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Grundschuldlöschung – Voraussetzungen unter Berücksichtigung von Abtretungserklärungen

OLG München – Az.: 34 Wx 208/11 – Beschluss vom 19.10.2011

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) – Grundbuchamt – vom 7. April 2011 aufgehoben.

II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die an dem Erbbaurecht im Erbbaugrundbuch von Kempten Bl. 19037 in der Dritten Abteilung unter lfd. Nr. 4 eingetragene Grundschuld zu 44.250 DM zu löschen.

Gründe

I.

An dem Erbbaurecht der Beteiligten ist u. a. seit 29.10.1963 eine Eigentümerbriefgrundschuld zu 44.250 DM bestellt sowie am 2.1.1964 deren Abtretung an ein Kreditinstitut im Grundbuch eingetragen. Soweit noch erheblich beantragte die Beteiligte unter dem 2.3.2011, diese Grundschuld zu löschen. Sie legte dazu neben dem Grundschuldbrief eine notariell beglaubigte Abtretungserklärung des Kreditinstituts an sie vor, außerdem eine weitere Erklärung vom 19.6.1967, nach der sie dieselbe Briefgrundschuld erneut an ein Kreditinstitut abtrat. Diesen Antrag nahm die Beteiligte zurück.

Unter dem 18.3.2011 hat die Beteiligte erneut die Löschung der Grundschuld beantragt. Dabei hat sie die Abtretungserklärung vom 19.6.1967 nicht mehr mit vorgelegt.

Mit Beschluss vom 7.4.2011 hat das Grundbuchamt den Löschungsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, aus der Erklärung vom 19.6.1967 ergebe sich die erneute Abtretung. Nur für den als Gläubiger eines Briefrechts im Grundbuch Eingetragenen oder durch eine Reihe von öffentlich beglaubigten Abtretungserklärungen Ausgewiesenen – unter gleichzeitiger Briefvorlage – gelte die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB. Die Eigentümerin – die Beteiligte – habe weder durch Grundbucheintragung noch durch eine Reihe von öffentlich beglaubigten Abtretungserklärungen ihr Gläubigerrecht nachgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, die sie damit begründet, dass die Existenz der Abtretungserklärung noch nichts darüber aussage, ob eine Abtretung tatsächlich erfolgt sei. Dem Grundbuchamt sei nicht bekannt, ob die genannte Abtretungserklärung an den Zessionar übergeben worden sei. Die Tatsache, dass der Eigentümer im Besitz der Abtretungserklärung sei, spreche nicht dafür. Die Kenntnis des Grundbuchamts von der Existenz weiterer Abtretungserklärungen hindere nicht die Lückenlosigkeit des Nachweises der Abtretungskette. Es entspreche im Übrigen täglicher Bankpraxis, bei Verwendung von Briefgrundschulden anstelle der Rückabtretung lediglich die einst erteilte Abtretungserklärung und den Grundschuldbrief zurückzugeben.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 71 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO zulässig eingelegte Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Beteiligte hat in der Form des § 29 GBO nachgewiesen, dass sie Inhaberin der Briefgrundschuld ist. Die Löschung kann somit auf ihre Bewilligung hin erfolgen (§ 19 GBO). Sie war im Besitz des Grundschuldbriefes, den sie dem Grundbuchamt übergeben hat (vgl. §§ 41, 42 GBO). Die Grundschuld war zwar ursprünglich, wie sich auch aus dem Grundbuch ergibt, an ein Kreditinstitut abgetreten. Die Beteiligte hat aber die notariell beglaubigte Rückabtretungserklärung – die sie formlos annehmen konnte – vorgelegt. Damit spricht für sie die Vermutung des § 891 BGB, die auch für das Grundbuchamt gilt (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 1398; OLG Köln FGPrax 1996, 5).

Das Grundbuchamt hat diese Vermutung seiner Entscheidung zugrunde zu legen, solange sie nicht widerlegt ist (vgl. OLG Köln FGPrax 1996, 5). Es ist im Antragsverfahren zu Ermittlungen weder berechtigt noch verpflichtet (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 1 Rn. 46). Der Antragsteller hat sämtliche zur Eintragung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Darüber hinausgehende Kenntnisse darf das Grundbuchamt nur verwerten, wenn es der sicheren Überzeugung ist, das Grundbuch werde sonst unrichtig. Daran darf das Grundbuchamt nicht sehenden Auges mitwirken (Demharter § 13 Rn. 5 m.w.N.). Die Vermutung des § 891 BGB ist hier nicht widerlegt. Es steht nicht fest, dass durch die beantragte Löschung das Grundbuch unrichtig wird. Die dem Grundbuchamt mit dem vorangegangenen Antrag vorgelegte weitere Abtretungserklärung lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Beteiligte (derzeit) nicht Inhaberin der Grundschuld ist und somit nicht wirksam die Löschung bewilligen kann. Die Briefgrundschuld wird gemäß § 1192 Abs. 1, § 1154 Abs. 1 BGB durch Übergabe des Hypothekenbriefs und Erteilung der Abtretungserklärung in schriftlicher Form übertragen. Es ist nicht bekannt, ob der Brief jemals an das in der Abtretungserklärung vom 19.6.1967 bezeichnete Kreditinstitut übergeben wurde und dass die Abtretungserklärung zugegangen ist und angenommen wurde. Ohne dass es noch darauf ankäme, lässt sich auch – unterstellt, es ist tatsächlich eine Abtretung erfolgt – eine wirksame Rückabtretung nicht ausschließen. Anderes mag gelten, wenn eine andere Person als die bewilligende und im Grundbuch ausgewiesene Berechtigte im Besitz des Briefes wäre und eine Abtretungserklärung an sich vorgelegt hätte (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 1398). So liegt der Fall aber nicht.

Sonstige Hindernisse, die der beantragten Löschung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine Anhörung des in der Abtretungserklärung vom 19.6.1967 genannten Zessionars ist im (einseitigen) Antragsverfahren nicht veranlasst, da er nach dem aktuellen Grundbuchstand von der beantragten Löschung nicht betroffen ist (vgl. Demharter § 1 Rn. 49; siehe auch BGH Rpfleger 2005, 135/136).

 

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