurde ein derartiges kollusives Zusammenwirken von Klägerseite bestritten, Beweis hat der Beklagte nicht angetreten. Der Vortrag ist im Übrigen auch nicht plausibel: Der Streithelfer hat ausdrücklich als Fehler eingeräumt, den Grundschuldbrief vernachlässigt zu haben; aufgrund dieses Fehlers liefen die Kläger Gefahr, vom Beklagten aus der Grundschuld in Anspruch genommen zu werden.

e) Der Zeuge T hat den ihm nach den vorhergehenden Ausführungen zustehenden Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe des Grundschuldbriefs mit der auf den 18.07.2016 datierten Abtretungsvereinbarung wirksam gem. § 398 BGB an die Kläger abgetreten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO. Hierbei war zu beachten, dass Haupt- und Hilfsantrag denselben Gegenstand gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG betrafen, weshalb das Unterliegen der Kläger hinsichtlich des Hauptantrags nicht zu einer Kostenquotelung führt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird dem Nennwert des streitgegenständlichen Grundschuldbriefs entsprechend (s. OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 31.03.2003 – 3 W 7/03) auf 100.000 EUR festgesetzt, wobei auch hier § 45 Abs. 1 S. 3 GKG Anwendung findet.

 

 

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