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Grunddienstbarkeit – Voraussetzungen der Löschung eines Grenzbebauungsrechts

OLG München – Az.: 34 Wx 281/12 – Beschluss vom 21.12.2012

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 13. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Im Grundbuch ist für (u.a.) FlSt. 1141/2 (A.-Weg 18) in der Zweiten Abteilung ein sogenanntes Grenzbebauungsrecht für den jeweiligen Eigentümer von FlSt 1141/3 gemäß Bewilligungen vom 23.3.1979/17.9.1980 eingetragen. Diese Bewilligungen wurden im Rahmen eines Erbauseinandersetzungsvertrags abgegeben, mit dem die beiden Miterben das Erblassergrundstück in Teilflächen aufteilten und sich jeweils zu Eigentum zuwiesen. Die wechselseitigen, das gegenständliche Recht betreffenden Bewilligungen lauten folgendermaßen:

Die Vertragsschließenden verpflichten sich, mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der auseinandergesetzten Teilflächen gegenüber dem jeweiligen Eigentümer der jeweils östlich bzw. westlich an eine jede einzelne Teilfläche angrenzenden anderen Teilfläche, die Grenzbebauung durch den Eigentümer dieser jeweils anderen Teilfläche zu gestatten, soweit eine solche baurechtlich mit seiner Zustimmung zulässig ist.

Zwischen dem Grundstück FlSt 1141/2 (A.-Weg 18) und (u.a.) den Grundstücken FlSt 1141/3 sowie 1141/9 (gebildet aus FlSt 1141/3 alt mit einer Zuwegfläche FlSt 1141/11) befindet sich das aufgrund Veränderungsnachweises 655 nach Zerlegung neu gebildete und ca. 13,5 m breite Grundstück FlSt 1141/6 (A.-Weg 20). Im Zusammenhang mit einer Grundschuldbestellung an FlSt 1141/2 hat der beurkundende Notar im Dezember 2011 für den Eigentümer dieses Grundstücks, den Beteiligten zu 1, den Antrag gestellt, das Grenzbebauungsrecht zu löschen.

Mit Beschluss vom 13.7.2012 hat das Grundbuchamt den Löschungsantrag zurückgewiesen. Es hat nach Anhörung der Berechtigten, teils unter Bezugnahme auf frühere Korrespondenz, ausgeführt, dass Abstandsflächen neu geregelt werden könnten und unter Nachbargrundstücke im Sinne der Bayerischen Bauordnung (BayBO) auch Grundstücke fielen, die nur in der Nähe des Baugrundstücks lägen. Deshalb könne die Dienstbarkeit für künftige Bauvorhaben noch Bedeutung erlangen. Abstandsflächen seien von der Gebäudehöhe abhängig, künftige Bebauungen seien nicht abschätzbar. Aufgrund der Weite der Dienstbarkeit ohne Festlegung auf eine bestimmte Bebauung und bestimmte Abstandsflächen könne eine Löschung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises nicht stattfinden.

Hiergegen richtet sich die auf vorausgegangenen Vortrag Bezug nehmende Beschwerde des beurkundenden Notars, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Die vom Senat abermals angehörten Berechtigten der Dienstbarkeit, die Beteiligten zu 2 bis 5, haben der Löschung widersprochen.

II.

Gegen die zurückweisende Entscheidung des Grundbuchamts ist die Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO zum Oberlandesgericht (§ 72 GBO) gegeben, die formgerecht eingelegt wurde und auch im Übrigen zulässig ist (siehe § 73 GBO, § 15 Abs. 2 GBO).

Das Rechtsmittel erweist sich als nicht begründet. An FlSt 1141/2 als Teilfläche des ursprünglich belasteten Gesamtgrundstücks besteht die eingetragene Dienstbarkeit fort, weil sich ihr Ausübungsbereich hierauf erstreckt (vgl. § 1026 BGB). Eine Löschung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 Abs. 1 GBO) kommt nicht in Betracht.

1. Nach § 1018 BGB kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt. Mit der nach wie vor zulässigen Übernahme einer sogenannten – dinglichen – Grenzbebauungsgestattungsverpflichtung oder Abstandsflächendienstbarkeit (vgl. Koch/ Molodowsky BayBO 90. AL – August 2009 – Art. 6 Rn. 100; Mayer BayVBl 1995, 257) begibt sich der Eigentümer des belasteten Grundstücks in privatrechtlicher Form des Rechts, auf einer bestimmten Fläche seines Grundstücks zu bauen, weil mit ihr auch die Übernahme von Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO verbunden ist. Er erklärt sich damit bereit, eine Grenzbebauung unabhängig von öffentlich-rechtlichen Vorgaben zuzulassen. Damit kann sich die wechselseitige Pflicht verbinden, gegebenenfalls Abstandsflächen zu übernehmen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO). Dass die Verpflichtung, die Grenzbebauung zu gestatten, auch die Abstandsflächenübernahme zum Gegenstand hat, nämlich für den Fall, dass der Verpflichtete nicht anbaut, stellt auch der Beteiligte zu 1 nicht in Abrede.

2. Die gegenständliche Grunddienstbarkeit hat einen weit gefassten Inhalt. Sie ist insbesondere nicht auf eine bestimmte Bebauung oder gar auf ein bestimmtes Bauvorhaben beschränkt, wofür auch keine Vermutung spricht (vgl. Koch/Molodowsky aaO.). Vielmehr gelten insoweit die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des Grundbuchrechts, d.h. es kommt auf Wortlaut und Sinn der Erklärung an, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (etwa BGHZ 113, 374/378; Demharter GBO 28. Aufl. § 19 Rn. 28 m.w.N.). Hiernach ergibt die nächstliegende Bedeutung, dass der Inhalt der gegenständlichen Dienstbarkeit nicht begrenzt ist durch die derzeitigen baulichen wie baurechtlichen Gegebenheiten vor Ort, zumal diese im maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtsbestellung (1979/1980) – damals war das ursprünglich ungeteilte Grundstück von ca. 0,86 ha noch am Ortsrand gelegenes Grünland bzw. Acker – nicht ohne weiteres absehbar waren. Vor allem enthält die Bestellung auch keinen Hinweis auf ein Recht des Eigentümers des dienenden Grundstücks, unmittelbar an eine Grenzbebauung anzubauen (siehe etwa OLG Düsseldorf vom 19.4.2012, 9 U 244/09, bei juris). Die Dienstbarkeit erlischt an der Teilfläche deshalb nicht schon durch die derzeit fehlende gemeinschaftliche Grenze zwischen FlSt 1141/2 einerseits und FlSt 1141/3 und 1141/9 andererseits. Die Grenzbebauung auf dem begünstigten Grundstück sollte im Verhältnis zur den belasteten Fläche vielmehr auf Dauer und bauplanungsrechtlich unabhängig privatrechtlich abgesichert werden.

3. Die derzeitigen tatsächlichen Verhältnisse bezüglich Lage der neu gebildeten Grundstücke zueinander und deren tatsächlich und rechtlich mögliche Bebauung beweisen mit den dem Grundbuchamt zur Verfügung stehenden Mitteln nicht, dass die Dienstbarkeit nach § 1026 BGB auf der Teilfläche erloschen ist.

a) Zwar ist es denkbar, nach dem Rechtsinhalt der Dienstbarkeit oder aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung einen Ausübungsbereich festzulegen mit der Folge, dass der Berechtigte dauernd rechtlich – nicht nur tatsächlich – gehindert ist, bestimmte Teile des belasteten Grundstücks zu nutzen (siehe BGH NJW 2002, 3021/3023). Zwischen der gegenständlichen – noch mitbelasteten – Grundfläche und den herrschenden Grundstücken befindet sich aufgrund Veränderungsnachweises 655 vom 11.3.1998 das an die begünstigten Grundstücke unmittelbar angrenzende – mitbelastete – Grundstück FlSt 1141/6 mit einer Breite von ca. 13,5 m. Die ehemaligen Flurstücke 1141/2 und 1141/3 liegen im Bereich eines seit 1996 in Kraft befindlichen gemeindlichen Bebauungsplans, der Einzel- und Doppelhäuser als zulässig ausweist. Die maximale Wandhöhe beträgt 4,20 m, die Dachneigung 28° – 32° bei 10 m x 13 m Bauräumen und einem Vollgeschoss als Höchstgrenze. Bebauungspläne sind jedoch änderbar. Tatsächlich mag es fernliegend erscheinen, dass das Abstandsflächengebot – je nach Baukörper – durch die privatrechtlich gestattete Grenzbebauung zukünftig auf der belasteten Grundstücksfläche FlSt 1141/2 – anders als auf dem westlich angrenzenden Nachbargrundstück FlSt 1141/6 – noch zum Tragen kommt. Denn dies würde Baukörper in einer Größe voraussetzen, die nach den derzeitigen Gegebenheiten an dieser Örtlichkeit nicht vorstellbar sind. Jedoch kommt es nicht (nur) auf die tatsächliche, sondern auf eine dauernde rechtliche Hinderung an, die Dienstbarkeit auf FlSt 1141/2 auszuüben, was sich aus dem Rechtsinhalt der Dienstbarkeit ergeben muss. Das kann aber für den hier flächenmäßig unbegrenzten Bereich der Abstandsflächenübernahme nicht bejaht werden.

b) Nach herrschender Meinung (siehe Staudinger/Jörg Mayer BGB Bearb. November 2008 § 1026 Rn. 6 m.w.N.) kommt es zu einer auch rechtlichen Beschränkung des Ausübungsbereichs, wenn die Ausübung an dem in Frage stehenden Grundstücksteil dauernd unmöglich ist. In der Literatur (vgl. dazu Grziwotz EWiR 2002, 949/950) werden als Beispiele etwa das Recht zur Anlegung eines Bootsstegs an einem Weiher, der sich auf einer Teilfläche befindet, aber auch – in allgemeiner Form – eine Abstandsflächenübernahme erwähnt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass in bestimmten Konstellationen eine dauernde Unmöglichkeit auch mit den beschränkten Mitteln des Grundbuchrechts zweifelsfrei feststellbar ist, etwa wenn der abgetrennte Grundstücksteil von seiner Lage her die Abstandsflächen nicht übernehmen könnte, weil er etwa nicht auf derselben Achse wie das Herrschgrundstück liegt. Eine in diesem Sinn bestehende Unmöglichkeit ist für die gegenständliche, weiterhin auf selber Höhe wie die Herrschgrundstücke liegende Grundfläche aber nicht zu bejahen.

2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 84 FamFG. Hiernach ist der Beteiligte zu 1 als Unterlegener verpflichtet, die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Es erscheint hingegen nicht angemessen, eine Kostenerstattung unter den Beteiligten anzuordnen.

Geschäftswert: § 131 Abs. 3 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 78 Abs. 2 GBO), sind nicht gegeben.

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