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Grundschuld zur Absicherung der darlehensweisen Gewährung von Sozialhilfe

OLG Hamm – Az.: I-15 W 54/17 – Beschluss vom 30.06.2017

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 2) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 260,61 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I

Die Stadt T als Sozialhilfeträger bewilligte dem Beteiligten zu 1) mit Bescheid vom 24. Februar 2015 die Gewährung von monatlicher Grundsicherung nach SGB XII in Form eines Darlehens gemäß § 91 SGB XII. Die Stadt T erlegte dem Beteiligten zu 1) in dem genannten Bescheid die Verpflichtung auf, zur Sicherung ihres Anspruches auf Rückzahlung des Darlehens eine Grundschuld in Höhe von 66.000,- € auf seinem Grundbesitz, verzeichnet im Grundbuch von E Blatt …, eintragen zu lassen.

Der Beteiligte zu 2) beurkundete am 8. Juni 2016 zu seiner UR-Nr. 134/2016 die Erklärungen des Beteiligten zu 1) zur Bestellung der Grundschuld. Für seine notarielle Tätigkeit stellte er dem Beteiligten zu 1) am 9. Juni 2016 mit seiner Kostenrechnung-Nr. 160/2016 einen Betrag von insgesamt 286,37 € in Rechnung. Neben einer Dokumentenpauschale in Höhe von 1,65 € und der Auslagenpauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,- € enthielt die Rechnung für die Beurkundung der Grundschuld gemäß Nr. 21200 KV GNotKG eine Gebühr in Höhe von 219,- €; dazu kam die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % auf die Summe der vorgenannten Rechnungspositionen.

Die Beteiligten sind darüber uneinig, ob zugunsten des Beteiligten zu 1) die Beurkundung der Grundschuldbestellung gemäß Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG Gebührenfreiheit besteht. Der Beteiligte zu 2) ist der Auffassung, dass eine Gebührenfreiheit wegen des vorhandenen Vermögens des Beteiligten zu 1) und aufgrund der nur darlehensweise erfolgten Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe nicht in Betracht komme.

Der Beteiligte zu 1) hat gegenüber der Kostenrechnung vom 9. Juni 2016 beim Landgericht Bochum Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Zivilkammer des Landgerichts hat nach Einholung einer Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts und nach persönlicher Anhörung der Beteiligten die Kostenberechnung vom 9. Juni 2016 teilweise abändernd neu in der Weise gefasst, dass wegen des Vorliegens der Voraussetzungen der Gebührenfreiheit keine Beurkundungsgebühr nebst Umsatzsteuer anfällt, sondern nur die berechneten Pauschalen nebst Umsatzsteuer, insgesamt 25,76 €. Die Kammer hat sich in der Begründung des Beschlusses maßgeblich den Erwägungen des Senats im Beschluss vom 22. Juli 2003 angeschlossen (15 W 58/03, veröffentlicht u.a. in FGPrax 2003, 286).

Der Beteiligte zu 2) legt gegen diesen Beschluss Beschwerde ein mit dem Ziel der Aufrechterhaltung des Ansatzes der Beurkundungsgebühr. Er wiederholt, ergänzt und vertieft seine Ausführungen dazu, warum seiner Ansicht nach die Voraussetzungen einer Gebührenfreiheit nicht vorliegen und warum eine Gebührenfreiheit auch nicht angemessen wäre. Er vertritt die Auffassung, dass der vorliegende Sachverhalt und der dem Senatsbeschluss vom 22. Juli 2003 zugrunde liegende Sachverhalt in mehrfacher Hinsicht in erheblicher Weise unterschiedlich seien.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) bleibt ohne Erfolg.

Sie ist zwar zulässig, weil sie gemäß § 129 Abs. 1 GNotKG statthaft und nach § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit den §§ 63 Abs. 1 und 3, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden ist.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss zu Recht die verfahrensgegenständliche Kostenberechnung in der Weise abgeändert, dass die Gebühr für die Beurkundung der Grundschuldbestellung nebst anteilig hierauf entfallender Umsatzsteuer entfällt. Die Voraussetzungen der Gebührenfreiheit gemäß Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG liegen im Hinblick auf die Beurkundungstätigkeit des Beteiligten zu 2) vom 8. Juni 2016 vor. Das Landgericht ist mit zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ansatz der Beurkundungsgebühr zu Unrecht erfolgt ist.

Die Beurkundung der Grundschuldbestellung fällt unter den Befreiungstatbestand von Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG i.V.m. § 64 Abs. 2 S.3 Nr.2 SGB X.

Nach seinem Wortlaut erfasst der in Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.1 KV GNotKG zitierte § 64 Abs. 2 S.3 Nr.2 SGB X u.a. alle Beurkundungen oder Beglaubigungen, die aus Anlass der Erbringung einer der aufgezählten Leistungen nach den Vorschriften u.a. des SGB XII benötigt werden. Unter dem Begriff der Erbringung von Leistungen fällt die Gewährung von Leistungen des Trägers der Sozialhilfe auch dann, wenn sie – wie vorliegend – gemäß §§ 90, 91 SGB XII wegen zwar vorhandenen, aber aktuell nicht bzw. noch nicht einzusetzenden Vermögens des Leistungsempfängers nur darlehensweise gewährt wird. Es handelt sich um eine gesetzlich vorgesehene Form der staatlichen Hilfegewährung (vgl. nur Hohm in: Schellhorn, Hohm, Schneider, SGB XII, 19. Auflage, § 91 Rn. 1; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage, § 91 Rn. 1) in speziellen Fällen der Hilfebedürftigkeit (vgl. Hohm, a.a.O., Rn. 3.2).

Werden – wie vorliegend – Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII darlehensweise gewährt und wird zur Absicherung des Rückzahlungsanspruchs aus der Darlehensgewährung eine Grundschuldbestellung verlangt, liegt daher ein vom Wortlaut des § 64 Abs. 2 S.3 Nr.2 SGB X erfasster Fall vor. Denn die Beurkundung wird dann aus Anlass der Erbringung der Sozialleistung benötigt.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung dazu, Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG i.V.m. § 64 Abs. 2 S.3 Nr.2 SGB X in einer Weise einschränkend auszulegen, dass entgegen dem Wortlaut die Gebührenfreiheit nicht eintritt.

Die Vorschrift Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG stellt angesichts ihrer systematischen Stellung zwar eine Ausnahmevorschrift dar. Für notarielle Amtstätigkeiten fallen grundsätzlich die gesetzlich vorgeschriebenen Kosten in Form von Gebühren und Auslagen an, vgl. § 1 Abs. 1 GNotKG. Der Grundsatz des Anfalls der gesetzlich vorgesehenen Gebühren wird zudem durch die Amtspflicht des Notars zur Gebührenerhebung gemäß § 17 Abs. 1 BNotO unterstrichen. Die gesetzlich vorgesehenen Gebühren fallen für eine notarielle Tätigkeit grundsätzlich auch dann an, wenn eine entsprechende behördliche Tätigkeit gebührenfrei wäre, vgl. Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.1 KV GNotKG. Ausschließlich in den Fällen der Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG ist die Tätigkeit des Notars gebührenfrei.

Der Charakter als Ausnahmevorschrift hat zwar nach den allgemeinen juristischen Auslegungsregeln zur Folge, dass eine erweiternde Auslegung über den Wortlaut hinaus grundsätzlich nicht erfolgt. Er bedeutet aber keineswegs, dass der Wortlaut von vornherein einschränkend zu verstehen ist. Zudem hat der Gesetzgeber mit Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG wortgleich die bereits seit dem 15. Juni 1989 bestehende Vorgängervorschrift des § 143 Abs. 2 S.2 KostO übernommen. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die inhaltlich unveränderte Vorschrift der Sache nach ohne Änderung und in dem durch den Wortlaut erfassten Anwendungsbereich bestätigen wollte. Im Hinblick auf die Vorgängervorschrift des § 143 Abs. 2 KostO hat der Senat in seinem Beschluss vom 22. Juli 2003 (15 W 58/03) folgendes ausgeführt:

„Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Gebührenfreiheit anlässlich der Reform durch Gesetz vom 15.06.1989 (BGBl. I S.1082) dahingehend beschränkt hat, dass die Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern, die durch den ursprünglich in § 144 KostO enthaltene pauschalen Verweis auf § 64 Abs. 2 SGB-X miterfasst war, in der Neufassung des § 143 Abs. 2 KostO von der Kostenfreiheit ausdrücklich ausgenommen wurde. Ausweislich der Regierungsbegründung zu jener Gesetzesänderung (vgl. Rohs/Wedewer, aaO Rdn.1b) sollte hiermit der kritischen Anmerkung in der o.a. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.05.1985 Rechnung getragen werden. Hat der Gesetzgeber aber die Problematik der weiten Fassung der Gebührenbefreiung gesehen, eine Einschränkung aber gleichwohl nur hinsichtlich der Kostenerstattung zwischen Leistungsträgern vorgenommen, so ist für weitergehende Einschränkung im Wege der Auslegung kein Raum.“

Diese Erwägungen, an denen der Senat festhält, werden durch die wortgleiche Übernahme der Vorschrift des § 143 Abs. 2 S.2 KostO in das GNotKG zusätzlich untermauert.

Auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten und der wirtschaftlichen Gegebenheiten besteht keine Veranlassung zu einer einschränkenden Auslegung. In Ergänzung zu den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts in dem angegriffenen Beschluss besteht unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Beteiligten zu 2) lediglich Anlass zu folgenden Ausführungen:

Auch im Fall einer darlehensweisen Gewährung von Sozialhilfe gemäß § 91 SGB XII besteht zwischen dem Träger der Sozialleistung und dem Leistungsempfänger ein subordinationsrechtliches Verhältnis des öffentlichen Rechts (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage, § 91 Rn. 11). Der dem Verwaltungsrecht unterfallende Vorgang stellt gerade keinen Darlehensvertrag im privatrechtlichen Sinn dar (Grube/Wahrendorf, a.a.O.). Der Träger der Sozialhilfe ist im Falle des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen in der Regel aufgrund der gesetzlichen Vorschriften zur Gewährung der Sozialleistung verpflichtet (vgl. Hohm in: Schellhorn, Hohm, Schneider, SGB XII, 19. Auflage, § 91 Rn.13); es besteht – anders als im Privatrecht – keine freie, der autonomen und individuellen Entscheidung des Einzelnen unterliegende Wahlmöglichkeit, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen und mit welchen inhaltlichen Abreden ein Darlehensvertrag abgeschlossen wird. Die nur darlehensweise Bewilligung einer Leistung der Sozialhilfe dient zudem – grundlegend abweichend von dem vom Beteiligten zu 2) herangezogenen Fall eines Darlehensvertrages zwischen einem Geldinstitut und einem Bankkunden – nicht der Erzielung eines finanziellen Gewinns des Darlehensgebers durch Zinsansprüche, sondern erfolgt in Erfüllung der den Trägern der Sozialhilfe gesetzlich obliegenden Aufgaben der Existenzsicherung des einzelnen, unterstützungsbedürftigen Bürgers. Eine Anordnung der Verzinsung des Darlehens ist angesichts dieses Zwecks der Gewährung der Sozialleistung in verwaltungsrechtskonformer Weise nur im Ausnahmefall – und nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung – möglich (vgl. Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rn.16; Hohm, a.a.O., Rn. 17).

Es besteht auch kein Grund für eine verfassungskonform-einschränkende Auslegung. Die – dem § 143 Abs. 2 S.2 KostO wortgleiche – Vorschrift der Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG trägt den Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 14. Mai 1985 (BVerfGE 69, 373) gegenüber dem weiter gefassten § 144 KostO a.F. geäußert hatte, Rechnung. Das diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Ausgangsverfahren betraf im Übrigen ebenfalls eine notarielle Gebühr wegen der Notwendigkeit der grundbuchlichen Absicherung des Rückzahlungsanspruchs aufgrund einer darlehensweise gewährten Sozialleistung.

Der in der Gebührenbefreiung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit der Notare (Art.12 GG) ist durch den Zweck der Vorschrift, also die Entlastung der Sozialleistungsträger bei der Rechtsverfolgung sowie den Schutz sozial schwacher Betroffener als hinreichenden Gemeinwohlbelangen grundsätzlich gerechtfertigt (BVerfGE a.a.O.). Verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ergeben sich auch in Fällen eines Rückforderungsanspruches bei darlehensweiser Leistungsgewährung nicht. Auch hier kommt der vom Bundesverfassungsgericht herausgestellte Umstand zum Tragen, dass die Gebührenfreiheit die Notare allenfalls unwesentlich belastet, da die in Betracht kommenden notariellen Geschäfte sowie die regelmäßig vorkommenden Gegenstandswerte ohnehin kein erhebliches Gebührenaufkommen erwarten lassen. Schließlich ist mit den insoweit anfallenden Geschäften – zumeist wohl Grundschuldbestellungen – bei Betrachtung des Durchschnitts aller Fälle weder ein erheblicher Aufwand noch ein erhebliches Haftungsrisiko verbunden. Dass im konkreten Einzelfall gegebenenfalls ein etwas erhöhter Arbeitsaufwand im Notariat anfallen mag und dass zudem im konkreten Einzelfall die wegen der Gebührenfreiheit entfallende Gebühr im einzelnen Notariat nicht ganz unwesentlich sein mag, rechtfertigt angesichts der angesprochenen Belange des Gemeinwohls keine abweichende Bewertung. Dem Gesetzgeber des § 143 Abs. 2 S.2 KostO und der Vorbemerkung 2 Abs. 2 S.2 KV GNotKG war sowohl die Existenz auch kleinerer Notariate mit relativ geringem Gebührenaufkommen als auch die grundsätzlich fehlende Möglichkeit der Ablehnung von Beurkundungsaufträgen, vgl. § 15 Abs. 1 S.1 BNotO, bekannt.

Der vom Landgericht aufrecht erhaltene Ansatz der Auslagenpauschale nach KV Nr. 32005 GNotKG, der nach Aufhebung des Ansatzes der Beurkundungsgebühr rechtlich nicht unbedenklich ist, wird von dem Beteiligten zu 1) nicht mit einem eigenen Rechtsmittel angegriffen und kann deshalb vom Senat sachlich nicht überprüft werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens besteht keine Veranlassung, weil der Beteiligte zu 1) sich nicht mit eigenem Vorbringen am Beschwerdeverfahren beteiligt hat.

Die Wertfestsetzung mit 260,61 € ergibt sich aus der Höhe der Gebühr von 219,- € für die Beurkundungstätigkeit, die der Beteiligte zu 2) berechnen will, zuzüglich anteilig hierauf entfallender Umsatzsteuer.

Die Voraussetzungen der §§ 130 Abs. 3 S.1, 70 Abs. 2 S.1 FamFG für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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