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Grunddienstbarkeit – Löschung wegen Wegfalls der grundstücksbezogenen Vorteile

OLG München – Az.: 34 Wx 19/11 – Beschluss vom 28.10.2011

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Landshut – Grundbuchamt – vom 28. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdewert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Im Grundbuch war seit 12.7.1977 eine Grunddienstbarkeit in Form eines Getränkeausschank- und Vertriebsverbots für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks eingetragen. Auf dem herrschenden Grundstück befand sich damals eine Brauerei. Das herrschende Grundstück wurde mehrfach geteilt. Die Grunddienstbarkeit verblieb allein an dem Restgrundstück, das schließlich in Teileigentum aufgeteilt wurde. Die Beteiligte ist Eigentümerin einer Teileigentumseinheit, zugunsten derer zuletzt noch die Dienstbarkeit eingetragen war. Eine Brauerei wird auf dem Grundstück nicht mehr betrieben.

Auf Antrag der Eigentümerin des dienenden Grundstücks hat das Grundbuchamt am 23.9.2009 die Dienstbarkeit gelöscht.

Unter dem 21.10.2010 hat die Beteiligte als Eigentümerin des herrschenden Grundstücks gegen die Löschung Beschwerde mit dem Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs eingelegt. Sie hat dies damit begründet, dass zwar der Brauereibetrieb eingestellt sei und auf dem herrschenden Grundstück keine Produktion mehr stattfinde. Ansonsten sei aber hinsichtlich ihrer geschäftlichen Beziehung bzw. gewerblichen Tätigkeit von dem herrschenden Grundstück aus keine wesentliche Veränderung eingetreten. Es werde dort der Vertrieb bzw. Handel mit Getränkeprodukten betrieben. Der mit der Grunddienstbarkeit gesicherte Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks bestehe fort, wobei vor allem auf die mit der Lage verbundene Zweckbestimmung abzustellen sei. Bereits nach dem Inhalt der Dienstbarkeit bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Brauereibetrieb und dem abgesicherten Getränkeausschank- und Vertriebsverbot. Durch die Einstellung des Brauereibetriebs sei der Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks nicht weggefallen. Bereits aufgrund der räumlichen Nähe zum dienenden Grundstück stelle es für das herrschende einen erheblichen Vorteil dar, dass weiterhin das Vertriebsverbot aufrecht erhalten bleibe. Selbst wenn man einen gegenwärtigen Vorteil für das herrschende Grundstück verneinen würde, sei das Interesse am Erhalt der Grunddienstbarkeit schon dadurch begründet, dass künftige Vorteile gesichert würden. Man sei bestrebt, dort zusätzlich einen Getränkeverbrauchermarkt zu installieren. Aufgrund der räumlichen Umgebung und dem damit zu erwartenden Zulauf erscheine der Standort als geeignet. Dieser Standortvorteil würde dem herrschenden Grundstück entzogen, wenn es durch den Wegfall der Grunddienstbarkeit zur Einrichtung einer ähnlichen Betriebsstätte auf dem dienenden Grundstück komme.

Mit Beschluss vom 28.12.2010 hat das Grundbuchamt die Eintragung eines Amtswiderspruchs abgelehnt. Es sei in Bezug auf das herrschende Grundstück zu prüfen, ob die Belastung des dienenden Grundstücks einen Vorteil im Sinne des § 1019 BGB darstelle. Eine Belastung, die nur dem persönlichen, mit der Grundstücksnutzung nicht im Zusammenhang stehenden Vorteil eines bestimmten Berechtigten diene, könne nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein. Für das herrschende Grundstück könne ein solches Verbot nur dann von Vorteil sein, wenn dieses für das Gewerbe, zu dessen Gunsten der Wettbewerb verboten werden solle, besonders eingerichtet sei und in dessen Beschaffenheit seine objektive Grundlage finde. Die Aufgabe des Brauereibetriebes und die Erstellung von Wohnungs- und Teileigentum auf dem früheren Brauereigelände sei offenkundig. Werde aber das Gewerbe auf dem herrschenden Grundstück endgültig nicht mehr ausgeübt, erlösche die Grunddienstbarkeit. Der Betrieb eines Getränkehandels reiche für einen Grundstücksvorteil im Sinne von § 1019 BGB nicht aus; es fehle an „besonderen und auf Dauer bestehenden Einrichtungen“. Lager- und Büroräume seien ohne größere bauliche Veränderungen für eine Vielzahl anderer Gewerbearten nutzbar; ein Getränkehandel könne von beliebigen Grundstücken aus betrieben werden. Die Unterbindung des Vertriebs anderer als von der Niederlassung bezogener Getränke könne zwar von Vorteil für deren Betreiber sein. Jedoch sei ein solcher Vorteil nur mehr ein wesentlich persönlicher, von der Grundstücksnutzung als solcher gelöster; er könne die Aufrechterhaltung einer Grunddienstbarkeit nicht rechtfertigen. Durch die Löschung des Rechts sei deshalb keine Unrichtigkeit des Grundbuchs eingetreten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten mit dem Antrag, die Löschung der Grunddienstbarkeit zu revidieren, hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung das Grundbuchamt anzuhalten, einen Widerspruch gegen die vorgenommene Löschung einzutragen. Auf dem herrschenden Grundstück (Teileigentum) befinde sich nach wie vor der Sitz des Unternehmens. Die Dienstbarkeit sei für die Benutzung des Grundstücks objektiv nützlich. Es reiche sogar ein mittelbarer Vorteil aus. Der Inhaber der Beteiligten habe das dienende Grundstück an die jetzige Grundstückseigentümerin veräußert und dieser sei bereits damals bekannt gewesen, dass die Beteiligte nachhaltig und umfangreich Getränke aller Art vertreibe. Trotzdem sei der Eintragung der Grunddienstbarkeit zugestimmt worden, während man nun die Löschung betreibe, obwohl sich ihre betriebliche Tätigkeit nicht wesentlich geändert habe.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist als grundsätzlich statthafte Beschwerde nach § 71 Abs. 1, § 73 GBO zu behandeln. Es richtet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Eintragung eines Amtswiderspruchs. Mit dem Antrag vom 21.10.2010 hat die Beteiligte im Wege der Beschwerde gegen die Löschung ausdrücklich auch die Wiedereintragung der Dienstbarkeit beantragt. Insoweit ist sie unzulässig, weil sie sich gegen eine Eintragung in Form der Löschung richtet (Demharter GBO 27. Aufl. § 71 Rn. 49, 51). Die Beschwerde ist indessen beschränkt zulässig (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO). Mit ihr kann – abgesehen von der hier nicht im Raum stehenden Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit – verlangt werden, nach § 53 GBO einen Widerspruch einzutragen (§ 71 Abs. 2 GBO). Regelmäßig ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer das Rechtsmittelauch mit diesem – zulässigen – Inhalt einlegen möchte (vgl. Demharter § 71 Rn. 55).

2. Die Beschwerde ist auch in diesem beschränkten Umfang unbegründet.

Die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO setzt voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die letztere Voraussetzung liegt nicht vor.

a) Gemäß § 1019 Satz 1 BGB kann die Grunddienstbarkeit nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Dieser Vorteil muss gerade für die Benutzung des herrschenden Grundstücks bestehen, sich also aus seiner allgemeinen Grundstückssituation in Verbindung mit dem mit der Grunddienstbarkeitsbestellung verfolgten Zweck ergeben. Ein rein persönlicher Vorteil für den gegenwärtigen Eigentümer genügt nicht (vgl. z.B. Staudinger/Mayer BGB Neubearb. 2009, § 1019 Rn. 6 m.w.N.). Soll die Grunddienstbarkeit einem Gewerbebetrieb dienen, so wird als Voraussetzung verlangt, dass das herrschende Grundstück für dieses Gewerbe besonders eingerichtet ist oder zumindest eingerichtet werden soll und diese Einrichtung auf Dauer eine Gewähr für die Beibehaltung des Betriebs bildet (vgl. Staudinger/Mayer § 1019 Rn. 12 m.w.N.; aus der Rspr. OLG München MDR 1983, 934). Dies gilt sowohl für Benutzungs- als auch für Unterlassungsdienstbarkeiten, also auch für Wettbewerbsbeschränkungen. Bei einem Verbot zum Schutz des Gewerbes ist für die Ausgestaltung als Grunddienstbarkeit erforderlich, dass das herrschende Grundstück für das Gewerbe, das auf dem dienenden Grundstück untersagt werden soll, speziell und auf eine die Dauer des Betriebs garantierende Weise eingerichtet ist, wie z.B. mit einer entsprechenden Produktionsstätte. Entscheidend ist (vgl. Staudinger/Mayer § 1019 Rn. 12; Bayer in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. AT III Rn. 360), dass die betriebliche Einrichtung dem herrschenden Grundstück als Eigenschaft mit gewisser Dauerhaftigkeit anhaftet und damit seinen Charakter prägt. Allgemeine betriebliche Einrichtungen wie Wandgestelle, Schaufenster und anderes, die in der Nutzung indifferent bleiben, genügen nicht (OLG München MDR 1983, 934). Die betriebliche Einrichtung muss dem Grundstück als Eigenschaft anhaften und somit prägend sein (vgl. MünchKomm/Joost BGB 5. Aufl. § 1019 Rn. 5).

b) Auch für künftige Zwecke kann eine Grunddienstbarkeit bestellt werden (vgl. Staudinger/ Mayer § 1019 Rn. 10; Bayer in Bauer/von Oefele AT III Rn. 363). Allerdings reicht nicht jede abstrakte Möglichkeit, sondern es genügen nur solche Vorteile, mit denen nach objektiven Anhaltspunkten bei einem normalen und regelmäßigen Verlauf der Dinge gerechnet werden kann. Es reicht aus, wenn auf dem herrschenden Grundstück ein Gewerbebetrieb erst eingerichtet und dadurch erst in Zukunft die objektive Grundlage geschaffen werden soll, um die Grunddienstbarkeit ausüben zu können. Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit, dass das herrschende Grundstück für das Gewerbe besonders eingerichtet ist oder im Falle der Bestellung für künftige Zwecke wenigstens die Absicht besteht.

c) Nach dem vom Grundbuchamt festgestellten Veränderungen waren die Voraussetzungen an dem ehemals dienenden Grundstück auch bei weiter Auslegung (vgl. BGHZ 44, 171/174) nicht mehr gegeben. Das frühere Brauereigrundstück ist in Teileigentum aufgeteilt. Es steht – anderes behauptet auch die Beteiligte nicht – fest, dass der Betrieb einer Brauerei in absehbarer Zeit nicht mehr aufgenommen werden wird. Der Betrieb eines Getränkehandels in Büroräumen und/oder auch eines Getränkemarktes erfüllt die oben genannten Voraussetzungen nicht. Insoweit kann auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen werden. Lager- und Büroräume sind ohne größere bauliche Veränderungen für eine Vielzahl anderer Gewerbearten nutzbar. Ein Vorteil gerade für das konkrete Grundstück in seiner Lage, Beschaffenheit und Zweckbestimmung ist nicht mehr gegeben. Der in der Wettbewerbsbeschränkung liegende Vorteil besteht auch für jedes andere Grundstück, von dem aus ein Getränkevertrieb oder auf dem ein Getränkemarkt betrieben werden soll.

Demnach gibt es keine Anhaltspunkte, dass durch die Löschung das Grundbuch unrichtig geworden ist.

d) Allerdings wurde die Beteiligte vor der nach § 22 Abs. 1 GBO wegen nachgewiesener Unrichtigkeit erfolgten Löschung nicht angehört, wie es schon aufgrund ihrer formalen Buchposition unerlässlich gewesen wäre (vgl. Hügel/Holzer GBO 2. Aufl. § 22 Rn. 21 m.w.N.). Auch wenn hierin eine Gesetzesverletzung im Sinn des § 53 GBO liegt, so fehlt es doch (siehe oben unter a-c) an einer Unrichtigkeit des Grundbuchs.

III.

Einer gesonderten Entscheidung über die begehrte einstweilige Anordnung (§ 76 GBO) bedarf es nicht mehr.

IV.

Der Geschäftswert entspricht in etwa dem Wert, der seinerzeit beanstandungsfrei für die Eintragung der Gewerbebetriebsbeschränkung (50.000 DM) angesetzt wurde (§ 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1, § 22 KostO).

V.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

 

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