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Grundschuldlöschung bei Gesamtgläubigerschaft

OLG München – Az.: 34 Wx 316/19 – Beschluss vom 04.10.2019

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Dillingen a.d. Donau – Grundbuchamt – vom 28. Januar 2019 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin erwarb durch Zuschlagsbeschluss vom 11.12.2018 im Zwangsversteigerungsverfahren Grundbesitz, ist aber noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Ursprünglich waren die damaligen Eheleute W.H. und B.N. Miteigentümer des Grundstücks zu je 1/2 und als solche auch in Abt. I des Grundbuchs eingetragen, B.N. allerdings unter ihrem Ehenamen B.H. Am 28.10.2015 bestellten sie für die V.-Bank eine Grundschuld ohne Brief, die am 20.3.2016 im Grundbuch in Abt. III unter Nr. 1 eingetragen wurde. Am 12.6.2018 wurde über das Vermögen des W.H. das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Am 21.11.2018 erklärte die V.-Bank den Verzicht auf die Grundschuld, der am 29.11.2018 im Grundbuch eingetragen wurde.

Am 20.12.2018 bewilligte B.N. unter diesem Namen, den sie nach ihrer Scheidung von W.H. wieder angenommen hatte, in ihrer Eigenschaft als bis zum Zuschlag eingetragene Miteigentümerin die Löschung der Grundschuld.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 28.12.2018 hat die Beschwerdeführerin unter Beifügung des Zuschlagsbeschlusses und der Löschungsbewilligung der B.N. die Löschung der Grundschuld in Abt. III Nr. 1 beantragt.

Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 28.1.2019 hat das Grundbuchamt das Fehlen der Zustimmung des ehemaligen Eigentümers W.H. zur Löschung des Rechts in Abt. III Nr. 1, des Nachweises der Namensänderung der B.N. in öffentlich beglaubigter Form und des rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses beanstandet. Zur Begründung hat das Grundbuchamt ausgeführt, durch den Verzicht werde die Grundschuld Eigentümerrecht und durch den Zuschlag wieder Fremdrecht der ehemaligen Eigentümer. Sie gehe nur dann auf den neuen Eigentümer über, wenn der Verzicht nach dem Zuschlag ins Grundbuch eingetragen werde.

Mit Telefax ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 5.2.2019 hat die Beschwerdeführerin gegen die Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung führt sie mit weiterem Telefax vom 6.2.2019 aus, im Grundbuch sei nach wie vor die V.-Bank als ehemalige Grundschuldgläubigerin eingetragen. Die Vermutungsregel des § 891 BGB streite für die Ersteherin, die somit berechtigt sei, die vollständige Löschung zu beantragen. Doch selbst wenn sich die Beschwerdeführerin nicht auf § 891 BGB berufen könnte, sei dem Löschungsbegehren zu entsprechen. Im Falle des Entstehens einer Eigentümergrundschuld seien die Miteigentümer als Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB anzusehen. Deshalb reiche schon die Löschungsbewilligung der B.N. aus.

Mit Schreiben vom 15.2.2019 hat der Beteiligte zu 2 erklärt, mit einer Löschung der Grundschuld bestehe kein Einverständnis, und eine Berichtigung des Grundbuchs dahingehend beantragt, dass die Grundschuld W.H. und B.N. zu je 1/2 zustehe.

Am 19.2.2019 hat die B.N. eine Kopie ihres Personalausweises übersandt, aus dem die Namensänderung hervorgeht.

Mit Beschluss vom 31.5.2019 hat das Grundbuchamt erklärt, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und zur Begründung auf die Zwischenverfügung verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Sie ist als unbeschränkte Beschwerde gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft und wurde ordnungsgemäß nach § 73 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG eingelegt.

b) Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdeberechtigt. Zwar hat nach allgemeiner Meinung der Erwerber eines Grundstücks, solange er noch nicht als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen ist, kein Beschwerderecht gegen die Vornahme oder das Unterlassen von Veränderungen des Grundbuchstands. Denn im Antragsverfahren folgt das Beschwerderecht dem Antragsrecht (BayObLG Rpfleger 1998, 420; Demharter GBO 31. Aufl. § 71 Rn. 63; Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 181). Letzteres steht gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO aber nur dem verlierenden und dem gewinnenden Teil zu. Wer dies wiederum ist, wird im Hinblick auf die Vermutungswirkung des § 891 Abs. 1 BGB regelmäßig an der Buchposition festgemacht (Senat vom 14.1.2016, 34 Wx 383/15 = NJOZ 2017, 726; Hügel/Kramer § 71 Rn. 186). Beim Erwerb in der Zwangsversteigerung kommt es auf die Buchposition allerdings nicht an, weil sich der Eigentumsübergang gemäß § 90 Abs. 1 ZVG ohnehin außerhalb des Grundbuchs vollzieht und es somit der Eintragung des Erwerbers gar nicht bedarf, diese ist lediglich deklaratorischer Natur. Unter Zugrundelegung ihres Vortrags, sie sei Eigentümerin durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung geworden, ist die Beschwerdeführerin folglich antrags- und damit auch beschwerdeberechtigt.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache vorläufig Erfolg.

a) Die Zwischenverfügung ist aus formellen Gründen aufzuheben. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind nur die angenommenen Eintragungshindernisse, nicht die Entscheidung über den Antrag selbst (vgl. BGH FGPrax 2017, 54; 2014, 2; Senat vom 23.5.2019, 34 Wx 255/19 = FGPrax 2019, 164/165; Demharter § 77 Rn. 15). Dabei hat das Beschwerdegericht auch die formellen Voraussetzungen für eine Zwischenverfügung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO zu prüfen (Hügel/Kramer § 77 Rn. 41.1). Eine solche darf nach dieser Bestimmung nur wegen eines grundsätzlich heilbaren Eintragungshindernisses ergehen, wenn der Mangel mit rückwirkender Kraft behoben werden kann. Existiert bereits eine für die Eintragung erforderliche Bewilligung nicht, ist eine Zwischenverfügung folglich unzulässig (BGH FGPrax 2017, 54; 2014, 2; Senat vom 18.3.2019, 34 Wx 120/19 = FGPrax 2019, 159/160; Demharter § 18 Rn. 8; Hügel/Zeiser § 18 Rn. 17). Offensichtlich ist hier eine solche Bewilligung gemeint, auch wenn die Zwischenverfügung den nicht eindeutigen Begriff der Zustimmung verwendet (zur Terminologie vgl. MüKoBGB/Bayreuther 8. Aufl. Vor § 182 Rn. 14). Ausgehend vom Standpunkt des Grundbuchamts, für die Löschung der Grundschuld bedürfe es der Bewilligung auch des W.H., hätte – unabhängig von der Richtigkeit dieser Auffassung – der Antrag daher sofort zurückgewiesen werden müssen (vgl. BGH FGPrax 2017, 54; Hügel/Kramer § 77 Rn. 41.1).

b) Dieser formelle Mangel betrifft die Zwischenverfügung als solche, weshalb sie im Ganzen aufzuheben ist. Daher kann offenbleiben, ob angesichts der Beschwerdebegründung, die ausschließlich die Frage der erforderlichen Bewilligungen behandelt, eine Beschränkung der Anfechtung auf die Beanstandung des Fehlens der Zustimmung des ehemaligen Eigentümers W.H. gewollt war. Eine solche Begrenzung wäre jedenfalls nach den für Rechtsmittelbeschränkungen geltenden Grundsätzen unwirksam (vgl. OLG Hamm NJW 1973, 381/382 zu § 318 Satz 1 StPO).

3. Da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht der Eintragungsantrag selbst ist, ist dem Senat eine eigene Entscheidung in der Sache nicht möglich (vgl. BGH FGPrax 2017, 54). Für das weitere Verfahren wird – insoweit ohne Bindung für das Grundbuchamt – auf Folgendes hingewiesen:

a) Durch die Belastung des Grundstücks mit einer Grundschuld entstand eine Gesamtgrundschuld (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1529; NJW 1989, 831/832; NJW 1961, 1352). Der Verzicht der V.-Bank auf die Grundschuld hatte gemäß § 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1168 Abs. 1 BGB deren Umwandlung in eine Eigentümergrundschuld zur Folge. Diese stand B.N. und W.H. wiederum als Gesamtberechtigten zu (vgl. BGH NJW-RR 1986, 233). Die Vermutung des § 891 BGB greift hier nicht, weil sie dadurch entkräftet ist, dass die Berechtigung der B.N. und des W.H. aus dem Grundbuch selbst erkennbar ist. Bei dieser Berechtigung handelt es sich um einen Fall der Gesamtgläubigerschaft i.S.v. § 428 BGB (vgl. BGH NJW 1959, 984). Die Grundschuld erlosch sodann gemäß § 180 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung nicht, sondern wurde wieder in eine Fremdgrundschuld umgewandelt, die weiterhin B.N. und W.H. zustand (vgl. BGH NJW-RR 1986, 233; Böttcher ZVG 6. Aufl. § 52 Rn. 5). Konsequenz der Gesamtgläubigerschaft ist, dass, wie sich aus § 429 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt, jeder Gläubiger nur zusammen mit den anderen verfügungsbefugt nach § 875 Abs. 1 BGB und damit auch bewilligungsbefugt nach § 19 GBO ist (BGH FGPrax 2017, 54; Demharter § 19 Rn. 44; Palandt/Herrler BGB 78. Aufl. § 875 Rn. 5; ebenso bereits OLG Brandenburg FGPrax 2015, 196; Schöner/Stöber GBR 15. Aufl. Rn. 2734; a.A. – überholt – BayObLG Rpfleger 1996, 21; OLG Zweibrücken FGPrax 2014, 59; Hügel/Holzer § 19 Rn. 77). Somit reicht hier für die Löschung der Grundschuld die Bewilligung durch B.N. nicht aus, vielmehr bedarf es auch der Bewilligung durch W.H. bzw. den Insolvenzverwalter. Die Beschwerdeführerin selbst ist nicht bewilligungsbefugt gemäß § 19 GBO, da sie zwar Eigentümerin des Grundstücks, aber nicht Berechtigte der Grundschuld ist.

b) Der Nachweis der Namensänderung der B.N. bedarf nicht der Form des § 29 GBO. Da die Namensänderung die Identität des Berechtigten unberührt lässt, ist das Grundbuch nicht unrichtig i.S.v. § 22 GBO, so dass diese Bestimmung keine Anwendung findet. Es ist lediglich eine Richtigstellung veranlasst, für die gemäß § 12c Abs. 2 Nr. 4 GBO grundsätzlich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist (BGH Rpfleger 2019, 499/500).

c) Den Nachweis der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses fordert das Grundbuchamt zu Recht, da letztlich nur damit sicher belegt werden kann, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin geworden ist.

III.

Eine Kostenentscheidung war im Hinblick auf § 25 Abs. 1 GNotKG nicht veranlasst, ebensowenig eine Geschäftswertfestsetzung.

 

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