LG Flensburg – Az.: 7 O 45/11 – Urteil vom 12.07.2012
Der Beklagte wird verurteilt als Eigentümer des Flurstücks 305, Flur N53 der Gemarkung F. und als Eigentümer des Flurstücks 168, Flur N53 der Gemarkung F. entsprechend den in dem notariellen Kaufvertrag vom 07.07.1997 des Notars S., Urkundenrolle Nr. xxx/xxx, unter § 1 Nr. 1.4 bestellten Dienstbarkeiten (Wege- und Leitungsrecht) zugunsten des Klägers zwecks Bebauung der Flurstücke 445 und 446 der Flur N53 eine Baulast zu bestellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zustimmung zur Eintragung einer Baulast.
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn.
Der Beklagte ist Eigentümer der Flurstücke 305 und 168 der Flur N53, Gemarkung F.. Mit notariellem Kaufvertrag vom 07.07.1997 (Urkunden-Nr. xxx/xxx des Notars J. S.) erwarb der Beklagte die vorgenannten Grundstücke.
§ 1 Ziffer 1.4 des Grundstückskaufvertrages von 07.07.1997 enthält folgende Verpflichtung des Beklagten:
Der Käufer räumt dem jeweiligen Eigentümer der unter 1.2 genannten Grundstücke ein Wegerecht zum Begehen und Befahren zu Lasten des Kaufgegenstandes ein. Der Verlauf des Wegerechtes ist in anliegender Flurkartenabzeichnung rot umrandet. Das Wegerecht umfasst auch die Befugnis, dort alle Ver- und Entsorgungsleistungen zu verlegen und zu unterhalten, die zur Ver- und Entsorgung eines Zweifamilienwohnhauses üblich sind. Die Parteien bewilligen und beantragen die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit (Wege- und Leitungsrecht) zu Lasten des Kaufgegenstandes.
Der Kläger erwarb mit notariellem Grundstückskaufvertrag (Nr. 219 der Urkundenrolle für 2010 des Notars W. P.) Eigentum an den Flurstücken 298, 445 und 446 der Flur 53, Gemarkung F..
Die Flurstücke 445 und 446 entsprechen nach erfolgter Teilung dem vormaligen Flurstück 299.
Nachdem der Kläger bei der Stadt F. Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung gestellt hatte, teilte die Stadt F. mit Schreiben vom 18.02.2011 mit, dass eine Baugenehmigung von der Eintragung einer Baulast abhängig sei, da das Grundstück des Klägers mangels Zuwegung von der öffentlichen Straße (S. Straße) als noch nicht erschlossen gilt.
Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte sei zur Bestellung einer Baulast verpflichtet, da die Eintragung der Baulast für die Bebauung seines Grundstückes zwingende Voraussetzung sei. Die Stadt F. werde ihm im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Baugenehmigung nur dann erteilten, wenn die Zuwegung von der S. Straße öffentlich rechtlich gesichert sei. Einzige Möglichkeit hierfür sei eine Baulastbestellung zu Lasten des Grundstücks des Beklagten.
Inhalt und Umfang der vom Kläger geforderten Baulast würden der zu Lasten des Beklagten bestehenden Dienstbarkeit entsprechen.
Die Verpflichtung des Beklagten zur Bestellung einer Baulast ergebe sich als Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien durch die Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis.
Darüber hinaus begehrt der Kläger die ihm entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten sowie Zinsen auf Gerichtskostenvorschüsse.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, als Eigentümer des Flurstücks 305, Flur N53 der Gemarkung F. und als Eigentümer des Flurstücks 168, Flur N53 der Gemarkung F. entsprechend den in dem notariellen Kaufvertrag vom 07.07.1997 des Notars S., Urkundenrolle Nr. xxx/xxx, unter § 1 Nr. 1.4 bestellten Dienstbarkeiten (Wege- und Leitungsrecht) zugunsten des Klägers zwecks Bebauung der Flurstücke 445, 446 der Flur N53 eine Baulast zu bestellen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 899,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellen zu zahlen;
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Zinsen zu zahlen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf sämtliche durch den Kläger eingezahlten Gerichtskostenvorschüsse und Auslagen, Vorschüsse gemäß §§ 12, 17 i. V. m. § 34 GKG ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Einzahlung bis zum Tag vor Eingang des Festsetzungsantrages gemäß § 104 ZPO oder im Falle de § 105 Abs. 3 ZPO bis einen Tag vor Verkündung des Urteils oder bis einen Tag vor Eingang der erfolgten Rückzahlung solcher Vorschüsse durch das Gericht.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass eine Grunddienstbarkeit dem Berechtigten nicht ohne weiteres das Recht gebe, vom Grundstückseigentümer die Bewilligung einer entsprechenden öffentlich rechtlichen Baulast zu verlangen.
Nicht zutreffend sei, dass die Stadt F. dem Kläger die Baugenehmigung nur dann erteilen werde, wenn die Zuwegung über sein Grundstück öffentlich rechtlich gesichert sei.
Eine alternative Grundstückszufahrt zum Grundstück des Klägers sei möglich, sowohl über die S.-koppel als auch parallel zum Grundstück des Beklagten entsprechend der Skizze Blatt 70 d. A., auf die inhaltlich Bezug genommen werde.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei es dem Kläger zumutbar, einen Befreiungsantrag vom Bebauungsplan 27 zu stellen oder eine Änderung des Bebauungsplanes zu erwirken.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den wesentlichen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 02.02.2012, Blatt 93 d. A.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 21.06.2012, Blatt 106 bis 113 d. A..
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg soweit der Kläger von dem Beklagten die Zustimmung zur Eintragung einer Baulast begehrt.
Die Verpflichtung des Beklagten, die vom Kläger verlangte Baulasterklärung abzugeben, ergibt sich als Nebenpflicht aus den durch die Grunddienstbarkeit geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnissen.
Zwar gibt eine Grunddienstbarkeit dem Berechtigten nicht ohne weiteres das Recht vom Grundstückseigentümer die Bewilligung einer entsprechenden öffentlich rechtlichen Baulast zu verlangen, doch stellt sich die Verweigerung der Abgabe der Baulasterklärung unter bestimmten Voraussetzungen als rechtsmißbräuchlich dar.
Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Voraussetzung für die Begründetheit des Anspruchs auf Erteilung einer Baulast ist, dass eine beiderseitige Interessenabwägung einen Vorrang des Klägers ergibt. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, das Grundstück des Klägers baulich zu nutzen, ob die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks ist, ob eine Befreiung vom Baulastzwang in Betracht kommt, ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Anlass bestand, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen und schließlich, ob Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen ( BGH NJW-RR 1992,1484 )
Zur Überzeugung der Kammer sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, so dass eine Abwägung der Interessen des Klägers und des Beklagten im Ergebnis dazu führt, dass der Kläger dem Beklagten gegenüber einen Anspruch auf Bestellung einer öffentlich rechtlichen Baulast hat.
In dem notariellen Kaufvertrag vom 07.07.1997 heißt es unter § 1 Nr. 1.4, Satz 3:
Das Wegerecht umfasst auch die Befugnis, dort alle Ver- und Entsorgungsleitungen zu verlegen und zu unterhalten, die zur Ver- und Entsorgung eines Zweifamilienwohnhauses üblich sind.
Dieser Regelung ist bereits nach dem Wortlaut zu entnehmen, dass die Bestellung des Wegerechtes gerade auch einer etwaigen späteren Bebauung des benachbarten Grundstückes dienen sollte.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer zudem zu der Überzeugung gelangt, dass die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstückes ist und dass eine Befreiung vom Baulastzwang nicht in Betracht kommt.
Zum einen ergibt sich aus dem Schreiben der Stadt F. vom 18.02.2011, dass die Baugenehmigung von der Eintragung einer Baulast abhängig gemacht wurde, da das klägerische Grundstück mangels Zuwegung von der öffentlichen Straße (S. Straße) als noch nicht erschlossen gilt.
Zum anderen hat die Beweisaufnahme die Behauptung des insoweit beweisbelasteten Beklagten, es sei eine alternative Grundstückszufahrt zum Grundstück des Klägers möglich, nicht bestätigt.
Der Zeugen F., der bei der Stadt F. für den Bereich Planungsrecht zuständig ist, hat ausgeschlossen, dass eine Zuwegung über die S.-koppel möglich ist. Der Bereich der unmittelbaren Zuwegung der S.-koppel zum Fuß- und Radweg zwischen S. Straße und F.-straße sei für eine Zuwegung grundsätzlich nicht geeignet, da er nur eine Breite von maximal 3 m habe. Zudem münde die S.-koppel ein in den Fuß- und Radfahrweg, so dass schon planungsrechtlich eine Zuwegung für Kraftfahrzeuge nicht möglich sei. Würde man in diesem Bereich den Verkehr durch Kraftfahrzeuge zulassen, würde eine Gefährdungssituation für Fußgänger und Radfahrer eintreten. Selbst wenn planungsrechtlich eine Zuwegung zulässig wäre, würde eine Zuwegung daran scheitern, dass ein Knick betroffen wäre.
Der Zeuge F. hat weiter bekundet, dass ein Befreiungsantrag keinen Erfolg haben würde, da ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliege und zudem ein Befahr- und Leitungsrecht zugunsten des Klägers bestehe.
Auch in Bezug auf die Zuwegung parallel zum Grundstück des Beklagten hat der Zeuge F. bekundet, dass kein Anlass bestehe, eine Befreiung vom Bebauungsplan zu erteilen. Zum einen würde die Zuwegung über das Grundstück eines dritten Eigentümers führen, der seinerseits einer Baulast zustimmen müsse. Zum anderen gebe es auch insoweit für eine Änderung des Bebauungsplanes kein städtebauliches Erfordernis, da zugunsten des Klägers ein Wege- und Leitungsrecht bestehe.
Auch der Zeuge M., der vor seinem Ruhestand im Bauordnungsamt der Stadt F. tätig war, hat bekundet, dass die von dem Beklagten behaupteten alternativen Zuwegungen über einen Befreiungsantrag nicht mit Erfolg verfolgt werden könnten. Da eine alternative Zuwegung nur über eine Änderung des Bebauungsplanes möglich sei, habe er bei der Versagung der Baugenehmigung für den Kläger die Auffassung vertreten, dass eine öffentlich rechtliche Baulast nötig sei, da zugunsten des Klägers ein Befahr- und Leitungsrecht bestehe.
Demnach steht fest, dass der aus der Grunddienstbarkeit berechtigte Kläger nur und ausschließlich wegen der fehlenden Baulast die beantragte Baugenehmigung nicht erhalten kann. Nach den Aussagen der Zeugen F. und M. besteht auch nicht die begründet erscheinende Möglichkeit, dass die Baugenehmigung unter Gewährung eines Dispenses erlangt werden kann. Sowohl der Zeuge F. als auch der Zeuge M. haben bekundet, dass die Voraussetzungen für eine Dispenserteilung nicht gegeben seien.
Allenfalls über die vollständige Änderung des Bebauungsplanes sei eine Änderung des bestehenden Rechtszustandes zu erreichen.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zugunsten des Klägers festzustellen, dass diesem das Hinwirken auf die Änderung eines Bebauungsplanes nicht zuzumuten ist, zumal die Erfolgsaussichten nach den Aussagen der Zeugen F. und M. nicht erfolgversprechend sind. Beide Zeugen haben darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für eine Änderung des Bebauungsplanes ein städtebauliches Erfordernis sei. Da vorliegend ein Befahr- und Leitungsrecht des Klägers bestehe, sei das städtebauliche Erfordernis im Hinblick auf eine Änderung des Bebauungsplanes nicht zu erkennen.
Bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit bestand für den Beklagten auch noch kein Anlass, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen. Insbesondere aus dem Grundstückskaufvertrag vom 07.07.1997 ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass keine Baulast bewilligt werden sollte. Eine Baulastnotwendigkeit war offensichtlich zum Zeitpunkt der Bewilligung des Wegerechtes nicht gegeben. Diese ergab sich erst im Zuge des Bauantragsverfahrens des Klägers aufgrund des Schreibens der Stadt F. vom 18.02.2011.
Schließlich entsprechen auch Inhalt und Umfang der vom Kläger geforderten Baulast der Dienstbarkeit. Insoweit hat der Kläger zugesichert, den Weg lediglich in dem Umfang des Wegerechts zu nutzen.
Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugs ist nicht begründet. Der Kläger hat die Voraussetzungen des Verzugs nicht schlüssig dargetan. Nach dem Vortrag des Klägers ist der Beklagte erstmalig mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.03.2011 unter Fristsetzung aufgefordert worden, die Baulast bei der unteren Bauaufsichtsbehörde einzuräumen.
Ein Zinsanspruch auf die Gerichtskostenvorschüsse ist ebenfalls unbegründet.
Zwar könne vorfinanzierte Gerichtskosten grundsätzlich als Schadensersatz geltend gemacht werden, jedoch hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass die von ihm eingezahlten Beträge nicht zinsbringend angelegt werden konnten bzw. finanziert werden mussten. Insoweit kann der Kläger nicht Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen, sondern hätte den von ihm geltend gemachten Schaden konkret darlegen und der Höhe nach begründen müssen.
Die Kostenfolge beruht auf §§ 91, 92 Abs.2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.